Maria Heymann geb. Jussen

Verlegeort
Berkaer Str. 31
Bezirk/Ortsteil
Schmargendorf
Verlegedatum
04. Dezember 2017
Geboren
03. Dezember 1892 in Priesterath
Überlebt

Maria Gertrud Jussen wurde am 3. Dezember 1892 in Priesterath in eine eher arme, katholische Familie geboren. Ihr Vater Lorenz Jussen war Bauer und Tagelöhner, ob ihre Mutter Sophia Jussen, geb. Weimar, einen Beruf ausübte, ist nicht bekannt. Über ihre Kindheit und Jugend liegen keine Informationen vor. Belegt ist, dass sie während des Ersten Weltkrieges bei den Johannitern als Krankenschwester tätig war. <br />
Wahrscheinlich in den 1920er-Jahren lernte sie den Kaufmann Hugo Heymann kennen, den sie am 20. August 1927 in London heiratete. Hugo Heymann war zu diesem Zeitpunkt Gesellschafter der Regenburger & Co. Kommanditgesellschaft (KG). Diese hatte zwei wichtige geschäftliche Standbeine: Zum einen hatte sie die Generalvertretung für den französischen Parfümhersteller Coty inne, zum anderen produzierte und vertrieb sie künstliche Perlen. Dies waren zwei Branchen, in denen sich in den 1920er-Jahren gute Gewinne erzielen ließen.<br />
Kurz vor der Heirat hatte Hugo Heymann im November 1926 ein Anwesen mit der noch im Bau befindlichen Villa in der Pücklerstr. 14 in Berlin-Dahlem erworben. Die wirtschaftlichen Erfolge der Regenburger & Co. KG ermöglichten dem Ehepaar bis Anfang der 1930er-Jahre einen großbürgerlich-gehobenen Lebensstil. Die Heymanns pflegten gesellschaftliche Beziehungen zu verschiedenen prominenten Personen der Weimarer Republik. <br />
Doch seit Anfang der 1930er-Jahre machte sich die weltweite Wirtschaftskrise bemerkbar und Hugo Heymann erlitt mit dem von ihm betriebenen Perlenhandel erhebliche finanzielle Einbußen. Auch verschlechterte sich das gesellschaftliche Klima für Menschen jüdischer Herkunft kontinuierlich und drastisch.<br />
In dieser wirtschaftlich und politisch schwierigen Situation entschied sich Hugo Heymann Ende 1932 dazu, die Villa in der Pücklerstr. 14 zu verkaufen. Das Ehepaar zog nach dem Verkauf im Januar 1933 in eine Wohnung in der etwa einen Kilometer entfernt gelegenen Berkaerstr. 31. <br />
Dass Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war, ließ eine Emigration mehr als geraten erscheinen. Doch offensichtlich fiel es den Eheleuten Heymann schwer, endgültig Abschied von Deutschland zu nehmen. Möglicherweise bewahrten sie sich noch einen Rest an Hoffnung, dass sich die politische Situation in Deutschland wandeln würde. <br />
Doch aufgrund antisemitischer Boykottmaßnahmen und der anhaltenden Wirtschaftskrise, die sich gerade im Bereich der Luxusgüter stark bemerkbar machte, warf das Perlengeschäft von Hugo Heymann in den folgenden Jahren kaum noch Gewinn ab. Das Ehepaar sah sich in dieser Situation gezwungen, weitere Immobilien sowie andere Wertgestände zu verkaufen. Im Herbst 1937 schienen sich auch die Pläne für eine Emigration zu konkretisieren. So setzte Hugo Heymann im September 1937 sein Testament auf, suchte zeitgleich Käufer für seine Firma und die noch verbliebenen Immobilien in Köln. Das Ehepaar löste außerdem seine Wohnung in der Berkaerstr. 31 auf und zog in das Hotel Savoy in Berlin-Charlottenburg. Dies alles in der Hoffnung, dass die Bewilligung ihres Ausreiseantrages in absehbarer Zeit erfolgen würde.<br />
