Jeanette Jaffé geb. Mendelsohn

Verlegeort
Zossener Str. 29
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
02. Dezember 2005
Geboren
27. März 1870 in Briesen (Westpreußen) / Wąbrzeźno
Deportation
am 17. März 1943 nach Theresienstadt
Tot
14. April 1944 in Theresienstadt

Jeanette Jaffé wurde am 27. März 1870 in Briesen in Westpreußen als Jeanette Mendelsohn geboren. Sie war verheiratet mit Martin Jaffé, der am 12. April 1874 in Koschmin in Posen geboren worden war.<br />
<br />
Das Ehepaar wohnte seit April 1933 in der 2. Etage des Vorderhauses Zossener Str. 29. Ihre Wohnung bestand aus einem Zimmer, das sie als Wohn- und Schlafraum nutztn, und einer kleinen Küche. Zuvor waren sie sieben Jahre lang Mieter einer – wahrscheinlich geräumigeren - Wohnung in der Zossener Str. 48 gewesen. <br />
<br />
Ihr Mann Martin war gelernter Schneider und arbeitete zwischen 1933 und 1937 als „Posthelfer“. Im Rahmen des sog. „geschlossenen Arbeitseinsatzes“ der Berliner jüdischen Bevölkerung musste er bis zur Deportation bei der Chemischen Fabrik Britz, wo Lackfarben und Linoleumkitte hergestellt wurden, Zwangsarbeit leisten.<br />
<br />
Fast bis zum Ende des Winters 1942/43 waren viele jüdischen Zwangsarbeiter in Berlin von den Deportationen verschont geblieben. Am 20. Februar 1943 formulierte das Eichmann-Referat im RSHA die “Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden nach dem Osten“ sowie die „Richtlinien zur technischen Durchführung der Wohnsitzverlegung nach Theresienstadt“ neu. Wesentlich verändertes Merkmal in beiden Richtlinien war der Wegfall des bisher noch vorhandenen, ohnehin schwachen Schutzes vor Deportationen für Juden, die in „kriegswichtigem Arbeitseinsatz“ standen.<br />
<br />
Ende Februar wurde das Ehepaar im Rahmen der sog. „Fabrik-Aktion“. festgenommen. Dieser letzten großen Terror-Maßnahme fielen rund 7000 noch in Berlin verbliebene jüdische Einwohner zum Opfer. Sie wurden meist unmittelbar am Arbeitsplatz verhaftet und in Sammellager gebracht. Neben diese als Zwangsarbeiter eingesetzte Menschen traf die Verhaftungswelle auch als jüdisch geltende Partner aus sog. „Mischehen“, die mit nicht-jüdischen Ehegatten verheiratet waren.<br />
<br />
Nachdem das Ehepaar Jaffé in einer der Sammelstellen in ihren Vermögenserklärungen Angaben zu ihrem zurückgelassenen Wohnungsinventar ausgefüllt hatte, wurden sie am 17. März 1943 mit dem letzten „Großtransport“ aus Berlin ins Ghetto Theresienstadt deportiert, der etwa 1.300 Personen umfasste. Unter ihnen befanden sich auch langjährige Mitarbeiter der Jüdischen Kultusverwaltung, Träger von Verwundetenabzeichen aus dem I. Weltkrieg sowie Kriegerwitwen und Kriegsversehrte. Auch diese waren bis dahin von Deportationen verschont geblieben.<br />
<br />
Von den 1.285 Menschen dieses Transportes wurden im Frühjahr 1943 41 und im Laufe des Jahres 1944 weitere 669 Personen nach Auschwitz deportiert. 219 von ihnen haben den Krieg überlebt, 13 davon in Auschwitz.<br />
<br />
Der letzte Eintrag in der Akte der Eheleute Jaffé belegt, dass ihre Wohnung am 20. Dezember 1943 geräumt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Martin Jaffe bereits tot – er starb sieben Tage nach der Ankunft in Theresienstadt am 24. März 1943. Jeanette überlebte ihren Mann und die unmenschlichen Bedingungen über ein Jahr im Ghetto, bis sie ihnen am 14. April 1944 ebenfalls erlag. <br />
<br />
