Sally Mendheim

Verlegeort
Solinger Straße 10
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
September 2003
Geboren
04. Mai 1877 in Kolmar (Posen) / Chodzież
Deportation
am 06. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Sally Mendheim wurde am 4. Mai 1877 (in vielen Quellen ist sein Geburtsjahr abweichend mit 1876 angegeben) in der Kleinstadt Kolmar (heute: Chodzież / Polen) in Posen geboren. Seine Eltern Eduard und Sarah führten einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem Sally während seiner Kindheit und Jugend mitarbeitete. Bis zu seinem 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule in Kolmar und absolvierte anschließend eine kaufmännische Lehre in Schneidemühl (Piła). <br />
<br />
Er zog nach Berlin und war dort von 1894 bis 1905 im Warenhaus Hermann Tietz angestellt. Zuletzt war er als Einkäufer tätig. Im Jahr 1905 machte er sich mit der Firma „S. Mendheim, Spezialhaus moderner Damenkonfektion“ selbstständig. Sein Geschäft befand sich ab 1910 in der Turmstraße 66, Ecke Gotzkowskystraße in Moabit. Bis etwa 1914 wohnte er in der Essener Straße und zog dann in die Jagowstraße 5. 1918 heiratete er die Kontoristin Feodora Weishaus, die anschließend in seinem Geschäft mitarbeitete. Sie war gebürtige Berlinerin und 14 Jahre jünger als er. Das Paar bekam zwei Kinder, Doris Elisabeth (*14. März 1920) und Hans Moritz (*24. Mai 1924). Etwa 1924 zog die Familie ans Bundesratufer 12 und Anfang der 1930er Jahre in die Solinger Straße 10 in eine 7-Zimmer-Wohnung mit Dachgarten. Mit seiner Familie lebte Sally Mendheim in gutsituierten Verhältnissen, sie beschäftigten mehrere Hausangestellte und fuhren regelmäßig in den Urlaub. <br />
<br />
Sally Mendheim besaß ein Mietshaus in der Emser Straße 130/131 in Neukölln. Ein weiteres Haus in der Kniprodestraße 13 (Prenzlauer Berg) gehörte ihm zusammen mit seinem Bruder David. Anfang der 1930er Jahre wurde er Hauptteilhaber des Engrosgeschäfts Robert Kuesell & Co., eines Fabrikationsbetriebs für Damenmäntel mit rund 60 Beschäftigten. In der Betriebswerkstätte in der Schönhauser Allee 140 wurden wöchentlich etwa 800 bis 1000 Mäntel hergestellt. Seine Frau übernahm die kaufmännische Leitung in den Büro- und Verkaufsräumen in der Markgrafenstraße 37. Am 13. September 1937 brachte die 17-jährige Tochter Doris ihren Sohn Ernst Eduard zur Welt. Dessen Vater Ludwig Lesser hatte sie zuvor geheiratet.<br />
<br />
Das Geschäft in der Turmstraße wurde bei den Novemberpogromen 1938 verwüstet und geplündert. Kurz darauf war Sally Mendheim aufgrund der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ gezwungen, es weit unter Wert zu verkaufen. Auch seinen Grundbesitz und die Anteile an der Firma Kuesell musste er verkaufen. Ab diesem Zeitpunkt verfügte die Familie über kein Einkommen mehr. Sie musste zudem ihre Wertgegenstände abliefern und dem Finanzamt eine „Judenvermögensabgabe“ und „Reichsfluchtsteuer“ in Höhe von etwa 30.000 Reichsmark zahlen. <br />
<br />
Im April 1939 emigrierten Sally Mendheims Kinder Doris und Hans in die USA. Doris’ Sohn Ernst blieb bei seinen Großeltern in Berlin. Sie selbst ließ sich in New York nieder, heiratete nach ihrer Scheidung erneut und bekam mit ihrem zweiten Mann Fred Schott in den 1940er Jahren zwei Kinder. Hans, der seinen Vornamen zu John änderte, ging nach Chicago, wo er seinen Highschool-Abschluss machte und studierte. <br />
<br />
Kurz nach der Flucht der Kinder nahm Sally Mendheim seine Schwiegermutter Laura Lea Weishaus zu sich ins Haus. Da es das Gerücht gab, dass Juden mit Grundbesitz in Südamerika legal auswandern dürften, kaufte er ein Grundstück in Paraguay. Am 8. Dezember 1941 sprach er in der Mohrenstraße beim Konsul von Paraguay vor und sagte unter Eid aus, dass er seinen Vater bei der Verwaltung von dessen landwirtschaftlichem Betrieb in Kolmar unterstützt habe und somit über die erforderlichen Kenntnisse verfüge, wieder in der Landwirtschaft zu arbeiten. Gleichzeitig versuchte auch seine Tochter Doris von den USA aus, die nötigen Papiere für eine Emigration zu besorgen. Sie hatte im November 1941 eine Summe von 430 Dollar an das Reisebüro Atlantic Tours für die Beschaffung und Bewilligung eines Kuba-Visums gezahlt. Ein Telegramm der Cuban All American Cables vom 5. Dezember 1941, unterzeichnet von einem Staatsminister aus Havanna, bescheinigte, dass alle nötigen gesetzlichen Erfordernisse für die Vergabe eines Touristenvisums für Sally Mendheim vorgelegen hätten. Doch alle Bemühungen um eine Flucht nach Amerika waren vergeblich.<br />
<br />
Seine Nichte Johanna Liebmann (geb. Rosenthal) und ihr Mann Walter, mit denen Mendheims im engen Kontakt standen, gaben später an, dass Sally Mendheim zahlreiche Versuche unternahm, eine drohende Deportation zu verhindern. Im Entschädigungsantrag, den seine Kinder in den 1950er Jahren stellten, findet sich ihr Bericht: „Unter anderem berichtete er uns in der Zeit, als die Deportationen aus Berlin an Hand einer bei der Jüdischen Gemeinde geführten Kartei in Gang kamen, daß er dort mit zwei Personen Verbindung aufgenommen und dadurch erreicht habe, daß bei der Durchsicht der Kartei seine Karteikarte und die seiner Ehefrau samt Enkel Ernst Lasser nicht vorlag. Er hat nach seinen Angaben mehrere Male RM 3.000,- an diese Verbindungsleute gezahlt. […] Falls er unvorbereitet abgeholt werden sollte, hatte er einen Betrag von ca. RM 10.000,- in größeren Scheinen in einer Rolle Toilettenpapier so eingewickelt, daß er dadurch unauffällig zu verbergen war. Er wollte damit bewirken, sich evtl. noch freikaufen zu können und hatte die bestimmte Absicht, die Rolle Toilettenpapier zur Deportation mitzunehmen.“ <br />
<br />
Im Sommer 1942 wurden die Eheleute Mendheim aus der Wohnung in der Solinger Straße ausgewiesen. Mit Sally Mendheims Schwiegermutter und dem fünfjährigen Enkel zogen sie in eine 2-Zimmer-Wohnung in der Tile-Wardenberg-Straße 19. Von dort wurde Laura Lea Weishaus am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie starb dort am 31. Dezember desselben Jahres. Bereits am 1. November 1941 war Sally Mendheims Bruder David nach Łódź deportiert worden. Er wurde am 9. Mai 1942 im Vernichtungslager Chełmno ermordet. <br />
<br />
Sally Mendheim wurde am 6. März 1943 zusammen mit seiner Frau und seinem Enkel mit dem „35. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sein Todesdatum wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten auf den 31. März 1943 festgelegt.<br />
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Sally Mendheim wurde am 4. Mai 1877 (in vielen Quellen ist sein Geburtsjahr abweichend mit 1876 angegeben) in der Kleinstadt Kolmar (heute: Chodzież / Polen) in Posen geboren. Seine Eltern Eduard und Sarah führten einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem Sally während seiner Kindheit und Jugend mitarbeitete. Bis zu seinem 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule in Kolmar und absolvierte anschließend eine kaufmännische Lehre in Schneidemühl (Piła).

