Clara Rieger geb. Segall

Verlegeort
Bamberger Str. 22
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
15. Oktober 2008
Geboren
25. Mai 1880 in Berlin
Beruf
Geschäftsinhaberin
Deportation
am 14. Dezember 1942 von dem Sammellager Große Hamburger Straße 26 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Clara Henriette Rieger wurde am 25. Mai 1880 in Berlin geboren. Wir wissen sehr wenig über sie, außer dass sie am 10. Juli 1923 in zweiter Ehe den in Szászváros in Siebenbürgen geborenen Kaufmann Karl Ludwig Grusel heiratete. Zu diesem Zeitpunkt war sie 43 Jahre alt, wir wissen nichts über ihren ersten Ehemann mit dem Nachnamen Rieger. Ihr Beruf wird im Heiratseintrag mit „Geschäftsinhaberin“ bezeichnet; als Trauzeugen fungierten die Kaufleute Julius und Harry Segall, vermutlich ihre Brüder oder Cousins. Laut Adressbuch betrieb sie schon 1918 als Clara Rieger ein "Vermietungsbüro" - später "Wohnungsnachweis", beides meint wohl Wohnungsvermittlung - in der Jenaer Straße 16. Vielleicht war ihr Mann im Krieg gefallen.

Das Ehepaar wohnte in Claras Wohnung in der Jenaer Straße 16, wo in den Adressbüchern von 1927 bis 1933 der Doppelname Grusel-Rieger aufgeführt wurde. Ab 1932 ist zusätzlich eine Clara Grusel, Frau, in der Marburger Straße 7 vermerkt. Entweder handelt es sich um eine andere Clara Grusel, oder Karl und Clara hatten inzwischen getrennte Wohnungen. Ab 1934 verliert sich die Spur von Karl Ludwig Grusel, und im Jahr darauf finden wir Clara Grusel, wieder als Betreiberin eines "Wohnungsnachweises", in der Bamberger Straße 22, vermutlich geschieden oder verwitwet. Sie hatte dort eine Sechs-Zimmer-Wohnung bezogen, vielleicht schon in der Absicht, Zimmer zu vermieten. Zwei Jahre später hatte sie wieder den Nachnamen Rieger angenommen und wohnte weiter in der Bamberger Straße. Zuletzt muss sie in beengten Verhältnissen gelebt haben, da in der (nicht von ihr selbst ausgefüllten) obligatorischen "Vermögenserklärung" sieben Untermieter aufgeführt sind: Wachsmann, Bieber, Gimpel, Deutschkron, Borchardt, Frey und Steinhöfler. Auch Louis Baruch sowie Harry und Natalie Grünbaum waren zeitweise ihre Untermieter.

Clara Rieger wurde am 14. Dezember 1942 mit dem 25. Osttransport aus der Bamberger Straße 22 über das Sammellager Große Hamburger Straße 26 nach Auschwitz deportiert. Der Transport umfasste 815 Menschen, darunter 61 zwischen 1928 und 1942 geborene Kinder. Von diesem Transport hat niemand überlebt.

Am 3. Februar 1943 vermerkte ein Gerichtsvollzieher auf dem Vordruck „Inventar und Bewertung“: „Wanzen vorhanden, keine Schlüssel, da Untermieter“. Der Hinweis auf Wanzen muss hier nicht unbedingt wörtlich genommen werden; unter Antisemiten war der Reflex, eine stereotype Verbindung von Juden und Ungeziefer herzustellen, weit verbreitet. - Der Wert von Clara Riegers Mobiliars wurde auf 590,- RM geschätzt. Am 23. Oktober 1944 teilte das Finanzamt Wilmersdorf-Süd mit, dass sie nach dem Stand vom 1. Januar 1940 keine Vermögenswerte mehr hatte.