Bertha Gottschalk geb. Wolffberg

Verlegeort
Bartningallee 7
Historischer Name
Klopstockstr. 28
Bezirk/Ortsteil
Hansaviertel
Verlegedatum
September 2008
Geboren
22. September 1866 in Königsberg / Kaliningrad
Deportation
am 11. September 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
23. November 1942 im Ghetto Theresienstadt

<i>Gesetze, die unter Hitler gegen Juden geschaffen wurden, überboten alles an Quälereien und Grausamkeiten, was ein normaler Mensch sich auszudenken vermag.</i><br />
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Aus dem Bericht von Käthe Knipfer über ihre Leidenszeit in Theresienstadt, geschrieben 1968<br />
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Die Familie Gottschalk gehörte zu den für das deutsche Judentum typischen Familien, die großen Wert darauf legten, Teil der deutschen Gesellschaft zu sein. Sie behielt den jüdischen Glauben, praktizierte ihn aber nicht. Wichtig war die Anpassung an die nichtjüdische Umgebung. Das Familienleben war geprägt von der wilhelminischen Zeit. Man feierte Kaisers Geburtstag, an Weihnachten wurde ein Christbaum aufgestellt und man war stolz auf die im Ersten Weltkrieg erhaltenen Tapferkeitsauszeichnungen. Bertha Wolffberg, verheiratete Gottschalk, wurde am 22. September 1866 in Königsberg geboren. Sie heiratete Hugo Gottschalk, der in Schlawe (Hinterpommern) eine Getreidemühle betrieb. Am 13. März 1888 wurde ihre Tochter Nanny geboren. Vier Jahre danach kam ihre zweite Tochter Käthe und 1894 ihre dritte Tochter Gertrud zur Welt. Gertrud gelang mit ihrem Mann Georg Anker und den Töchtern die Flucht in die USA. Nanny heiratete Arthur Lewin. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor: 1912 Ludwig Lewin und 1914 Ursula. Nach der Scheidung von ihrem Mann erhielt sie das Sorgerecht für die Tochter. Das Sorgerecht für den Sohn ging an den Vater Arthur, der 1943 Selbstmord beging, als er seinen Namen auf einer Deportationsliste sah, in die er als Apotheker der jüdischen Gemeinde Berlin Einblick hatte. Ludwig Lewin konnte nach Israel emigrieren.<br />
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Nach dem Tod ihres Mannes Hugo Gottschalk zog Bertha 1937 nach Berlin. Dort lebte sie zusammen mit ihrer ältesten Tochter Nanny und deren Tochter Ursula in der Kloppstockstraße 28 (der heutigen Bartningallee 7). Nanny Lewin hatte nach der Scheidung von ihrem Mann Arthur als alleinstehende Frau mit Tochter ein schwieriges Leben. Sie war auf die finanzielle Unterstützung durch ihre Mutter angewiesen. Tragischerweise lehnte Bertha den Wunsch ihrer Enkelin Ursula ab, sich der zionistischen Bewegung anzuschließen und nach Israel auszuwandern, weil ihr das zu gefährlich erschien. Berthas zweite Tochter Käthe hatte nichtjüdisch geheiratet, den Namen ihres Mannes Knipfer angenommen und war zum evangelischen Glauben konvertiert. Ihr Mann, Max Knipfer, starb 1937. Damit entfiel der Schutz für sie und ihren Sohn als privilegierte Mischehe. Um in der Nähe ihrer Mutter und ihrer Schwester Nanny zu leben und ihnen damit das Leben zu erleichtern, zog sie nach Berlin, wo sie im gleichen Haus eine Wohnung bezog. Die folgenden Jahre waren von zunehmender Entrechtung und Verfolgung der Familie gekennzeichnet, welche schließlich in der Deportation mündeten. Am 11. September 1942 wurden Bertha und ihre Tochter Nanny mit dem 62. Alterstransport in das Ghetto Theresienstadt gebracht. Die 76-Jährige überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto nur zwei Monate. Am 23. November 1942 starb sie an Auszehrung. Nanny wurde zwei Jahre später nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Dasselbe Schicksal erlitt ihre Tochter Ursula. Sie kam am 12. März 1943 mit dem 36. Osttransport nach Auschwitz, wo sie in der Gaskammer umkam. Käthe wurde am 10. Januar 1944 nach Theresienstadt deportiert, wo sie ihre Schwester Nanny wieder traf. Damit begann ihr eineinhalbjähriges Martyrium, geprägt von schwerer körperlichen Arbeit, entsetzlichem Hunger und fürchterlichem Ungeziefer. Nach ihrer Rückkehr bekannte sie, nur der Wunsch, ihren Sohn Günther wiederzusehen und die Freundschaft mit zwei Leidensgenossinnen hätten ihr die Kraft zum Überleben gegeben. Den schlimmsten Moment in Theresienstadt erlebte sie, als ihre Schwester Nanny sie bat, mit nach ihr nach Auschwitz zu gehen. Käthe war klar, dass das auch ihren Tod bedeutet hätte. Sie lehnte um ihres Sohnes willen ab. In ihrem Bericht über die Zeit in Theresienstadt schreibt sie dazu:<br />
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„<i>Mir brach das Herz. Am Nachmittag ging ich in die Schleuse der Sammelstelle, und sah sie nicht. Am Abend musste eine junge Frau aus meiner Baracke dort hingehen, um zu helfen, und ich gab ihr ein paar Scheiben Brot von mir für sie mit. Das Einzige, was ich für meine arme Schwester tun konnte. Viel, viel zu wenig für sie, für mich ein großes Opfer, da ich an den anderen Tagen noch mehr hungern musste. Aber, was war es im Vergleich zu ihrem unendlichen Unglück!</i>“

Gesetze, die unter Hitler gegen Juden geschaffen wurden, überboten alles an Quälereien und Grausamkeiten, was ein normaler Mensch sich auszudenken vermag.

