Harold (Heinz Martin) Blitzer

Verlegeort
Alexanderstraße 43
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Geboren
09. August 1926 in Berlin
Deportation
am 01. Oktober 1943 nach Theresienstadt
Überlebt

Harold (Geburtsname Heinz Martin) Blitzer kam am 9. August 1926 in Berlin zur Welt. Die Familie hatte ein gutes Einkommen, sie lebte in der Kastanienallee 89, wo Harolds Vater Leo im Erdgeschoss eine Gänse- und Geflügelschlachterei führte. Nach einigen Jahren eröffnete er eine zweite Filiale in der Schönhauser Allee 141. Die Geschäfte liefen so gut dass er 1933 beide Filialen aufgab, um in der Schönhauser Allee 137 einen neuen und größeren Laden zu eröffnen.<br />
<br />
In Folge des Aufrufes zum Boykott jüdischer Geschäfte seien wie Leo später berichtete christliche Kunden ausgeblieben wodurch sich seine Einnahmen auf etwa die Hälfte reduziert hätten. 1935 zog die Familie in die Schönhauser Allee 57 um. Im selben Jahr sei, so Leo, die Belieferung jüdischer Unternehmen durch Importfirmen eingestellt worden, was zu einem weiteren drastischen Rückgang seines Einkommens geführt habe. So war er gezwungen sein Geschäft Anfang 1937 zu verkaufen. <br />
Um die Familie weiterhin ernähren zu können, musste Leo Blitzer mit Stoffresten handeln, die er an Textilfirmen weiterverkaufte, wodurch er ein geringes Einkommen erzielte. <br />
<br />
Die rassistische Ausgrenzung der Juden machte sich jedoch nicht nur durch die dramatische Verschlechterung der finanziellen Lage der Familie Blitzer bemerkbar, sondern wirkte sich auch auf deren übriges Leben aus. Harold berichtete, dass er bis 1932 keine Erfahrungen mit Antisemitismus gemacht habe, was sich 1934 jedoch drastisch verändert habe, nachdem jüdischen Bürgern unter anderem der Besuch von Kinos, Theatern, Cafés etc. verboten worden sei. Eine weitere Folge war, dass er 1937 wegen massiver Schikanen durch Lehrer und Mitschüler die Volksschule verlassen und auf eine jüdische Schule wechseln musste. <br />
<br />
Noch massiver traf der Nazi-Terror die Verfolgung der Familie, die mittlerweile in der Alexanderstraße 43 lebte, in den Jahren ab 1938. In der sogenannten „Polenaktion“, die in Berlin in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1938 stattfand wurden polnische Juden im gesamten Land verhaftet und nach Polen abgeschoben. Lilli, die nur die polnische Staatsbürgerschaft besaß, wurde Harolds Aussage zufolge auf der Straße aufgegriffen und nach Polen gebracht, wo sich Verwandte um sie kümmerten. Harold, Leo und Marie wurden nicht abgeschoben. <br />
<br />
Im Dezember 1939 bekam die Familie die Nachricht, das Harold für die Ausreise mit einem Kindertransport ausgewählt worden sei und am 6. Februar 1940 nach Dänemark reisen könne.<br />
Harold ging mit dem von der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ veranstalteten Kindertransport nach Dänemark. In einer Gruppe mit anderen Kindern wurde er auf die Insel Fünen (dänisch: Fyn) gebracht, wo jedes Kind auf einem Bauernhof lebte und landwirtschaftliche Arbeiten verrichtete. Dies sollte eine Vorbereitung auf die spätere Auswanderung nach Palästina und das Leben im Kibbutz sein. <br />
<br />
Im April besetzten die deutschen Truppen Dänemark, die Deportationen begannen im Jahr 1943. Am 1. Oktober 1943 wurde Harold von der dänischen SS verhaftet und zusammen mit anderen Liga-Kindern in einem Viehwagen nach Süden deportiert. Am 5. Oktober 1943 kam der Zug im Ghetto Theresienstadt an. In Theresienstadt verrichtete Harold unterschiedliche Landarbeiten: hackte Holz, arbeitete im Garten und im Pferdestall. Am 14. April 1945 wurden die dänischen Juden im Rahmen einer Rettungsaktion des schwedischen Roten Kreuzes in Theresienstadt abgeholt und mit den sogenannten Weißen Bussen (Bernadotte-Transporte) nach Malmö/Schweden gebracht. Hier verbrachten sie ungefähr einen Monat, anschließend konnten sie nach Dänemark zurückkehren. Dort wurden die jüdischen Kinder dänischen Pflegefamilien zugewiesen. Bald bekam Harold mithilfe seiner Pflegeeltern einen Ausbildungsplatz in einer Autowerkstatt und zog in ein Waisenhaus für Jugendliche um. Nach kurzer Zeit wurde Harold von Leo und seinen Verwandten in den USA kontaktiert. Leos Kusine lud Harold ein, nach Amerika auszuwandern, und half ihm, den Antrag auf das Visum zu stellen. Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis Harold sein US-Visum bekommen hatte. Anfang Dezember 1946 wanderte er nach New York aus. <br />
<br />
In den USA wechselte Harold mehrmals seine Jobs. Er arbeitete in einer Autowerkstatt, später in der Gastronomie und arbeitete als Aushilfe, Kassierer und Kellner. Am 25. Juni 1950 begann der Koreakrieg und Harold wurde in die US-Armee eingezogen wurde aber nie nach Übersee geschickt. <br />
1952 kehrte Harold zum zivilen Leben zurück. Er fand einen Job als Handelsvertreter und ging 1954 nach Frankfurt am Main wo er einige Jahre später zusammen mit einem Partner ein Autogeschäft eröffnete. 1963 kehrte Harold in die USA zurück und ließ sich in Florida nieder, 1969 zog er nach Las Vegas um. Hier war er zuerst im Grundstücksverkauf tätig und ab 1975 beschäftigte er sich mit Kasinowerbung. <br />
<br />
In den 1980er Jahren stellte Harold fest, dass immer häufiger behauptet wurde, der Holocaust sei eine Lüge. Harold beschloss, dass es seine Pflicht war, seine Geschichte zu erzählen und seine Erfahrungen weiterzugeben, damit diese Grausamkeiten der Nazi-Diktatur nicht vergessen wird. Er begann an unterschiedlichen Bildungsprogrammen und Veranstaltungen teilzunehmen und gegen die Holocaustleugnung zu kämpfen. <br />
<br />
In seinem persönlichen Leben war Harold nicht besonders glücklich. Er hat nie geheiratet, weil er es schwer fand, mit einer Person zusammen zu sein, die nicht dasselbe erlebt hatte wie er. Er hatte Freunde, aber keine Familie, und fühlte sich sehr einsam. Harold Blitzer lebt krank und zurückgezogen in Las Vegas.

