Lilli Henoch

Verlegeort
Treuchtlinger Str. 5
Historischer Name
Haberlandstr. 11
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
05. Juli 2008
Geboren
26. Oktober 1899 in Königsberg / Kaliningrad
Beruf
Sportlehrerin
Zwangsarbeit
Arbeiterin (dem Landwerk Neuendorf)
Deportation
am 05. September 1942 nach Riga
Ermordet
08. September 1942 in Riga

Lilli Henoch war eine der bekanntesten deutschen Sportlerinnen der Weimarer Republik. Lilli Margarethe Rahel Henoch war als zweite Tochter des Kaufmanns Leo Henoch und seiner Frau Rose am 26. Oktober 1899 in Königsberg (heutiges Kalinigrad) in einem großbürgerlichen Elternhaus zur Welt gekommen. Ihre ältere Schwester Suse war 1898 geboren, der jüngere Bruder Max zu Beginn des Jahres 1910. Zwei Jahre später, 1912, verstarb der Vater. 1919 zog die jung verwitwete Mutter mit den Kindern nach Berlin. Hier heiratete sie den Versicherungsdirektor Mendel Mendelsohn. Mutter, Stiefvater und die drei Geschwister bezogen nun eine großzügige Wohnung im Bayerischen Viertel in der Haberlandstraße 11 (heute: Treuchtlinger Straße 5).<br />
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Lilli, nach Aussage ihrer Schwester von klein auf eine leidenschaftliche Sportlerin, trat bald nach dem Umzug dem Berliner Sport-Club bei. Dieser hatte gerade eine Damenabteilung gegründet und gehörte zu den renommiertesten Sportvereinen Deutschlands. Hier begann die beispiellose Karriere der jungen Sportlerin, die sie an die Weltspitze führen und zu einer Protagonistin des deutschen Frauensports machen sollte. Schon 1921 verlieh ihr der BSC als erster Frau seine höchste Auszeichnung, den „Goldenen Adler“, das Vereinsemblem. Lilli Henoch war für ihren Verein außerordentlich erfolgreich: Zwischen 1922 und 1926 wurde sie zehnfache Deutsche Meisterin in den Disziplinen Kugelstoßen, Diskuswurf, Weitsprung und mit der 4-mal-100-Meter-Staffel des BSC. Dabei stellte sie vier Weltrekorde auf und zählte darüber hinaus auch in den Mannschaftssportarten Hockey und Handball zur Elite. Jenseits ihrer sportlichen Leistungen übernahm sie beim BSC mehr und mehr ehrenamtliche Aufgaben in der Organisation. Im Januar 1933, am Vorabend der nationalsozialistischen Machtübernahme, war sie gerade zur Vorsitzenden der gesamten Damenleichtathletikabteilung gewählt worden. Die Freude über diese Ehre währte indes nur kurz: Lilli Henoch war Jüdin und wurde aus diesem Grund noch im August desselben Jahres trotz all ihrer Verdienste aus dem Verein ausgeschlossen. <br />
<br />
