Hedwig Kadisch geb. Brauer

Verlegeort
Björnsonstraße 3
Bezirk/Ortsteil
Steglitz
Verlegedatum
10. Mai 2012
Geboren
31. März 1879 in Beuthen O.S (Schlesien) / Bytom
Deportation
am 14. Juni 1942 nach Sobibór
Tot
in Sobibór

Bei der Volkszählung im Mai 1939 sind in dem Haus Björnsonstr. 3 das Ehepaar Adolf (*20. August 1878 in Stenschewo /Stęszew in Posen, heute Polen) und Hedwig Kadisch, geb. Brauer (*31. März 1879 in Beuthen/Ost-Schlesien) gemeldet. 

Sie haben einen gemeinsamen Sohn Werner (*3. Dezember 1901). Werner wird - wahrscheinlich im Zuge der Novemberpogrome 1938 - in Sachsenhausen inhaftiert und am 20. Dezember 1938 wieder entlassen. Im Juni 1942 kann er nach Sydney auswandern.

Auf Anweisung des damaligen Wilmersdorfer Amtsarztes wird Hedwig Kadisch in Wittenau eingeweisen. Von dort aus kommt sie in die Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn bei Koblenz und von dort aus wird sie am 15. Juni 1942 nach Sobibor (Polen) deportiert. 

Ihr Mann wird in einer sogenannten Judenwohnung in Grunewald einquartiert und von dort aus über Frankfurt nach Estland deportiert. (siehe Biografie Adolf Kadisch)

Hedwig Brauer wurde am 31. März 1879 in Beuthen/Oberschlesien geboren. Ihr Vater war der Kaufmann Adolf Brauer, ihre Mutter hieß Henriette, geb. Berg. Sie hatte einen älteren Bruder  Heinrich Carl, geboren am 8. Mai 1876, und eine ältere Schwester Clara Nanny,  geboren am  4. Oktober 1877. Laut „Adressbuch der Stadt Beuthen O.S. und der ländlichen Ortschaften des Kreises Beuthen 1880“ wohnte die Familie in der Krakauer Straße 23, wo sich auch die Firma befand, in der Adolf Brauer im Feinkostgeschäft (vermutlich des Vaters ) „H. Brauer, Specereiwaaren“  tätig war. 
Hedwig Brauer war Buchhalterin, als sie am 9. Mai 1910 Adolf Abraham Kadisch heiratete, der am 20. August 1878 in Stenschewo /Stęszew in Posen, heute Polen geboren wurde. Beide waren laut Heiratsurkunde mosaischer Religion. Zum Zeitpunkt der Heirat lebte Hedwig bereits in Berlin, in der Regensburgerstr. 3.  Das Ehepaar blieb kinderlos. 

Adolf und Helene Kadisch hatten viele Jahre ihren Lebensmittelpunkt in Charlottenburg, wo sie an repräsentativen Adressen wohnten. Ab 1934 gab es dann häufige Wechsel in den Adressen, 1938 und 1939 war Adolf Kadisch in der Bozener Str. 17  in Schöneberg ausgewiesen. 

1940 stand Adolf Israel Kadisch mit Adresse Giesebrechtstr. 15 in Charlottenburg das letzte Mal im Adressbuch. Tatsäch waren  er und seine Ehefrau Hedwig jedoch bei der im Mai 1939 durchgeführten Volkszählung  bereits als Untermieter in der Björnsonstr. 3 in Steglitz erfasst worden. 1941 oder 1942 lebte Adolf Kadisch in einer  "Judenwohnung" in der Hubertusallee 37 in Berlin Grunewald. 

Hedwig Kadisch war zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt auf Anweisung des damaligen Wilmersdorfer Amtsarztes in die Wittenauer Heilstätten (heute Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) eingeliefert und von dort in die Israelitische Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke in Bendorf-Sayn bei Koblenz überführt worden. Diese war 1869 von dem Kaufmann Meyer Jacoby für jüdische Patientinnen und Patienten gegründet worden. Die "Jacoby`sche Anstalt" genannte Klinik blieb in den ersten Jahren des Nationalsozialismus relativ unbehelligt. 1940 konnte Gründerfamilie Jacoby nach Südamerika entkommen. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland übernahm die Verwaltung der Klinik. Ab März 1942 wurden die dort eingewiesenen Menschen in die Vernichtungslager deportiert. Bis zum November 1942 waren es 573 Patientinnen und Patienten.

Hedwig Kadisch wurde am 15. Juni 1942 von Koblenz über Köln, Düsseldorf und Berlin mit insgesamt 1003 Menschen nach Sobibor deportiert, wo sie am 19. Juni ankam. Dort wurde sie ermordet.
Ihr Ehemann Adolf Kadisch wurde am 26. September 1942 mit dem 20. Osttransport von Berlin Moabit nach Raasiku bei Reval deportiert und ermordet.

Hedwigs Schwester Clara lebte in Hamburg. Sie hatte einen unehelichen Sohn Horst, der am 2. November 1916 geboren wurde. Horst gelang im Dezember 1938 gemeinsam mit seinem Freund Hans Hochfeld die Flucht nach Brasilien. Clara Brauer wurde am 18. November 1941 von Hamburg aus nach Minsk deportiert und ermordet.
Hedwigs Bruder Heinrich Brauer  starb am 25. März 1936 im Sanatorium Löw in Wien. Der Leichnam wurde nach Prag überführt und auf dem Israelitischen Friedhof Zizkov (heute Neuer Jüdischer Friedhof) beigesetzt. Das Grab existiert noch. Die Inschrift besagt, dass Heinrich Vater und Großvater war.  Seine Witwe Cilly meldete sich im Juli 1939 aus Prag ab, ihr weiteres Schicksal ist uns nicht bekannt.