Manfred Reiss

Verlegeort
Martin-Luther-Str. 17
Historischer Name
Luther-Str. 29
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
26. September 2006
Geboren
12. Dezember 1926 in Berlin
Flucht
Flucht in die Niederlande
Deportation
am 11. August 1942 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Ohne die Erinnerung seines einstigen Klassenkameraden wäre Manfred Reiss eines der vielen unbekannten Opfer des Holocaust geblieben.<br />
<br />
Geboren wurde Manfred Reiss am 12. Dezember 1926 in ein gutbürgerliches Elternhaus in Berlin-Schöneberg. Sein Vater, Leo Leiba Reiss (geb. 2. Juli 1895 in Grabowitz/Grabowiec), war Teppichhändler und hatte 1920 die in Berlin geborene Herta Paula Lewin (geb. 11.11.1899) geheiratet. Manfred blieb das einzige Kind von Herta und Leiba Reiss, die Familie wohnte in einer großzügig geschnittenen Wohnung in der Lutherstraße 29 (heute: Martin-Luther-Straße 17). Das Teppichgeschäft des Vaters lag nur unweit entfernt von der Wohnung in der Motzstraße 17. <br />
<br />
Manfred wurde in der 12. Volksschule in der Hohenstaufenstraße eingeschult, hier lernte ihn Wolfgang Rutschow kennen, der sich erinnert: Die Lehrerin wies mir den Platz neben Manfred zu. Die ersten Tage unserer Schulzeit wurden Manfred und ich noch von unseren Eltern bzw. von ihren Beauftragten abgeholt, und bei dieser Gelegenheit stellten wir fest, dass wir ein gutes Stück des Weges zusammen gehen konnten ... Daraus entwickelte sich eine typische Kinderfreundschaft mit gegenseitigen Besuchen zum Spielen und Einladungen zum Kindergeburtstag. Bei Manfred Reiss fanden diese Geburtstagseinladungen mit zahlreichen Cousins und Cousinen statt, der jungen Besucherschar gehörte an diesem Tag für ihre Spiele die gesamte Wohnung, mit Ausnahme des Esszimmers – dort saßen die erwachsenen Gäste. Wolfgang Rutschow erinnert sich auch an Manfreds Mutter: eine elegante Erscheinung, bei der er zum ersten Mal rotlackierte Fingernägel sah und das Legen von Patiencen. Manfred Reiss wohnte gegenüber der „Scala“, einem bekannten Varieté-Theater. Da der Vater Werbe-Plakate der „Scala“ in seinem Laden aufhing, erhielt die Familie Reiss immer wieder einmal Freikarten. Zusammen mit seinem Freund Wolfgang Rutschow durfte Manfred Reiss dann manchmal die Nachmittagsvorstellungen der „Scala“ besuchen. <br />
<br />
Manfred Reiss wechselte 1936 auf die jüdische Schule in der Joachimsthaler Straße 13, sein Schulfreund und er verloren sich weitgehend aus den Augen. Die Verordnungen und Gesetze zur Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung aus dem Alltagsleben wurden in immer kürzeren Abständen erlassen, bis die Reichspogromnacht das Signal für viele Juden zur verzweifelten Suche nach einer Möglichkeit zur Emigration setzte. Das mag bei Manfreds Eltern ähnlich gewesen sein. <br />
<br />
Im Frühjahr 1939 konnte Manfred Reiss mit den Eltern zu Verwandten in die Niederlande emigrieren. Sie kamen am 26. April 1939 in Den Haag an und lebten dort zunächst in unterschiedlichen Wohnungen. Dann zog die Familie bis zum 6. Februar 1941 nach Hilversum in die Wezellaan 8, während dieser Zeit war Manfred Reiss Mitglied im Schachclub „de Gooische Toren“. Die Familie zog zurück nach Amsterdam und lebte dort bis zum 23. Juli 1942 in der Bachstraat 1. <br />
<br />
Ab dem 15. Juli 1942 begannen die systematischen Deportationen der Juden aus den Niederlanden nach Auschwitz. Um den nun einsetzenden Verhaftungsaktionen zu entgehen, flüchtete die Familie Reiss nach Belgien. <br />
<br />
Am 24. Juli 1942 wurde Manfred Reiss zusammen mit seinen Eltern in Brüssel/Saint Gilles wegen illegalen Grenzübertritts verhaftet und am 3. August in das südlich von Antwerpen gelegene Durchgangslager Mechelen (Malines) gebracht. Von dort wurde Manfred Reiss zusammen mit seinen Eltern Herta und Leiba Reiss am 11. August nach Auschwitz deportiert. Von den insgesamt 999 Menschen in diesem Transport wurden 481 unmittelbar nach ihrer Ankunft zwei Tage später in Auschwitz vergast. Ob Manfred Reiss und seine Eltern darunter waren, ist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen, ihre Spur verliert sich mit diesem Transport. Sie wurden später für tot erklärt.

