Theodor Loewenthal

Verlegeort
Lietzenburger Str. 32
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
10. September 2013
Geboren
04. März 1861 in Zettlitz / Sedlec u Karlových Var
Deportation
am 08. Juli 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
22. Juli 1942 in Theresienstadt

Dieser von Theodor Loewenthals Enkeltochter Susan Loewenthal Lourenço (London/Berlin) gespendete Stolperstein wurde am 10. September 2013 in Anwesenheit der Familienmitglieder Steve Rosenfeld (New York) und Peter, Ali und Jan Feingold (Bristol) sowie zahlreicher Freunde verlegt. 25 Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Wilmersdorf und der Georg-von-Giesche-Schule begleiteten das Gedenken. Anschließend fand im Gemeindesaal der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine Gedenkstunde statt, bei der Pfarrer Martin Germer vor rund 60 Gästen an Theodor Loewenthals Leben erinnerte.<br />
<br />
Susan Loewenthal Lourenço sagte zur Begrüßung: „Im Juni 1933 musste mein Vater Hans Loewenthal, ein junger Medizinwissenschaftler, aus Berlin nach England flüchten. Er hat meine Mutter Ilse Stenger, die ebenfalls aus Berlin stammte, in London geheiratet. Deshalb bin ich dort geboren! Nicht so glücklich verlief das Leben meines Großvaters. Obwohl er zweimal nach England gekommen war, um meine Eltern zu besuchen und mich als Baby kennenlernte, fuhr er zurück nach Berlin. Heute sind wir hier zusammengekommen, um meines Großvaters zu gedenken, den ich ‚Opalin‘ nannte.“<br />
<br />
Theodor Loewenthal wurde am 4. März 1861 geboren. Nach deutschen Unterlagen, insbesondere dem Totenschein aus Theresienstadt und nach Angaben der Familie, kam er in Zettlitz (heute: Sedlec u Karlových Var), etwa vier Kilometer von Karlsbad (Böhmen) entfernt, zur Welt. Sein Sohn Hans schrieb, dass „die Familie Loewenthal aus dem Bayrischen Wald – wo sie Porzellan herstellte – um 1800 nach Böhmen zog“. Theodors Vater Elias Loewenthal handelte mit Vieh, und Theodor musste ihm beim Transport der Tiere zum Markt helfen, sodass er häufig die Schule versäumte. Elias war mit Katharina Schnurmacher verheiratet. Sie starben, bevor Theodor 13 Jahre alt war: sein Vater wahrscheinlich an Blinddarmentzündung, seine Mutter erstickte an einem Hühnerknochen. Ihre acht Kinder wurden zu Verwandten verteilt, nur der Älteste, Theodor, entschied, dass er mit 13 alt genug sei, um ein eigenes Leben anzufangen. Er wanderte 195 Kilometer nach Berlin, um dort sein Glück zu machen.<br />
<br />
Der junge Theodor ging in die Lehre zu einem Fleischer mit Namen Hirsch Elkan in Friedrichshagen im Süden Berlins in der Nähe von Köpenick und heiratete am 18. Januar 1888 Elkans Tochter Jenny, geboren 1867. Sie hatten vier Kinder: Käthe (geboren 1889), Else (1890), Helene (1891) und Hans (1899). Es ist nicht genau bekannt, wann Theodor Loewenthal nach Berlin zog. In der Geburtsurkunde von Hans ist als Adresse Magazinstraße 12a angegeben. 1898 kaufte Theodor ein Grundstück in der Achenbachstraße in Wilmersdorf, um dort ein Haus zu bauen, das gleichzeitig Wohnhaus und Geschäft sein sollte. Er engagierte einen bekannten Architekten, um seinen Traum zu verwirklichen. Wir wissen, dass in dem Gebäude eine hervorragende Fleischerei war und eine nichtkoschere Wurstfabrik, sodass er die vielen säkularen Juden in Berlin belieferte.<br />
<br />
Theodors Ehefrau Jenny war eine zierliche, intelligente und hart arbeitende Frau, die im Geschäft die Buchhalterin führte und den Haushalt und die Küche ihrer Schwester Minna überließ. Jenny litt an einer Herzkrankheit und starb 1921. Theodor war ein großer, kräftiger und manchmal jähzorniger Mann und hatte aufgrund seines eigenen Lebensweges hohe Erwartungen an die Familie. Er konnte allerdings nicht mit Geld umgehen, denn das hatte Jenny bis zu ihrem Tod erledigt. Käthe und ihr Mann Paul kamen aus Marienbad nach Berlin und übernahmen den Betrieb.<br />
<br />
