Paul Levy

Verlegeort
Albertinenstraße 31
Bezirk/Ortsteil
Zehlendorf
Verlegedatum
22. Oktober 2012
Geboren
17. November 1876 in Stettin / Szczecin
Deportation
am 26. Februar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Das Leben des Paul Levy<br />
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Der am 17. November 1876 in Stettin als zweiter Sohn des Kaufmanns Julius Levy (1842 – 1920) und seiner Frau Therese geborene Paul Josef Levy war nur sieben Jahre jünger als der Reichsbahn-Generaldirektor Julius Dorpmüller (1869 – 1945). Ähnlich wie dieser und seine Brüder im ersten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts nach China gingen, zog es Levy nach der Ausbildung an einer deutschen Technischen Hochschule und bei der Staatsbahn aus der heimatlichen Enge zu einem gewaltigen Bahnbauvorhaben im Nahen Osten hinaus, zur Hedschasbahn. Generaldirektor Dorpmüller hat 1930 ebenso Levys letzte Beförderung bei der Reichsbahn-Gesellschaft vollzogen wie nur fünf Jahre später die Entlassungsurkunde unterschrieben.<br />
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Bei der Hedschasbahn<br />
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Die Provinz Hedschas, so steht es in Rölls Enzyklopädie des Eisenbahnwesens von 1914 zu lesen, bildete den südlichen Teil Arabiens und gehörte zum Machtbereich des osmanisch-türkischen Staates. Die Hedschasbahn oder Hedjazbahn – das Wort „Hadsch“ bedeutet „Pilgerfahrt“ – war eine etwa nordsüdlich verlaufende Eisenbahnstrecke von Damaskus im heutigen Syrien nach Medina in Saudi-Arabien. Der Bau wurde von dem deutschen Ingenieur Heinrich August Meißner-Pascha (1862 – 1940) geleitet, der schon seit 1887 im Osmanischen Reich tätig war. Seine Beschäftigung brachte die guten Beziehungen des Sultans Abdülhamid II. mit dem Kaiserreich zum Ausdruck und verschaffte deutschen Lieferanten Aufträge.<br />
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Gelenkloks zu verwickelt<br />
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Paul Levy war Maschinenbauer, nicht Bauingenieur oder Architekt. Nach dem Abitur, vermutlich in Danzig, beendete er 1899 das Maschinenbaustudium. Er hat sich seit 1904 also weniger um den Bahnbau der Hedschasbahn gekümmert, sondern eher um die Fahrzeugbehandlungsanlagen in den Depots und um die Betriebsmittel selbst.<br />
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1911 konnte Paul Levy im „Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens“ über die Betriebsmittel der Hedschasbahn berichten: „Die Mallet-Rimrott-Lokomotiven beförderten bei Versuchsfahrten auf der Jarmuktalsteigung einen Zug von 230 t Gewicht bei durchschnittlich 20 km/Std., auf der Ammansteigung, wo die Verhältnisse wegen der dicht aufeinander folgenden Gegenkrümmungen noch ungünstiger sind, musste das Zuggewicht auf 180 t beschränkt werden. Trotz dieses verhältnismäßig günstigen Ergebnisses und trotz der glänzenden Ausführung dieser Lokomotiven musste sich die Betriebsleitung doch eingestehen, daß die Gelenklokomotiven gegenüber der ungenügenden Ausrüstung der Bahn und dem Mangel an Unterhaltungsmitteln und an geübten Arbeitskräften zu verwickelt sind, daher wurde in der Folge von weiteren Beschaffungen abgesehen.“<br />
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Zurück nach Köln<br />
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Zunächst war Paul Levy von der Königlichen Eisenbahndirektion Danzig zum Dienst in Kleinasien beurlaubt. Am 19. Mai 1906 hat er in Bad Polzin seine Cousine Ida Levy (1884 – 1974) geheiratet. Sie lebten zunächst in Konstantinopel, beim weiteren Bau der Hedschasbahn bis 1908 in Damaskus, später auch in Beirut. Anschließend, wohl von 1910 bis 1912, war Levy von der KED Essen nach Deutsch-Ostafrika mit dem Dienstort Dar as Salaam im heutigen Tanganjika beurlaubt. Heinrich August Meißner trat im Frühjahr 1910 zur Anatolischen Bahnbaugesellschaft über, die den Bau der Bagdadbahn übernommen hatte, doch Paul Levy kehrte gegen um die Jahreswende 1911/12 nach Köln zurück.<br />
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Staatsbahn und Reichsbahn<br />
