Erich Kuttner

Verlegeort
Burgherrenstr. 4
Bezirk/Ortsteil
Tempelhof
Verlegedatum
06. März 2009
Geboren
27. Mai 1887 in Berlin
Flucht
Flucht in die Niederlande
Deportation
im September 1942
Ermordet
06. Oktober 1942 in Mauthausen

Erich Kuttner wurde am 27. Mai 1887 am Nollendorfplatz in Schöneberg bei Berlin als Kind des Kaufmanns Bernhard Kuttner und dessen Frau Charlotte geboren. Seine Schulzeit schloss er am Königlichen Wilhelms-Gymnasium im Tiergarten (im Volksmund „Lackstiebel-Gymnasium“ genannt) mit dem Abitur ab. Er studierte Jura und war seit 1909 Referendar am Berliner Kammergericht. Gleichzeitig engagierte er sich in der linksliberalen Demokratischen Vereinigung (DV) und machte erste journalistische Erfahrungen beim DV-Parteiorgan Das Freie Volk. Nach disziplinarischem Verweis und weiteren Konflikten mit seinem Dienstherrn am Kammergericht entschied er sich gegen die Justizlaufbahn. Ein weiterer Einschnitt in seiner Biographie nur wenige Monate später war der Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft am 3. Mai 1911. Die Quote solcher Austritte – oft verbunden mit dem Übertritt zum Christentum – war um diese Zeit besonders bei jungen Männern hoch.

Nach dem Wahldesaster der Demokratischen Vereinigung bei den Reichstagswahlen trat Kuttner 1912 zur SPD über. 1913 hatte er mit der Broschüre Klassenjustiz! seine erste eigenständige Veröffentlichung und ab Juli seine erste dauerhafte Anstellung bei der in Chemnitz erscheinenden Volksstimme. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in Frankreich, Belgien und Russland und wurde 1916 am linken Arm so schwer verletzt, dass er nicht mehr in den Krieg zurückkehren konnte. Er wurde Redakteur beim Vorwärts (1916–1922) und zu einem der Hauptinitiatoren der Selbsthilfeorganisation Reichsbund der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer.

Bei den Spartakus-Unruhen im Januar 1919 kämpfte er auf der Seite der neuen Republik und erschoss als Mitglied der Schutztruppen für die Regierung Ebert-Scheidemann einen Mann. Obwohl das gerichtliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde (nach Ansicht der Staatsanwaltschaft lag Notwehr vor), griffen Kuttners politische Gegner das Ereignis immer wieder auf, um ihn als „Arbeitermörder“ zu denunzieren. Zwischen 1919 und 1933 strengte er deshalb – jedes Mal mit Erfolg – neun Prozesse wegen Verleumdung und übler Nachrede an.

1921 wurde er als einer der jüngsten Vertreter der SPD in den Preußischen Landtag gewählt, dem er bis 1933 angehörte. 1920 veröffentlichte er, noch unter dem Eindruck des Kapp-Putsches, das satirische Gedichtbändchen Die erdolchte Front, in dem er den Offizieren – im Gegensatz zum heldenmütig kämpfenden deutschen Volk – die Schuld an der Kriegsniederlage zuschrieb. Ab 1922 war er Schriftführer der sozialistischen Wochenschrift für Literatur und Politik Die Glocke und ab 1924 Hauptredakteur des Satiremagazins Lachen Links.

In den Landtagsdebatten polemisierte er gegen die stärker werdende Fraktion der NSDAP und besonders gegen Joseph Goebbels, dem er immer wieder vorwarf, sich vor der Teilnahme am Ersten Weltkrieg gedrückt zu haben und insofern kein Patriot zu sein. Kuttner selbst wurde in den Debatten wegen seiner Herkunft beschimpft – so etwa in der Sitzung vom 22. Juni 1932 „als Judenjunge hemmungslosester Art“. In seinem Engagement gegen den Antisemitismus wurde er Mitglied im Kreis jüdischer, ehemals jüdischer und nicht-jüdischer Sozialdemokraten und beim Reichsbund jüdischer Frontsoldaten.

Trotz der verfassungswidrigen Auflösung des Landtages, kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 6. Februar 1933, fanden unter vielen Behinderungen am 5. März Neuwahlen für den Preußischen Landtag statt. Kuttner kandidierte erneut, wurde festgenommen und erhielt mit seiner dreistündigen Haft am Wahltag einen Vorgeschmack auf die künftigen Ereignisse. Nachdem er bereits Mitte Februar mit seiner nichtjüdischen Frau Frieda Gütertrennung vereinbart hatte, traf das Ehepaar nun weitere Schutzvorkehrungen. Am 24. März zogen sie nach Schöneberg. Die Spuren verlieren sich für die Zeit zwischen Ende März und Anfang Mai. Es gibt Indizien dafür, dass Kuttner erneut in „Schutzhaft“ genommen wurde. Für geraume Zeit scheint er aber auch untergetaucht zu sein. Schon seit dem Reichstagsbrand war er Mitglied eines Komitees, das die SPD auf die Arbeit in der Illegalität vorbereitete.