Theodor hatte keine Schule abgeschlossen, war intelligent und wollte außerdem das Leben genießen. Von ihm wird erzählt, dass er in der eigenen Kutsche zur Oper fuhr und dass er eines der ersten Automobile in Berlin besaß. Aus dem Grundriss des Gebäudes in der Achenbachstraße 4 geht hervor, dass Ställe für mindestens vier Pferde vorgesehen waren. Es gibt Fotos von Theodor, wie er auf einem Schlitten einen Abhang in der Schweiz hinunterfährt, sowie von Reisen 1935 und 1936 nach Schottland und England.<br />
<br />
Theodor Loewenthal genoss das Leben, sorgte aber auch für seine Familie, indem er sie auf vielfältige Weise unterstützte. Zwei seiner drei Töchter lebten für einige Zeit bei ihm. Käthe, seine älteste Tochter, und ihr Ehemann sowie deren Tochter Ellie zogen zu ihm, nachdem Jenny gestorben war. Und als die dritte Tochter Lene in Dresden geschieden wurde, zogen sie und ihr Sohn Jochen Feingold in die Achenbachstraße 4. Das Haus wurde mehrmals umgebaut, um alle unterzubringen.<br />
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Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, ob Hans Loewenthal versucht hat, seinen Vater während dessen Besuchen zu überreden, in England zu bleiben. Der war halsstarrig und sagte, er sei zu alt, um ein neues Leben anzufangen, ohne englisch sprechen zu können. Von 1936 an gibt es wenige Zeugnisse über sein Leben in Berlin. Über sein weiteres Schicksal geben Unterlagen Auskunft, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam lagern. 1938 wurde er demnach gezwungen, das Haus an der Achenbachstraße zu verkaufen. Es existieren Briefe eines gewissen Hans Brandt, adressiert an Theodor, die auch von einem Verkauf handeln. Andere Briefe sind an Nazi-Behörden gerichtet, in denen vom Kauf des Geschäftes („Wurstfabrik und Stadtküche“) von dem „Juden Th. Loewenthal“ die Rede war.<br />
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Die auf der ganzen Welt in England, Ecuador, Kenia und den USA verstreute Familie Loewenthal/Rosenfeld/Feingold nahm an, dass Theodor nach Theresienstadt deportiert wurde und dass er dort gestorben ist. Es liegen zwei Versionen vor. Die Unterlagen in Yad Vashem in Jerusalem und im Jüdischen Museum in Berlin besagen, dass er am 8. Juli 1942 von der Adresse eines Altersheims aus der Wannseestraße 10 in Zehlendorf deportiert wurde. Aber in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ im Rathaus Schöneberg tauchte eine von der Gestapo ausgefüllte Karteikarte auf, wonach Theodor Loewenthal, bevor er in das „Altersheim“ in Zehlendorf gebracht wurde, seit 3. Januar 1942 in einem „Judenhaus“ am Bayrischen Platz 3 als Untermieter bei Wanda Jacoby wohnte und bis Juni 1942 für ein Zimmer die Miete bezahlt habe. Nicht von ihm selbst, sondern nachträglich wurde Theodor Loewenthal als „staatenlos, früher Österreich“ einsortiert.<br />
<br />
In seine allen Juden abgeforderte Vermögenserklärung trug er die wenigen Möbel und Kleidungsstücke, die er noch besaß, ein sowie ein Brockhaus-Lexikon und, erschreckend, eine Aufstellung der Sachen, die er mitnehmen durfte, als er gewaltsam verschleppt wurde. Das liquidierte Unternehmen, das Eigentum und das Vermögen wurden vom Nazi-Staat eingezogen. Alle jüdischen Männer mussten den Zusatzvornamen „Israel“ führen, so auch Theodor Loewenthal. Er unterschrieb zwar so, weil er musste, aber den aufgezwungenen „Israel“ in deutlich kleinerer Schrift. „Dies war wohl seine Form des stillen Protestes“, vermutet seine Enkelin.<br />
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Vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald wurde Theodor Loewenthal am 8. Juli 1942 zusammen mit 99 anderen Berliner Juden nach Theresienstadt deportiert. Dort musste der 81-jährige im Ghetto noch zwei Wochen unter scheußlichen Bedingungen aushalten, bis er am 22. Juli 1942 ums Leben kam. Als Todesursache wurde im Sterbedokument (siehe http://www.holocaust.cz/de/document...(Externer Link)) ein „Lungen-Ödem“ mit anschließender „Herzlähmung“ eingetragen. Der Stolperstein zum Gedenken an ihn liegt an der Stelle, wo einst das von ihm erbaute, nicht mehr existierende Haus stand. Die heutige Adresse ist Lietzenburger Straße 32.<br />

