Toni Therese Nußbaum geb. Sichel

Verlegeort
Bartningallee 7
Historischer Name
Klopstockstr. 29
Bezirk/Ortsteil
Hansaviertel
Verlegedatum
Dezember 2006
Geboren
11. März 1901 in Büdingen
Deportation
am 17. Juli 1942 nach Theresienstadt
Später deportiert
am 06. Oktober 1944 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Toni Therese Sichel wurde am 11. März 1901 im oberhessischen Büdingen geboren. Sie wuchs mit ihren Geschwistern Flora und Paul in einer jüdischen Familie auf, in der Religion keine große Rolle spielte. Ihr Vater Abraham führte in Büdingen ein Manufakturenwarengeschäft. Er war Mitglied der SPD und gehörte von 1926 bis 1930 dem Stadtrat an. Toni heiratete den Kaufmann Israel Nußbaum und brachte am 24. März 1926 die Zwillinge Ingeborg Hannchen und Hans Egon zur Welt. Ihr Mann war Inhaber der Ledergroßhandlung Richard Brandt, die ab Anfang der 1930er Jahre vier Zweigstellen in Berlin hatte und in der auch Toni Nußbaum mitarbeitete. Mit ihrer Familie wohnte sie in der Klopstockstraße 29 in Berlin-Tiergarten (heute Bartningallee 7 im Hansaviertel). In ihrer Wohnung gab es eine Reihe kostbarer Kunstgegenstände, die ihr Mann von seinen regelmäßigen Besuchen der Leipziger Messe mitbrachte. Die Familie bewegte sich vor allem in jüdischen Kreisen und Religion hatte – anders als in Toni Nußbaums Elternhaus – einen hohen Stellenwert. Sie lebte koscher und besuchte jeden Sabbat die Synagoge. Die Kinder wurden im Grundschulalter von einem Privatlehrer unterrichtet. Von der Privatschule, die sie anschließend besuchten, wurden sie nach etwa einem Jahr aus antisemitischen Gründen verwiesen und sie mussten zur jüdischen Schule nach Alt-Moabit wechseln. <br />
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Die Tochter Ingeborg erinnerte sich später an eine Begebenheit, die sich während einer Parade Adolf Hitlers und seiner Gefolgsleute abspielte. Familie Nußbaum beobachtete das Geschehen in der Straße Unter den Linden, als Toni Nußbaum von einem Polizeipferd getreten wurde. Die sehr besorgten Polizisten wollten unbedingt ihren Namen erfahren, offenbar um ihr Unterstützung zukommen zu lassen. In großer Sorge, als Jüdin erkannt zu werden, versicherte sie, dass alles in Ordnung sei.<br />
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Toni Nußbaums Vater musste sein Geschäft in Büdingen aufgrund der antisemitischen Boykotte schließen. Zusammen mit ihrem Bruder Paul zog er Mitte 1936 bei Familie Nußbaum ein. Ihre Mutter Rosa war bereits 1928 gestorben. Das Zusammenleben war aufgrund des begrenzten Platzes in der Wohnung nicht leicht. Auch gab es innerhalb der Familie unterschiedliche Vorstellungen, was die Ausübung der jüdischen Religion betraf. So gingen Abraham und Paul Sichel hin und wieder auswärts Schweinefleisch essen, was es im koscheren Haushalt Nußbaum nicht gab. <br />
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Nach den Novemberpogromen 1938, während denen Israel Nußbaum nur knapp einer Verhaftung entging, plante die Familie, Deutschland zu verlassen. Im Mai 1939 ergab sich für die damals 13-jährige Ingeborg die Chance, nach England zu gehen. Eine Mädchenschule in London ermöglichte je einer Schülerin aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei die Emigration. Ingeborgs Bewerbung war erfolgreich. Ihren Bruder konnte sie einige Monate später nachholen, da sich ihre Gasteltern Norman und Elsie Denham bereit erklärten, Hans zu adoptieren. Anfang August 1939 reiste er mit einem Kindertransport nach England.<br />
<br />
Im September 1939 war Israel Nußbaum zur Aufgabe seines Geschäfts gezwungen. Ihre Wohnung in der Klopstockstraße mussten die Eheleute Nußbaum Ende Februar 1941 verlassen. Sie zogen mit Toni Nußbaums Vater nach Charlottenburg in die Wohnung von Paul Rosenbaum in der Schillerstraße 6. Toni Nußbaums Bruder Paul war zuvor nach Frankreich geflohen. Er wurde dort im Lager Rivesaltes interniert und von Drancy aus am 9. September 1942 nach Auschwitz deportiert. <br />
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Toni Nußbaum wurde am 17. Juli 1942 zusammen mit ihrem Mann und ihrem 75-jährigen Vater nach Theresienstadt deportiert. Ihr Vater starb dort am 5. Dezember desselben Jahres, angeblich an Altersschwäche. Nach mehr als zwei Jahren in Theresienstadt wurde Toni Nußbaum am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt, ihr Mann war bereits fünf Tage zuvor weiterdeportiert worden. Toni Nußbaum wurde, wie auch ihr Mann Israel und ihr Bruder Paul, in Auschwitz ermordet. <br />
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Die späteren Nachforschungen ihrer Tochter Ingeborg ergaben, dass von 18 deportierten Angehörigen nur zwei überlebt hatten: Toni Nußbaums Schwester Flora (verheiratete Herzberger), die nach Łódź deportiert worden war, sowie deren Tochter Lore. Während Hans Nußbaum in England blieb, emigrierte Ingeborg 1947 in die USA. Sie änderte ihren Vornamen zu Joan und heiratete Gerald Schwab, einen ebenfalls aus Deutschland geflohenen Juden, der im diplomatischen Dienst tätig war. Der Audiomitschnitt eines Interviews aus dem Jahr 1996, in dem sie von den Erlebnissen in ihrer Kindheit und Jugend berichtet, ist über die Webseite des United States Holocaust Memorial Museum abrufbar.<br />

