Ilse Kunz-Krause geb. Rosenberg

Verlegeort
Schillerstr. 14
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
19. April 2010
Geboren
13. November 1889 in Berlin
Flucht in den Tod
02. Dezember 1943

Ilse Rosenberg, manchmal - auch in offiziellen Dokumenten - „Ilseliebe“ genannt, wurde am 13. November 1889 in Berlin geboren. Ihr Vater Paul Rosenberg hatte laut Berliner Adressbuch ein „Spezialgeschäft für Papier, Schreibrequisiten Engr. Export, Det., Buch- und Steindruckerei, Kouvert- und Kontobücherfabrik, Buchbinderei“ am Spittelmarkt, später hieß es einfacher „Papierwarenfabrik“ und lag in der Wallstrasse. Die Mutter, Helene, war eine geborene Heinemann. Rosenbergs lebten zunächst in der Kleinbeerenstraße 11. Als Ilse neun Jahre alt war, zogen sie in die Potsdamer Straße 63. Dort wohnte sie bis zu ihrer Heirat 1907 mit ihrem ersten Ehemann, Arthur Themal. <br />
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Die Familie Themal stammte aus Posen und hatte auch mit Papierhandel zu tun, sodass Ilse und Arthur sich möglicherweise über die Geschäfte ihres Vaters kennen lernten. Arthur selber, im Adressbuch schlicht als „Kaufmann“ bezeichnet, soll mehrere Fabriken in Schlesien besessen haben. Das Paar hatte drei Kinder: 1909 wurde Lieselott geboren, 1911 folgte Hans Joachim, nach sieben Jahren, 1918, Heinz Jürgen. Die Familie lebte in Köslin (Posen) und zog später nach Dresden, wo sie eine gediegene Villa bewohnt haben soll. Dennoch gab es Probleme, 1926 wurde die Ehe geschieden. Ilse behielt die Villa, die Kinder lebten alle oder zum Teil mit dem Vater in Berlin und Schlesien. <br />
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1927 heiratete Ilse in zweiter Ehe den Dresdner Musiker und Kapellmeister Heinrich Kunz-Krause, Jahrgang 1896. Er war nicht jüdischer Abstammung und hatte zunächst keine berufliche Einschränkungen unter den Nationalsozialisten zu befürchten. 1938 war aber seine jüdische Ehefrau doch ein Nachteil: „...wer mit einer Jüdin verheiratet ist, wird grundsätzlich wie ein Halbjude behandelt...“ hieß es in den Arbeitsrichtlinien der Reichskulturkammer. Er konnte sich aber eine Ausnahmegenehmigung beschaffen, um dennoch Mitglied der Reichskulturkammer zu bleiben und folglich in seinem Beruf tätig zu sein. Im Frühjahr 1938 zogen Ilse und Heinrich nach Berlin, dort hatte er ein Engagement am Rose-Theater gefunden, ein damals sehr populäres Volkstheater in der Großen Frankfurter Straße. <br />
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Das Rose-Theater, bereits im 19. Jahrhundert von Bernhard Rose gegründet, wurde von dessen Söhnen weitergeführt, Paul Rose war der Direktor. In der Nazi-Zeit fuhr er einen unstreitbar angepassten Kurs, neben unverdächtigen Klassikern gab es auch ausgesprochen antisemitische Stücke. Andererseits engagierte Paul Rose bewusst auch Künstler, die aus politischen oder „rassischen“ Gründen nur schwer Arbeit fanden, so auch Heinrich Kunz-Krause.<br />