Da sie nicht ohne sportliche Herausforderung sein wollte, trat sie dem „Jüdischen Turn- und Sportclub 1905“ bei. Hier baute sie die Handball-Mannschaft auf, die sich unter ihrer Leitung zu einer der besten im jüdischen Sportbereich entwickelte. Angebote aus den USA und den Niederlanden, dort als Trainerin zu arbeiten, schlug Lilli Henoch aus.<br />
<br />
Seit 1933 arbeitete sie in der Jüdischen Volksschule in der Rykestraße (Prenzlauer Berg) als Turnlehrerin, sie gehörte zu den wenigen diplomierten Turnlehrerinnen der Zeit und war lange die einzige Fachkraft an der Schule. Sie erteilte dort sowohl Jungen wie Mädchen Unterricht. Erst als die Schülerzahl durch die Ausgrenzung der jüdischen Schüler an den öffentlichen Schulen immer weiter anwuchs, wurde für die Jungen ein weiterer Sportlehrer eingestellt. <br />
<br />
Einmal im Jahr fand auf dem der Jüdischen Gemeinde gehörenden Sportplatz im Grunewald ein überregionales Schulsportfest statt, das bei Kindern und Eltern sehr beliebt war. Lilli Henoch spielte dabei eine tragende Rolle. Auf Grund ihrer fachlichen Qualifikation und ihrer langjährigen Erfahrung war sie bei der Organisation und Durchführung dieser Veranstaltung immer in führender Position tätig, letztmals im Sommer 1938. Nach dem Novemberpogrom konnte der Sportplatz nicht mehr benutzt werden, da er beschlagnahmt worden war. Bis zur Schließung der Schule in der Rykestraße am 30. Juni 1942 war Lilli Henoch dort weiterhin als Sportlehrerin tätig, danach war sie Erntehelferin in dem mittlerweile der SS unterstellten ehemaligen Auswandererlehrgut Neuendorf bei Fürstenwalde. Sie lebte noch immer mit ihrer Mutter zusammen, seit Mai 1941 zur Untermiete in der Kleiststraße 36 bei Frau Askenaze in einer Judenwohnung. Zuvor hatten sie ihre frühere Wohnung im Bayerischen Viertel mit vier jüdischen Untermietern teilen müssen, die sie nach dem Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939 aufnehmen mussten.<br />
<br />
Im Sommer 1942 erhielten Lilli Henoch und ihre Mutter Rose die Aufforderung zur „Evakuierung“. Die von Lilli Henoch am 26. August 1942 unterzeichnete Vermögenserklärung vermerkt als letzte Beschäftigung: „Ernteeinsatz in Neuendorf“. Am 5. September 1942 wurde sie gemeinsam mit ihrer Mutter mit dem „19. Osttransport“ nach Riga deportiert. Drei Tage dauerte die Fahrt im Viehwaggon. Gleich nach der Ankunft wurden Lilli Henoch und ihre Mutter Rose ermordet.<br />
<br />
Lilli Henochs jüngerer Bruder Max wurde am 19. April 1943 nach Auschwitz deportiert, er verstarb am 2. April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald. Einzig die ältere Schwester Suse überlebte die NS-Zeit. Sie war frühzeitig nach Rumänien ausgewandert.