Ohne die Erinnerung seines einstigen Klassenkameraden wäre Manfred Reiss eines der vielen unbekannten Opfer des Holocaust geblieben.

Geboren wurde Manfred Reiss am 12. Dezember 1926 in ein gutbürgerliches Elternhaus in Berlin-Schöneberg. Sein Vater, Leo Leiba Reiss (geb. 2. Juli 1895 in Grabowitz/Grabowiec), war Teppichhändler und hatte 1920 die in Berlin geborene Herta Paula Lewin (geb. 11.11.1899) geheiratet. Manfred blieb das einzige Kind von Herta und Leiba Reiss, die Familie wohnte in einer großzügig geschnittenen Wohnung in der Lutherstraße 29 (heute: Martin-Luther-Straße 17). Das Teppichgeschäft des Vaters lag nur unweit entfernt von der Wohnung in der Motzstraße 17.

Manfred wurde in der 12. Volksschule in der Hohenstaufenstraße eingeschult, hier lernte ihn Wolfgang Rutschow kennen, der sich erinnert: Die Lehrerin wies mir den Platz neben Manfred zu. Die ersten Tage unserer Schulzeit wurden Manfred und ich noch von unseren Eltern bzw. von ihren Beauftragten abgeholt, und bei dieser Gelegenheit stellten wir fest, dass wir ein gutes Stück des Weges zusammen gehen konnten ... Daraus entwickelte sich eine typische Kinderfreundschaft mit gegenseitigen Besuchen zum Spielen und Einladungen zum Kindergeburtstag. Bei Manfred Reiss fanden diese Geburtstagseinladungen mit zahlreichen Cousins und Cousinen statt, der jungen Besucherschar gehörte an diesem Tag für ihre Spiele die gesamte Wohnung, mit Ausnahme des Esszimmers – dort saßen die erwachsenen Gäste. Wolfgang Rutschow erinnert sich auch an Manfreds Mutter: eine elegante Erscheinung, bei der er zum ersten Mal rotlackierte Fingernägel sah und das Legen von Patiencen. Manfred Reiss wohnte gegenüber der „Scala“, einem bekannten Varieté-Theater. Da der Vater Werbe-Plakate der „Scala“ in seinem Laden aufhing, erhielt die Familie Reiss immer wieder einmal Freikarten. Zusammen mit seinem Freund Wolfgang Rutschow durfte Manfred Reiss dann manchmal die Nachmittagsvorstellungen der „Scala“ besuchen.

Manfred Reiss wechselte 1936 auf die jüdische Schule in der Joachimsthaler Straße 13, sein Schulfreund und er verloren sich weitgehend aus den Augen. Die Verordnungen und Gesetze zur Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung aus dem Alltagsleben wurden in immer kürzeren Abständen erlassen, bis die Reichspogromnacht das Signal für viele Juden zur verzweifelten Suche nach einer Möglichkeit zur Emigration setzte. Das mag bei Manfreds Eltern ähnlich gewesen sein.

Im Frühjahr 1939 konnte Manfred Reiss mit den Eltern zu Verwandten in die Niederlande emigrieren. Sie kamen am 26. April 1939 in Den Haag an und lebten dort zunächst in unterschiedlichen Wohnungen. Dann zog die Familie bis zum 6. Februar 1941 nach Hilversum in die Wezellaan 8, während dieser Zeit war Manfred Reiss Mitglied im Schachclub „de Gooische Toren“. Die Familie zog zurück nach Amsterdam und lebte dort bis zum 23. Juli 1942 in der Bachstraat 1.

Ab dem 15. Juli 1942 begannen die systematischen Deportationen der Juden aus den Niederlanden nach Auschwitz. Um den nun einsetzenden Verhaftungsaktionen zu entgehen, flüchtete die Familie Reiss nach Belgien.

Am 24. Juli 1942 wurde Manfred Reiss zusammen mit seinen Eltern in Brüssel/Saint Gilles wegen illegalen Grenzübertritts verhaftet und am 3. August in das südlich von Antwerpen gelegene Durchgangslager Mechelen (Malines) gebracht. Von dort wurde Manfred Reiss zusammen mit seinen Eltern Herta und Leiba Reiss am 11. August nach Auschwitz deportiert. Von den insgesamt 999 Menschen in diesem Transport wurden 481 unmittelbar nach ihrer Ankunft zwei Tage später in Auschwitz vergast. Ob Manfred Reiss und seine Eltern darunter waren, ist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen, ihre Spur verliert sich mit diesem Transport. Sie wurden später für tot erklärt.