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Kunz-Krauses zogen in Berlin in die Schillerstraße 14/15, die Einrichtung brachten sie zu großen Teilen aus der Dresdener Villa mit. In der Berliner Wohnung besuchte Tochter Lieselott kurz vor der Emigration 1938 ihre Mutter. Ilse fühlte sich wahrscheinlich durch ihren nicht-jüdischen Ehemann geschützt, während des Krieges wurde sie aber von der Gestapo abgeholt. Nur unter großen Schwierigkeiten gelang es Heinrich Kunz-Krause seine Frau nach einigen Tagen wieder frei zu bekommen. Nun war sie aber in der Nachbarschaft aufgefallen und Drohbriefe und Schmähungen machten ihr das Leben zunehmend unerträglich. Der Portier berichtete nach 1945, sie habe sich nicht mehr auf die Straße getraut, Einkäufe habe die Portierfrau für sie erledigt.<br />
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Am 1. Dezember 1943 berichtete die Berliner Volks-Zeitung – fälschlich – alle Juden würden ausnahmslos in Konzentrationslager deportiert. Heinrich Kunz-Krause und seine Frau Ilse wollten nicht auch das noch abwarten und beschlossen umgehend, sich gemeinsam das Leben zu nehmen. In einem ergreifenden Abschiedsbrief an Paul Rose, begründete Kunz-Krause seinen „Entschluss mit meiner Frau, meinem einzigen und besten Lebenskameraden, freiwillig aus dem Leben zu scheiden.“ Er bat Paul Rose, dem er seinen besonderen Dank bezeugte, „die Vollstreckung meines beigefügten ‚Letzten Willens’ zu übernehmen und diesen durchzuführen.“ Das Testament enthielt genaue Anweisungen über die Verteilung ihres gemeinsamen Besitzes. Als im September 1944 die Oberfinanzdirektion ihre Schätzer zur Inventarisierung und Beschlagnahmung vorbeischickte, mussten diese vom Portier erfahren, dass der Nachlass bereits abgeholt sei, „verfügt habe Intendant Rose und die Sachen alle verteilt“. Eine Aufforderung an Rose, die „Sachen“ zurückzugeben, scheint ohne Antwort geblieben zu sein.<br />
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Ilse Kunz-Krause nahm sich am 2. Dezember 1943 in der Schillerstrasse 14/15 zusammen mit ihrem Mann mit Schlaftabletten und Gas das Leben. Ihre Kinder konnten fliehen, Lieselott heiratete in Alexandria und lebte später in New York, ihre beiden Brüder gelangten auf verschlungenen Umwegen ebenfalls in die USA. Arthur Themal, der Vater, am 23. Juni 1875 in Posen geboren, war schon ein Jahr vor Ilses Freitod nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.<br />
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Ilse Rosenberg, manchmal - auch in offiziellen Dokumenten - „Ilseliebe“ genannt, wurde am 13. November 1889 in Berlin geboren. Ihr Vater Paul Rosenberg hatte laut Berliner Adressbuch ein „Spezialgeschäft für Papier, Schreibrequisiten Engr. Export, Det., Buch- und Steindruckerei, Kouvert- und Kontobücherfabrik, Buchbinderei“ am Spittelmarkt, später hieß es einfacher „Papierwarenfabrik“ und lag in der Wallstrasse. Die Mutter, Helene, war eine geborene Heinemann. Rosenbergs lebten zunächst in der Kleinbeerenstraße 11. Als Ilse neun Jahre alt war, zogen sie in die Potsdamer Straße 63. Dort wohnte sie bis zu ihrer Heirat 1907 mit ihrem ersten Ehemann, Arthur Themal.