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Von der preußischen Staatsbahnverwaltung wurde er mit Wirkung vom Oktober 1910 in Saarbrücken als beurlaubter Regierungsbaumeister geführt, später als Baurat. An der russischen Front nahm er während des Ersten Weltkriegs im Eisenbahndienst teil. Er wurde verletzt und erhielt wohl das Eiserne Kreuz.<br />
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Am 1. Oktober 1920, gleich nach Gründung der Deutschen Reichsbahn, stieg Levy zum Oberregierungs- und Baurat auf. Die Position hieß seit 1924 dann Reichsbahn-Oberrat. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau Ida im Jahre 1923 zog er nach Bonn. Während der folgenden Jahre finden wir ihn bei der Reichsbahndirektion Altona zunächst als Dezernenten für Werkstättenbetrieb in der Abteilung von Ernst Spiro (1873 – 1950), während er dort bis Mitte 1933 noch das Dezernat für Werkstättenorganisation innehatte. Wie die Archivalien zeigen, lebte er als treues Mitglied seiner Gemeinde. Am 1. Oktober 1930 war Paul Levy zum „Direktor bei der Reichsbahn“ ernannt worden. So bezeichnete man die Direktoren außerhalb der Reichsbahn-Hauptverwaltung. Seit Mitte 1933 war er noch Dezernent für Werkstätten- und Heizungsangelegenheiten in der Wuppertaler Direktion. Dies war die Folge einer typischen Umsetzung von „nichtarischen“ Bahnbeamten während unserer frühen nationalsozialistischen Periode, denn etwa dreißig obere Beamte jüdischer Herkunft bei der Reichsbahn konnten 1933 noch nicht entlassen werden, weil sie Weltkriegsteilnehmer gewesen waren.<br />
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Erzwungener Ruhestand<br />
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Nach dem Erlass der „Nürnberger Gesetze“ wurde Paul Levy mit den letzten noch im Dienst verbliebenen jüdischen Reichsbahnbeamten zum Jahresende 1935 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Da war er 59 Jahre alt. Infolge seiner Entlassung zog er nach Berlin in die Anonymität der Großstadt, wo er zudem Familienangehörige und andere jüdische Eisenbahner wusste. Während der Pogromnacht des 9. November 1938 wurde sein Vetter Leo Levy in Polzin erschossen. Im Oktober 1941, wenige Tage vor Himmlers Verbot der Auswanderung, sprach er zum letzten Mal bei der Botschaft von Ecuador wegen seiner Emigration vor. Schon im April 1939 hatte in London seine Tochter geheiratet, die fortan in Chile und später in den Vereinigten Staaten lebte. Dort halten drei Enkelkinder die Erinnerung an ihn wach.<br />
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Charlotte Levy<br />
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Paul Levys zweite Ehefrau Charlotte war am 3. Oktober 1882 in Berlin geboren. Sie kommt in dem Buch von Roman Frister nicht so recht vor, was an den ihm bekannten Dokumenten liegen dürfte. Bald nach dem Ende seiner Wuppertaler Zeit wohnten sie im Jahre 1937 in Berlin-Zehlendorf, Albertinenstraße 31. Ab November 1942 hatte das Ehepaar Levy noch zwei Zimmer als Untermieter in Wilmersdorf, Nestorstraße 54. Damals konnte der Amtmann Berthold Stumpf in der Zeitschrift „Die Reichsbahn“ pöbeln, das Buch von Kurt Ewald mit dem Titel „20 000 Schriftquellen zur Eisenbahnkunde“ weise den großen Mangel auf, noch Aufsätze jüdischer Verfasser zu nennen. Das bezog sich auch auf die Arbeit von Paul Levy aus dem Jahre 1911 über Betriebsmittel der Hedschasbahn.<br />
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Maschinenarbeiter<br />
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Als seine letzte Tätigkeit vor der Deportation hat Paul Levy die eines „Maschinenarbeiters“ angegeben, vermutlich als jüdischer Zwangsarbeiter im Alter von 66 Jahren. So steht es mit seiner eigenen Hand in der von den Staatsbehörden verlangten „Vermögenserklärung“ für Paul und Charlotte Levy, die vom 17. Februar 1943 datiert. Gemeinsam mit rund eintausend anderen Menschen wurden sie am 26. Februar 1943 in dem „30. Osttransport“ aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort an der „alten Judenrampe“ ausgeladen. Den nächsten Tag haben sie nicht mehr erlebt.<br />
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Da hatte die Reichsbahndirektion Berlin schon das „Ruhegehalt“ in Höhe von 418,07 Reichsmark für den Monat März 1943 auf sein Konto überwiesen. Im Oktober 1943 verlangte sie von der Vermögenswertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg die Rückzahlung des Betrags.

