Margarete Happ geb. Stern

Verlegeort
Babelsberger Str. 6
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
22. Juni 2011
Geboren
30. April 1878 in Stettin / Szczecin
Deportation
am 12. Januar 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Margarete Happ kam am 30. April 1878 in Stettin als Margarete Stern auf die Welt. Ihre Eltern waren Benjamin Stern und Pauline geb. Glass. Als Margarete geboren wurde, war Benjamin Stern Rabbiner und Religionslehrer in Stettin und wohnte in Rosengarten 22-23. Wenige Jahre später zog er nach Posen und war zunächst als Privatlehrer, später als Lehrer und Pensionsvorsteher tätig, letzteres ein Verwaltungsamt in Lehranstalten. Margaretes Kindheit und Jugend spielte sich also in Posen ab. Als sie 1906 Richard Happ heiratete, lebte Familie Stern in Posen am Bernhardinerplatz 3. <br />
<br />
Richard Happ war aus dem nicht weit entfernten Strelno und dorthin zog auch das junge Paar. In Strelno wurden 1907 und 1908 Margaretes beide Söhne geboren, Hans und Walter. Strelno war eine wirtschaftlich aufblühende Kreisstadt im Regierungsbezirk Bromberg mit ungefähr 5000 Einwohnern, etwa 6% davon jüdischen Glaubens. Richard Happ war hier als Kaufmann in dem Sägewerk bzw. Holzhandel von Joseph Happ – sein Vater oder ein Bruder – tätig.<br />
<br />
Nach dem Posener Aufstand 1918 wurde Strelno polnisch, nun Strzelno genannt. Richard Happ zog mit Familie nach Bromberg, das allerdings auch Polen zugeschlagen wurde und seitdem Bydgoszcz heißt. Dort finden wir ihn 1922 im Adressbuch als Besitzer eines Sägewerkes in der Danziger Straße 48, polnisch ulica Gdańska. Das Unternehmen dort zu führen war aber wohl für Deutsche schwierig, denn ein Jahr später sind Richard und Joseph Happ im Berliner Adressbuch in der Lützowstraße 78 mit einem Holzgroßhandel eingetragen.<br />
<br />
Hier wohnte Familie Happ bis Anfang der 30er Jahre. Beide Söhne gingen auf die Hindenburg-Oberrealschule und schlossen eine kaufmännische Lehre im Textilbereich an. Hans arbeitete anschließend in der Exportabteilung der Konfektionsfirma Graumann + Stern, Walter zunächst als Verkäufer bei seiner Lehrfirma, dann als Pelzeinkäufer bei Gebrüder Peiser. Um 1932 war die ganze Familie in die Jenaer Straße 3 umgezogen. Richard Happ ließ sich schon seit einigen Jahren nicht mehr als Holzhändler, sondern als Fabrikbesitzer im Adressbuch auflisten, offen bleibt, ob sein Betrieb weiterhin zur Holzbranche gehörte. <br />
<br />
Nachdem 1933 die Nationalsozialisten die Regierung übernommen hatten, häuften sich offiziell sanktionierte Diskriminierungsmaßnahmen gegen Juden, wie antisemitische Verordnungen oder Judenboykotte. Jüdische Unternehmen bekamen zunehmend Schwierigkeiten und wurden schon vor dem Gesetz „zur Ausschaltung von Juden aus dem deutschen Wirtschaftleben“ vom November 1938 gedrängt, ihre Firmen an Nichtjuden zu verkaufen, die berüchtigten „Arisierungen“. Nachdem dieses Schicksal schon 1935 der Firma drohte, in der Hans Happ tätig war, beschlossen beide Brüder Deutschland zu verlassen. Walter fuhr im Dezember 1935 nach Brasilien, Hans folgte ihm 1936. Ob auch Richard Happ von „Arisierung“ bedroht war, oder ob er seinen Betrieb schon vorher aufgegeben hatte, bleibt unklar. <br />
<br />
Am 11. Mai 1936, einen Tag nach seinem 30. Hochzeitstag, starb Richard Happ und so blieb ihm der Großteil der Demütigungen und Entrechtungen von Juden erspart, die in den nächsten Jahren, vor allem nach den Pogromen vom November 1938, noch folgen sollten. Nicht so Margarete. Ihre Söhne glaubte sie in Sicherheit, diese waren aber nur mit einem Touristenvisum ausgereist, das nicht ewig verlängert wurde. 1938 mussten beide nach Europa zurück, blieben zunächst in Frankreich. Immerhin gelang es ihnen dann doch von Marseille aus, ein Einwanderervisum nach Argentinien zu bekommen. Dies dürfte eine Erleichterung für Margarete gewesen sein. Hans ließ sich in Buenos Aires nieder, Walter konnte sich schließlich doch in Rio de Janeiro etablieren. Margarete selbst war nach Richards Tod noch einige Jahre in der Jenaer Straße 3 geblieben, Anfang 1939 zog sie in ein Zimmer zur Untermiete bei Helene Brasch in der Babelsberger Straße 6, vermutlich durch den Druck auf Juden genötigt, Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen.<br />
<br />
In der Babelsberger Straße konnte Margarete nur noch ein bescheidenes Leben führen. Zu den vielen Verordnungen zur wirtschaftlichen und sozialen Ausgrenzung und Isolierung von Juden kam auch die Umwandlung ihres Kontos in ein „Sicherheitskonto“, von dem sie nur durch „Sicherheitsanordnung“ festgelegte Beträge für ein Existenzminimum abheben konnte. 1941 waren es 185 RM im Monat, 1942 wurde der Betrag auf 160 RM herabgesetzt. Im Dezember 1942 wurde ihr mitgeteilt, dass sie zur „Abwanderung“ – ein Euphemismus für die Deportation – vorgesehen sei und dass sie vorher die obligate „Vermögenserklärung“ auszufüllen hätte. Helene Brasch, ihre Vermieterin, war schon im Juni 1942 „abgeholt“ worden. Margaretes Vermögen war überschaubar: Nur wenige Möbel aus ihrer ursprünglichen Wohnungseinrichtung hatte sie in das eine Zimmer in der Babelsberger Straße mitnehmen können. Über das Restvermögen bei der Deutschen Bank konnte sie keine genauen Angaben machen, später teilte die Bank mit, bei Kriegsende seien noch etwas über 1000 RM auf dem Konto gewesen. Über einige wenige Wertpapiere, die sie hatte, konnte sie sowieso nicht mehr selbst verfügen. <br />
<br />
Im Januar wurde Margarete Happ kurz in dem von den Nazis in ein Sammellager umgewandelten jüdischen Altenheim in der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Am 12. Januar 1943 deportierte man sie nach Auschwitz, nachdem ihr ein Tag zuvor per Zustellungsurkunde mitgeteilt worden war, dass ihr gesamtes Vermögen „dem Reich verfallen“ – sprich vom Reich geraubt worden - sei. <br />
<br />
Margarete Happ musste an jenem 12. Januar am Güterbahnhof Moabit in einen Sonderzug mit fast 1200 weiteren Opfern steigen, der am 13. Januar in Auschwitz ankam. 127 Männer wurden für Zwangsarbeit ausgesondert, alle anderen, auch Margarete Happ, in den Gaskammern von Birkenau ermordet.<br />

