Dr. Richard Lewy-Lingen

Verlegeort
Ahrenshooper Zeile 35
Bezirk/Ortsteil
Schlachtensee
Verlegedatum
23. Oktober 2011
Geboren
28. Februar 1881 in Berlin
Flucht in den Tod
13. Oktober 1942 in Berlin

Richard Lewy-Lingen wurde 1881 als Richard Lewy geboren. Er heiratete eine Enkelin von Samuel Strassmann, einem der vier Strassmann-Ärzte, die zwecks höherer Bildung aus Polen nach Berlin eingewandert waren, eine geborene Marie Gertrude Fraenkel. Sie war evangelisch getauft. Richard war mosaischen Glaubens.<br />
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Als das Ehepaar 1920 einen ersten Sohn bekam, ließ Richard seinen Familiennamen in Lewy-Lingen erweitern. Er meinte, das sei ein gewisser Schutz vor Antisemitismus. Ein Jahr später bekam das Ehepaar auch eine Tochter.<br />
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Richard Lewy-Lingen war promovierter Volljurist und brachte es bis zum Landgerichtsdirektor. Vermutlich 1936 wurde er zwangsentlassen, also mit 55 Jahren. Ab 1937 ist er im Berliner Adressbuch als „i.R.“ (im Ruhestand) verzeichnet, ab 1938 als a.D. (außer Dienst). Diese Daten lassen vermuten, dass er im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft hat. Denn nur für Soldaten, die an vorderster Front gekämpft hatten, galt das sogenannte Frontkämpferprivileg, auf dem Reichspräsident Hindenburg bestanden hatte. (Wer nicht darunter fiel, wurde schon 1934 entlassen.) Mit den Nürnberger Gesetzen fiel aber auch dieser vorübergehende Schutz weg. Die vierköpfige Familie wohnte in den 1930er Jahren zur Miete in der Nussbaumallee 1 in Berlin-Charlottenburg.<br />
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Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, war für Dr. Richard Lewy-Lingen klar, dass der Name allein seine Familie nicht ausreichend schützen würde. Zumindest die Kinder wurden dann evangelisch getauft. Ob auch Richard konvertierte, konnte bisher nicht ermittelt werden. Er erkannte bald, dass die Familie in Deutschland keine Zukunft hatte. Im Januar oder Februar 1939 wurden die beiden Kinder nach England geschickt. Das Ehepaar Lewy-Lingen zog im September 1939 zu einem Cousin von Marie, zu Dr. Reinhold Strassmann in die Ahrenshooperzeile 35 in Schlachtensee. Dort war gerade eine Wohnung durch Emigration freigeworden. Auch die Eltern Lewy-Lingen hatten Ausreiseanträge gestellt und hofften, ihren Kindern bald folgen zu können.<br />
<br />
Am 19. September 1941 jedoch wurde das Ausreiseverbot für als jüdisch definierte Menschen erlassen. Da das Haus Ahrenshooperzeile 35 zum Jahresende zwangsverkauft wurde, musste das Ehepaar Lewy-Lingen nun in das Bayerische Viertel ziehen. Nicht nur das. Die Menschen, die nicht als „arisch“ galten, wurden nun auch zur Zwangsarbeit gezwungen. Ob Dr. Lewy-Lingen Bomben räumen musste oder Munition herstellen musste, ist derzeit nicht bekannt.<br />
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Aber der Jurist Lewy-Lingen, der schon früh nicht nur realistisch, sondern was die Zukunft betraf, auch sehr pessimistisch gewesen war, erkannte wohl wiederum sehr bald, was die schon im Oktober 1941 beginnenden Transporte bedeuteten. Denn es kam niemand zurück. Und von den Transporten, die nicht nach Theresienstadt gingen, sondern in den Osten, kam auch nie ein Lebenszeichen.<br />
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Am 13. Oktober 1942 setzte Dr. Richard Lewy-Lingen zusammen mit seiner Frau seinem Leben ein Ende. Verwandte in den USA, die emigrieren konnten, bezeichnen das als einen Akt der Selbstbestimmung und der Wahrung der eigenen Würde.