Doch es kam anders. Die nationalsozialistischen Behörden verzögerten das Ausstellen einer Ausreisegenehmigung. Hugo Heymann wurde stattdessen wiederholt von der Gestapo verhaftet, verhört und gefoltert. Auch Maria Heymann wurde mehrfach von der Gestapo vorgeladen. Dort ließ man sie wissen, dass sie das Vermögen behalten dürfe, falls sie sich scheiden lasse. Doch Maria Heymann lehnte ab. Die finanzielle Situation des Ehepaars verschärfte sich. Das im Hotelsafe verwahrte Bargeld und der Schmuck waren beschlagnahmt worden, der finanzielle Ruin war unausweichlich. <br />
Am 5. Juni 1938 starb der damals 56-jährige Hugo Heymann im Krankenhaus an einer Harnstoffvergiftung. Diese kann durchaus eine Folge der erlittenen Misshandlungen durch die Gestapo gewesen sein.<br />
Maria Heymann war aufgrund der jahrelangen Drangsalierungen und unsicheren Lebenssituation gesundheitlich stark angeschlagen. Nun war sie verwitwet und nahezu mittellos.<br />
Im Dezember 1938 heiratete sie ihren Anwalt Karl Kaps. Nach Kriegsende bezeichnete sie diese Ehe als eine Art „Schutzehe“. <br />
Am 3. Mai 1940 brachte Maria Kaps in Berlin den gemeinsamen Sohn Peter zur Welt. Im November 1943 wurden sowohl die Wohnung als auch die Kanzlei von Karl Kaps durch Bomben zerstört. Daraufhin zog die Familie Kaps nach Schlesien, wo sie vor Bombenangriffen sicher war. Doch im April 1946 wurde die Familie, wie auch andere Deutsche, aus Schlesien vertrieben. Nach zahlreichen Wohnortwechseln konnte das Ehepaar Kaps im Dezember 1954 ein Eigenheim in Roxel bei Münster beziehen. <br />
Unmittelbar nach Kriegsende bemühte sich Maria Kaps, unterstützt durch ihren Ehemann, in zahlreichen Entschädigungs- und Restitutionsverfahren einen Teil des früheren Vermögens zurückzuerhalten. So machte sie im Dezember 1948 einen Anspruch auf Rückerstattung der 1926 gekauften und im Januar 1933 verkauften Villa in der Pücklerstr. 14 geltend. Doch im April 1951 wurde der Antrag von der Wiedergutmachungskammer als unbegründet abgelehnt. Nur einige wenige andere Anträge wurden nach jahrelangen mühsamen Verhandlungen bewilligt, doch nie in voller Höhe.<br />
Maria Kaps starb am 7. April 1972. <br />
<br />
Die Villa in der Pücklerstr. 14 ist seit 1962 im Besitz der Bundesrepublik Deutschland und wird seit 2004 als Dienstvilla für den amtierenden Bundespräsidenten genutzt. Das Schicksal der ehemaligen Eigentümer, des Ehepaars Heymann, stieß im Sommer 2017 auf großes Interesse bei den Medien. Bereits im Herbst 2014 hatte der Historiker Dr. Julien von Reitzenstein vor der Pücklerstr. 14 zwei Stolpersteine initiieren wollen. Doch gab es unterschiedliche Einschätzungen darüber, welcher Wohnort des Ehepaars Heymann als der letzte frei gewählte zu betrachten sei. Um auch diese Frage sowie die Hintergründe des Verkaufs der Villa an den Verleger Waldemar Gerber in allen Details zu klären, gab das Bundespräsidialamt ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag. Nachdem dieses vorlag, entschied sich die Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin, die beiden Stolpersteine für Hugo und Maria Heymann vor der Berkaer Str. 31 verlegen zu lassen. Das Bundespräsidialamt wird am 4. Juni 2018 eine Stele vor der Pücklerstr. 14 enthüllen, in der auf das Schicksal des Ehepaars Heymann und die Geschichte der Villa eingegangen wird. <br />
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Maria Gertrud Jussen wurde am 3. Dezember 1892 in Priesterath in eine eher arme, katholische Familie geboren. Ihr Vater Lorenz Jussen war Bauer und Tagelöhner, ob ihre Mutter Sophia Jussen, geb. Weimar, einen Beruf ausübte, ist nicht bekannt. Über ihre Kindheit und Jugend liegen keine Informationen vor. Belegt ist, dass sie während des Ersten Weltkrieges bei den Johannitern als Krankenschwester tätig war.