Das Gewerkschaftsverbot gab den Ausschlag für seine Entscheidung, Deutschland zu verlassen. Er floh am 10. Mai 1933 in die Niederlande. Seine Frau kam kurze Zeit später nach. Ende Juni bezogen die Eheleute eine eigene Wohnung in Amsterdam-Zuid. Kuttner arbeitete als Journalist und schrieb Kommentare, Gedichte und Satiren für sozialdemokratische Emigrantenzeitungen, unter anderem zum Reichstagsbrandprozess. Erschwert wurde diese Tätigkeit durch das im Juli 1933 vom niederländischen Justizminister erlassene Verbot politischer Aktivitäten für Flüchtlinge.

Politisch schaltete sich Kuttner ab Frühjahr 1935 verstärkt in die Debatte um das Verhältnis der SPD zu den Kommunisten und die Bildung einer Volks- und Einheitsfront ein. Er war Mitbegründer der Amsterdamer Sektion der Revolutionären Sozialisten Deutschlands (RSD), die im Gegensatz zum Vorstand der Exil-SPD in Prag (SoPaDe) mehr und mehr an einer parteiübergreifenden antifaschistischen Zusammenarbeit interessiert war.

1936 ging er als Korrespondent nach Spanien und kämpfte dort im Bürgerkrieg auf der Seite der Internationalen Brigaden. Kurz nach der Rückkehr in die Niederlande erfuhr er von der Aberkennung seiner deutschen Staatsbürgerschaft.

Am 10. Mai 1940 überfiel die Wehrmacht die Niederlande. Vier Tage später unternahmen Erich und Frieda Kuttner einen Selbstmordversuch.

Ab Januar 1941 erhielt Erich Kuttner vom jüdischen Flüchtlingshilfskomitee Comité voor Joodsche Vluchtelingen (CJV) finanzielle Hilfen von sieben Gulden pro Woche. Am 12. März 1941 trat er wieder in die jüdische Religionsgemeinschaft ein.

Am 10. April 1942 wurde Erich Kuttner verhaftet und Ende September 1942 in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert. Dort wurde er am 6. Oktober 1942 „auf der Flucht“ erschossen.

Frieda Kuttner starb völlig verarmt am 1. Januar 1948 nach langer Krankheit in den Niederlanden.

Erich Kuttner wurde am 27. Mai 1887 am Nollendorfplatz in Schöneberg bei Berlin als Kind des Kaufmanns Bernhard Kuttner und dessen Frau Charlotte geboren. Seine Schulzeit schloss er am Königlichen Wilhelms-Gymnasium im Tiergarten (im Volksmund „Lackstiebel-Gymnasium“ genannt) mit dem Abitur ab. Er studierte Jura und war seit 1909 Referendar am Berliner Kammergericht. Gleichzeitig engagierte er sich in der linksliberalen Demokratischen Vereinigung (DV) und machte erste journalistische Erfahrungen beim DV-Parteiorgan Das Freie Volk. Nach disziplinarischem Verweis und weiteren Konflikten mit seinem Dienstherrn am Kammergericht entschied er sich gegen die Justizlaufbahn. Ein weiterer Einschnitt in seiner Biographie nur wenige Monate später war der Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft am 3. Mai 1911. Die Quote solcher Austritte – oft verbunden mit dem Übertritt zum Christentum – war um diese Zeit besonders bei jungen Männern hoch.

Nach dem Wahldesaster der Demokratischen Vereinigung bei den Reichstagswahlen trat Kuttner 1912 zur SPD über. 1913 hatte er mit der Broschüre Klassenjustiz! seine erste eigenständige Veröffentlichung und ab Juli seine erste dauerhafte Anstellung bei der in Chemnitz erscheinenden Volksstimme. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er in Frankreich, Belgien und Russland und wurde 1916 am linken Arm so schwer verletzt, dass er nicht mehr in den Krieg zurückkehren konnte. Er wurde Redakteur beim Vorwärts (1916–1922) und zu einem der Hauptinitiatoren der Selbsthilfeorganisation Reichsbund der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer.

Bei den Spartakus-Unruhen im Januar 1919 kämpfte er auf der Seite der neuen Republik und erschoss als Mitglied der Schutztruppen für die Regierung Ebert-Scheidemann einen Mann. Obwohl das gerichtliche Ermittlungsverfahren eingestellt wurde (nach Ansicht der Staatsanwaltschaft lag Notwehr vor), griffen Kuttners politische Gegner das Ereignis immer wieder auf, um ihn als „Arbeitermörder“ zu denunzieren. Zwischen 1919 und 1933 strengte er deshalb – jedes Mal mit Erfolg – neun Prozesse wegen Verleumdung und übler Nachrede an.

