Bertha Feilchenfeld

Verlegeort
Giesebrechtstr. 18
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
22. September 2010
Geboren
29. Januar 1890 in Stettin / Szczecin
Deportation
am 17. November 1941 nach Kowno / Kaunas
Ermordet
25. November 1941 in Kowno / Kaunas

Hinweis: Aufgrund einer Namensverwechslung beziehen sich die Daten auf dem nebenstehenden Stolperstein auf Bertha Feilchenfeld, geboren in Stettin am 29. Januar 1890, die 1939 in der Joachim-Friedrich-Straße 33 wohnte. In der Giesebrechtstraße 18 wohnte die gleichnamige Berta Feilchenfeld aus Frankfurt/Oder. Auf sie bezieht sich die folgende Biografie. Ein Austausch des Stolpersteines ist geplant.<br />
<br />
Bertha (oder auch Berta) Feilchenfeld wurde am 16. Dezember 1888 in Frankfurt an der Oder geboren, als Tochter des Kaufmannes Moritz (Moshe) Feilchenfeld und seiner Frau Recha (Rachel) geb. Neustadt. Moritz Feilchenfelds Vater, Falk Joseph Falkenfeld, gebürtig aus Lissa (Posen, polnisch Leszno) war Kantor und Schächter in Letschin gewesen und hatte 1850 in Frankfurt/Oder einen Einbürgerungsantrag gestellt, "weil er sich jetzt hier niederlaßen und einen Material- und Viktualienhandel betreiben will". Moritz war 1845 noch in Lissa geboren worden. Bertha wurde nach ihrer Großmutter Bertha geb. Jaffé benannt, die ein Jahr zuvor gestorben war. Der Großvater Falk, seit 1885 Rentier, starb 1890, und man kann annehmen, dass Moritz sein Geschäft weiterführte, welches er um 1900 ins Handelsregister eintragen ließ. <br />
<br />
Die Familie geht auf Meschulam Fales zurück, der im 18. Jahrhundert von Deutschland nach Lissa - damals polnisch - einwanderte. Er ist Berthas Ur-Ur-Urgroßvater. Sein Sohn Wolf Fabian Fales nahm den Namen Feilchenfeld an. In Lissa, das 1793 preußisch wurde, gab es eine große jüdische Gemeinde, Wolf Fales-Feilchenfeld hatte in ihr eine bedeutende Stellung. Wolfs Tochter Sara bat Fabian heiratete einen Verwandten, Joseph Feilchenfeld. Eines ihrer Kinder war Falk Joseph, Berthas Großvater.<br />
<br />
Moritz Feilchenfeld heiratete vier mal. Von seiner vermutlich ersten Frau, Rosalie geb. Henschel, ließ er sich scheiden. Rachel heiratete er 1887, sie war die dritte Ehefrau, nach Julie Cohn. Möglicherweise starb Rachel bald nach Berthas Geburt und Bertha wuchs mit der Stiefmutter Zerline (Lina) geb. Geballe auf, Moritz' vierter Ehefrau. Über Berthas Halbgeschwister sind die Quellen recht ungenau und unterschiedlich. Eine Quelle gibt eine Zahl von 5, andere 7, noch andere von 2 Geschwistern an.<br />
<br />
Als Bertha auf die Welt kam, lebte die Familie in der Großen Oderstraße 34. Wenige Jahre später zogen sie in die Scharrnstraße 67 und 1894 in die Richtstraße 33. Nach Moritz' Tod führte zunächst Lina das Geschäft weiter. Man kann annehmen, dass Bertha, die ledig blieb, mit Lina und evtl. weiteren Halbgeschwistern zusammenlebte. Wann und warum Bertha nach Berlin zog, wissen wir nicht. Sie hatte weder in Frankfurt noch in Berlin eine eigene Adresse als Haushaltsvorstand.<br />