Wahrscheinlich in den 1920er-Jahren lernte sie den Kaufmann Hugo Heymann kennen, den sie am 20. August 1927 in London heiratete. Hugo Heymann war zu diesem Zeitpunkt Gesellschafter der Regenburger & Co. Kommanditgesellschaft (KG). Diese hatte zwei wichtige geschäftliche Standbeine: Zum einen hatte sie die Generalvertretung für den französischen Parfümhersteller Coty inne, zum anderen produzierte und vertrieb sie künstliche Perlen. Dies waren zwei Branchen, in denen sich in den 1920er-Jahren gute Gewinne erzielen ließen.
Kurz vor der Heirat hatte Hugo Heymann im November 1926 ein Anwesen mit der noch im Bau befindlichen Villa in der Pücklerstr. 14 in Berlin-Dahlem erworben. Die wirtschaftlichen Erfolge der Regenburger & Co. KG ermöglichten dem Ehepaar bis Anfang der 1930er-Jahre einen großbürgerlich-gehobenen Lebensstil. Die Heymanns pflegten gesellschaftliche Beziehungen zu verschiedenen prominenten Personen der Weimarer Republik.
Doch seit Anfang der 1930er-Jahre machte sich die weltweite Wirtschaftskrise bemerkbar und Hugo Heymann erlitt mit dem von ihm betriebenen Perlenhandel erhebliche finanzielle Einbußen. Auch verschlechterte sich das gesellschaftliche Klima für Menschen jüdischer Herkunft kontinuierlich und drastisch.
In dieser wirtschaftlich und politisch schwierigen Situation entschied sich Hugo Heymann Ende 1932 dazu, die Villa in der Pücklerstr. 14 zu verkaufen. Das Ehepaar zog nach dem Verkauf im Januar 1933 in eine Wohnung in der etwa einen Kilometer entfernt gelegenen Berkaerstr. 31.
Dass Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war, ließ eine Emigration mehr als geraten erscheinen. Doch offensichtlich fiel es den Eheleuten Heymann schwer, endgültig Abschied von Deutschland zu nehmen. Möglicherweise bewahrten sie sich noch einen Rest an Hoffnung, dass sich die politische Situation in Deutschland wandeln würde.
Doch aufgrund antisemitischer Boykottmaßnahmen und der anhaltenden Wirtschaftskrise, die sich gerade im Bereich der Luxusgüter stark bemerkbar machte, warf das Perlengeschäft von Hugo Heymann in den folgenden Jahren kaum noch Gewinn ab. Das Ehepaar sah sich in dieser Situation gezwungen, weitere Immobilien sowie andere Wertgestände zu verkaufen. Im Herbst 1937 schienen sich auch die Pläne für eine Emigration zu konkretisieren. So setzte Hugo Heymann im September 1937 sein Testament auf, suchte zeitgleich Käufer für seine Firma und die noch verbliebenen Immobilien in Köln. Das Ehepaar löste außerdem seine Wohnung in der Berkaerstr. 31 auf und zog in das Hotel Savoy in Berlin-Charlottenburg. Dies alles in der Hoffnung, dass die Bewilligung ihres Ausreiseantrages in absehbarer Zeit erfolgen würde.