1921 wurde er als einer der jüngsten Vertreter der SPD in den Preußischen Landtag gewählt, dem er bis 1933 angehörte. 1920 veröffentlichte er, noch unter dem Eindruck des Kapp-Putsches, das satirische Gedichtbändchen Die erdolchte Front, in dem er den Offizieren – im Gegensatz zum heldenmütig kämpfenden deutschen Volk – die Schuld an der Kriegsniederlage zuschrieb. Ab 1922 war er Schriftführer der sozialistischen Wochenschrift für Literatur und Politik Die Glocke und ab 1924 Hauptredakteur des Satiremagazins Lachen Links.

In den Landtagsdebatten polemisierte er gegen die stärker werdende Fraktion der NSDAP und besonders gegen Joseph Goebbels, dem er immer wieder vorwarf, sich vor der Teilnahme am Ersten Weltkrieg gedrückt zu haben und insofern kein Patriot zu sein. Kuttner selbst wurde in den Debatten wegen seiner Herkunft beschimpft – so etwa in der Sitzung vom 22. Juni 1932 „als Judenjunge hemmungslosester Art“. In seinem Engagement gegen den Antisemitismus wurde er Mitglied im Kreis jüdischer, ehemals jüdischer und nicht-jüdischer Sozialdemokraten und beim Reichsbund jüdischer Frontsoldaten.

Trotz der verfassungswidrigen Auflösung des Landtages, kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 6. Februar 1933, fanden unter vielen Behinderungen am 5. März Neuwahlen für den Preußischen Landtag statt. Kuttner kandidierte erneut, wurde festgenommen und erhielt mit seiner dreistündigen Haft am Wahltag einen Vorgeschmack auf die künftigen Ereignisse. Nachdem er bereits Mitte Februar mit seiner nichtjüdischen Frau Frieda Gütertrennung vereinbart hatte, traf das Ehepaar nun weitere Schutzvorkehrungen. Am 24. März zogen sie nach Schöneberg. Die Spuren verlieren sich für die Zeit zwischen Ende März und Anfang Mai. Es gibt Indizien dafür, dass Kuttner erneut in „Schutzhaft“ genommen wurde. Für geraume Zeit scheint er aber auch untergetaucht zu sein. Schon seit dem Reichstagsbrand war er Mitglied eines Komitees, das die SPD auf die Arbeit in der Illegalität vorbereitete.

Das Gewerkschaftsverbot gab den Ausschlag für seine Entscheidung, Deutschland zu verlassen. Er floh am 10. Mai 1933 in die Niederlande. Seine Frau kam kurze Zeit später nach. Ende Juni bezogen die Eheleute eine eigene Wohnung in Amsterdam-Zuid. Kuttner arbeitete als Journalist und schrieb Kommentare, Gedichte und Satiren für sozialdemokratische Emigrantenzeitungen, unter anderem zum Reichstagsbrandprozess. Erschwert wurde diese Tätigkeit durch das im Juli 1933 vom niederländischen Justizminister erlassene Verbot politischer Aktivitäten für Flüchtlinge.

Politisch schaltete sich Kuttner ab Frühjahr 1935 verstärkt in die Debatte um das Verhältnis der SPD zu den Kommunisten und die Bildung einer Volks- und Einheitsfront ein. Er war Mitbegründer der Amsterdamer Sektion der Revolutionären Sozialisten Deutschlands (RSD), die im Gegensatz zum Vorstand der Exil-SPD in Prag (SoPaDe) mehr und mehr an einer parteiübergreifenden antifaschistischen Zusammenarbeit interessiert war.

1936 ging er als Korrespondent nach Spanien und kämpfte dort im Bürgerkrieg auf der Seite der Internationalen Brigaden. Kurz nach der Rückkehr in die Niederlande erfuhr er von der Aberkennung seiner deutschen Staatsbürgerschaft.

Am 10. Mai 1940 überfiel die Wehrmacht die Niederlande. Vier Tage später unternahmen Erich und Frieda Kuttner einen Selbstmordversuch.

Ab Januar 1941 erhielt Erich Kuttner vom jüdischen Flüchtlingshilfskomitee Comité voor Joodsche Vluchtelingen (CJV) finanzielle Hilfen von sieben Gulden pro Woche. Am 12. März 1941 trat er wieder in die jüdische Religionsgemeinschaft ein.

Am 10. April 1942 wurde Erich Kuttner verhaftet und Ende September 1942 in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert. Dort wurde er am 6. Oktober 1942 „auf der Flucht“ erschossen.

Frieda Kuttner starb völlig verarmt am 1. Januar 1948 nach langer Krankheit in den Niederlanden.