Das Leben des Paul Levy

Der am 17. November 1876 in Stettin als zweiter Sohn des Kaufmanns Julius Levy (1842 – 1920) und seiner Frau Therese geborene Paul Josef Levy war nur sieben Jahre jünger als der Reichsbahn-Generaldirektor Julius Dorpmüller (1869 – 1945). Ähnlich wie dieser und seine Brüder im ersten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts nach China gingen, zog es Levy nach der Ausbildung an einer deutschen Technischen Hochschule und bei der Staatsbahn aus der heimatlichen Enge zu einem gewaltigen Bahnbauvorhaben im Nahen Osten hinaus, zur Hedschasbahn. Generaldirektor Dorpmüller hat 1930 ebenso Levys letzte Beförderung bei der Reichsbahn-Gesellschaft vollzogen wie nur fünf Jahre später die Entlassungsurkunde unterschrieben.

Bei der Hedschasbahn

Die Provinz Hedschas, so steht es in Rölls Enzyklopädie des Eisenbahnwesens von 1914 zu lesen, bildete den südlichen Teil Arabiens und gehörte zum Machtbereich des osmanisch-türkischen Staates. Die Hedschasbahn oder Hedjazbahn – das Wort „Hadsch“ bedeutet „Pilgerfahrt“ – war eine etwa nordsüdlich verlaufende Eisenbahnstrecke von Damaskus im heutigen Syrien nach Medina in Saudi-Arabien. Der Bau wurde von dem deutschen Ingenieur Heinrich August Meißner-Pascha (1862 – 1940) geleitet, der schon seit 1887 im Osmanischen Reich tätig war. Seine Beschäftigung brachte die guten Beziehungen des Sultans Abdülhamid II. mit dem Kaiserreich zum Ausdruck und verschaffte deutschen Lieferanten Aufträge.

Gelenkloks zu verwickelt

Paul Levy war Maschinenbauer, nicht Bauingenieur oder Architekt. Nach dem Abitur, vermutlich in Danzig, beendete er 1899 das Maschinenbaustudium. Er hat sich seit 1904 also weniger um den Bahnbau der Hedschasbahn gekümmert, sondern eher um die Fahrzeugbehandlungsanlagen in den Depots und um die Betriebsmittel selbst.

1911 konnte Paul Levy im „Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens“ über die Betriebsmittel der Hedschasbahn berichten: „Die Mallet-Rimrott-Lokomotiven beförderten bei Versuchsfahrten auf der Jarmuktalsteigung einen Zug von 230 t Gewicht bei durchschnittlich 20 km/Std., auf der Ammansteigung, wo die Verhältnisse wegen der dicht aufeinander folgenden Gegenkrümmungen noch ungünstiger sind, musste das Zuggewicht auf 180 t beschränkt werden. Trotz dieses verhältnismäßig günstigen Ergebnisses und trotz der glänzenden Ausführung dieser Lokomotiven musste sich die Betriebsleitung doch eingestehen, daß die Gelenklokomotiven gegenüber der ungenügenden Ausrüstung der Bahn und dem Mangel an Unterhaltungsmitteln und an geübten Arbeitskräften zu verwickelt sind, daher wurde in der Folge von weiteren Beschaffungen abgesehen.“

Zurück nach Köln

Zunächst war Paul Levy von der Königlichen Eisenbahndirektion Danzig zum Dienst in Kleinasien beurlaubt. Am 19. Mai 1906 hat er in Bad Polzin seine Cousine Ida Levy (1884 – 1974) geheiratet. Sie lebten zunächst in Konstantinopel, beim weiteren Bau der Hedschasbahn bis 1908 in Damaskus, später auch in Beirut. Anschließend, wohl von 1910 bis 1912, war Levy von der KED Essen nach Deutsch-Ostafrika mit dem Dienstort Dar as Salaam im heutigen Tanganjika beurlaubt. Heinrich August Meißner trat im Frühjahr 1910 zur Anatolischen Bahnbaugesellschaft über, die den Bau der Bagdadbahn übernommen hatte, doch Paul Levy kehrte gegen um die Jahreswende 1911/12 nach Köln zurück.