<br />
Erst 1939 findet sich Berthas Spur in Berlin. Bei der Volkszählung vom 17. Mai dieses Jahres wurde sie in die Sonderkartei für Juden als Untermieterin von Franziska Harczyk in der Giesebrechtstraße 18 eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war die Diskriminierung und Verfolgung von Juden im NS-Reich in vollem Gange. Möglich, dass diese Adresse nicht Berthas letzte freiwillige war. Jedenfalls wurde sie zum 1. Juli 1941 umgesiedelt in die Sybelstraße 53. Im November des gleichen Jahres musste sich Bertha Feilchenfeld in der als Sammellager missbrauchte Synagoge in der Levetzowstraße einfinden, um von dort am 27. dieses Monates entweder auf Lastwagen, möglicherweise aber auch zu Fuß zum Bahnhof Grunewald zu gelangen, von wo aus der erste Berliner Deportationszug nach Riga mit 1053 Menschen fuhr. <br />
<br />
Das Ghetto Riga war von den Deutschen nach der Einnahme der Stadt im Juli 1941 eingerichtet worden. Fast 30000 lettische Juden waren dort auf engstem Raum und unter erbärmlichen Bedingungen eingepfercht. Ende November und Anfang Dezember des Jahres ließ die SS über 90% von ihnen ermorden – um Platz für die zu deportierenden „Reichsjuden“ zu schaffen. Der erste Zug aus Berlin, in dem auch Bertha Feilchenfeld war, kam am 30. November an und alle Insassen wurden sofort in dem nahen Wald von Rumbula erschossen, eine „Eigenmächtigkeit“ des SS-Führers Friedrich Jeckeln, die ihm eine Rüge von Himmler einbrachte. Himmler hatte dieses Schicksal nur „Arbeitsunfähigen“ zugedacht. <br />
<br />
Obwohl die Gestapo bemüht war, solche Vorgänge geheim zu halten, wurden sie in der Bevölkerung bekannt. Viktor Klemperer schreibt in seinem Tagebuch unter dem 13. Januar 1942, ein Bekannter habe ihm „erzählt - Gerüchte, aber von verschiedenen Seiten sehr glaubhaft mitgeteilt - es seien evakuierte Juden bei Riga reihenweis [sic], wie sie den Zug verließen, erschossen worden." (zitiert nach Gottwaldt/Schulle, S. 112).<br />
<br />
Friedrich Jeckeln war erst seit 31. Oktober 1941 Höherer SS-Führer in Riga geworden, nachdem er „in gleicher Funktion in der Ukraine dafür gesorgt [hatte], dass die 'Endlösung' konsequent vorangetrieben wurde. Als routinierter Massenmörder war ihm aufgefallen, dass in Riga angeblich noch nicht genug für die 'Lösung der Judenfrage' getan wurde." (Gottwaldt/Schulle, S.111). <br />
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Jeckeln wurde am 3. Februar 1946 von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet.<br />
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Hinweis: Aufgrund einer Namensverwechslung beziehen sich die Daten auf dem nebenstehenden Stolperstein auf Bertha Feilchenfeld, geboren in Stettin am 29. Januar 1890, die 1939 in der Joachim-Friedrich-Straße 33 wohnte. In der Giesebrechtstraße 18 wohnte die gleichnamige Berta Feilchenfeld aus Frankfurt/Oder. Auf sie bezieht sich die folgende Biografie. Ein Austausch des Stolpersteines ist geplant.

