Leo Blitzer

Verlegeort
Alexanderstraße 43
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Geboren
14. September 1892 in Chrzanów
Flucht
Am 30. April 1940
Verhaftet
März 1942 bis 14. September 1943 in Ferramonti di Tarsia (Kalabrien)
Deportation
am 13. September 1939 nach Sachsenhausen
Überlebt
01. November 1961 in Genua/Italien

Leo Blitzer wurde am 14. September 1892 in der polnischen Kleinstadt Chrzanów geboren. Seine Frau Marie, geborene Weber, kam am 8. November 1892 in Krakau zur Welt. Die Hochzeit der beiden fand am 30. Januar 1921 in Berlin statt wo Leo seit 1920 lebte. Bereits kurz darauf bekamen sie ihre Tochter Lilli, die am 11. Juli 1922 geboren wurde und am 9. August 1926 ihren Sohn Harold. Der Sohn beschrieb seine Familie, in der religiöse Feiertage zwar traditionell begangen wurden, die aber nicht koscher lebte, als einen typischen modernen jüdischen Haushalt. <br />
<br />
In den Jahren von 1922 bis 1933 lebten die Blitzers in der Kastanienallee 89, wo Leo im Erdgeschoss eine Gänse- und Geflügelschlachterei führte. Nach einigen Jahren eröffnete er eine zweite Filiale in der Schönhauser Allee 141. Die Geschäfte liefen so gut dass er 1933 beide Filialen aufgab, um in der Schönhauser Allee 137 einen neuen und vor allem größeren Laden zu eröffnen. Dort arbeitete er in den Wintermonaten gemeinsam mit zwei oder drei Gesellen und verkaufte im Sommer gemeinsam mit seiner Frau Eis. Harold gab an, dass er die Eröffnung eines neuen Geschäfts für einen großen Fehler gehalten habe, Leo jedoch der Meinung gewesen sei, dass ihnen nichts passieren würde, weil wegen ihrer stadtbekannten Leberpastete hohe Mitglieder der SA zu ihren besten Kunden zählten. <br />
<br />
In der Zeit ab 1933 bekam die Familie Blitzer zunehmend die Auswirkungen der rassistischen Diskriminierung gegenüber den Juden zu spüren. In Folge des Aufrufes zum Boykott jüdischer Geschäfte seien wie Leo später berichtete christliche Kunden ausgeblieben wodurch sich seine Einnahmen auf etwa die Hälfte reduziert hätten.<br />
<br />
1935 zog die Familie in die Schönhauser Allee 57 um. Im selben Jahr sei, so Leo, die Belieferung jüdischer Unternehmen durch Importfirmen eingestellt worden was zu einem weiteren drastischen Rückgang seines Einkommens geführt habe. So war er gezwungen sein Geschäft Anfang 1937 zu verkaufen. <br />
<br />
Um die Familie weiterhin ernähren zu können, musste er mit Stoffresten handeln, die er an Textilfirmen weiterverkaufte, wodurch er ein geringes Einkommen erzielte. Die Ausgrenzung der Juden machte sich jedoch nicht nur durch die drastische Verschlechterung der finanziellen Lage der Familie Blitzer bemerkbar, sondern wirkte sich auch auf deren übriges Leben aus. Harold berichtete, dass er bis 1932 keine Erfahrungen mit Antisemitismus gemacht habe, was sich 1934 jedoch drastisch verändert habe, nachdem jüdischen Bürgern unter anderem der Besuch von Kinos, Theatern, Cafés etc. verboten worden sei. Eine weitere Folge war, dass Harold 1937 wegen massiver Schikanen durch Lehrer und Mitschüler die Volksschule verlassen und auf eine jüdische Schule wechselte. <br />
<br />
Ab dem Jahr 1938 verschlechterte sich die Lage der Juden in Deutschland ganz dramatisch. Die Familie lebte inzwischen in der Alexanderstraße 43. Bei der sogenannten „Polenaktion“, die in Berlin in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1938 stattfand wurden polnische Juden im ganzen Land verhaftet und nach Polen abgeschoben. Lilli, die nur die polnische Staatsbürgerschaft besaß, wurde Harolds Aussage zufolge auf der Straße aufgegriffen und nach Polen gebracht, wo sich Verwandte um sie kümmerten. Harold, Leo und Marie wurden nicht abgeschoben. <br />
<br />