Staatsbahn und Reichsbahn

Von der preußischen Staatsbahnverwaltung wurde er mit Wirkung vom Oktober 1910 in Saarbrücken als beurlaubter Regierungsbaumeister geführt, später als Baurat. An der russischen Front nahm er während des Ersten Weltkriegs im Eisenbahndienst teil. Er wurde verletzt und erhielt wohl das Eiserne Kreuz.

Am 1. Oktober 1920, gleich nach Gründung der Deutschen Reichsbahn, stieg Levy zum Oberregierungs- und Baurat auf. Die Position hieß seit 1924 dann Reichsbahn-Oberrat. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau Ida im Jahre 1923 zog er nach Bonn. Während der folgenden Jahre finden wir ihn bei der Reichsbahndirektion Altona zunächst als Dezernenten für Werkstättenbetrieb in der Abteilung von Ernst Spiro (1873 – 1950), während er dort bis Mitte 1933 noch das Dezernat für Werkstättenorganisation innehatte. Wie die Archivalien zeigen, lebte er als treues Mitglied seiner Gemeinde. Am 1. Oktober 1930 war Paul Levy zum „Direktor bei der Reichsbahn“ ernannt worden. So bezeichnete man die Direktoren außerhalb der Reichsbahn-Hauptverwaltung. Seit Mitte 1933 war er noch Dezernent für Werkstätten- und Heizungsangelegenheiten in der Wuppertaler Direktion. Dies war die Folge einer typischen Umsetzung von „nichtarischen“ Bahnbeamten während unserer frühen nationalsozialistischen Periode, denn etwa dreißig obere Beamte jüdischer Herkunft bei der Reichsbahn konnten 1933 noch nicht entlassen werden, weil sie Weltkriegsteilnehmer gewesen waren.

Erzwungener Ruhestand

Nach dem Erlass der „Nürnberger Gesetze“ wurde Paul Levy mit den letzten noch im Dienst verbliebenen jüdischen Reichsbahnbeamten zum Jahresende 1935 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Da war er 59 Jahre alt. Infolge seiner Entlassung zog er nach Berlin in die Anonymität der Großstadt, wo er zudem Familienangehörige und andere jüdische Eisenbahner wusste. Während der Pogromnacht des 9. November 1938 wurde sein Vetter Leo Levy in Polzin erschossen. Im Oktober 1941, wenige Tage vor Himmlers Verbot der Auswanderung, sprach er zum letzten Mal bei der Botschaft von Ecuador wegen seiner Emigration vor. Schon im April 1939 hatte in London seine Tochter geheiratet, die fortan in Chile und später in den Vereinigten Staaten lebte. Dort halten drei Enkelkinder die Erinnerung an ihn wach.

Charlotte Levy

Paul Levys zweite Ehefrau Charlotte war am 3. Oktober 1882 in Berlin geboren. Sie kommt in dem Buch von Roman Frister nicht so recht vor, was an den ihm bekannten Dokumenten liegen dürfte. Bald nach dem Ende seiner Wuppertaler Zeit wohnten sie im Jahre 1937 in Berlin-Zehlendorf, Albertinenstraße 31. Ab November 1942 hatte das Ehepaar Levy noch zwei Zimmer als Untermieter in Wilmersdorf, Nestorstraße 54. Damals konnte der Amtmann Berthold Stumpf in der Zeitschrift „Die Reichsbahn“ pöbeln, das Buch von Kurt Ewald mit dem Titel „20 000 Schriftquellen zur Eisenbahnkunde“ weise den großen Mangel auf, noch Aufsätze jüdischer Verfasser zu nennen. Das bezog sich auch auf die Arbeit von Paul Levy aus dem Jahre 1911 über Betriebsmittel der Hedschasbahn.

Maschinenarbeiter

Als seine letzte Tätigkeit vor der Deportation hat Paul Levy die eines „Maschinenarbeiters“ angegeben, vermutlich als jüdischer Zwangsarbeiter im Alter von 66 Jahren. So steht es mit seiner eigenen Hand in der von den Staatsbehörden verlangten „Vermögenserklärung“ für Paul und Charlotte Levy, die vom 17. Februar 1943 datiert. Gemeinsam mit rund eintausend anderen Menschen wurden sie am 26. Februar 1943 in dem „30. Osttransport“ aus Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort an der „alten Judenrampe“ ausgeladen. Den nächsten Tag haben sie nicht mehr erlebt.

Da hatte die Reichsbahndirektion Berlin schon das „Ruhegehalt“ in Höhe von 418,07 Reichsmark für den Monat März 1943 auf sein Konto überwiesen. Im Oktober 1943 verlangte sie von der Vermögenswertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg die Rückzahlung des Betrags.