Max Marcus Tschernigow

Verlegeort
Blumenstraße 47 -49
Historischer Name
Blumenstr. 47
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
13. September 2009
Geboren
07. Dezember 1879 in Rathenow (Brandenburg)
Deportation
am 28. März 1942 nach Piaski
Später deportiert
nach Belzec
Ermordet
in Belzec

Max Marcus Tschernigow wurde am 7. Dezember 1879 in Rathenow in Brandenburg geboren. Er war der Sohn des Malermeisters Moritz Tschernigow und dessen Ehefrau Selma, geb. Bent. Max Marcus hatte einen jüngeren Bruder namens Samuel. Über die Kindheit und Jugend der Geschwister Tschernigow in der brandenburgischen Kleinstadt haben sich keine Zeugnisse erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach der kleinen jüdischen Gemeinde Rathenows an, die zur Zeit der Geburt von Max Tschernigow etwa 35 Personen zählte.<br />
<br />
Um die Jahrhundertwende war Max Marcus als Kaufmann und Handlungsreisender tätig und lernte in London die damals 20-jährige, aus Reval stammende Berta Bella Issacson kennen. Die Tochter des jüdischen Zigarrenfabrikanten Leon Issacson und dessen Frau Mathilda, geb. Eliam, war als 6-Jährige mit ihrer Familie aus Estland emigriert. 1903 heiratete das Paar in Deutschland. Am 15. Mai 1904 kam in Köln ihr Sohn, der nach seinem Großvater benannte Leon Tschernigow, zur Welt; knapp drei Jahre darauf, am 21. April 1907, folgte ihre Tochter Lona, die in Hannover geboren wurde.<br />
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In den späten 1900er oder frühen 1910er Jahren ließen sich Berta Bella und Max Tschernigow scheiden – fanden aber später noch einmal zusammen. Inzwischen war der Bruder von Max, Samuel Tschernigow, nach Berlin gezogen, wo er mit seiner Frau Martha und den 1911 und 1913 geborenen Kindern Heinz und Ruth lebte. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Max Tschernigow Frontsoldat. Für seinen Einsatz erhielt er am 6. Februar 1917 das Eiserne Kreuz II. Klasse. In dieser Zeit kam es zu einer erneuten Annäherung von Max und Berta. Am 26. Juli 1917 heirateten sie ein zweites Mal in Düsseldorf, wo Berta mit den Kindern Leon und Lona lebte. Nach Ende des Ersten Weltkriegs, als Max Tschernigow aus dem Heer entlassen wurde, zogen sie in eine gemeinsame Wohnung nach Schöningen bei Braunschweig – in die Nähe der inzwischen verwitweten Mutter von Max Tschernigow.<br />
<br />
Über das Berufsleben ihres Mannes in dieser Zeit berichtete Berta Bella Tschernigow Ende der 1950er Jahre: „Nach dem 1. Weltkrieg war mein Ehemann der Inhaber einer Schokoladen und Bonbonfabrik in Braunschweig-Schoeningen, wo er auch Gross- und Kleinhandel betrieb. Er hat die dortige Fabrik erbaut und hat dieses Unternehmen noch betrieben, als ich mich Ende der 20er Jahre von ihm trennte. Mein Mann hatte später, wie ich von seinem Bruder Samuel hörte, den Betrieb aufgegeben und war als Reisender in der Konfektionsbranche tätig.“ [Auszug eines Schreibens von Berta Bella Tschernigow an die Entschädigungsbehörde vom 21.10.1957]<br />
<br />
In den Jahren 1927/28 kam es zum endgültigen Bruch zwischen den Eheleuten, die künftig getrennt voneinander lebten, ohne sich scheiden zu lassen. Berta Bella zog erneut nach Düsseldorf. Wann genau Max Tschernigow die Schöninger Fabrik aufgeben musste und als Handelsreisender tätig war, konnte nicht mehr ermittelt werden. Es spricht aber einiges dafür, dass dies nicht zu früh in den 1930er Jahren anzusetzen ist. Auch wo in diesen Jahren die beiden erwachsenen Kinder Leon und Lona lebten und ob sie mit ihrer Mutter nach Düsseldorf zogen, bleibt ungewiss.<br />
<br />
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Tschernigow. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.<br />
<br />
Spätestens seit Ende der 1930er Jahre wohnte Max Tschernigow in Berlin. 1939 war er als Untermieter bei Berta Ury in der Blumenstraße 47 in Friedrichshain, nahe des Strausberger Platzes, gemeldet. Unweit dieser Adresse lebte seit 1935 sein Bruder Samuel mit seiner Familie in der Großen Frankfurter Straße 41-42 (der heutigen Karl-Marx-Allee). Im Jahr 1939 verstarb Samuel Tschernigow. Ab Oktober 1941 musste der 61-jährige Max Tschernigow – genauso wie seine Nichte und seine Schwägerin – Zwangsarbeit in Berlin leisten. In der Öffentlichkeit konnte er sich seit September 1941 nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ bewegen.<br />
<br />
Am 28. März 1942 wurde Max Tschernigow im Rahmen der sogenannten „Aktion Reinhardt“ zusammen mit 972 anderen Berlinern über das Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße 7-8 mit dem als „Welle XI“ bezeichneten Transport in das Ghetto Piaski nahe Lublin deportiert. Von dort aus wurde er nach dem Eintreffen der Deportationszüge am 30. März weiter in das kurz zuvor fertig gestellte Vernichtungslager Belzec (in Bełżec) verschleppt, wo Max Tschernigow unmittelbar nach seiner Ankunft in den Gaskammern des Lagers ermordet wurde.<br />
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Seine Nichte Ruth und seine Schwägerin wurden im Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Ehefrau und seine Kinder hatten im Frühjahr 1939 das Land verlassen können. Sie wanderten nach England aus, wo sie die NS-Zeit überlebten. In den 1950er Jahren lebten Berta Bella, Leon und Lona Tschernigow, verheiratete Alexander, in Australien.

