Gertrud Gerson geb. Lilienfeld

Verlegeort
Rolandstraße 2
Bezirk/Ortsteil
Schlachtensee
Verlegedatum
14. August 2021
Geboren
19. Dezember 1876 in Leipzig
Deportation
am 23. Juli 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
19. November 1943 in Theresienstadt

In dem 1899 gebauten Haus in der Rolandstraße 2 lebte Gertrud Gerson, geb. Lilienfeld, mit ihrem Ehemann Carl und ihren drei Kindern Walter, Horst und Maria.
Carl Gerson war einer der ersten Ärzte in der neuen Landhauskolonie Schlachtensee und hatte seine Praxis auch in dem Haus.
Gertrud und Carl Gerson waren beide jüdischer Abstammung, aber zum Protestantismus konvertiert. Carl Gerson diente als Offizier im Ersten Weltkrieg und auch der Sohn Walter zog als 18-Jähriger in den Krieg. Beide Männer waren deutsch-national gesinnt.
Nach dem Tod von Carl Gerson 1925 hielt sich die Familie mit Zimmervermietung über Wasser.
Die Tochter Maria machte eine Ausbildung als Erzieherin und arbeitete in dem Beruf bis 1932. Ihr wurde aber aufgrund ihrer jüdischen Abstammung gekündigt. Wegen der fehlenden Verdienstmöglichkeiten und des wachsenden Drucks auf die Familie emigrierte sie 1937 in die USA.
Der Sohn Horst wurde Kunsthistoriker und lebte ab 1933 in Den Haag, wo er eine Stelle im Rijksbureau voor Kunsthistorische Dokumentation bekommen hatte. Da er und seine Frau Ilse den Nationalsozialismus kategorisch ablehnten, beantragten sie die niederländische Staatsbürgerschaft, die ihnen 1940 erteilt wurde. Als Jude im nationalsozialistisch besetzten Holland war Horst Gerson gefährdet und musste sich mehrmals im Haus verstecken.
Der älteste Sohn Walter lebte mit seiner Frau Dora und ihren Kindern in Göttingen, wo er eine Stelle als Leiter des Landesjugenderziehungsheims innehatte. Er verlor seine Beamtenstelle, durfte zunächst aber noch als Arzt tätig sein. Mit der Unterstützung seiner Verbindungsbrüder aus Studentenzeiten wurde ein fingierter „Ariernachweis“ erstellt, in dem behauptet wurde, dass sein Vater kein Jude gewesen sei, so dass Walter fortan als „Halbjude“ galt.
Als „Beweismittel“ dienten alte Fotos; man hat die Köpfe ausgeschnitten und nach faschistischer Rassentheorie wurden sie abgemessen, um festzustellen, dass die Kopfform keine vermeintlich „semitischen Merkmale“ aufwies.
Gertrud Gerson verkaufte gezwungenermaßen 1938 ihr Haus und zog zu ihrem Sohn Walter nach Göttingen. Sie gingen davon aus, dass der „Ariernachweis“ für Walter Gerson die ganze Familie schützen würde, denn sie vertrauten den alten Verbindungsbrüdern, die z. T. hohe Gestapoposten innehatten.
So waren sie tief erschüttert, als Gertrud Gerson die Aufforderung bekam, „sich einem Transport von alten jüdischen Menschen (…) anzuschließen“, wie Walter Gersons Frau Dora am 20. August 1942 in einem Brief schrieb. Walter Gerson reiste nach Berlin und sprach bei der obersten Gestapostelle vor, wo er, wie es weiter in Dora Gersons Brief heißt, „leider von der Unabänderlichkeit dieser Maßnahme überzeugt wurde. (…) Mama war rührend gefasst.“
Aus Theresienstadt sind drei Postkarten erhalten, die im Besitz der Urenkelin Inga Gerson sind. Keine davon wurde von Gertrud Gerson selbst geschrieben, zwei sind von einer Mitbewohnerin Bertel oder Bertha Müller. In der zweiten Karte vom 10. Dezember 1943 schreibt sie: „Ihr habt inzwischen die traurige Nachricht erhalten, dass die lb. Ma am Gehirnschlag plötzlich verschieden ist, es hat uns Allen so unendlich leidgetan und mir ganz besonders. Jeder hatte sie gern, sie war stets zufrieden und immer bescheiden.“
Diese Anerkennung wäre ein passendes Epitaph für Gertrud Gerson.
 