Richard Lewy-Lingen wurde 1881 als Richard Lewy geboren. Er heiratete eine Enkelin von Samuel Strassmann, einem der vier Strassmann-Ärzte, die zwecks höherer Bildung aus Polen nach Berlin eingewandert waren, eine geborene Marie Gertrude Fraenkel. Sie war evangelisch getauft. Richard war mosaischen Glaubens.

Als das Ehepaar 1920 einen ersten Sohn bekam, ließ Richard seinen Familiennamen in Lewy-Lingen erweitern. Er meinte, das sei ein gewisser Schutz vor Antisemitismus. Ein Jahr später bekam das Ehepaar auch eine Tochter.

Richard Lewy-Lingen war promovierter Volljurist und brachte es bis zum Landgerichtsdirektor. Vermutlich 1936 wurde er zwangsentlassen, also mit 55 Jahren. Ab 1937 ist er im Berliner Adressbuch als „i.R.“ (im Ruhestand) verzeichnet, ab 1938 als a.D. (außer Dienst). Diese Daten lassen vermuten, dass er im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft hat. Denn nur für Soldaten, die an vorderster Front gekämpft hatten, galt das sogenannte Frontkämpferprivileg, auf dem Reichspräsident Hindenburg bestanden hatte. (Wer nicht darunter fiel, wurde schon 1934 entlassen.) Mit den Nürnberger Gesetzen fiel aber auch dieser vorübergehende Schutz weg. Die vierköpfige Familie wohnte in den 1930er Jahren zur Miete in der Nussbaumallee 1 in Berlin-Charlottenburg.

Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, war für Dr. Richard Lewy-Lingen klar, dass der Name allein seine Familie nicht ausreichend schützen würde. Zumindest die Kinder wurden dann evangelisch getauft. Ob auch Richard konvertierte, konnte bisher nicht ermittelt werden. Er erkannte bald, dass die Familie in Deutschland keine Zukunft hatte. Im Januar oder Februar 1939 wurden die beiden Kinder nach England geschickt. Das Ehepaar Lewy-Lingen zog im September 1939 zu einem Cousin von Marie, zu Dr. Reinhold Strassmann in die Ahrenshooperzeile 35 in Schlachtensee. Dort war gerade eine Wohnung durch Emigration freigeworden. Auch die Eltern Lewy-Lingen hatten Ausreiseanträge gestellt und hofften, ihren Kindern bald folgen zu können.

Am 19. September 1941 jedoch wurde das Ausreiseverbot für als jüdisch definierte Menschen erlassen. Da das Haus Ahrenshooperzeile 35 zum Jahresende zwangsverkauft wurde, musste das Ehepaar Lewy-Lingen nun in das Bayerische Viertel ziehen. Nicht nur das. Die Menschen, die nicht als „arisch“ galten, wurden nun auch zur Zwangsarbeit gezwungen. Ob Dr. Lewy-Lingen Bomben räumen musste oder Munition herstellen musste, ist derzeit nicht bekannt.

Aber der Jurist Lewy-Lingen, der schon früh nicht nur realistisch, sondern was die Zukunft betraf, auch sehr pessimistisch gewesen war, erkannte wohl wiederum sehr bald, was die schon im Oktober 1941 beginnenden Transporte bedeuteten. Denn es kam niemand zurück. Und von den Transporten, die nicht nach Theresienstadt gingen, sondern in den Osten, kam auch nie ein Lebenszeichen.

Am 13. Oktober 1942 setzte Dr. Richard Lewy-Lingen zusammen mit seiner Frau seinem Leben ein Ende. Verwandte in den USA, die emigrieren konnten, bezeichnen das als einen Akt der Selbstbestimmung und der Wahrung der eigenen Würde.