Dieser von Theodor Loewenthals Enkeltochter Susan Loewenthal Lourenço (London/Berlin) gespendete Stolperstein wurde am 10. September 2013 in Anwesenheit der Familienmitglieder Steve Rosenfeld (New York) und Peter, Ali und Jan Feingold (Bristol) sowie zahlreicher Freunde verlegt. 25 Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Wilmersdorf und der Georg-von-Giesche-Schule begleiteten das Gedenken. Anschließend fand im Gemeindesaal der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine Gedenkstunde statt, bei der Pfarrer Martin Germer vor rund 60 Gästen an Theodor Loewenthals Leben erinnerte.

Susan Loewenthal Lourenço sagte zur Begrüßung: „Im Juni 1933 musste mein Vater Hans Loewenthal, ein junger Medizinwissenschaftler, aus Berlin nach England flüchten. Er hat meine Mutter Ilse Stenger, die ebenfalls aus Berlin stammte, in London geheiratet. Deshalb bin ich dort geboren! Nicht so glücklich verlief das Leben meines Großvaters. Obwohl er zweimal nach England gekommen war, um meine Eltern zu besuchen und mich als Baby kennenlernte, fuhr er zurück nach Berlin. Heute sind wir hier zusammengekommen, um meines Großvaters zu gedenken, den ich ‚Opalin‘ nannte.“

Theodor Loewenthal wurde am 4. März 1861 geboren. Nach deutschen Unterlagen, insbesondere dem Totenschein aus Theresienstadt und nach Angaben der Familie, kam er in Zettlitz (heute: Sedlec u Karlových Var), etwa vier Kilometer von Karlsbad (Böhmen) entfernt, zur Welt. Sein Sohn Hans schrieb, dass „die Familie Loewenthal aus dem Bayrischen Wald – wo sie Porzellan herstellte – um 1800 nach Böhmen zog“. Theodors Vater Elias Loewenthal handelte mit Vieh, und Theodor musste ihm beim Transport der Tiere zum Markt helfen, sodass er häufig die Schule versäumte. Elias war mit Katharina Schnurmacher verheiratet. Sie starben, bevor Theodor 13 Jahre alt war: sein Vater wahrscheinlich an Blinddarmentzündung, seine Mutter erstickte an einem Hühnerknochen. Ihre acht Kinder wurden zu Verwandten verteilt, nur der Älteste, Theodor, entschied, dass er mit 13 alt genug sei, um ein eigenes Leben anzufangen. Er wanderte 195 Kilometer nach Berlin, um dort sein Glück zu machen.

Der junge Theodor ging in die Lehre zu einem Fleischer mit Namen Hirsch Elkan in Friedrichshagen im Süden Berlins in der Nähe von Köpenick und heiratete am 18. Januar 1888 Elkans Tochter Jenny, geboren 1867. Sie hatten vier Kinder: Käthe (geboren 1889), Else (1890), Helene (1891) und Hans (1899). Es ist nicht genau bekannt, wann Theodor Loewenthal nach Berlin zog. In der Geburtsurkunde von Hans ist als Adresse Magazinstraße 12a angegeben. 1898 kaufte Theodor ein Grundstück in der Achenbachstraße in Wilmersdorf, um dort ein Haus zu bauen, das gleichzeitig Wohnhaus und Geschäft sein sollte. Er engagierte einen bekannten Architekten, um seinen Traum zu verwirklichen. Wir wissen, dass in dem Gebäude eine hervorragende Fleischerei war und eine nichtkoschere Wurstfabrik, sodass er die vielen säkularen Juden in Berlin belieferte.

Theodors Ehefrau Jenny war eine zierliche, intelligente und hart arbeitende Frau, die im Geschäft die Buchhalterin führte und den Haushalt und die Küche ihrer Schwester Minna überließ. Jenny litt an einer Herzkrankheit und starb 1921. Theodor war ein großer, kräftiger und manchmal jähzorniger Mann und hatte aufgrund seines eigenen Lebensweges hohe Erwartungen an die Familie. Er konnte allerdings nicht mit Geld umgehen, denn das hatte Jenny bis zu ihrem Tod erledigt. Käthe und ihr Mann Paul kamen aus Marienbad nach Berlin und übernahmen den Betrieb.