Aufgrund der Verfolgung bereitete Leo die Auswanderung vor und musste im Zuge dessen die Einrichtung der Wohnung wie er später selbst berichtete „verschleudern“. Für die einzelnen Einrichtungsgegenstände, deren Wert sich auf fast 7000 RM belief und die er stückweise an verschiedene Personen verkaufte, bekam er jedoch nur 350 RM. <br />
<br />
Als bei Kriegsbeginn im September 1939 die Männer der ca. 40.000 im Land verbliebenen polnischen Juden verhaftet und in KZs inhaftiert wurden, war auch Leo betroffen. Am 13. September 1939 wurde er verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht. Dort wurde er massiv körperlich misshandelt. Marie konnte ihm jedoch Auswanderungspapiere beschaffen, weshalb er am 23. Dezember 1939 wieder entlassen wurde. Allerdings war diese Entlassung an die Bedingung geknüpft, dass er das Land innerhalb von 30 Tagen zu verlassen habe. Ebenfalls im Dezember 1939 bekam die Familie die Nachricht, das Harold für die Ausreise mit einem Kindertransport ausgewählt worden sei und am 6. Februar 1940 nach Dänemark reisen könne. <br />
<br />
Kurze Zeit später, Ende Januar 1940, kehrte Lilli überraschend aus Polen zurück. Sie hatte, gemeinsam mit einer Freundin, in Polen einen deutschen Polizisten getroffen und diesem erzählt, dass sie Touristinnen aus Berlin seien, die alle Papiere verloren hätten. Da sie akzentfreies Deutsch sprachen, glaubte ihnen dieser und nahm sie auf seinem Lastwagen mit nach Berlin. So waren im Januar 1940 Leo, Marie und ihre beiden Kinder alle gemeinsam in Berlin. Es sollte jedoch das letzte Mal sein. <br />
<br />
Leo verließ Berlin am 30. April 1940. Er fuhr nach Bratislava, von da aus fuhr er mit 500 anderen Juden am 18. Mai auf dem Schiff Pentcho nach Palästina los. Dieser und viele andere illegale Transporte wurden von der slowakischen Abteilung der zionistischen Organisation Betar veranstaltet. Betar hatte ein altes Lastschiff gekauft und es so umgebaut, dass es sich mehr oder weniger zum Menschentransport eignete. Das Schiff war allerdings sehr zerbrechlich und unsicher. Die Reise von Pentcho war lang und kompliziert. Am 9. Oktober, nach einem Sturm, ging der Motor des Schiffes kaputt, und die Passagiere strandeten auf der kleinen unbewohnten Insel Kamilonisi im Ägäischen Meer. Zwei Wochen später wurden die Gestrandeten auf italienischen Schiffen nach Rhodos abtransportiert, wo sie in einem Zeltlager im Stadion untergebracht wurden. So lebten sie fast zwei Jahre, bis sie Ende März 1942 ins italienische Internierungslager Ferramonti di Tarsia (Kalabrien) deportiert wurden. Leo beschreibt die Internierung auf Rhodos folgenderweise: „Dieses Lager war mit Stacheldraht umzäunt, die Behandlung in diesem Lager war äußerst schlecht und Fluchtversuche wurden mit der sofortigen Erschießung bestraft. Auch war die Ernährung in diesem Lager völlig unzureichend“. Er fügt hinzu, dass die Verhältnisse in Ferramonti ähnlich waren. Am 14. September 1943 wurden die 2000 Internierten von Ferramonti durch die britische Armee befreit – (Ferramonti war das erste europäische Konzentrationslager, das durch die Alliierten befreit wurde.) Da der Krieg noch nicht beendet war, wussten die Internierten nicht wohin sie gehen sollten, so verließen sie das Lager einzeln oder in kleinen Gruppen im Laufe der nächsten zwei Jahre. Leo verließ das Lager im Mai 1944 und ging nach Palästina. Dort ließ er sich in Tel Aviv nieder und heiratete am 27. Dezember 1947 eine Frau namens Shoshana Rosa. Seine finanzielle Lage war, besonders in den ersten Jahren in Palästina, sehr schwer. Er arbeitete zuerst als Aushilfe in einem Geflügelgeschäft, später betrieb er ein Kiosk mit Erfrischungsgetränken, sein Einkommen war jedoch so gering, dass er von seinem Sohn Harolds eine Unterstützung benötigte. Leos Gesundheit war auch in einem schlechten Zustand. Leo und sein Sohn Harold sahen sich erst 1957 wieder, weil vorher keiner von ihnen das Geld für die Reise hatte. Leo verstarb am 1. November 1961 in Genua an einem Herzinfarkt.

