Frida Schoenberner

Verlegeort
Hagelberger Str. 26
Historischer Name
Hagelberger Str. 28
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Geboren
11. August 1888 in Berlin
Ermordet
12. April 1944 in Meseritz-Obrawalde

Frida Schoenberner wurde am 10. August 1888 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des<br />
evangelischen Pfarrers und späteren Superintendenten Reinhold Schoenberner. Frida<br />
Schoeneberners hatte sich seit in den frühen Jahren seiner Tätigkeit besonders für Gehörlose<br />
gesetzt. Bereits als Hilfsprediger bekam er 1866 den Auftrag, für die in der Stadt wohnenden<br />
„Taubstummen“ tätig zu sein. In den 1980er Jahren des 19. Jahrhunderts gab er Unterricht in der<br />
Gebärdensprache, was jedoch zuerst auf Widerstand stieß und sich erst nach einigen Jahren<br />
durchsetzte.<br />
Frida Schoenberner wuchs mit elf Geschwistern auf. Eines von ihnen war der bekannte<br />
Schriftsteller Franz Schoenberner, der von 1929 bis 1933 der letzte Chefredakteur der satirischen<br />
Wochenzeitschrift „Simplicissimus“ war und bereits kurz nach der Machtergreifung der<br />
Nationalsozialisten ins Exil gehen musste.<br />
Beruflich war Frida Schoenberner als Sekretärin tätig, unter anderem für den „Bund Deutscher<br />
Bodenreformer“. Sie lebte viele Jahre lang in Berlin-Kreuzberg, wohl auch gemeinsam mit ihrer<br />
Mutter. Der Vater war 1898 verstorben.<br />
Der Tod ihrer Mutter und die Belastungen durch die Bombenangriffe auf Berlin setzten Frida<br />
Schoenberner schließlich so stark zu, dass sie zur Behandlung in eine Nervenheilanstalt kam. Ohne<br />
dass ihre Familienangehörigen vorher informiert wurden, wurde sie dann in die Anstalt Meseritz-<br />
Obrawalde gebracht, wo sie am 12. April 1944 mit einer Phenolspritze getötet wurde und ein Opfer<br />
der „Euthanasie“, dem von den Nationalsozialisten verübten Massenmord an Patienten aus Heilund<br />
Pflegeanstalten, wurde.<br />
Ihr Neffe Gerhard Schoenberner, Gründungsdirektor der Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der<br />
Wansee-Konferenz“, besuchte den Ort der Ermordung seiner Tante und verfasste folgendes Gedicht<br />
für sie:<br />
FÜR FRIDA<br />
1<br />
Schon von weitem<br />
erkenne ich ihre Gestalt<br />
im Gedränge des Bahnsteigs<br />
Atemlos renne ich<br />
in ihre offenen Arme<br />
die mich erwarten<br />
Wir küssen uns und lachen<br />
und halten uns fest aneinander<br />
Ich rieche das vertraute Parfüm<br />
und streichle ihr Haar<br />
Fröhlich schaut sie mich an<br />
mit ganz kleinen Augen<br />
Immer wieder sehe ich diesen Film<br />
bis er schwarz wird und abreißt<br />
2<br />
Hier ist sie gewesen<br />
Hierher hat man sie verschleppt<br />
Hier ist sie gestorben<br />
von Ärzten getötet<br />
ich notiere stumm<br />
was ich sehe und höre:<br />
Haus 9<br />
Die Tablettendosis<br />
Die tödliche Injektion<br />
Der Leichenkeller, der Aufzug<br />
Die Kleider, die Goldzähne<br />
Schwarzes Packpapier als Sarg<br />
Das Urnenfeld<br />
Die Nummernschilder<br />
Das Massengrab<br />
(Aus: Gerhard Schoenberner: Fazit, Prosagedichte. Argument-Verlag, Hamburg)<br />
In einem weiteren Gedicht beschreibt Gerhard Schoenberner den gewaltsamen Tod weiterer<br />
Familienmitglieder: Paul – als Geisel erschossen, Ernst, der Emigrant – von den Russen als Spion<br />
erschossen, Albert, taub – von einer Militärstreife erschossen, Ida – verloren auf dem Transport aus<br />
Pommern.

Frida Schoenberner wurde am 10. August 1888 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des
evangelischen Pfarrers und späteren Superintendenten Reinhold Schoenberner. Frida
Schoeneberners hatte sich seit in den frühen Jahren seiner Tätigkeit besonders für Gehörlose
gesetzt. Bereits als Hilfsprediger bekam er 1866 den Auftrag, für die in der Stadt wohnenden
„Taubstummen“ tätig zu sein. In den 1980er Jahren des 19. Jahrhunderts gab er Unterricht in der
Gebärdensprache, was jedoch zuerst auf Widerstand stieß und sich erst nach einigen Jahren
durchsetzte.
Frida Schoenberner wuchs mit elf Geschwistern auf. Eines von ihnen war der bekannte
Schriftsteller Franz Schoenberner, der von 1929 bis 1933 der letzte Chefredakteur der satirischen
Wochenzeitschrift „Simplicissimus“ war und bereits kurz nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten ins Exil gehen musste.
Beruflich war Frida Schoenberner als Sekretärin tätig, unter anderem für den „Bund Deutscher
Bodenreformer“. Sie lebte viele Jahre lang in Berlin-Kreuzberg, wohl auch gemeinsam mit ihrer
Mutter. Der Vater war 1898 verstorben.
Der Tod ihrer Mutter und die Belastungen durch die Bombenangriffe auf Berlin setzten Frida
Schoenberner schließlich so stark zu, dass sie zur Behandlung in eine Nervenheilanstalt kam. Ohne
dass ihre Familienangehörigen vorher informiert wurden, wurde sie dann in die Anstalt Meseritz-
Obrawalde gebracht, wo sie am 12. April 1944 mit einer Phenolspritze getötet wurde und ein Opfer
der „Euthanasie“, dem von den Nationalsozialisten verübten Massenmord an Patienten aus Heilund
Pflegeanstalten, wurde.
Ihr Neffe Gerhard Schoenberner, Gründungsdirektor der Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der
Wansee-Konferenz“, besuchte den Ort der Ermordung seiner Tante und verfasste folgendes Gedicht
für sie:
FÜR FRIDA
1
Schon von weitem
erkenne ich ihre Gestalt
im Gedränge des Bahnsteigs
Atemlos renne ich
in ihre offenen Arme
die mich erwarten
Wir küssen uns und lachen
und halten uns fest aneinander
Ich rieche das vertraute Parfüm
und streichle ihr Haar
Fröhlich schaut sie mich an
mit ganz kleinen Augen
Immer wieder sehe ich diesen Film
bis er schwarz wird und abreißt
2
Hier ist sie gewesen
Hierher hat man sie verschleppt
Hier ist sie gestorben
von Ärzten getötet
ich notiere stumm
was ich sehe und höre:
Haus 9
Die Tablettendosis
Die tödliche Injektion
Der Leichenkeller, der Aufzug
Die Kleider, die Goldzähne
Schwarzes Packpapier als Sarg
Das Urnenfeld
Die Nummernschilder
Das Massengrab
(Aus: Gerhard Schoenberner: Fazit, Prosagedichte. Argument-Verlag, Hamburg)
In einem weiteren Gedicht beschreibt Gerhard Schoenberner den gewaltsamen Tod weiterer
Familienmitglieder: Paul – als Geisel erschossen, Ernst, der Emigrant – von den Russen als Spion
erschossen, Albert, taub – von einer Militärstreife erschossen, Ida – verloren auf dem Transport aus
Pommern.