Die Familie Themal stammte aus Posen und hatte auch mit Papierhandel zu tun, sodass Ilse und Arthur sich möglicherweise über die Geschäfte ihres Vaters kennen lernten. Arthur selber, im Adressbuch schlicht als „Kaufmann“ bezeichnet, soll mehrere Fabriken in Schlesien besessen haben. Das Paar hatte drei Kinder: 1909 wurde Lieselott geboren, 1911 folgte Hans Joachim, nach sieben Jahren, 1918, Heinz Jürgen. Die Familie lebte in Köslin (Posen) und zog später nach Dresden, wo sie eine gediegene Villa bewohnt haben soll. Dennoch gab es Probleme, 1926 wurde die Ehe geschieden. Ilse behielt die Villa, die Kinder lebten alle oder zum Teil mit dem Vater in Berlin und Schlesien.

1927 heiratete Ilse in zweiter Ehe den Dresdner Musiker und Kapellmeister Heinrich Kunz-Krause, Jahrgang 1896. Er war nicht jüdischer Abstammung und hatte zunächst keine berufliche Einschränkungen unter den Nationalsozialisten zu befürchten. 1938 war aber seine jüdische Ehefrau doch ein Nachteil: „...wer mit einer Jüdin verheiratet ist, wird grundsätzlich wie ein Halbjude behandelt...“ hieß es in den Arbeitsrichtlinien der Reichskulturkammer. Er konnte sich aber eine Ausnahmegenehmigung beschaffen, um dennoch Mitglied der Reichskulturkammer zu bleiben und folglich in seinem Beruf tätig zu sein. Im Frühjahr 1938 zogen Ilse und Heinrich nach Berlin, dort hatte er ein Engagement am Rose-Theater gefunden, ein damals sehr populäres Volkstheater in der Großen Frankfurter Straße.

Das Rose-Theater, bereits im 19. Jahrhundert von Bernhard Rose gegründet, wurde von dessen Söhnen weitergeführt, Paul Rose war der Direktor. In der Nazi-Zeit fuhr er einen unstreitbar angepassten Kurs, neben unverdächtigen Klassikern gab es auch ausgesprochen antisemitische Stücke. Andererseits engagierte Paul Rose bewusst auch Künstler, die aus politischen oder „rassischen“ Gründen nur schwer Arbeit fanden, so auch Heinrich Kunz-Krause.

Kunz-Krauses zogen in Berlin in die Schillerstraße 14/15, die Einrichtung brachten sie zu großen Teilen aus der Dresdener Villa mit. In der Berliner Wohnung besuchte Tochter Lieselott kurz vor der Emigration 1938 ihre Mutter. Ilse fühlte sich wahrscheinlich durch ihren nicht-jüdischen Ehemann geschützt, während des Krieges wurde sie aber von der Gestapo abgeholt. Nur unter großen Schwierigkeiten gelang es Heinrich Kunz-Krause seine Frau nach einigen Tagen wieder frei zu bekommen. Nun war sie aber in der Nachbarschaft aufgefallen und Drohbriefe und Schmähungen machten ihr das Leben zunehmend unerträglich. Der Portier berichtete nach 1945, sie habe sich nicht mehr auf die Straße getraut, Einkäufe habe die Portierfrau für sie erledigt.

Am 1. Dezember 1943 berichtete die Berliner Volks-Zeitung – fälschlich – alle Juden würden ausnahmslos in Konzentrationslager deportiert. Heinrich Kunz-Krause und seine Frau Ilse wollten nicht auch das noch abwarten und beschlossen umgehend, sich gemeinsam das Leben zu nehmen. In einem ergreifenden Abschiedsbrief an Paul Rose, begründete Kunz-Krause seinen „Entschluss mit meiner Frau, meinem einzigen und besten Lebenskameraden, freiwillig aus dem Leben zu scheiden.“ Er bat Paul Rose, dem er seinen besonderen Dank bezeugte, „die Vollstreckung meines beigefügten ‚Letzten Willens’ zu übernehmen und diesen durchzuführen.“ Das Testament enthielt genaue Anweisungen über die Verteilung ihres gemeinsamen Besitzes. Als im September 1944 die Oberfinanzdirektion ihre Schätzer zur Inventarisierung und Beschlagnahmung vorbeischickte, mussten diese vom Portier erfahren, dass der Nachlass bereits abgeholt sei, „verfügt habe Intendant Rose und die Sachen alle verteilt“. Eine Aufforderung an Rose, die „Sachen“ zurückzugeben, scheint ohne Antwort geblieben zu sein.

Ilse Kunz-Krause nahm sich am 2. Dezember 1943 in der Schillerstrasse 14/15 zusammen mit ihrem Mann mit Schlaftabletten und Gas das Leben. Ihre Kinder konnten fliehen, Lieselott heiratete in Alexandria und lebte später in New York, ihre beiden Brüder gelangten auf verschlungenen Umwegen ebenfalls in die USA. Arthur Themal, der Vater, am 23. Juni 1875 in Posen geboren, war schon ein Jahr vor Ilses Freitod nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.