Ansprache bei der Stolperstein-Einweihung am 8.12.2005: Das einzige Zeugnis über das Leben des Ehepaares Jeanette und Martin Jaffé, das wir finden konnten, ist eine dünne Akte von der Oberfinanzdirektion Berlin aus der Zeit von 1942/1943 und ihre Namen auf der Deportationsliste des 4. großen Alterstransportes, der am 17.3.1943 nach Theresienstadt ging. Namen von 1200 Menschen stehen in der Liste des 4. Alterstransportes. Jeanette Jaffé, geb. Mendelsohn, ist zum Zeitpunkt des Transportes 72 Jahre alt, sie ist am 12.4.1870 in Briesen in Westpreußen (heute Wąbrzeźno) geboren. Ihr Ehemann Martin Jaffé ist 68 Jahre alt, er wurde am 12.4.1874 in Koschmin, Provinz Posen, geboren. Noch im März 1943 nach ihrer Ankunft in Theresienstadt verzeichnet das Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus sein Todesdatum, er hat seinen 70. Geburtstag nicht mehr erlebt. Das Todesdatum von Jeanette Jaffé ist mit April 1944 verzeichnet. Auf der Deportationsliste steht: Transportliste über die Juden deren Vermögen im Rahmen der Abschiebung durch Einziehung dem Reich angefallen ist. Zur Klärung der Vermögensverhältnisse des Ehepaares wurde die Akte von der Oberfinanzdirektion vor ihrer Deportation angelegt. Sie enthält einen mehrseitigen Fragebogen zur Auflistung ihres Vermögens und gibt zugleich einen ganz kleinen Einblick in ihr Leben.<br />
<br />
Jeanette und Martin Jaffé haben seit April 1933, fast 10 Jahre, in dem Haus Zossener Str. 29 vorn in der 2. Etage gewohnt. Im Adressbuch von 1935 steht hinter Martin Jaffé`s Namen der Beruf Posthelfer. Seit 1938 wurden Juden zur Zwangsarbeit eingesetzt, Martin Jaffé musste schon über 60jährig in der Chemischen Fabrik Britz in der Gradestr. 62-71 Zwangsarbeit leisten. 1942 stimmte Hitler dem Austauschplan Speers zu, dass jüdische Zwangsarbeiter durch ausländische Zwangsarbeiter aus dem Osten ersetzt werden. Von November 1942 bis zum 26. Februar 1943 wurden in 8 Massentransporten nun auch die jüdischen Zwangsarbeiter und ihre Angehörigen deportiert. 1943 hatten Jeanette und Martin Jaffé nur noch ihre Kleidung und die Möbel in ihrer Wohnung als ihr einziges Vermögen, dass sie in dem Fragebogen angeben könnten. Sie lebten von der Hilfe der Wohlfahrt. Eine Schuld von 600,- Reichsmark, zahlbar an die Wohlfahrt, ist im Fragebogen eingetragen. Ihre Wohnung bestand aus einer Stube, die für sie Schlaf- und Wohnraum war, und einer Küche. In ihrer Küche wird als Inventar neben den Küchenmöbeln ein alter Eisschrank erwähnt. Eine Nähmaschine, ein alter Kleiderschrank mit Spiegel, ein hohes Büffet und zwei alte Sessel sind je mit einem Wert von 25,- bzw. 30,- Reichsmark angegeben und sind ihr größtes Vermögen. Am 15. März 1943, zwei Tage vor ihrer Deportation, unterschreiben beide in diesem Fragebogen die von ihnen verlangte Erklärung:Ich erkläre ausdrücklich, dass ich meine vorstehenden Angaben nach bestem Wissen gemacht und keine Vermögenswerte verschwiegen habe. Ich bin mir bewusst, dass falsche oder unvollständige Angaben geahndet werden. Ihre Miete haben sie noch bis zum 30. März 1943 gezahlt. Noch drei Belege sind nach dem Fragebogen in ihrer Akte. Ihr Vermieter hat bis Juli 1943 von der Oberfinanzdirektion Miete für ihre Wohnung erhalten, auf der Anweisung ist handschriftlich vermerkt: die Wohnung ist ungezieferfrei. Im Dezember 1943 beschwert sich ihr Vermieter in einem Schreiben an die Oberfinanzdirektion mit folgendem Satz: Die ehemalige Judenwohnung ist noch immer versiegelt. Der letzte Beleg in der Akte besagt, dass am 20.12.1943 die Räumung erfolgte. Das Haus ist im Krieg zerstört worden. Vom Leben der beiden Menschen, die hier 10 Jahre gewohnt haben und deren Leben in Thersienstadt ausgelöscht wurde, zeugt nur diese dünne Akte und diese beiden Stolpersteine als Mahnung an alle, die hier vorbei gehen. Schaut genau hin, was um Euch herum geschieht - niemals wieder darf so ein Völkermord zugelassen werden! (Edeltraud Frankenstein

Jeanette Jaffé wurde am 27. März 1870 in Briesen in Westpreußen als Jeanette Mendelsohn geboren. Sie war verheiratet mit Martin Jaffé, der am 12. April 1874 in Koschmin in Posen geboren worden war.