Leo Blitzer wurde am 14. September 1892 in der polnischen Kleinstadt Chrzanów geboren. Seine Frau Marie, geborene Weber, kam am 8. November 1892 in Krakau zur Welt. Die Hochzeit der beiden fand am 30. Januar 1921 in Berlin statt wo Leo seit 1920 lebte. Bereits kurz darauf bekamen sie ihre Tochter Lilli, die am 11. Juli 1922 geboren wurde und am 9. August 1926 ihren Sohn Harold. Der Sohn beschrieb seine Familie, in der religiöse Feiertage zwar traditionell begangen wurden, die aber nicht koscher lebte, als einen typischen modernen jüdischen Haushalt.

In den Jahren von 1922 bis 1933 lebten die Blitzers in der Kastanienallee 89, wo Leo im Erdgeschoss eine Gänse- und Geflügelschlachterei führte. Nach einigen Jahren eröffnete er eine zweite Filiale in der Schönhauser Allee 141. Die Geschäfte liefen so gut dass er 1933 beide Filialen aufgab, um in der Schönhauser Allee 137 einen neuen und vor allem größeren Laden zu eröffnen. Dort arbeitete er in den Wintermonaten gemeinsam mit zwei oder drei Gesellen und verkaufte im Sommer gemeinsam mit seiner Frau Eis. Harold gab an, dass er die Eröffnung eines neuen Geschäfts für einen großen Fehler gehalten habe, Leo jedoch der Meinung gewesen sei, dass ihnen nichts passieren würde, weil wegen ihrer stadtbekannten Leberpastete hohe Mitglieder der SA zu ihren besten Kunden zählten.

In der Zeit ab 1933 bekam die Familie Blitzer zunehmend die Auswirkungen der rassistischen Diskriminierung gegenüber den Juden zu spüren. In Folge des Aufrufes zum Boykott jüdischer Geschäfte seien wie Leo später berichtete christliche Kunden ausgeblieben wodurch sich seine Einnahmen auf etwa die Hälfte reduziert hätten.

1935 zog die Familie in die Schönhauser Allee 57 um. Im selben Jahr sei, so Leo, die Belieferung jüdischer Unternehmen durch Importfirmen eingestellt worden was zu einem weiteren drastischen Rückgang seines Einkommens geführt habe. So war er gezwungen sein Geschäft Anfang 1937 zu verkaufen.

Um die Familie weiterhin ernähren zu können, musste er mit Stoffresten handeln, die er an Textilfirmen weiterverkaufte, wodurch er ein geringes Einkommen erzielte. Die Ausgrenzung der Juden machte sich jedoch nicht nur durch die drastische Verschlechterung der finanziellen Lage der Familie Blitzer bemerkbar, sondern wirkte sich auch auf deren übriges Leben aus. Harold berichtete, dass er bis 1932 keine Erfahrungen mit Antisemitismus gemacht habe, was sich 1934 jedoch drastisch verändert habe, nachdem jüdischen Bürgern unter anderem der Besuch von Kinos, Theatern, Cafés etc. verboten worden sei. Eine weitere Folge war, dass Harold 1937 wegen massiver Schikanen durch Lehrer und Mitschüler die Volksschule verlassen und auf eine jüdische Schule wechselte.

Ab dem Jahr 1938 verschlechterte sich die Lage der Juden in Deutschland ganz dramatisch. Die Familie lebte inzwischen in der Alexanderstraße 43. Bei der sogenannten „Polenaktion“, die in Berlin in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1938 stattfand wurden polnische Juden im ganzen Land verhaftet und nach Polen abgeschoben. Lilli, die nur die polnische Staatsbürgerschaft besaß, wurde Harolds Aussage zufolge auf der Straße aufgegriffen und nach Polen gebracht, wo sich Verwandte um sie kümmerten. Harold, Leo und Marie wurden nicht abgeschoben.

Aufgrund der Verfolgung bereitete Leo die Auswanderung vor und musste im Zuge dessen die Einrichtung der Wohnung wie er später selbst berichtete „verschleudern“. Für die einzelnen Einrichtungsgegenstände, deren Wert sich auf fast 7000 RM belief und die er stückweise an verschiedene Personen verkaufte, bekam er jedoch nur 350 RM.