Aus dem Bericht von Käthe Knipfer über ihre Leidenszeit in Theresienstadt, geschrieben 1968

Die Familie Gottschalk gehörte zu den für das deutsche Judentum typischen Familien, die großen Wert darauf legten, Teil der deutschen Gesellschaft zu sein. Sie behielt den jüdischen Glauben, praktizierte ihn aber nicht. Wichtig war die Anpassung an die nichtjüdische Umgebung. Das Familienleben war geprägt von der wilhelminischen Zeit. Man feierte Kaisers Geburtstag, an Weihnachten wurde ein Christbaum aufgestellt und man war stolz auf die im Ersten Weltkrieg erhaltenen Tapferkeitsauszeichnungen. Bertha Wolffberg, verheiratete Gottschalk, wurde am 22. September 1866 in Königsberg geboren. Sie heiratete Hugo Gottschalk, der in Schlawe (Hinterpommern) eine Getreidemühle betrieb. Am 13. März 1888 wurde ihre Tochter Nanny geboren. Vier Jahre danach kam ihre zweite Tochter Käthe und 1894 ihre dritte Tochter Gertrud zur Welt. Gertrud gelang mit ihrem Mann Georg Anker und den Töchtern die Flucht in die USA. Nanny heiratete Arthur Lewin. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor: 1912 Ludwig Lewin und 1914 Ursula. Nach der Scheidung von ihrem Mann erhielt sie das Sorgerecht für die Tochter. Das Sorgerecht für den Sohn ging an den Vater Arthur, der 1943 Selbstmord beging, als er seinen Namen auf einer Deportationsliste sah, in die er als Apotheker der jüdischen Gemeinde Berlin Einblick hatte. Ludwig Lewin konnte nach Israel emigrieren.

Nach dem Tod ihres Mannes Hugo Gottschalk zog Bertha 1937 nach Berlin. Dort lebte sie zusammen mit ihrer ältesten Tochter Nanny und deren Tochter Ursula in der Kloppstockstraße 28 (der heutigen Bartningallee 7). Nanny Lewin hatte nach der Scheidung von ihrem Mann Arthur als alleinstehende Frau mit Tochter ein schwieriges Leben. Sie war auf die finanzielle Unterstützung durch ihre Mutter angewiesen. Tragischerweise lehnte Bertha den Wunsch ihrer Enkelin Ursula ab, sich der zionistischen Bewegung anzuschließen und nach Israel auszuwandern, weil ihr das zu gefährlich erschien. Berthas zweite Tochter Käthe hatte nichtjüdisch geheiratet, den Namen ihres Mannes Knipfer angenommen und war zum evangelischen Glauben konvertiert. Ihr Mann, Max Knipfer, starb 1937. Damit entfiel der Schutz für sie und ihren Sohn als privilegierte Mischehe. Um in der Nähe ihrer Mutter und ihrer Schwester Nanny zu leben und ihnen damit das Leben zu erleichtern, zog sie nach Berlin, wo sie im gleichen Haus eine Wohnung bezog. Die folgenden Jahre waren von zunehmender Entrechtung und Verfolgung der Familie gekennzeichnet, welche schließlich in der Deportation mündeten. Am 11. September 1942 wurden Bertha und ihre Tochter Nanny mit dem 62. Alterstransport in das Ghetto Theresienstadt gebracht. Die 76-Jährige überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto nur zwei Monate. Am 23. November 1942 starb sie an Auszehrung. Nanny wurde zwei Jahre später nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Dasselbe Schicksal erlitt ihre Tochter Ursula. Sie kam am 12. März 1943 mit dem 36. Osttransport nach Auschwitz, wo sie in der Gaskammer umkam. Käthe wurde am 10. Januar 1944 nach Theresienstadt deportiert, wo sie ihre Schwester Nanny wieder traf. Damit begann ihr eineinhalbjähriges Martyrium, geprägt von schwerer körperlichen Arbeit, entsetzlichem Hunger und fürchterlichem Ungeziefer. Nach ihrer Rückkehr bekannte sie, nur der Wunsch, ihren Sohn Günther wiederzusehen und die Freundschaft mit zwei Leidensgenossinnen hätten ihr die Kraft zum Überleben gegeben. Den schlimmsten Moment in Theresienstadt erlebte sie, als ihre Schwester Nanny sie bat, mit nach ihr nach Auschwitz zu gehen. Käthe war klar, dass das auch ihren Tod bedeutet hätte. Sie lehnte um ihres Sohnes willen ab. In ihrem Bericht über die Zeit in Theresienstadt schreibt sie dazu:

Mir brach das Herz. Am Nachmittag ging ich in die Schleuse der Sammelstelle, und sah sie nicht. Am Abend musste eine junge Frau aus meiner Baracke dort hingehen, um zu helfen, und ich gab ihr ein paar Scheiben Brot von mir für sie mit. Das Einzige, was ich für meine arme Schwester tun konnte. Viel, viel zu wenig für sie, für mich ein großes Opfer, da ich an den anderen Tagen noch mehr hungern musste. Aber, was war es im Vergleich zu ihrem unendlichen Unglück!