Emil Linke

Verlegeort
Böhmische Straße 28 a
Bezirk/Ortsteil
Neukölln
Verlegedatum
19. September 2013
Geboren
28. Januar 1901 in Apolda
Beruf
Arbeiter
Flucht
Tschechoslowakei, Sowjetunion
Ermordet
16. August 1938 in Butowo (Sowjetunion)

Emil Linke wurde am 28. Januar 1901 in Apolda/Thüringen geboren. Bis 1918 war er als Schreibgehilfe beim Großherzoglichen Rechnungsamt Apolda beschäftigt und danach bis 1920 als Verwaltungsgehilfe beim Gemeindevorstand in Bad Sulza in Thüringen. Emil Linkes Vater hatte in Apolda eine Gastwirtschaft, die der Sohn übernehmen sollte. Doch dieses kleinbürgerliche Leben war nicht sein Fall. Ihn zog es nach Berlin, wo er sich politisch betätigen wollte. Dort lernte er bei einem Treffen der Kommunistischen Jugend Else Krüger kennen, die er 1924 heiratete.<br />
<br />
Die Eheleute bezogen eine Wohnung in Berlin-Neukölln. Else Linke brachte 1925, 1926 und 1927 die gemeinsamen Kinder Martin, Johanna und Wolfgang zur Welt. Emil Linke trat im April 1926 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei und war aktiv politisch tätig. In den Familiendokumenten findet sich ein Schreiben von Emil Linke an das Exekutivkomitee der Komintern in Moskau vom 1. Juli 1936, in dem er seine Funktionen in der Neuköllner Zeit auflistet (siehe Link unten).<br />
<br />
Die Linkes erlebten die Weltwirtschaftskrise wie viele andere Arbeiter: Für einen Tageslohn konnte man am Abend gerade noch eine Schachtel Streichhölzer erwerben. Die Wohnbedingungen waren bei ständig steigenden Mieten katastrophal. Zwischen 1924 und 1930 zog Familie Linke vier Mal innerhalb Neuköllns um, um bezahlbaren Wohnraum zu haben. Ihre letzte Anschrift war die Böhmische Straße 28a. Hier lebten die Eheleute mit ihren drei Kindern in Stube, Flur und Küche. 1931 eröffneten die Nazis in der Richardstraße 35, in unmittelbarer Nachbarschaft, ein SA-Sturmlokal, die Richardsburg. Das Haus, in dem sich dieses Lokal befand, war der größte Hinterhofbau Neuköllns. In fünf Hinterhöfen lebten vorwiegend Arbeiter unter den denkbar schlechtesten Bedingungen. Die Vermietung des Lokals im Vorderhaus an die SA war eine offene Provokation. Im gleichen Jahr organisierten Else und Emil Linke aus Protest gegen den Vermieter einen Mieterstreik. Die Mieten wurden bei einem Notar eingezahlt und es wurde zu einer Protestdemonstration aufgerufen. Die SA sollte wieder raus!! Emil Linke war der Mitinitiator des Protestes und Else Linke mobilisierte die Genossinnen, Genossen und Sympathisanten. Bei einem von den Nazis initiierten bewaffneten Zusammenstoß vor der Richardsburg wurde der Gastwirt Böwe tödlich verletzt. Daraufhin wurden viele Genossen verhaftet, darunter auch Emil Linke. Er wurde gemeinsam mit weiteren Genossen im sogenannten Richardstraßen-Prozess (auch bekannt unter Mieterstreikprozess Richardstraße) angeklagt, den Gastwirt Böwe im Verlauf der bewaffneten Auseinandersetzung erschossen zu haben. Verteidigt wurden die Genossen von Hans Litten, bekannt als Rechtsanwalt, der politisch engagierte Arbeiter vertrat, und entschiedener Gegner der Faschisten. Der Prozess musste wegen Mangels an Beweisen eingestellt werden. Diese Einstellung bedeutete juristisch gesehen noch keinen Unschuldsbeweis. Emil Linke wurde wieder freigelassen, verlor aber seine Arbeit.<br />