Als bei Kriegsbeginn im September 1939 die Männer der ca. 40.000 im Land verbliebenen polnischen Juden verhaftet und in KZs inhaftiert wurden, war auch Leo betroffen. Am 13. September 1939 wurde er verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht. Dort wurde er massiv körperlich misshandelt. Marie konnte ihm jedoch Auswanderungspapiere beschaffen, weshalb er am 23. Dezember 1939 wieder entlassen wurde. Allerdings war diese Entlassung an die Bedingung geknüpft, dass er das Land innerhalb von 30 Tagen zu verlassen habe. Ebenfalls im Dezember 1939 bekam die Familie die Nachricht, das Harold für die Ausreise mit einem Kindertransport ausgewählt worden sei und am 6. Februar 1940 nach Dänemark reisen könne.

Kurze Zeit später, Ende Januar 1940, kehrte Lilli überraschend aus Polen zurück. Sie hatte, gemeinsam mit einer Freundin, in Polen einen deutschen Polizisten getroffen und diesem erzählt, dass sie Touristinnen aus Berlin seien, die alle Papiere verloren hätten. Da sie akzentfreies Deutsch sprachen, glaubte ihnen dieser und nahm sie auf seinem Lastwagen mit nach Berlin. So waren im Januar 1940 Leo, Marie und ihre beiden Kinder alle gemeinsam in Berlin. Es sollte jedoch das letzte Mal sein.

Leo verließ Berlin am 30. April 1940. Er fuhr nach Bratislava, von da aus fuhr er mit 500 anderen Juden am 18. Mai auf dem Schiff Pentcho nach Palästina los. Dieser und viele andere illegale Transporte wurden von der slowakischen Abteilung der zionistischen Organisation Betar veranstaltet. Betar hatte ein altes Lastschiff gekauft und es so umgebaut, dass es sich mehr oder weniger zum Menschentransport eignete. Das Schiff war allerdings sehr zerbrechlich und unsicher. Die Reise von Pentcho war lang und kompliziert. Am 9. Oktober, nach einem Sturm, ging der Motor des Schiffes kaputt, und die Passagiere strandeten auf der kleinen unbewohnten Insel Kamilonisi im Ägäischen Meer. Zwei Wochen später wurden die Gestrandeten auf italienischen Schiffen nach Rhodos abtransportiert, wo sie in einem Zeltlager im Stadion untergebracht wurden. So lebten sie fast zwei Jahre, bis sie Ende März 1942 ins italienische Internierungslager Ferramonti di Tarsia (Kalabrien) deportiert wurden. Leo beschreibt die Internierung auf Rhodos folgenderweise: „Dieses Lager war mit Stacheldraht umzäunt, die Behandlung in diesem Lager war äußerst schlecht und Fluchtversuche wurden mit der sofortigen Erschießung bestraft. Auch war die Ernährung in diesem Lager völlig unzureichend“. Er fügt hinzu, dass die Verhältnisse in Ferramonti ähnlich waren. Am 14. September 1943 wurden die 2000 Internierten von Ferramonti durch die britische Armee befreit – (Ferramonti war das erste europäische Konzentrationslager, das durch die Alliierten befreit wurde.) Da der Krieg noch nicht beendet war, wussten die Internierten nicht wohin sie gehen sollten, so verließen sie das Lager einzeln oder in kleinen Gruppen im Laufe der nächsten zwei Jahre. Leo verließ das Lager im Mai 1944 und ging nach Palästina. Dort ließ er sich in Tel Aviv nieder und heiratete am 27. Dezember 1947 eine Frau namens Shoshana Rosa. Seine finanzielle Lage war, besonders in den ersten Jahren in Palästina, sehr schwer. Er arbeitete zuerst als Aushilfe in einem Geflügelgeschäft, später betrieb er ein Kiosk mit Erfrischungsgetränken, sein Einkommen war jedoch so gering, dass er von seinem Sohn Harolds eine Unterstützung benötigte. Leos Gesundheit war auch in einem schlechten Zustand. Leo und sein Sohn Harold sahen sich erst 1957 wieder, weil vorher keiner von ihnen das Geld für die Reise hatte. Leo verstarb am 1. November 1961 in Genua an einem Herzinfarkt.