Erwin Hartwich

Verlegeort
Solinger Straße 10
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
September 2003
Geboren
20. Dezember 1923 in Leipzig
Überlebt

Erwin Edgar Emil Hartwich kam am 20. Dezember 1923 in Leipzig als Sohn wohlhabender jüdischer Eltern zur Welt. Seine Mutter Charlotte (geb. Mislowitzer), die aus einer Arztfamilie in Schneidemühl (heute: Piła / Polen) stammte, war gelernte medizinische Laborassistentin. Sein Vater Hans, in Berlin geboren und aufgewachsen, war Zahnarzt und betrieb eine der größten kassenärztlichen Zahnarztpraxen in Leipzig. <br />
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Die ersten zehn Jahre seines Lebens wohnte Erwin Hartwich mit seinen Eltern und seiner drei Jahre älteren Schwester Rita über den Praxisräumen, die sich im Leipziger Stadtteil Plagwitz befanden. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde seinem Vater die Kassenzulassung entzogen, wodurch er einen Großteil seiner Patientinnen und Patienten verlor. Wer weiter zur Behandlung kam, wurde von im gleichen Haus wohnenden NSDAP-Anhängern bedroht und beleidigt, sodass die Praxis schließlich fast völlig verwaist war. Im Dezember 1933 begleiteten Erwin und seine Schwester ihre Mutter nach Prag. Sie hatte dort am Pasteur-Institut einen Auftrag für eine Reihe bakteriologischer Untersuchungen angenommen. Außerdem gab es für seinen Vater die Aussicht auf eine Praxisbeteiligung, um die sich die Mutter kümmern wollte. Zwei Jahre lang gingen Erwin und seine Schwester in Prag zur Schule. Ende 1935 kehrten sie mit ihrer Mutter nach Leipzig zurück, da sich die Hoffnung auf eine berufliche Perspektive in der Tschechoslowakei für ihren Vater endgültig zerschlagen hatte. <br />
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Anderthalb Jahre später starb Erwins Vater nach kurzer schwerer Krankheit mit nur 46 Jahren. Erwins Mutter versuchte daraufhin vergeblich, in Leipzig Arbeit als Laborantin oder Sprechstundenhilfe zu finden. Da sie außerdem laufend Drohungen von Hausbewohnern ausgesetzt waren, entschloss sich Charlotte Hartwich, mit ihren Kindern nach Berlin zu ziehen, wo auch Erwins Großeltern väterlicherseits lebten. Anfangs wohnten sie zur Untermiete in Wilmersdorf in der Duisburger Straße 5. Anfang 1938 zogen sie in die Solinger Straße 3 und kurze Zeit später in die Solinger Straße 10 zu Familie Schwerin. Etwa zur gleichen Zeit, im Frühling 1938, ging Erwins 17-jährige Schwester Rita nach England. Im Jahr darauf emigrierte auch Erwin im Alter von 15 Jahren nach London. Er war eines von über 10.000 jüdischen Kindern, die zwischen November 1938 und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 durch die Kindertransporte nach England gerettet wurden. Während die meisten dieser Kinder und Jugendlichen ihre Eltern nie wiedersahen, hatte Erwin Hartwich das Glück, dass es seiner Mutter gelang, im Juli 1939 ebenfalls nach England zu flüchten. Sie hatte nur ein Transitvisum und wollte mit Erwin und Rita weiter in die USA ziehen, wo Erwins Onkel Ernst Mylon (ursprünglich Mislowitzer) am Institut für Medizin der Yale-Universität tätig war. Doch der Beginn des Zweiten Weltkriegs kam dazwischen und das Schiff, mit dem sie die Überfahrt antreten wollten, konnte nicht ablegen. So blieb Erwin für mehrere Jahre in England. <br />
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Er wurde Soldat der britischen Armee, diente in Indien, Kenia und Südafrika und lernte bei seinen Einsätzen Urdu und Swahili. Er stieg bis zum Rang des Sergeant Majors seines Regiments auf, das für Minenräumung zuständig war. Im Frühling 1946 emigrierten seine Mutter und seine Schwester schließlich in die USA, wo Rita noch im gleichen Jahr heiratete. Nach dem Ende seines Militärdienstes folgte er seiner Familie nach Connecticut in den County New Haven. Seinen Namen änderte Erwin Hartwich in Edgar Hartley. Im Jahr 1957 heiratete er Bea Teitelman, die gebürtig aus New Haven stammte. Sie bekamen drei Kinder – Alan, Larry und Holly. Edgar Hartley arbeitete in einem Bekleidungsgeschäft, bevor er seinen eigenen Laden „Hartley’s“ in Middletown eröffnete. Später war er 25 Jahre lang für eine Supermarktkette tätig und zuletzt deren Vizepräsident für den nordöstlichen US-Markt. Er wurde siebenfacher Großvater und war aktives Mitglied der Synagogengemeinde Beth Sholom in Hamden. Zeit seines Lebens war er sehr stolz auf seine Militärzeit und meldete sich noch mit 63 Jahren als Freiwilliger für den aktiven Dienst. Er interessierte sich sehr für Geschichte und fuhr bis ins hohe Alter Ski. Im April 2007 starb Edgar Hartley mit 83 Jahren.<br />
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Erwin Edgar Emil Hartwich kam am 20. Dezember 1923 in Leipzig als Sohn wohlhabender jüdischer Eltern zur Welt. Seine Mutter Charlotte (geb. Mislowitzer), die aus einer Arztfamilie in Schneidemühl (heute: Piła / Polen) stammte, war gelernte medizinische Laborassistentin. Sein Vater Hans, in Berlin geboren und aufgewachsen, war Zahnarzt und betrieb eine der größten kassenärztlichen Zahnarztpraxen in Leipzig.