<br />
Am 27. Februar 1933, in der Nacht des Reichstagsbrandes, wurde Emil Linke neben weiteren tausenden Gegnern der Nazis verhaftet. Er kam zunächst ins Gefängnis Spandau, dann ins KZ Sonnenburg. Im Juli 1933 wurde er aus dem KZ entlassen. 1935 wurde der Richardstraßen-Prozess erneut aufgerollt. Emil Linke wurde von der Gestapo zum Verhör vorgeladen. Um einer erneuten Verhaftung, Anklage und der unter den gegebenen politischen Umständen wahrscheinlichen Verurteilung zu entgehen, floh Emil Linke mit weiteren von Anklage bedrohten Genossen auf Weisung der KPD nach Prag.<br />
<br />
Emil Linke gelangte gemeinsam mit seinem Genossen Josef Erdmann, auch er ein Aktiver im Mieterstreik Richardstraße, nach Prag. Zu den Details seiner Flucht gibt es keine Überlieferungen.<br />
<br />
Unabhängige Juristen der „Prager Union für Recht und Freiheit“ befragten die nach Prag geflohenen Genossen, darunter auch Emil Linke, als Zeugen im Gegenprozess zum in Deutschland von den Nazis angezettelten Richardstraßen-Prozess. Sie kamen am 4. März 1936 abschließend zu der Beurteilung, dass Emil Linke einen Antrag auf Revision der Anklage stellen müsse, da er unschuldig sei. Darüber berichtet die Arbeiter Illustrierte Zeitung in ihrer Ausgabe Nr. 17/1936 (siehe Link unten). Als Kommunist vor einem Gericht der Nazis in Revision zu gehen, hätte allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit tödliche Konsequenzen für Emil Linke gehabt. Da er inzwischen von der Gestapo in Deutschland steckbrieflich gesucht wurde, gab ihm die im Untergrund tätige KPD die Weisung zur Emigration in die UdSSR.<br />
<br />
Im Juni 1936 traf Familie Linke in einem Moskauer Emigrantenheim der Internationalen Arbeiterhilfe in der Obuch-Straße endlich wieder zusammen.<br />
<br />
Emil Linke fand im Ort Krjukowo unweit von Moskau in einer Textilfabrik Arbeit als Modellist.<br />
<br />
1937/1938: Es war die Zeit des „Großen Terrors“ in der Sowjetunion. Auf Anordnung Stalins und seines Geheimdienstchefs wurden im Rahmen der Deutschen Operation in der Sowjetunion lebende Deutsche unter den Generalverdacht der Spionage für Deutschland gestellt. Emil Linke wurde in der Nacht vom 23. zum 24. März 1938 nachts aus dem Schlafsaal im Emigrantenheim abgeholt. Seine Frau Else, die Erkundigungen beim NKWD und der Komintern einzuholen versuchte, hat weder die Gründe für die Verhaftung ihres Mannes erfahren noch Informationen zu den weiteren Ereignissen oder zu seinem Aufenthaltsort erhalten. Man sagte ihr später, er sei in ein Lager nach Archangelsk im Hohen Norden der Sowjetunion verbannt worden.<br />
<br />
Erst 1993, nach Öffnung der Moskauer Archive, wurde durch die Tageszeitung „Neues Deutschland“ (17. Juni 1993) bekannt, dass Emil Linke am 29. Juli 1938 wegen konterrevolutionärer Spionagetätigkeit für Deutschland (er unterhielt Briefkontakt mit den Verwandten in Deutschland) verurteilt und am 16. August 1938 in Butowo bei Moskau erschossen worden war.