Theodor hatte keine Schule abgeschlossen, war intelligent und wollte außerdem das Leben genießen. Von ihm wird erzählt, dass er in der eigenen Kutsche zur Oper fuhr und dass er eines der ersten Automobile in Berlin besaß. Aus dem Grundriss des Gebäudes in der Achenbachstraße 4 geht hervor, dass Ställe für mindestens vier Pferde vorgesehen waren. Es gibt Fotos von Theodor, wie er auf einem Schlitten einen Abhang in der Schweiz hinunterfährt, sowie von Reisen 1935 und 1936 nach Schottland und England.

Theodor Loewenthal genoss das Leben, sorgte aber auch für seine Familie, indem er sie auf vielfältige Weise unterstützte. Zwei seiner drei Töchter lebten für einige Zeit bei ihm. Käthe, seine älteste Tochter, und ihr Ehemann sowie deren Tochter Ellie zogen zu ihm, nachdem Jenny gestorben war. Und als die dritte Tochter Lene in Dresden geschieden wurde, zogen sie und ihr Sohn Jochen Feingold in die Achenbachstraße 4. Das Haus wurde mehrmals umgebaut, um alle unterzubringen.

Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, ob Hans Loewenthal versucht hat, seinen Vater während dessen Besuchen zu überreden, in England zu bleiben. Der war halsstarrig und sagte, er sei zu alt, um ein neues Leben anzufangen, ohne englisch sprechen zu können. Von 1936 an gibt es wenige Zeugnisse über sein Leben in Berlin. Über sein weiteres Schicksal geben Unterlagen Auskunft, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam lagern. 1938 wurde er demnach gezwungen, das Haus an der Achenbachstraße zu verkaufen. Es existieren Briefe eines gewissen Hans Brandt, adressiert an Theodor, die auch von einem Verkauf handeln. Andere Briefe sind an Nazi-Behörden gerichtet, in denen vom Kauf des Geschäftes („Wurstfabrik und Stadtküche“) von dem „Juden Th. Loewenthal“ die Rede war.

Die auf der ganzen Welt in England, Ecuador, Kenia und den USA verstreute Familie Loewenthal/Rosenfeld/Feingold nahm an, dass Theodor nach Theresienstadt deportiert wurde und dass er dort gestorben ist. Es liegen zwei Versionen vor. Die Unterlagen in Yad Vashem in Jerusalem und im Jüdischen Museum in Berlin besagen, dass er am 8. Juli 1942 von der Adresse eines Altersheims aus der Wannseestraße 10 in Zehlendorf deportiert wurde. Aber in der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ im Rathaus Schöneberg tauchte eine von der Gestapo ausgefüllte Karteikarte auf, wonach Theodor Loewenthal, bevor er in das „Altersheim“ in Zehlendorf gebracht wurde, seit 3. Januar 1942 in einem „Judenhaus“ am Bayrischen Platz 3 als Untermieter bei Wanda Jacoby wohnte und bis Juni 1942 für ein Zimmer die Miete bezahlt habe. Nicht von ihm selbst, sondern nachträglich wurde Theodor Loewenthal als „staatenlos, früher Österreich“ einsortiert.

In seine allen Juden abgeforderte Vermögenserklärung trug er die wenigen Möbel und Kleidungsstücke, die er noch besaß, ein sowie ein Brockhaus-Lexikon und, erschreckend, eine Aufstellung der Sachen, die er mitnehmen durfte, als er gewaltsam verschleppt wurde. Das liquidierte Unternehmen, das Eigentum und das Vermögen wurden vom Nazi-Staat eingezogen. Alle jüdischen Männer mussten den Zusatzvornamen „Israel“ führen, so auch Theodor Loewenthal. Er unterschrieb zwar so, weil er musste, aber den aufgezwungenen „Israel“ in deutlich kleinerer Schrift. „Dies war wohl seine Form des stillen Protestes“, vermutet seine Enkelin.

Vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald wurde Theodor Loewenthal am 8. Juli 1942 zusammen mit 99 anderen Berliner Juden nach Theresienstadt deportiert. Dort musste der 81-jährige im Ghetto noch zwei Wochen unter scheußlichen Bedingungen aushalten, bis er am 22. Juli 1942 ums Leben kam. Als Todesursache wurde im Sterbedokument (siehe http://www.holocaust.cz/de/document...(Externer Link)) ein „Lungen-Ödem“ mit anschließender „Herzlähmung“ eingetragen. Der Stolperstein zum Gedenken an ihn liegt an der Stelle, wo einst das von ihm erbaute, nicht mehr existierende Haus stand. Die heutige Adresse ist Lietzenburger Straße 32.