Toni Therese Sichel wurde am 11. März 1901 im oberhessischen Büdingen geboren. Sie wuchs mit ihren Geschwistern Flora und Paul in einer jüdischen Familie auf, in der Religion keine große Rolle spielte. Ihr Vater Abraham führte in Büdingen ein Manufakturenwarengeschäft. Er war Mitglied der SPD und gehörte von 1926 bis 1930 dem Stadtrat an. Toni heiratete den Kaufmann Israel Nußbaum und brachte am 24. März 1926 die Zwillinge Ingeborg Hannchen und Hans Egon zur Welt. Ihr Mann war Inhaber der Ledergroßhandlung Richard Brandt, die ab Anfang der 1930er Jahre vier Zweigstellen in Berlin hatte und in der auch Toni Nußbaum mitarbeitete. Mit ihrer Familie wohnte sie in der Klopstockstraße 29 in Berlin-Tiergarten (heute Bartningallee 7 im Hansaviertel). In ihrer Wohnung gab es eine Reihe kostbarer Kunstgegenstände, die ihr Mann von seinen regelmäßigen Besuchen der Leipziger Messe mitbrachte. Die Familie bewegte sich vor allem in jüdischen Kreisen und Religion hatte – anders als in Toni Nußbaums Elternhaus – einen hohen Stellenwert. Sie lebte koscher und besuchte jeden Sabbat die Synagoge. Die Kinder wurden im Grundschulalter von einem Privatlehrer unterrichtet. Von der Privatschule, die sie anschließend besuchten, wurden sie nach etwa einem Jahr aus antisemitischen Gründen verwiesen und sie mussten zur jüdischen Schule nach Alt-Moabit wechseln.

Die Tochter Ingeborg erinnerte sich später an eine Begebenheit, die sich während einer Parade Adolf Hitlers und seiner Gefolgsleute abspielte. Familie Nußbaum beobachtete das Geschehen in der Straße Unter den Linden, als Toni Nußbaum von einem Polizeipferd getreten wurde. Die sehr besorgten Polizisten wollten unbedingt ihren Namen erfahren, offenbar um ihr Unterstützung zukommen zu lassen. In großer Sorge, als Jüdin erkannt zu werden, versicherte sie, dass alles in Ordnung sei.

Toni Nußbaums Vater musste sein Geschäft in Büdingen aufgrund der antisemitischen Boykotte schließen. Zusammen mit ihrem Bruder Paul zog er Mitte 1936 bei Familie Nußbaum ein. Ihre Mutter Rosa war bereits 1928 gestorben. Das Zusammenleben war aufgrund des begrenzten Platzes in der Wohnung nicht leicht. Auch gab es innerhalb der Familie unterschiedliche Vorstellungen, was die Ausübung der jüdischen Religion betraf. So gingen Abraham und Paul Sichel hin und wieder auswärts Schweinefleisch essen, was es im koscheren Haushalt Nußbaum nicht gab.

Nach den Novemberpogromen 1938, während denen Israel Nußbaum nur knapp einer Verhaftung entging, plante die Familie, Deutschland zu verlassen. Im Mai 1939 ergab sich für die damals 13-jährige Ingeborg die Chance, nach England zu gehen. Eine Mädchenschule in London ermöglichte je einer Schülerin aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei die Emigration. Ingeborgs Bewerbung war erfolgreich. Ihren Bruder konnte sie einige Monate später nachholen, da sich ihre Gasteltern Norman und Elsie Denham bereit erklärten, Hans zu adoptieren. Anfang August 1939 reiste er mit einem Kindertransport nach England.

Im September 1939 war Israel Nußbaum zur Aufgabe seines Geschäfts gezwungen. Ihre Wohnung in der Klopstockstraße mussten die Eheleute Nußbaum Ende Februar 1941 verlassen. Sie zogen mit Toni Nußbaums Vater nach Charlottenburg in die Wohnung von Paul Rosenbaum in der Schillerstraße 6. Toni Nußbaums Bruder Paul war zuvor nach Frankreich geflohen. Er wurde dort im Lager Rivesaltes interniert und von Drancy aus am 9. September 1942 nach Auschwitz deportiert.

Toni Nußbaum wurde am 17. Juli 1942 zusammen mit ihrem Mann und ihrem 75-jährigen Vater nach Theresienstadt deportiert. Ihr Vater starb dort am 5. Dezember desselben Jahres, angeblich an Altersschwäche. Nach mehr als zwei Jahren in Theresienstadt wurde Toni Nußbaum am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt, ihr Mann war bereits fünf Tage zuvor weiterdeportiert worden. Toni Nußbaum wurde, wie auch ihr Mann Israel und ihr Bruder Paul, in Auschwitz ermordet.

Die späteren Nachforschungen ihrer Tochter Ingeborg ergaben, dass von 18 deportierten Angehörigen nur zwei überlebt hatten: Toni Nußbaums Schwester Flora (verheiratete Herzberger), die nach Łódź deportiert worden war, sowie deren Tochter Lore. Während Hans Nußbaum in England blieb, emigrierte Ingeborg 1947 in die USA. Sie änderte ihren Vornamen zu Joan und heiratete Gerald Schwab, einen ebenfalls aus Deutschland geflohenen Juden, der im diplomatischen Dienst tätig war. Der Audiomitschnitt eines Interviews aus dem Jahr 1996, in dem sie von den Erlebnissen in ihrer Kindheit und Jugend berichtet, ist über die Webseite des United States Holocaust Memorial Museum abrufbar.