Die ersten zehn Jahre seines Lebens wohnte Erwin Hartwich mit seinen Eltern und seiner drei Jahre älteren Schwester Rita über den Praxisräumen, die sich im Leipziger Stadtteil Plagwitz befanden. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde seinem Vater die Kassenzulassung entzogen, wodurch er einen Großteil seiner Patientinnen und Patienten verlor. Wer weiter zur Behandlung kam, wurde von im gleichen Haus wohnenden NSDAP-Anhängern bedroht und beleidigt, sodass die Praxis schließlich fast völlig verwaist war. Im Dezember 1933 begleiteten Erwin und seine Schwester ihre Mutter nach Prag. Sie hatte dort am Pasteur-Institut einen Auftrag für eine Reihe bakteriologischer Untersuchungen angenommen. Außerdem gab es für seinen Vater die Aussicht auf eine Praxisbeteiligung, um die sich die Mutter kümmern wollte. Zwei Jahre lang gingen Erwin und seine Schwester in Prag zur Schule. Ende 1935 kehrten sie mit ihrer Mutter nach Leipzig zurück, da sich die Hoffnung auf eine berufliche Perspektive in der Tschechoslowakei für ihren Vater endgültig zerschlagen hatte.

Anderthalb Jahre später starb Erwins Vater nach kurzer schwerer Krankheit mit nur 46 Jahren. Erwins Mutter versuchte daraufhin vergeblich, in Leipzig Arbeit als Laborantin oder Sprechstundenhilfe zu finden. Da sie außerdem laufend Drohungen von Hausbewohnern ausgesetzt waren, entschloss sich Charlotte Hartwich, mit ihren Kindern nach Berlin zu ziehen, wo auch Erwins Großeltern väterlicherseits lebten. Anfangs wohnten sie zur Untermiete in Wilmersdorf in der Duisburger Straße 5. Anfang 1938 zogen sie in die Solinger Straße 3 und kurze Zeit später in die Solinger Straße 10 zu Familie Schwerin. Etwa zur gleichen Zeit, im Frühling 1938, ging Erwins 17-jährige Schwester Rita nach England. Im Jahr darauf emigrierte auch Erwin im Alter von 15 Jahren nach London. Er war eines von über 10.000 jüdischen Kindern, die zwischen November 1938 und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 durch die Kindertransporte nach England gerettet wurden. Während die meisten dieser Kinder und Jugendlichen ihre Eltern nie wiedersahen, hatte Erwin Hartwich das Glück, dass es seiner Mutter gelang, im Juli 1939 ebenfalls nach England zu flüchten. Sie hatte nur ein Transitvisum und wollte mit Erwin und Rita weiter in die USA ziehen, wo Erwins Onkel Ernst Mylon (ursprünglich Mislowitzer) am Institut für Medizin der Yale-Universität tätig war. Doch der Beginn des Zweiten Weltkriegs kam dazwischen und das Schiff, mit dem sie die Überfahrt antreten wollten, konnte nicht ablegen. So blieb Erwin für mehrere Jahre in England.

Er wurde Soldat der britischen Armee, diente in Indien, Kenia und Südafrika und lernte bei seinen Einsätzen Urdu und Swahili. Er stieg bis zum Rang des Sergeant Majors seines Regiments auf, das für Minenräumung zuständig war. Im Frühling 1946 emigrierten seine Mutter und seine Schwester schließlich in die USA, wo Rita noch im gleichen Jahr heiratete. Nach dem Ende seines Militärdienstes folgte er seiner Familie nach Connecticut in den County New Haven. Seinen Namen änderte Erwin Hartwich in Edgar Hartley. Im Jahr 1957 heiratete er Bea Teitelman, die gebürtig aus New Haven stammte. Sie bekamen drei Kinder – Alan, Larry und Holly. Edgar Hartley arbeitete in einem Bekleidungsgeschäft, bevor er seinen eigenen Laden „Hartley’s“ in Middletown eröffnete. Später war er 25 Jahre lang für eine Supermarktkette tätig und zuletzt deren Vizepräsident für den nordöstlichen US-Markt. Er wurde siebenfacher Großvater und war aktives Mitglied der Synagogengemeinde Beth Sholom in Hamden. Zeit seines Lebens war er sehr stolz auf seine Militärzeit und meldete sich noch mit 63 Jahren als Freiwilliger für den aktiven Dienst. Er interessierte sich sehr für Geschichte und fuhr bis ins hohe Alter Ski. Im April 2007 starb Edgar Hartley mit 83 Jahren.