Doch es kam anders. Die nationalsozialistischen Behörden verzögerten das Ausstellen einer Ausreisegenehmigung. Hugo Heymann wurde stattdessen wiederholt von der Gestapo verhaftet, verhört und gefoltert. Auch Maria Heymann wurde mehrfach von der Gestapo vorgeladen. Dort ließ man sie wissen, dass sie das Vermögen behalten dürfe, falls sie sich scheiden lasse. Doch Maria Heymann lehnte ab. Die finanzielle Situation des Ehepaars verschärfte sich. Das im Hotelsafe verwahrte Bargeld und der Schmuck waren beschlagnahmt worden, der finanzielle Ruin war unausweichlich.
Am 5. Juni 1938 starb der damals 56-jährige Hugo Heymann im Krankenhaus an einer Harnstoffvergiftung. Diese kann durchaus eine Folge der erlittenen Misshandlungen durch die Gestapo gewesen sein.
Maria Heymann war aufgrund der jahrelangen Drangsalierungen und unsicheren Lebenssituation gesundheitlich stark angeschlagen. Nun war sie verwitwet und nahezu mittellos.
Im Dezember 1938 heiratete sie ihren Anwalt Karl Kaps. Nach Kriegsende bezeichnete sie diese Ehe als eine Art „Schutzehe“.
Am 3. Mai 1940 brachte Maria Kaps in Berlin den gemeinsamen Sohn Peter zur Welt. Im November 1943 wurden sowohl die Wohnung als auch die Kanzlei von Karl Kaps durch Bomben zerstört. Daraufhin zog die Familie Kaps nach Schlesien, wo sie vor Bombenangriffen sicher war. Doch im April 1946 wurde die Familie, wie auch andere Deutsche, aus Schlesien vertrieben. Nach zahlreichen Wohnortwechseln konnte das Ehepaar Kaps im Dezember 1954 ein Eigenheim in Roxel bei Münster beziehen.
Unmittelbar nach Kriegsende bemühte sich Maria Kaps, unterstützt durch ihren Ehemann, in zahlreichen Entschädigungs- und Restitutionsverfahren einen Teil des früheren Vermögens zurückzuerhalten. So machte sie im Dezember 1948 einen Anspruch auf Rückerstattung der 1926 gekauften und im Januar 1933 verkauften Villa in der Pücklerstr. 14 geltend. Doch im April 1951 wurde der Antrag von der Wiedergutmachungskammer als unbegründet abgelehnt. Nur einige wenige andere Anträge wurden nach jahrelangen mühsamen Verhandlungen bewilligt, doch nie in voller Höhe.
Maria Kaps starb am 7. April 1972.

Die Villa in der Pücklerstr. 14 ist seit 1962 im Besitz der Bundesrepublik Deutschland und wird seit 2004 als Dienstvilla für den amtierenden Bundespräsidenten genutzt. Das Schicksal der ehemaligen Eigentümer, des Ehepaars Heymann, stieß im Sommer 2017 auf großes Interesse bei den Medien. Bereits im Herbst 2014 hatte der Historiker Dr. Julien von Reitzenstein vor der Pücklerstr. 14 zwei Stolpersteine initiieren wollen. Doch gab es unterschiedliche Einschätzungen darüber, welcher Wohnort des Ehepaars Heymann als der letzte frei gewählte zu betrachten sei. Um auch diese Frage sowie die Hintergründe des Verkaufs der Villa an den Verleger Waldemar Gerber in allen Details zu klären, gab das Bundespräsidialamt ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag. Nachdem dieses vorlag, entschied sich die Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin, die beiden Stolpersteine für Hugo und Maria Heymann vor der Berkaer Str. 31 verlegen zu lassen. Das Bundespräsidialamt wird am 4. Juni 2018 eine Stele vor der Pücklerstr. 14 enthüllen, in der auf das Schicksal des Ehepaars Heymann und die Geschichte der Villa eingegangen wird.