Lilli Henoch war eine der bekanntesten deutschen Sportlerinnen der Weimarer Republik. Lilli Margarethe Rahel Henoch war als zweite Tochter des Kaufmanns Leo Henoch und seiner Frau Rose am 26. Oktober 1899 in Königsberg (heutiges Kalinigrad) in einem großbürgerlichen Elternhaus zur Welt gekommen. Ihre ältere Schwester Suse war 1898 geboren, der jüngere Bruder Max zu Beginn des Jahres 1910. Zwei Jahre später, 1912, verstarb der Vater. 1919 zog die jung verwitwete Mutter mit den Kindern nach Berlin. Hier heiratete sie den Versicherungsdirektor Mendel Mendelsohn. Mutter, Stiefvater und die drei Geschwister bezogen nun eine großzügige Wohnung im Bayerischen Viertel in der Haberlandstraße 11 (heute: Treuchtlinger Straße 5).

Lilli, nach Aussage ihrer Schwester von klein auf eine leidenschaftliche Sportlerin, trat bald nach dem Umzug dem Berliner Sport-Club bei. Dieser hatte gerade eine Damenabteilung gegründet und gehörte zu den renommiertesten Sportvereinen Deutschlands. Hier begann die beispiellose Karriere der jungen Sportlerin, die sie an die Weltspitze führen und zu einer Protagonistin des deutschen Frauensports machen sollte. Schon 1921 verlieh ihr der BSC als erster Frau seine höchste Auszeichnung, den „Goldenen Adler“, das Vereinsemblem. Lilli Henoch war für ihren Verein außerordentlich erfolgreich: Zwischen 1922 und 1926 wurde sie zehnfache Deutsche Meisterin in den Disziplinen Kugelstoßen, Diskuswurf, Weitsprung und mit der 4-mal-100-Meter-Staffel des BSC. Dabei stellte sie vier Weltrekorde auf und zählte darüber hinaus auch in den Mannschaftssportarten Hockey und Handball zur Elite. Jenseits ihrer sportlichen Leistungen übernahm sie beim BSC mehr und mehr ehrenamtliche Aufgaben in der Organisation. Im Januar 1933, am Vorabend der nationalsozialistischen Machtübernahme, war sie gerade zur Vorsitzenden der gesamten Damenleichtathletikabteilung gewählt worden. Die Freude über diese Ehre währte indes nur kurz: Lilli Henoch war Jüdin und wurde aus diesem Grund noch im August desselben Jahres trotz all ihrer Verdienste aus dem Verein ausgeschlossen.

Da sie nicht ohne sportliche Herausforderung sein wollte, trat sie dem „Jüdischen Turn- und Sportclub 1905“ bei. Hier baute sie die Handball-Mannschaft auf, die sich unter ihrer Leitung zu einer der besten im jüdischen Sportbereich entwickelte. Angebote aus den USA und den Niederlanden, dort als Trainerin zu arbeiten, schlug Lilli Henoch aus.

Seit 1933 arbeitete sie in der Jüdischen Volksschule in der Rykestraße (Prenzlauer Berg) als Turnlehrerin, sie gehörte zu den wenigen diplomierten Turnlehrerinnen der Zeit und war lange die einzige Fachkraft an der Schule. Sie erteilte dort sowohl Jungen wie Mädchen Unterricht. Erst als die Schülerzahl durch die Ausgrenzung der jüdischen Schüler an den öffentlichen Schulen immer weiter anwuchs, wurde für die Jungen ein weiterer Sportlehrer eingestellt.

Einmal im Jahr fand auf dem der Jüdischen Gemeinde gehörenden Sportplatz im Grunewald ein überregionales Schulsportfest statt, das bei Kindern und Eltern sehr beliebt war. Lilli Henoch spielte dabei eine tragende Rolle. Auf Grund ihrer fachlichen Qualifikation und ihrer langjährigen Erfahrung war sie bei der Organisation und Durchführung dieser Veranstaltung immer in führender Position tätig, letztmals im Sommer 1938. Nach dem Novemberpogrom konnte der Sportplatz nicht mehr benutzt werden, da er beschlagnahmt worden war. Bis zur Schließung der Schule in der Rykestraße am 30. Juni 1942 war Lilli Henoch dort weiterhin als Sportlehrerin tätig, danach war sie Erntehelferin in dem mittlerweile der SS unterstellten ehemaligen Auswandererlehrgut Neuendorf bei Fürstenwalde. Sie lebte noch immer mit ihrer Mutter zusammen, seit Mai 1941 zur Untermiete in der Kleiststraße 36 bei Frau Askenaze in einer Judenwohnung. Zuvor hatten sie ihre frühere Wohnung im Bayerischen Viertel mit vier jüdischen Untermietern teilen müssen, die sie nach dem Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939 aufnehmen mussten.

Im Sommer 1942 erhielten Lilli Henoch und ihre Mutter Rose die Aufforderung zur „Evakuierung“. Die von Lilli Henoch am 26. August 1942 unterzeichnete Vermögenserklärung vermerkt als letzte Beschäftigung: „Ernteeinsatz in Neuendorf“. Am 5. September 1942 wurde sie gemeinsam mit ihrer Mutter mit dem „19. Osttransport“ nach Riga deportiert. Drei Tage dauerte die Fahrt im Viehwaggon. Gleich nach der Ankunft wurden Lilli Henoch und ihre Mutter Rose ermordet.

Lilli Henochs jüngerer Bruder Max wurde am 19. April 1943 nach Auschwitz deportiert, er verstarb am 2. April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald. Einzig die ältere Schwester Suse überlebte die NS-Zeit. Sie war frühzeitig nach Rumänien ausgewandert.