Gertrud Abramczyk geb. Arnheim

Verlegeort
Schlüterstr. 54
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
23. September 2010
Geboren
22. Oktober 1877 in Berlin
Deportation
am 03. Oktober 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
30. Oktober 1942 in Theresienstadt

Wilhelm Abramczyk wurde am 9. Juli 1864 in Potsdam geboren. Wilhelm studierte Jura und war 1895 erstmals im Berliner Adressbuch eingetragen als Rechtsanwalt beim Landgericht I, mit Wohnsitz in der Leipziger Straße. Er heiratete Gertrud Arnheim, die am 22. Oktober 1877 in Berlin geboren worden war. Zur Familie gehörte Werner Abernau, der 1901 zur Welt kam. Unklar bleibt, ob er ein angenommenes Kind oder der leibliche Sohn war, der später seinen Namen änderte. In einem späteren Dokument trugen ihn Abramczyks unter der Rubrik „Familienangehörige“ ein. Eine heutige Quelle gibt an, dass Werner Abernaus Eltern Wilhelm Abernau und Gertrud, geb. Arnheim hießen (möglicherweise wurde hier einfach bei Wilhelm der gleiche Familienname wie bei Werner angenommen). Laut Adressbuch hatte Werner Abernau ab Mitte der 1920er Jahre die gleichen Wohnadresse wie Abramczyks. <br />
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1901 lebte die Familie in der Kronenstraße in Berlin-Mitte. Zwei Jahre darauf wurde Wilhelm Justizrat. Zu diesem Zeitpunkt wohnten sie bereits in der Potsdamer Straße 121a, wo sie bis 1928 blieben. Weitere acht bis zehn Jahre verbrachten sie erst in der Winterfeldstraße und dann am Hohenzollerndamm, bis sie 1936 oder 1937 in die Schlüterstraße 54 zogen. Werner Abernau, im Adressbuch als Kaufmann bezeichnet, gründete 1925 eine Firma, die sich dem Handel mit Lacken widmete, versuchte es fünf Jahre später mit „Industriebeteiligungen“ indem er Reparationslieferungen (Stahlbauteile) nach Frankreich organisierte und schließlich Industriekataloge auf Auftrag verlegte. 1933 war er letztmalig im Adressbuch verzeichnet.<br />
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Wilhelm Abramczyk war nach den ersten Diskriminierungsmaßnamen der Nationalsozialisten gegen jüdische Juristen 1933 in seinen beruflichen Möglichkeiten stark eingeschränkt, wenn nicht gar ganz verhindert. In der Schlüterstraße 54 fand seine Frau Gertrud eine neue Einkommensquelle: gemeinsam mit der Nachbarin Rosa Phiebig betrieb sie die Pension Phiebig, in der jüdische, meist ältere verwitwete oder alleinstehende Menschen logierten und verpflegt wurden. <br />
<br />
Während Rosa Phiebig ihre Wohnung im 1. Stock einbrachte, vermietete Gertrud Abramczyk<br />
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fast alle der 10 Zimmer ihrer Wohnung im 4. Stock. Da der Druck auf jüdische Mieter, aus ihren oft geräumigen Wohnungen auszuziehen, stetig zunahm, herrschte eine starke Nachfrage nach solchen Pensionszimmern.<br />
<br />
Obwohl die Lebensbedingungen sowohl der Pensionäre wie der Betreiberinnen immer schwieriger wurden aufgrund der zunehmenden Zahl diskriminierender Verordnungen gegen<br />
