Gertrud Hirsch

Verlegeort
Altonaer Str. 26
Historischer Name
Altonaer Str. 12
Bezirk/Ortsteil
Hansaviertel
Verlegedatum
Juli 2010
Geboren
16. Juli 1890 in Heinrichswalde
Deportation
am 24. Juli 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
in Auschwitz

Gertrud Hirsch wurde am 16. Juli 1890 in dem kleinen, damals westpreußischen Dorf Heinrichswalde (dem heutigen Uniechów) im Landkreis Schlochau geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Nathan Hirsch (1832–1895) und seiner Frau Bertha, geb. Blumenthal (1847–1918). Ihre Eltern, beide in der Stadt Schlochau (Człuchów) geboren, waren nach ihrer Hochzeit in den 1860er-Jahren nach Heinrichswalde gegangen, wo Nathan als Kaufmann tätig war. Gertrud Hirsch hatte mindestens vier ältere Geschwister, die alle in Heinrichswalde zur Welt gekommen waren: Flora (genannt Klara) 1866, Louis 1873, Max 1878 und Salli 1885. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Gertrud und ihren Geschwistern in Heinrichswalde haben sich keine weiteren Informationen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde des Ortes.<br />
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Nach ihrem Schulabschluss schlug Gertrud Hirsch eine kaufmännische Laufbahn ein und wurde kaufmännische Angestellte. Die meisten der Familienmitglieder zogen nach dem Tod des Vaters 1895 nach Berlin, wo auch die verwitwete Mutter von Gertrud ihre letzten Lebensjahre verbrachte, bevor sie 1918 starb. Ihr Bruder Salli promovierte an der juristischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, war Landesvorstand der Zionistischen Vereinigung für Deutschland (ZVfD) und Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde Berlin, bevor er Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg wurde und sich in den 1920er-Jahren mit seiner Familie als Rechtsanwalt und Notar in Halberstadt in der damaligen Provinz Sachsen niederließ. Mit ihrem Bruder Louis, der in Berlin als Buchhalter tätig war, teilte sich Gertrud seit 1921 eine Wohnung in der Altonaer Straße 12 im Hansaviertel. Das Haus existiert heute nicht mehr, es befand sich ungefähr an der Stelle der heutigen Nummer 26. Ihr Bruder Max war Kaufmann und Weinhändler; ihre Schwester Flora hatte 1893 den Unternehmer Max Freundlich geheiratet und lebte mit ihm und ihren Kindern in Schlochau (dem heutigen Człuchów). Gertrud Hirsch blieb unverheiratet und kinderlos. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in ihr Leben im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.<br />
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Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Gertrud Hirsch und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität; Erlasse und Sondergesetze drängten Gertrud Hirsch und ihre Angehörigen zunehmend in die Position von Rechtlosen. Im November 1935 starb Gertruds ältere Schwester Flora, ihr Mann Max Freundlich musste sein Geschäft in Schlochau 1937 veräußern, da es nach Boykotten nicht mehr zu halten war. Mit seinen Söhnen Walter und Wilhelm zog er Ende 1938 nach Berlin, wo sie bei Gertrud und Louis Hirsch in der Altonaer Straße 12 Unterkunft fanden. Mehrere Familienmitglieder konnten sich unterdessen in den 1930er-Jahren ins Exil retten: Salli Hirsch verließ das Land mit seiner Ehefrau, der Ärztin Edith Hirsch, geb. Henschel, und ihrem Sohn Jakob (*1924) im Jahr 1935. Ihnen gelang die Einreise ins britische Mandatsgebiet Palästina. Der jüngste Sohn von Max und Flora Freundlich, Gerhard (*1908), emigrierte 1936 nach Südamerika, ihre Tochter Elisabeth, verheiratete Zadek (*1893) flüchtete mit ihrem Mann und drei Töchtern Ende 1938 nach Palästina und Gertruds Bruder Max konnte sich noch 1939 ins Exil nach Palästina retten. Ob auch Gertrud Hirsch und ihr Bruder Louis Pläne verfolgten, aus Deutschland zu entkommen, ist nicht bekannt. Sollten sie konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für die in Berlin verbliebenen Familienmitglieder zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.<br />
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Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdischen Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Geschwister Gertrud und Louis Hirsch erhielten den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Sie wurden zusammen mit Max Freundlich in einem der Berliner Sammellager interniert und am 24. Juli 1942 mit dem „29. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Gertruds 69-jähriger Bruder überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto nur wenige Wochen, bevor er am 9. Oktober 1942 ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Max Freundlich wurde einen Tag später, am 10. Oktober 1942, in Theresienstadt ermordet. Gertrud überlebte mehr als zwei Jahre im Ghetto, am 16. Oktober 1944 wurde die 54-Jährige weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.<br />
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Gertruds Bruder Salli Hirsch überlebte die NS-Verfolgung mit seiner Familie im Exil in Palästina, genauso wie Elisabeth Zadek, geb. Freundlich, die später mit ihrer Familie in den USA in Seattle lebte, und Gertruds Bruder Max Hirsch, der 1946 in Palästina verstarb. Ihr Neffe Gerhard Freundlich überlebte die NS-Verfolgung im Exil in Brasilien. Walter und Wilhelm Freundlich wurden im März 1943 aus Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Gertrud Hirsch wurde am 16. Juli 1890 in dem kleinen, damals westpreußischen Dorf Heinrichswalde (dem heutigen Uniechów) im Landkreis Schlochau geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Nathan Hirsch (1832–1895) und seiner Frau Bertha, geb. Blumenthal (1847–1918). Ihre Eltern, beide in der Stadt Schlochau (Człuchów) geboren, waren nach ihrer Hochzeit in den 1860er-Jahren nach Heinrichswalde gegangen, wo Nathan als Kaufmann tätig war. Gertrud Hirsch hatte mindestens vier ältere Geschwister, die alle in Heinrichswalde zur Welt gekommen waren: Flora (genannt Klara) 1866, Louis 1873, Max 1878 und Salli 1885. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Gertrud und ihren Geschwistern in Heinrichswalde haben sich keine weiteren Informationen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde des Ortes.