Er zog nach Berlin und war dort von 1894 bis 1905 im Warenhaus Hermann Tietz angestellt. Zuletzt war er als Einkäufer tätig. Im Jahr 1905 machte er sich mit der Firma „S. Mendheim, Spezialhaus moderner Damenkonfektion“ selbstständig. Sein Geschäft befand sich ab 1910 in der Turmstraße 66, Ecke Gotzkowskystraße in Moabit. Bis etwa 1914 wohnte er in der Essener Straße und zog dann in die Jagowstraße 5. 1918 heiratete er die Kontoristin Feodora Weishaus, die anschließend in seinem Geschäft mitarbeitete. Sie war gebürtige Berlinerin und 14 Jahre jünger als er. Das Paar bekam zwei Kinder, Doris Elisabeth (*14. März 1920) und Hans Moritz (*24. Mai 1924). Etwa 1924 zog die Familie ans Bundesratufer 12 und Anfang der 1930er Jahre in die Solinger Straße 10 in eine 7-Zimmer-Wohnung mit Dachgarten. Mit seiner Familie lebte Sally Mendheim in gutsituierten Verhältnissen, sie beschäftigten mehrere Hausangestellte und fuhren regelmäßig in den Urlaub.

Sally Mendheim besaß ein Mietshaus in der Emser Straße 130/131 in Neukölln. Ein weiteres Haus in der Kniprodestraße 13 (Prenzlauer Berg) gehörte ihm zusammen mit seinem Bruder David. Anfang der 1930er Jahre wurde er Hauptteilhaber des Engrosgeschäfts Robert Kuesell & Co., eines Fabrikationsbetriebs für Damenmäntel mit rund 60 Beschäftigten. In der Betriebswerkstätte in der Schönhauser Allee 140 wurden wöchentlich etwa 800 bis 1000 Mäntel hergestellt. Seine Frau übernahm die kaufmännische Leitung in den Büro- und Verkaufsräumen in der Markgrafenstraße 37. Am 13. September 1937 brachte die 17-jährige Tochter Doris ihren Sohn Ernst Eduard zur Welt. Dessen Vater Ludwig Lesser hatte sie zuvor geheiratet.