Margarete Happ kam am 30. April 1878 in Stettin als Margarete Stern auf die Welt. Ihre Eltern waren Benjamin Stern und Pauline geb. Glass. Als Margarete geboren wurde, war Benjamin Stern Rabbiner und Religionslehrer in Stettin und wohnte in Rosengarten 22-23. Wenige Jahre später zog er nach Posen und war zunächst als Privatlehrer, später als Lehrer und Pensionsvorsteher tätig, letzteres ein Verwaltungsamt in Lehranstalten. Margaretes Kindheit und Jugend spielte sich also in Posen ab. Als sie 1906 Richard Happ heiratete, lebte Familie Stern in Posen am Bernhardinerplatz 3.

Richard Happ war aus dem nicht weit entfernten Strelno und dorthin zog auch das junge Paar. In Strelno wurden 1907 und 1908 Margaretes beide Söhne geboren, Hans und Walter. Strelno war eine wirtschaftlich aufblühende Kreisstadt im Regierungsbezirk Bromberg mit ungefähr 5000 Einwohnern, etwa 6% davon jüdischen Glaubens. Richard Happ war hier als Kaufmann in dem Sägewerk bzw. Holzhandel von Joseph Happ – sein Vater oder ein Bruder – tätig.

Nach dem Posener Aufstand 1918 wurde Strelno polnisch, nun Strzelno genannt. Richard Happ zog mit Familie nach Bromberg, das allerdings auch Polen zugeschlagen wurde und seitdem Bydgoszcz heißt. Dort finden wir ihn 1922 im Adressbuch als Besitzer eines Sägewerkes in der Danziger Straße 48, polnisch ulica Gdańska. Das Unternehmen dort zu führen war aber wohl für Deutsche schwierig, denn ein Jahr später sind Richard und Joseph Happ im Berliner Adressbuch in der Lützowstraße 78 mit einem Holzgroßhandel eingetragen.