Das Ehepaar wohnte seit April 1933 in der 2. Etage des Vorderhauses Zossener Str. 29. Ihre Wohnung bestand aus einem Zimmer, das sie als Wohn- und Schlafraum nutztn, und einer kleinen Küche. Zuvor waren sie sieben Jahre lang Mieter einer – wahrscheinlich geräumigeren - Wohnung in der Zossener Str. 48 gewesen.

Ihr Mann Martin war gelernter Schneider und arbeitete zwischen 1933 und 1937 als „Posthelfer“. Im Rahmen des sog. „geschlossenen Arbeitseinsatzes“ der Berliner jüdischen Bevölkerung musste er bis zur Deportation bei der Chemischen Fabrik Britz, wo Lackfarben und Linoleumkitte hergestellt wurden, Zwangsarbeit leisten.

Fast bis zum Ende des Winters 1942/43 waren viele jüdischen Zwangsarbeiter in Berlin von den Deportationen verschont geblieben. Am 20. Februar 1943 formulierte das Eichmann-Referat im RSHA die “Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden nach dem Osten“ sowie die „Richtlinien zur technischen Durchführung der Wohnsitzverlegung nach Theresienstadt“ neu. Wesentlich verändertes Merkmal in beiden Richtlinien war der Wegfall des bisher noch vorhandenen, ohnehin schwachen Schutzes vor Deportationen für Juden, die in „kriegswichtigem Arbeitseinsatz“ standen.

Ende Februar wurde das Ehepaar im Rahmen der sog. „Fabrik-Aktion“. festgenommen. Dieser letzten großen Terror-Maßnahme fielen rund 7000 noch in Berlin verbliebene jüdische Einwohner zum Opfer. Sie wurden meist unmittelbar am Arbeitsplatz verhaftet und in Sammellager gebracht. Neben diese als Zwangsarbeiter eingesetzte Menschen traf die Verhaftungswelle auch als jüdisch geltende Partner aus sog. „Mischehen“, die mit nicht-jüdischen Ehegatten verheiratet waren.

Nachdem das Ehepaar Jaffé in einer der Sammelstellen in ihren Vermögenserklärungen Angaben zu ihrem zurückgelassenen Wohnungsinventar ausgefüllt hatte, wurden sie am 17. März 1943 mit dem letzten „Großtransport“ aus Berlin ins Ghetto Theresienstadt deportiert, der etwa 1.300 Personen umfasste. Unter ihnen befanden sich auch langjährige Mitarbeiter der Jüdischen Kultusverwaltung, Träger von Verwundetenabzeichen aus dem I. Weltkrieg sowie Kriegerwitwen und Kriegsversehrte. Auch diese waren bis dahin von Deportationen verschont geblieben.

Von den 1.285 Menschen dieses Transportes wurden im Frühjahr 1943 41 und im Laufe des Jahres 1944 weitere 669 Personen nach Auschwitz deportiert. 219 von ihnen haben den Krieg überlebt, 13 davon in Auschwitz.

Der letzte Eintrag in der Akte der Eheleute Jaffé belegt, dass ihre Wohnung am 20. Dezember 1943 geräumt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Martin Jaffe bereits tot – er starb sieben Tage nach der Ankunft in Theresienstadt am 24. März 1943. Jeanette überlebte ihren Mann und die unmenschlichen Bedingungen über ein Jahr im Ghetto, bis sie ihnen am 14. April 1944 ebenfalls erlag.