Emil Linke wurde am 28. Januar 1901 in Apolda/Thüringen geboren. Bis 1918 war er als Schreibgehilfe beim Großherzoglichen Rechnungsamt Apolda beschäftigt und danach bis 1920 als Verwaltungsgehilfe beim Gemeindevorstand in Bad Sulza in Thüringen. Emil Linkes Vater hatte in Apolda eine Gastwirtschaft, die der Sohn übernehmen sollte. Doch dieses kleinbürgerliche Leben war nicht sein Fall. Ihn zog es nach Berlin, wo er sich politisch betätigen wollte. Dort lernte er bei einem Treffen der Kommunistischen Jugend Else Krüger kennen, die er 1924 heiratete.

Die Eheleute bezogen eine Wohnung in Berlin-Neukölln. Else Linke brachte 1925, 1926 und 1927 die gemeinsamen Kinder Martin, Johanna und Wolfgang zur Welt. Emil Linke trat im April 1926 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei und war aktiv politisch tätig. In den Familiendokumenten findet sich ein Schreiben von Emil Linke an das Exekutivkomitee der Komintern in Moskau vom 1. Juli 1936, in dem er seine Funktionen in der Neuköllner Zeit auflistet (siehe Link unten).

Die Linkes erlebten die Weltwirtschaftskrise wie viele andere Arbeiter: Für einen Tageslohn konnte man am Abend gerade noch eine Schachtel Streichhölzer erwerben. Die Wohnbedingungen waren bei ständig steigenden Mieten katastrophal. Zwischen 1924 und 1930 zog Familie Linke vier Mal innerhalb Neuköllns um, um bezahlbaren Wohnraum zu haben. Ihre letzte Anschrift war die Böhmische Straße 28a. Hier lebten die Eheleute mit ihren drei Kindern in Stube, Flur und Küche. 1931 eröffneten die Nazis in der Richardstraße 35, in unmittelbarer Nachbarschaft, ein SA-Sturmlokal, die Richardsburg. Das Haus, in dem sich dieses Lokal befand, war der größte Hinterhofbau Neuköllns. In fünf Hinterhöfen lebten vorwiegend Arbeiter unter den denkbar schlechtesten Bedingungen. Die Vermietung des Lokals im Vorderhaus an die SA war eine offene Provokation. Im gleichen Jahr organisierten Else und Emil Linke aus Protest gegen den Vermieter einen Mieterstreik. Die Mieten wurden bei einem Notar eingezahlt und es wurde zu einer Protestdemonstration aufgerufen. Die SA sollte wieder raus!! Emil Linke war der Mitinitiator des Protestes und Else Linke mobilisierte die Genossinnen, Genossen und Sympathisanten. Bei einem von den Nazis initiierten bewaffneten Zusammenstoß vor der Richardsburg wurde der Gastwirt Böwe tödlich verletzt. Daraufhin wurden viele Genossen verhaftet, darunter auch Emil Linke. Er wurde gemeinsam mit weiteren Genossen im sogenannten Richardstraßen-Prozess (auch bekannt unter Mieterstreikprozess Richardstraße) angeklagt, den Gastwirt Böwe im Verlauf der bewaffneten Auseinandersetzung erschossen zu haben. Verteidigt wurden die Genossen von Hans Litten, bekannt als Rechtsanwalt, der politisch engagierte Arbeiter vertrat, und entschiedener Gegner der Faschisten. Der Prozess musste wegen Mangels an Beweisen eingestellt werden. Diese Einstellung bedeutete juristisch gesehen noch keinen Unschuldsbeweis. Emil Linke wurde wieder freigelassen, verlor aber seine Arbeit.

Am 27. Februar 1933, in der Nacht des Reichstagsbrandes, wurde Emil Linke neben weiteren tausenden Gegnern der Nazis verhaftet. Er kam zunächst ins Gefängnis Spandau, dann ins KZ Sonnenburg. Im Juli 1933 wurde er aus dem KZ entlassen. 1935 wurde der Richardstraßen-Prozess erneut aufgerollt. Emil Linke wurde von der Gestapo zum Verhör vorgeladen. Um einer erneuten Verhaftung, Anklage und der unter den gegebenen politischen Umständen wahrscheinlichen Verurteilung zu entgehen, floh Emil Linke mit weiteren von Anklage bedrohten Genossen auf Weisung der KPD nach Prag.

Emil Linke gelangte gemeinsam mit seinem Genossen Josef Erdmann, auch er ein Aktiver im Mieterstreik Richardstraße, nach Prag. Zu den Details seiner Flucht gibt es keine Überlieferungen.

Unabhängige Juristen der „Prager Union für Recht und Freiheit“ befragten die nach Prag geflohenen Genossen, darunter auch Emil Linke, als Zeugen im Gegenprozess zum in Deutschland von den Nazis angezettelten Richardstraßen-Prozess. Sie kamen am 4. März 1936 abschließend zu der Beurteilung, dass Emil Linke einen Antrag auf Revision der Anklage stellen müsse, da er unschuldig sei. Darüber berichtet die Arbeiter Illustrierte Zeitung in ihrer Ausgabe Nr. 17/1936 (siehe Link unten). Als Kommunist vor einem Gericht der Nazis in Revision zu gehen, hätte allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit tödliche Konsequenzen für Emil Linke gehabt. Da er inzwischen von der Gestapo in Deutschland steckbrieflich gesucht wurde, gab ihm die im Untergrund tätige KPD die Weisung zur Emigration in die UdSSR.

Im Juni 1936 traf Familie Linke in einem Moskauer Emigrantenheim der Internationalen Arbeiterhilfe in der Obuch-Straße endlich wieder zusammen.

Emil Linke fand im Ort Krjukowo unweit von Moskau in einer Textilfabrik Arbeit als Modellist.

1937/1938: Es war die Zeit des „Großen Terrors“ in der Sowjetunion. Auf Anordnung Stalins und seines Geheimdienstchefs wurden im Rahmen der Deutschen Operation in der Sowjetunion lebende Deutsche unter den Generalverdacht der Spionage für Deutschland gestellt. Emil Linke wurde in der Nacht vom 23. zum 24. März 1938 nachts aus dem Schlafsaal im Emigrantenheim abgeholt. Seine Frau Else, die Erkundigungen beim NKWD und der Komintern einzuholen versuchte, hat weder die Gründe für die Verhaftung ihres Mannes erfahren noch Informationen zu den weiteren Ereignissen oder zu seinem Aufenthaltsort erhalten. Man sagte ihr später, er sei in ein Lager nach Archangelsk im Hohen Norden der Sowjetunion verbannt worden.

Erst 1993, nach Öffnung der Moskauer Archive, wurde durch die Tageszeitung „Neues Deutschland“ (17. Juni 1993) bekannt, dass Emil Linke am 29. Juli 1938 wegen konterrevolutionärer Spionagetätigkeit für Deutschland (er unterhielt Briefkontakt mit den Verwandten in Deutschland) verurteilt und am 16. August 1938 in Butowo bei Moskau erschossen worden war.