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Juden, konnte die Pension ihre beiden Betreiberinnen ernähren. Aber im September 1942 erhielten Wilhelm und Gertrud Abramczyk, wie bereits einige Pensionäre zuvor, die Aufforderung, die sogenannte „Vermögenserklärung“ auszufüllen – der Vorbote der Deportation .<br />
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Sie unterschrieben das Formular am 21. September 1942, unklar ist, ob sie es überhaupt eigenhändig ausfüllten. Zu Vermögen und Inventar machten sie keine Angaben. Zu dem „Familienangehörigen“ Werner Abernau gaben sie nur an, dass er in Holland sei. Tatsächlich war Werner schon ende 1934 emigriert, zuerst wohl in die Schweiz, 1938 nach Holland. Was seine Eltern im September 1942 vielleicht aber noch nicht wussten, war, dass er auch in Holland den NS-Häschern nicht entkommen konnte: seit 26. Februar war er im Lager Westerbork inhaftiert. <br />
<br />
Wilhelm und Gertrud ihrerseits wurden in das Sammellager Artilleriestraße 31 (heute Tucholskystraße 40) verbracht, ein ehemaliges Gemeindehaus von Addas Jisroel, das 1942 einige Monate als Sammellager dienen musste. Von dort wurden sie am 3. Oktober 1942 mit über 1000 weiteren Opfern nach Theresienstadt deportiert. Sie wurden in Haus V Zimmer Q 713 eingewiesen.<br />
<br />
Obwohl das Regime gerne Theresienstadt als ein Vorzeige-„Altersghetto“ darstellte, waren die Lebensumstände wenig besser als in anderen Ghettos oder Sammellagern: die Wohnräume heruntergekommen und brutal überbelegt, die Nahrung unzureichend, die hygienischen Bedingungen katastrophal. Hunger, Kälte, Krankheiten und Seuchen suchten die Bewohner heim. Gertrud Abramczyk ertrug diese Zustände nur kurze Zeit: am 30. Oktober unternahm sie einen Selbstmordversuch, um 14 Uhr des gleichen Tages starb sie in der „Krankenstube“ von Haus V, so jedenfalls registriert es die „Todesfallanzeige“ aus Theresienstadt (<a href=http://www2.holocaust.cz/de/docume…;). Wilhelm Abramczyk überlebte seine Frau nur wenige Wochen: am 19. Dezember 1942 wurde auch er ein Opfer der Zustände in Theresienstadt, die Todesursache ist nicht bekannt. <br />
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Werner Abernau wurde bis zum 17. März 1943 im Sammellager Westerbork festgehalten und an diesem Tag in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Wilhelm Abramczyk wurde am 9. Juli 1864 in Potsdam geboren. Wilhelm studierte Jura und war 1895 erstmals im Berliner Adressbuch eingetragen als Rechtsanwalt beim Landgericht I, mit Wohnsitz in der Leipziger Straße. Er heiratete Gertrud Arnheim, die am 22. Oktober 1877 in Berlin geboren worden war. Zur Familie gehörte Werner Abernau, der 1901 zur Welt kam. Unklar bleibt, ob er ein angenommenes Kind oder der leibliche Sohn war, der später seinen Namen änderte. In einem späteren Dokument trugen ihn Abramczyks unter der Rubrik „Familienangehörige“ ein. Eine heutige Quelle gibt an, dass Werner Abernaus Eltern Wilhelm Abernau und Gertrud, geb. Arnheim hießen (möglicherweise wurde hier einfach bei Wilhelm der gleiche Familienname wie bei Werner angenommen). Laut Adressbuch hatte Werner Abernau ab Mitte der 1920er Jahre die gleichen Wohnadresse wie Abramczyks.