Ansprache bei der Stolperstein-Einweihung am 8.12.2005: Das einzige Zeugnis über das Leben des Ehepaares Jeanette und Martin Jaffé, das wir finden konnten, ist eine dünne Akte von der Oberfinanzdirektion Berlin aus der Zeit von 1942/1943 und ihre Namen auf der Deportationsliste des 4. großen Alterstransportes, der am 17.3.1943 nach Theresienstadt ging. Namen von 1200 Menschen stehen in der Liste des 4. Alterstransportes. Jeanette Jaffé, geb. Mendelsohn, ist zum Zeitpunkt des Transportes 72 Jahre alt, sie ist am 12.4.1870 in Briesen in Westpreußen (heute Wąbrzeźno) geboren. Ihr Ehemann Martin Jaffé ist 68 Jahre alt, er wurde am 12.4.1874 in Koschmin, Provinz Posen, geboren. Noch im März 1943 nach ihrer Ankunft in Theresienstadt verzeichnet das Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus sein Todesdatum, er hat seinen 70. Geburtstag nicht mehr erlebt. Das Todesdatum von Jeanette Jaffé ist mit April 1944 verzeichnet. Auf der Deportationsliste steht: Transportliste über die Juden deren Vermögen im Rahmen der Abschiebung durch Einziehung dem Reich angefallen ist. Zur Klärung der Vermögensverhältnisse des Ehepaares wurde die Akte von der Oberfinanzdirektion vor ihrer Deportation angelegt. Sie enthält einen mehrseitigen Fragebogen zur Auflistung ihres Vermögens und gibt zugleich einen ganz kleinen Einblick in ihr Leben.

Jeanette und Martin Jaffé haben seit April 1933, fast 10 Jahre, in dem Haus Zossener Str. 29 vorn in der 2. Etage gewohnt. Im Adressbuch von 1935 steht hinter Martin Jaffé`s Namen der Beruf Posthelfer. Seit 1938 wurden Juden zur Zwangsarbeit eingesetzt, Martin Jaffé musste schon über 60jährig in der Chemischen Fabrik Britz in der Gradestr. 62-71 Zwangsarbeit leisten. 1942 stimmte Hitler dem Austauschplan Speers zu, dass jüdische Zwangsarbeiter durch ausländische Zwangsarbeiter aus dem Osten ersetzt werden. Von November 1942 bis zum 26. Februar 1943 wurden in 8 Massentransporten nun auch die jüdischen Zwangsarbeiter und ihre Angehörigen deportiert. 1943 hatten Jeanette und Martin Jaffé nur noch ihre Kleidung und die Möbel in ihrer Wohnung als ihr einziges Vermögen, dass sie in dem Fragebogen angeben könnten. Sie lebten von der Hilfe der Wohlfahrt. Eine Schuld von 600,- Reichsmark, zahlbar an die Wohlfahrt, ist im Fragebogen eingetragen. Ihre Wohnung bestand aus einer Stube, die für sie Schlaf- und Wohnraum war, und einer Küche. In ihrer Küche wird als Inventar neben den Küchenmöbeln ein alter Eisschrank erwähnt. Eine Nähmaschine, ein alter Kleiderschrank mit Spiegel, ein hohes Büffet und zwei alte Sessel sind je mit einem Wert von 25,- bzw. 30,- Reichsmark angegeben und sind ihr größtes Vermögen. Am 15. März 1943, zwei Tage vor ihrer Deportation, unterschreiben beide in diesem Fragebogen die von ihnen verlangte Erklärung:Ich erkläre ausdrücklich, dass ich meine vorstehenden Angaben nach bestem Wissen gemacht und keine Vermögenswerte verschwiegen habe. Ich bin mir bewusst, dass falsche oder unvollständige Angaben geahndet werden. Ihre Miete haben sie noch bis zum 30. März 1943 gezahlt. Noch drei Belege sind nach dem Fragebogen in ihrer Akte. Ihr Vermieter hat bis Juli 1943 von der Oberfinanzdirektion Miete für ihre Wohnung erhalten, auf der Anweisung ist handschriftlich vermerkt: die Wohnung ist ungezieferfrei. Im Dezember 1943 beschwert sich ihr Vermieter in einem Schreiben an die Oberfinanzdirektion mit folgendem Satz: Die ehemalige Judenwohnung ist noch immer versiegelt. Der letzte Beleg in der Akte besagt, dass am 20.12.1943 die Räumung erfolgte. Das Haus ist im Krieg zerstört worden. Vom Leben der beiden Menschen, die hier 10 Jahre gewohnt haben und deren Leben in Thersienstadt ausgelöscht wurde, zeugt nur diese dünne Akte und diese beiden Stolpersteine als Mahnung an alle, die hier vorbei gehen. Schaut genau hin, was um Euch herum geschieht - niemals wieder darf so ein Völkermord zugelassen werden! (Edeltraud Frankenstein