Hier wohnte Familie Happ bis Anfang der 30er Jahre. Beide Söhne gingen auf die Hindenburg-Oberrealschule und schlossen eine kaufmännische Lehre im Textilbereich an. Hans arbeitete anschließend in der Exportabteilung der Konfektionsfirma Graumann + Stern, Walter zunächst als Verkäufer bei seiner Lehrfirma, dann als Pelzeinkäufer bei Gebrüder Peiser. Um 1932 war die ganze Familie in die Jenaer Straße 3 umgezogen. Richard Happ ließ sich schon seit einigen Jahren nicht mehr als Holzhändler, sondern als Fabrikbesitzer im Adressbuch auflisten, offen bleibt, ob sein Betrieb weiterhin zur Holzbranche gehörte.

Nachdem 1933 die Nationalsozialisten die Regierung übernommen hatten, häuften sich offiziell sanktionierte Diskriminierungsmaßnahmen gegen Juden, wie antisemitische Verordnungen oder Judenboykotte. Jüdische Unternehmen bekamen zunehmend Schwierigkeiten und wurden schon vor dem Gesetz „zur Ausschaltung von Juden aus dem deutschen Wirtschaftleben“ vom November 1938 gedrängt, ihre Firmen an Nichtjuden zu verkaufen, die berüchtigten „Arisierungen“. Nachdem dieses Schicksal schon 1935 der Firma drohte, in der Hans Happ tätig war, beschlossen beide Brüder Deutschland zu verlassen. Walter fuhr im Dezember 1935 nach Brasilien, Hans folgte ihm 1936. Ob auch Richard Happ von „Arisierung“ bedroht war, oder ob er seinen Betrieb schon vorher aufgegeben hatte, bleibt unklar.

Am 11. Mai 1936, einen Tag nach seinem 30. Hochzeitstag, starb Richard Happ und so blieb ihm der Großteil der Demütigungen und Entrechtungen von Juden erspart, die in den nächsten Jahren, vor allem nach den Pogromen vom November 1938, noch folgen sollten. Nicht so Margarete. Ihre Söhne glaubte sie in Sicherheit, diese waren aber nur mit einem Touristenvisum ausgereist, das nicht ewig verlängert wurde. 1938 mussten beide nach Europa zurück, blieben zunächst in Frankreich. Immerhin gelang es ihnen dann doch von Marseille aus, ein Einwanderervisum nach Argentinien zu bekommen. Dies dürfte eine Erleichterung für Margarete gewesen sein. Hans ließ sich in Buenos Aires nieder, Walter konnte sich schließlich doch in Rio de Janeiro etablieren. Margarete selbst war nach Richards Tod noch einige Jahre in der Jenaer Straße 3 geblieben, Anfang 1939 zog sie in ein Zimmer zur Untermiete bei Helene Brasch in der Babelsberger Straße 6, vermutlich durch den Druck auf Juden genötigt, Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen.

In der Babelsberger Straße konnte Margarete nur noch ein bescheidenes Leben führen. Zu den vielen Verordnungen zur wirtschaftlichen und sozialen Ausgrenzung und Isolierung von Juden kam auch die Umwandlung ihres Kontos in ein „Sicherheitskonto“, von dem sie nur durch „Sicherheitsanordnung“ festgelegte Beträge für ein Existenzminimum abheben konnte. 1941 waren es 185 RM im Monat, 1942 wurde der Betrag auf 160 RM herabgesetzt. Im Dezember 1942 wurde ihr mitgeteilt, dass sie zur „Abwanderung“ – ein Euphemismus für die Deportation – vorgesehen sei und dass sie vorher die obligate „Vermögenserklärung“ auszufüllen hätte. Helene Brasch, ihre Vermieterin, war schon im Juni 1942 „abgeholt“ worden. Margaretes Vermögen war überschaubar: Nur wenige Möbel aus ihrer ursprünglichen Wohnungseinrichtung hatte sie in das eine Zimmer in der Babelsberger Straße mitnehmen können. Über das Restvermögen bei der Deutschen Bank konnte sie keine genauen Angaben machen, später teilte die Bank mit, bei Kriegsende seien noch etwas über 1000 RM auf dem Konto gewesen. Über einige wenige Wertpapiere, die sie hatte, konnte sie sowieso nicht mehr selbst verfügen.

Im Januar wurde Margarete Happ kurz in dem von den Nazis in ein Sammellager umgewandelten jüdischen Altenheim in der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Am 12. Januar 1943 deportierte man sie nach Auschwitz, nachdem ihr ein Tag zuvor per Zustellungsurkunde mitgeteilt worden war, dass ihr gesamtes Vermögen „dem Reich verfallen“ – sprich vom Reich geraubt worden - sei.

Margarete Happ musste an jenem 12. Januar am Güterbahnhof Moabit in einen Sonderzug mit fast 1200 weiteren Opfern steigen, der am 13. Januar in Auschwitz ankam. 127 Männer wurden für Zwangsarbeit ausgesondert, alle anderen, auch Margarete Happ, in den Gaskammern von Birkenau ermordet.