Max Marcus Tschernigow wurde am 7. Dezember 1879 in Rathenow in Brandenburg geboren. Er war der Sohn des Malermeisters Moritz Tschernigow und dessen Ehefrau Selma, geb. Bent. Max Marcus hatte einen jüngeren Bruder namens Samuel. Über die Kindheit und Jugend der Geschwister Tschernigow in der brandenburgischen Kleinstadt haben sich keine Zeugnisse erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach der kleinen jüdischen Gemeinde Rathenows an, die zur Zeit der Geburt von Max Tschernigow etwa 35 Personen zählte.

Um die Jahrhundertwende war Max Marcus als Kaufmann und Handlungsreisender tätig und lernte in London die damals 20-jährige, aus Reval stammende Berta Bella Issacson kennen. Die Tochter des jüdischen Zigarrenfabrikanten Leon Issacson und dessen Frau Mathilda, geb. Eliam, war als 6-Jährige mit ihrer Familie aus Estland emigriert. 1903 heiratete das Paar in Deutschland. Am 15. Mai 1904 kam in Köln ihr Sohn, der nach seinem Großvater benannte Leon Tschernigow, zur Welt; knapp drei Jahre darauf, am 21. April 1907, folgte ihre Tochter Lona, die in Hannover geboren wurde.