Das Geschäft in der Turmstraße wurde bei den Novemberpogromen 1938 verwüstet und geplündert. Kurz darauf war Sally Mendheim aufgrund der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ gezwungen, es weit unter Wert zu verkaufen. Auch seinen Grundbesitz und die Anteile an der Firma Kuesell musste er verkaufen. Ab diesem Zeitpunkt verfügte die Familie über kein Einkommen mehr. Sie musste zudem ihre Wertgegenstände abliefern und dem Finanzamt eine „Judenvermögensabgabe“ und „Reichsfluchtsteuer“ in Höhe von etwa 30.000 Reichsmark zahlen.

Im April 1939 emigrierten Sally Mendheims Kinder Doris und Hans in die USA. Doris’ Sohn Ernst blieb bei seinen Großeltern in Berlin. Sie selbst ließ sich in New York nieder, heiratete nach ihrer Scheidung erneut und bekam mit ihrem zweiten Mann Fred Schott in den 1940er Jahren zwei Kinder. Hans, der seinen Vornamen zu John änderte, ging nach Chicago, wo er seinen Highschool-Abschluss machte und studierte.

Kurz nach der Flucht der Kinder nahm Sally Mendheim seine Schwiegermutter Laura Lea Weishaus zu sich ins Haus. Da es das Gerücht gab, dass Juden mit Grundbesitz in Südamerika legal auswandern dürften, kaufte er ein Grundstück in Paraguay. Am 8. Dezember 1941 sprach er in der Mohrenstraße beim Konsul von Paraguay vor und sagte unter Eid aus, dass er seinen Vater bei der Verwaltung von dessen landwirtschaftlichem Betrieb in Kolmar unterstützt habe und somit über die erforderlichen Kenntnisse verfüge, wieder in der Landwirtschaft zu arbeiten. Gleichzeitig versuchte auch seine Tochter Doris von den USA aus, die nötigen Papiere für eine Emigration zu besorgen. Sie hatte im November 1941 eine Summe von 430 Dollar an das Reisebüro Atlantic Tours für die Beschaffung und Bewilligung eines Kuba-Visums gezahlt. Ein Telegramm der Cuban All American Cables vom 5. Dezember 1941, unterzeichnet von einem Staatsminister aus Havanna, bescheinigte, dass alle nötigen gesetzlichen Erfordernisse für die Vergabe eines Touristenvisums für Sally Mendheim vorgelegen hätten. Doch alle Bemühungen um eine Flucht nach Amerika waren vergeblich.

Seine Nichte Johanna Liebmann (geb. Rosenthal) und ihr Mann Walter, mit denen Mendheims im engen Kontakt standen, gaben später an, dass Sally Mendheim zahlreiche Versuche unternahm, eine drohende Deportation zu verhindern. Im Entschädigungsantrag, den seine Kinder in den 1950er Jahren stellten, findet sich ihr Bericht: „Unter anderem berichtete er uns in der Zeit, als die Deportationen aus Berlin an Hand einer bei der Jüdischen Gemeinde geführten Kartei in Gang kamen, daß er dort mit zwei Personen Verbindung aufgenommen und dadurch erreicht habe, daß bei der Durchsicht der Kartei seine Karteikarte und die seiner Ehefrau samt Enkel Ernst Lasser nicht vorlag. Er hat nach seinen Angaben mehrere Male RM 3.000,- an diese Verbindungsleute gezahlt. […] Falls er unvorbereitet abgeholt werden sollte, hatte er einen Betrag von ca. RM 10.000,- in größeren Scheinen in einer Rolle Toilettenpapier so eingewickelt, daß er dadurch unauffällig zu verbergen war. Er wollte damit bewirken, sich evtl. noch freikaufen zu können und hatte die bestimmte Absicht, die Rolle Toilettenpapier zur Deportation mitzunehmen.“

Im Sommer 1942 wurden die Eheleute Mendheim aus der Wohnung in der Solinger Straße ausgewiesen. Mit Sally Mendheims Schwiegermutter und dem fünfjährigen Enkel zogen sie in eine 2-Zimmer-Wohnung in der Tile-Wardenberg-Straße 19. Von dort wurde Laura Lea Weishaus am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie starb dort am 31. Dezember desselben Jahres. Bereits am 1. November 1941 war Sally Mendheims Bruder David nach Łódź deportiert worden. Er wurde am 9. Mai 1942 im Vernichtungslager Chełmno ermordet.

Sally Mendheim wurde am 6. März 1943 zusammen mit seiner Frau und seinem Enkel mit dem „35. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sein Todesdatum wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten auf den 31. März 1943 festgelegt.