1901 lebte die Familie in der Kronenstraße in Berlin-Mitte. Zwei Jahre darauf wurde Wilhelm Justizrat. Zu diesem Zeitpunkt wohnten sie bereits in der Potsdamer Straße 121a, wo sie bis 1928 blieben. Weitere acht bis zehn Jahre verbrachten sie erst in der Winterfeldstraße und dann am Hohenzollerndamm, bis sie 1936 oder 1937 in die Schlüterstraße 54 zogen. Werner Abernau, im Adressbuch als Kaufmann bezeichnet, gründete 1925 eine Firma, die sich dem Handel mit Lacken widmete, versuchte es fünf Jahre später mit „Industriebeteiligungen“ indem er Reparationslieferungen (Stahlbauteile) nach Frankreich organisierte und schließlich Industriekataloge auf Auftrag verlegte. 1933 war er letztmalig im Adressbuch verzeichnet.

Wilhelm Abramczyk war nach den ersten Diskriminierungsmaßnamen der Nationalsozialisten gegen jüdische Juristen 1933 in seinen beruflichen Möglichkeiten stark eingeschränkt, wenn nicht gar ganz verhindert. In der Schlüterstraße 54 fand seine Frau Gertrud eine neue Einkommensquelle: gemeinsam mit der Nachbarin Rosa Phiebig betrieb sie die Pension Phiebig, in der jüdische, meist ältere verwitwete oder alleinstehende Menschen logierten und verpflegt wurden.

Während Rosa Phiebig ihre Wohnung im 1. Stock einbrachte, vermietete Gertrud Abramczyk

fast alle der 10 Zimmer ihrer Wohnung im 4. Stock. Da der Druck auf jüdische Mieter, aus ihren oft geräumigen Wohnungen auszuziehen, stetig zunahm, herrschte eine starke Nachfrage nach solchen Pensionszimmern.

Obwohl die Lebensbedingungen sowohl der Pensionäre wie der Betreiberinnen immer schwieriger wurden aufgrund der zunehmenden Zahl diskriminierender Verordnungen gegen

Juden, konnte die Pension ihre beiden Betreiberinnen ernähren. Aber im September 1942 erhielten Wilhelm und Gertrud Abramczyk, wie bereits einige Pensionäre zuvor, die Aufforderung, die sogenannte „Vermögenserklärung“ auszufüllen – der Vorbote der Deportation .

Sie unterschrieben das Formular am 21. September 1942, unklar ist, ob sie es überhaupt eigenhändig ausfüllten. Zu Vermögen und Inventar machten sie keine Angaben. Zu dem „Familienangehörigen“ Werner Abernau gaben sie nur an, dass er in Holland sei. Tatsächlich war Werner schon ende 1934 emigriert, zuerst wohl in die Schweiz, 1938 nach Holland. Was seine Eltern im September 1942 vielleicht aber noch nicht wussten, war, dass er auch in Holland den NS-Häschern nicht entkommen konnte: seit 26. Februar war er im Lager Westerbork inhaftiert.

Wilhelm und Gertrud ihrerseits wurden in das Sammellager Artilleriestraße 31 (heute Tucholskystraße 40) verbracht, ein ehemaliges Gemeindehaus von Addas Jisroel, das 1942 einige Monate als Sammellager dienen musste. Von dort wurden sie am 3. Oktober 1942 mit über 1000 weiteren Opfern nach Theresienstadt deportiert. Sie wurden in Haus V Zimmer Q 713 eingewiesen.

Obwohl das Regime gerne Theresienstadt als ein Vorzeige-„Altersghetto“ darstellte, waren die Lebensumstände wenig besser als in anderen Ghettos oder Sammellagern: die Wohnräume heruntergekommen und brutal überbelegt, die Nahrung unzureichend, die hygienischen Bedingungen katastrophal. Hunger, Kälte, Krankheiten und Seuchen suchten die Bewohner heim. Gertrud Abramczyk ertrug diese Zustände nur kurze Zeit: am 30. Oktober unternahm sie einen Selbstmordversuch, um 14 Uhr des gleichen Tages starb sie in der „Krankenstube“ von Haus V, so jedenfalls registriert es die „Todesfallanzeige“ aus Theresienstadt (http://www2.holocaust.cz/de/documen...). Wilhelm Abramczyk überlebte seine Frau nur wenige Wochen: am 19. Dezember 1942 wurde auch er ein Opfer der Zustände in Theresienstadt, die Todesursache ist nicht bekannt.

Werner Abernau wurde bis zum 17. März 1943 im Sammellager Westerbork festgehalten und an diesem Tag in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.