In den späten 1900er oder frühen 1910er Jahren ließen sich Berta Bella und Max Tschernigow scheiden – fanden aber später noch einmal zusammen. Inzwischen war der Bruder von Max, Samuel Tschernigow, nach Berlin gezogen, wo er mit seiner Frau Martha und den 1911 und 1913 geborenen Kindern Heinz und Ruth lebte. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Max Tschernigow Frontsoldat. Für seinen Einsatz erhielt er am 6. Februar 1917 das Eiserne Kreuz II. Klasse. In dieser Zeit kam es zu einer erneuten Annäherung von Max und Berta. Am 26. Juli 1917 heirateten sie ein zweites Mal in Düsseldorf, wo Berta mit den Kindern Leon und Lona lebte. Nach Ende des Ersten Weltkriegs, als Max Tschernigow aus dem Heer entlassen wurde, zogen sie in eine gemeinsame Wohnung nach Schöningen bei Braunschweig – in die Nähe der inzwischen verwitweten Mutter von Max Tschernigow.

Über das Berufsleben ihres Mannes in dieser Zeit berichtete Berta Bella Tschernigow Ende der 1950er Jahre: „Nach dem 1. Weltkrieg war mein Ehemann der Inhaber einer Schokoladen und Bonbonfabrik in Braunschweig-Schoeningen, wo er auch Gross- und Kleinhandel betrieb. Er hat die dortige Fabrik erbaut und hat dieses Unternehmen noch betrieben, als ich mich Ende der 20er Jahre von ihm trennte. Mein Mann hatte später, wie ich von seinem Bruder Samuel hörte, den Betrieb aufgegeben und war als Reisender in der Konfektionsbranche tätig.“ [Auszug eines Schreibens von Berta Bella Tschernigow an die Entschädigungsbehörde vom 21.10.1957]

In den Jahren 1927/28 kam es zum endgültigen Bruch zwischen den Eheleuten, die künftig getrennt voneinander lebten, ohne sich scheiden zu lassen. Berta Bella zog erneut nach Düsseldorf. Wann genau Max Tschernigow die Schöninger Fabrik aufgeben musste und als Handelsreisender tätig war, konnte nicht mehr ermittelt werden. Es spricht aber einiges dafür, dass dies nicht zu früh in den 1930er Jahren anzusetzen ist. Auch wo in diesen Jahren die beiden erwachsenen Kinder Leon und Lona lebten und ob sie mit ihrer Mutter nach Düsseldorf zogen, bleibt ungewiss.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden oder Geltungsjuden galten – begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen die Familie Tschernigow. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.

Spätestens seit Ende der 1930er Jahre wohnte Max Tschernigow in Berlin. 1939 war er als Untermieter bei Berta Ury in der Blumenstraße 47 in Friedrichshain, nahe des Strausberger Platzes, gemeldet. Unweit dieser Adresse lebte seit 1935 sein Bruder Samuel mit seiner Familie in der Großen Frankfurter Straße 41-42 (der heutigen Karl-Marx-Allee). Im Jahr 1939 verstarb Samuel Tschernigow. Ab Oktober 1941 musste der 61-jährige Max Tschernigow – genauso wie seine Nichte und seine Schwägerin – Zwangsarbeit in Berlin leisten. In der Öffentlichkeit konnte er sich seit September 1941 nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ bewegen.

Am 28. März 1942 wurde Max Tschernigow im Rahmen der sogenannten „Aktion Reinhardt“ zusammen mit 972 anderen Berlinern über das Sammellager in der ehemaligen Synagoge Levetzowstraße 7-8 mit dem als „Welle XI“ bezeichneten Transport in das Ghetto Piaski nahe Lublin deportiert. Von dort aus wurde er nach dem Eintreffen der Deportationszüge am 30. März weiter in das kurz zuvor fertig gestellte Vernichtungslager Belzec (in Bełżec) verschleppt, wo Max Tschernigow unmittelbar nach seiner Ankunft in den Gaskammern des Lagers ermordet wurde.

Seine Nichte Ruth und seine Schwägerin wurden im Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Ehefrau und seine Kinder hatten im Frühjahr 1939 das Land verlassen können. Sie wanderten nach England aus, wo sie die NS-Zeit überlebten. In den 1950er Jahren lebten Berta Bella, Leon und Lona Tschernigow, verheiratete Alexander, in Australien.