Harold (Geburtsname Heinz Martin) Blitzer kam am 9. August 1926 in Berlin zur Welt. Die Familie hatte ein gutes Einkommen, sie lebte in der Kastanienallee 89, wo Harolds Vater Leo im Erdgeschoss eine Gänse- und Geflügelschlachterei führte. Nach einigen Jahren eröffnete er eine zweite Filiale in der Schönhauser Allee 141. Die Geschäfte liefen so gut dass er 1933 beide Filialen aufgab, um in der Schönhauser Allee 137 einen neuen und größeren Laden zu eröffnen.

In Folge des Aufrufes zum Boykott jüdischer Geschäfte seien wie Leo später berichtete christliche Kunden ausgeblieben wodurch sich seine Einnahmen auf etwa die Hälfte reduziert hätten. 1935 zog die Familie in die Schönhauser Allee 57 um. Im selben Jahr sei, so Leo, die Belieferung jüdischer Unternehmen durch Importfirmen eingestellt worden, was zu einem weiteren drastischen Rückgang seines Einkommens geführt habe. So war er gezwungen sein Geschäft Anfang 1937 zu verkaufen.
Um die Familie weiterhin ernähren zu können, musste Leo Blitzer mit Stoffresten handeln, die er an Textilfirmen weiterverkaufte, wodurch er ein geringes Einkommen erzielte.

Die rassistische Ausgrenzung der Juden machte sich jedoch nicht nur durch die dramatische Verschlechterung der finanziellen Lage der Familie Blitzer bemerkbar, sondern wirkte sich auch auf deren übriges Leben aus. Harold berichtete, dass er bis 1932 keine Erfahrungen mit Antisemitismus gemacht habe, was sich 1934 jedoch drastisch verändert habe, nachdem jüdischen Bürgern unter anderem der Besuch von Kinos, Theatern, Cafés etc. verboten worden sei. Eine weitere Folge war, dass er 1937 wegen massiver Schikanen durch Lehrer und Mitschüler die Volksschule verlassen und auf eine jüdische Schule wechseln musste.