In dem 1899 gebauten Haus in der Rolandstraße 2 lebte Gertrud Gerson, geb. Lilienfeld, mit ihrem Ehemann Carl und ihren drei Kindern Walter, Horst und Maria.
Carl Gerson war einer der ersten Ärzte in der neuen Landhauskolonie Schlachtensee und hatte seine Praxis auch in dem Haus.
Gertrud und Carl Gerson waren beide jüdischer Abstammung, aber zum Protestantismus konvertiert. Carl Gerson diente als Offizier im Ersten Weltkrieg und auch der Sohn Walter zog als 18-Jähriger in den Krieg. Beide Männer waren deutsch-national gesinnt.
Nach dem Tod von Carl Gerson 1925 hielt sich die Familie mit Zimmervermietung über Wasser.
Die Tochter Maria machte eine Ausbildung als Erzieherin und arbeitete in dem Beruf bis 1932. Ihr wurde aber aufgrund ihrer jüdischen Abstammung gekündigt. Wegen der fehlenden Verdienstmöglichkeiten und des wachsenden Drucks auf die Familie emigrierte sie 1937 in die USA.
Der Sohn Horst wurde Kunsthistoriker und lebte ab 1933 in Den Haag, wo er eine Stelle im Rijksbureau voor Kunsthistorische Dokumentation bekommen hatte. Da er und seine Frau Ilse den Nationalsozialismus kategorisch ablehnten, beantragten sie die niederländische Staatsbürgerschaft, die ihnen 1940 erteilt wurde. Als Jude im nationalsozialistisch besetzten Holland war Horst Gerson gefährdet und musste sich mehrmals im Haus verstecken.
Der älteste Sohn Walter lebte mit seiner Frau Dora und ihren Kindern in Göttingen, wo er eine Stelle als Leiter des Landesjugenderziehungsheims innehatte. Er verlor seine Beamtenstelle, durfte zunächst aber noch als Arzt tätig sein. Mit der Unterstützung seiner Verbindungsbrüder aus Studentenzeiten wurde ein fingierter „Ariernachweis“ erstellt, in dem behauptet wurde, dass sein Vater kein Jude gewesen sei, so dass Walter fortan als „Halbjude“ galt.
Als „Beweismittel“ dienten alte Fotos; man hat die Köpfe ausgeschnitten und nach faschistischer Rassentheorie wurden sie abgemessen, um festzustellen, dass die Kopfform keine vermeintlich „semitischen Merkmale“ aufwies.
Gertrud Gerson verkaufte gezwungenermaßen 1938 ihr Haus und zog zu ihrem Sohn Walter nach Göttingen. Sie gingen davon aus, dass der „Ariernachweis“ für Walter Gerson die ganze Familie schützen würde, denn sie vertrauten den alten Verbindungsbrüdern, die z. T. hohe Gestapoposten innehatten.
So waren sie tief erschüttert, als Gertrud Gerson die Aufforderung bekam, „sich einem Transport von alten jüdischen Menschen (…) anzuschließen“, wie Walter Gersons Frau Dora am 20. August 1942 in einem Brief schrieb. Walter Gerson reiste nach Berlin und sprach bei der obersten Gestapostelle vor, wo er, wie es weiter in Dora Gersons Brief heißt, „leider von der Unabänderlichkeit dieser Maßnahme überzeugt wurde. (…) Mama war rührend gefasst.“
Aus Theresienstadt sind drei Postkarten erhalten, die im Besitz der Urenkelin Inga Gerson sind. Keine davon wurde von Gertrud Gerson selbst geschrieben, zwei sind von einer Mitbewohnerin Bertel oder Bertha Müller. In der zweiten Karte vom 10. Dezember 1943 schreibt sie: „Ihr habt inzwischen die traurige Nachricht erhalten, dass die lb. Ma am Gehirnschlag plötzlich verschieden ist, es hat uns Allen so unendlich leidgetan und mir ganz besonders. Jeder hatte sie gern, sie war stets zufrieden und immer bescheiden.“
Diese Anerkennung wäre ein passendes Epitaph für Gertrud Gerson.