Nach ihrem Schulabschluss schlug Gertrud Hirsch eine kaufmännische Laufbahn ein und wurde kaufmännische Angestellte. Die meisten der Familienmitglieder zogen nach dem Tod des Vaters 1895 nach Berlin, wo auch die verwitwete Mutter von Gertrud ihre letzten Lebensjahre verbrachte, bevor sie 1918 starb. Ihr Bruder Salli promovierte an der juristischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, war Landesvorstand der Zionistischen Vereinigung für Deutschland (ZVfD) und Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde Berlin, bevor er Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg wurde und sich in den 1920er-Jahren mit seiner Familie als Rechtsanwalt und Notar in Halberstadt in der damaligen Provinz Sachsen niederließ. Mit ihrem Bruder Louis, der in Berlin als Buchhalter tätig war, teilte sich Gertrud seit 1921 eine Wohnung in der Altonaer Straße 12 im Hansaviertel. Das Haus existiert heute nicht mehr, es befand sich ungefähr an der Stelle der heutigen Nummer 26. Ihr Bruder Max war Kaufmann und Weinhändler; ihre Schwester Flora hatte 1893 den Unternehmer Max Freundlich geheiratet und lebte mit ihm und ihren Kindern in Schlochau (dem heutigen Człuchów). Gertrud Hirsch blieb unverheiratet und kinderlos. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in ihr Leben im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Gertrud Hirsch und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität; Erlasse und Sondergesetze drängten Gertrud Hirsch und ihre Angehörigen zunehmend in die Position von Rechtlosen. Im November 1935 starb Gertruds ältere Schwester Flora, ihr Mann Max Freundlich musste sein Geschäft in Schlochau 1937 veräußern, da es nach Boykotten nicht mehr zu halten war. Mit seinen Söhnen Walter und Wilhelm zog er Ende 1938 nach Berlin, wo sie bei Gertrud und Louis Hirsch in der Altonaer Straße 12 Unterkunft fanden. Mehrere Familienmitglieder konnten sich unterdessen in den 1930er-Jahren ins Exil retten: Salli Hirsch verließ das Land mit seiner Ehefrau, der Ärztin Edith Hirsch, geb. Henschel, und ihrem Sohn Jakob (*1924) im Jahr 1935. Ihnen gelang die Einreise ins britische Mandatsgebiet Palästina. Der jüngste Sohn von Max und Flora Freundlich, Gerhard (*1908), emigrierte 1936 nach Südamerika, ihre Tochter Elisabeth, verheiratete Zadek (*1893) flüchtete mit ihrem Mann und drei Töchtern Ende 1938 nach Palästina und Gertruds Bruder Max konnte sich noch 1939 ins Exil nach Palästina retten. Ob auch Gertrud Hirsch und ihr Bruder Louis Pläne verfolgten, aus Deutschland zu entkommen, ist nicht bekannt. Sollten sie konkrete Schritte unternommen haben, so scheiterten diese. Spätestens Anfang der 1940er-Jahre war das Leben für die in Berlin verbliebenen Familienmitglieder zum Existenzkampf geworden. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdischen Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Geschwister Gertrud und Louis Hirsch erhielten den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Sie wurden zusammen mit Max Freundlich in einem der Berliner Sammellager interniert und am 24. Juli 1942 mit dem „29. Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Gertruds 69-jähriger Bruder überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto nur wenige Wochen, bevor er am 9. Oktober 1942 ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Max Freundlich wurde einen Tag später, am 10. Oktober 1942, in Theresienstadt ermordet. Gertrud überlebte mehr als zwei Jahre im Ghetto, am 16. Oktober 1944 wurde die 54-Jährige weiter in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.

Gertruds Bruder Salli Hirsch überlebte die NS-Verfolgung mit seiner Familie im Exil in Palästina, genauso wie Elisabeth Zadek, geb. Freundlich, die später mit ihrer Familie in den USA in Seattle lebte, und Gertruds Bruder Max Hirsch, der 1946 in Palästina verstarb. Ihr Neffe Gerhard Freundlich überlebte die NS-Verfolgung im Exil in Brasilien. Walter und Wilhelm Freundlich wurden im März 1943 aus Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.