Noch massiver traf der Nazi-Terror die Verfolgung der Familie, die mittlerweile in der Alexanderstraße 43 lebte, in den Jahren ab 1938. In der sogenannten „Polenaktion“, die in Berlin in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1938 stattfand wurden polnische Juden im gesamten Land verhaftet und nach Polen abgeschoben. Lilli, die nur die polnische Staatsbürgerschaft besaß, wurde Harolds Aussage zufolge auf der Straße aufgegriffen und nach Polen gebracht, wo sich Verwandte um sie kümmerten. Harold, Leo und Marie wurden nicht abgeschoben.

Im Dezember 1939 bekam die Familie die Nachricht, das Harold für die Ausreise mit einem Kindertransport ausgewählt worden sei und am 6. Februar 1940 nach Dänemark reisen könne.
Harold ging mit dem von der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ veranstalteten Kindertransport nach Dänemark. In einer Gruppe mit anderen Kindern wurde er auf die Insel Fünen (dänisch: Fyn) gebracht, wo jedes Kind auf einem Bauernhof lebte und landwirtschaftliche Arbeiten verrichtete. Dies sollte eine Vorbereitung auf die spätere Auswanderung nach Palästina und das Leben im Kibbutz sein.

Im April besetzten die deutschen Truppen Dänemark, die Deportationen begannen im Jahr 1943. Am 1. Oktober 1943 wurde Harold von der dänischen SS verhaftet und zusammen mit anderen Liga-Kindern in einem Viehwagen nach Süden deportiert. Am 5. Oktober 1943 kam der Zug im Ghetto Theresienstadt an. In Theresienstadt verrichtete Harold unterschiedliche Landarbeiten: hackte Holz, arbeitete im Garten und im Pferdestall. Am 14. April 1945 wurden die dänischen Juden im Rahmen einer Rettungsaktion des schwedischen Roten Kreuzes in Theresienstadt abgeholt und mit den sogenannten Weißen Bussen (Bernadotte-Transporte) nach Malmö/Schweden gebracht. Hier verbrachten sie ungefähr einen Monat, anschließend konnten sie nach Dänemark zurückkehren. Dort wurden die jüdischen Kinder dänischen Pflegefamilien zugewiesen. Bald bekam Harold mithilfe seiner Pflegeeltern einen Ausbildungsplatz in einer Autowerkstatt und zog in ein Waisenhaus für Jugendliche um. Nach kurzer Zeit wurde Harold von Leo und seinen Verwandten in den USA kontaktiert. Leos Kusine lud Harold ein, nach Amerika auszuwandern, und half ihm, den Antrag auf das Visum zu stellen. Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis Harold sein US-Visum bekommen hatte. Anfang Dezember 1946 wanderte er nach New York aus.

In den USA wechselte Harold mehrmals seine Jobs. Er arbeitete in einer Autowerkstatt, später in der Gastronomie und arbeitete als Aushilfe, Kassierer und Kellner. Am 25. Juni 1950 begann der Koreakrieg und Harold wurde in die US-Armee eingezogen wurde aber nie nach Übersee geschickt.
1952 kehrte Harold zum zivilen Leben zurück. Er fand einen Job als Handelsvertreter und ging 1954 nach Frankfurt am Main wo er einige Jahre später zusammen mit einem Partner ein Autogeschäft eröffnete. 1963 kehrte Harold in die USA zurück und ließ sich in Florida nieder, 1969 zog er nach Las Vegas um. Hier war er zuerst im Grundstücksverkauf tätig und ab 1975 beschäftigte er sich mit Kasinowerbung.

In den 1980er Jahren stellte Harold fest, dass immer häufiger behauptet wurde, der Holocaust sei eine Lüge. Harold beschloss, dass es seine Pflicht war, seine Geschichte zu erzählen und seine Erfahrungen weiterzugeben, damit diese Grausamkeiten der Nazi-Diktatur nicht vergessen wird. Er begann an unterschiedlichen Bildungsprogrammen und Veranstaltungen teilzunehmen und gegen die Holocaustleugnung zu kämpfen.

In seinem persönlichen Leben war Harold nicht besonders glücklich. Er hat nie geheiratet, weil er es schwer fand, mit einer Person zusammen zu sein, die nicht dasselbe erlebt hatte wie er. Er hatte Freunde, aber keine Familie, und fühlte sich sehr einsam. Harold Blitzer lebt krank und zurückgezogen in Las Vegas.