Bertha (oder auch Berta) Feilchenfeld wurde am 16. Dezember 1888 in Frankfurt an der Oder geboren, als Tochter des Kaufmannes Moritz (Moshe) Feilchenfeld und seiner Frau Recha (Rachel) geb. Neustadt. Moritz Feilchenfelds Vater, Falk Joseph Falkenfeld, gebürtig aus Lissa (Posen, polnisch Leszno) war Kantor und Schächter in Letschin gewesen und hatte 1850 in Frankfurt/Oder einen Einbürgerungsantrag gestellt, "weil er sich jetzt hier niederlaßen und einen Material- und Viktualienhandel betreiben will". Moritz war 1845 noch in Lissa geboren worden. Bertha wurde nach ihrer Großmutter Bertha geb. Jaffé benannt, die ein Jahr zuvor gestorben war. Der Großvater Falk, seit 1885 Rentier, starb 1890, und man kann annehmen, dass Moritz sein Geschäft weiterführte, welches er um 1900 ins Handelsregister eintragen ließ.

Die Familie geht auf Meschulam Fales zurück, der im 18. Jahrhundert von Deutschland nach Lissa - damals polnisch - einwanderte. Er ist Berthas Ur-Ur-Urgroßvater. Sein Sohn Wolf Fabian Fales nahm den Namen Feilchenfeld an. In Lissa, das 1793 preußisch wurde, gab es eine große jüdische Gemeinde, Wolf Fales-Feilchenfeld hatte in ihr eine bedeutende Stellung. Wolfs Tochter Sara bat Fabian heiratete einen Verwandten, Joseph Feilchenfeld. Eines ihrer Kinder war Falk Joseph, Berthas Großvater.

Moritz Feilchenfeld heiratete vier mal. Von seiner vermutlich ersten Frau, Rosalie geb. Henschel, ließ er sich scheiden. Rachel heiratete er 1887, sie war die dritte Ehefrau, nach Julie Cohn. Möglicherweise starb Rachel bald nach Berthas Geburt und Bertha wuchs mit der Stiefmutter Zerline (Lina) geb. Geballe auf, Moritz' vierter Ehefrau. Über Berthas Halbgeschwister sind die Quellen recht ungenau und unterschiedlich. Eine Quelle gibt eine Zahl von 5, andere 7, noch andere von 2 Geschwistern an.

Als Bertha auf die Welt kam, lebte die Familie in der Großen Oderstraße 34. Wenige Jahre später zogen sie in die Scharrnstraße 67 und 1894 in die Richtstraße 33. Nach Moritz' Tod führte zunächst Lina das Geschäft weiter. Man kann annehmen, dass Bertha, die ledig blieb, mit Lina und evtl. weiteren Halbgeschwistern zusammenlebte. Wann und warum Bertha nach Berlin zog, wissen wir nicht. Sie hatte weder in Frankfurt noch in Berlin eine eigene Adresse als Haushaltsvorstand.

Erst 1939 findet sich Berthas Spur in Berlin. Bei der Volkszählung vom 17. Mai dieses Jahres wurde sie in die Sonderkartei für Juden als Untermieterin von Franziska Harczyk in der Giesebrechtstraße 18 eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war die Diskriminierung und Verfolgung von Juden im NS-Reich in vollem Gange. Möglich, dass diese Adresse nicht Berthas letzte freiwillige war. Jedenfalls wurde sie zum 1. Juli 1941 umgesiedelt in die Sybelstraße 53. Im November des gleichen Jahres musste sich Bertha Feilchenfeld in der als Sammellager missbrauchte Synagoge in der Levetzowstraße einfinden, um von dort am 27. dieses Monates entweder auf Lastwagen, möglicherweise aber auch zu Fuß zum Bahnhof Grunewald zu gelangen, von wo aus der erste Berliner Deportationszug nach Riga mit 1053 Menschen fuhr.

Das Ghetto Riga war von den Deutschen nach der Einnahme der Stadt im Juli 1941 eingerichtet worden. Fast 30000 lettische Juden waren dort auf engstem Raum und unter erbärmlichen Bedingungen eingepfercht. Ende November und Anfang Dezember des Jahres ließ die SS über 90% von ihnen ermorden – um Platz für die zu deportierenden „Reichsjuden“ zu schaffen. Der erste Zug aus Berlin, in dem auch Bertha Feilchenfeld war, kam am 30. November an und alle Insassen wurden sofort in dem nahen Wald von Rumbula erschossen, eine „Eigenmächtigkeit“ des SS-Führers Friedrich Jeckeln, die ihm eine Rüge von Himmler einbrachte. Himmler hatte dieses Schicksal nur „Arbeitsunfähigen“ zugedacht.

Obwohl die Gestapo bemüht war, solche Vorgänge geheim zu halten, wurden sie in der Bevölkerung bekannt. Viktor Klemperer schreibt in seinem Tagebuch unter dem 13. Januar 1942, ein Bekannter habe ihm „erzählt - Gerüchte, aber von verschiedenen Seiten sehr glaubhaft mitgeteilt - es seien evakuierte Juden bei Riga reihenweis [sic], wie sie den Zug verließen, erschossen worden." (zitiert nach Gottwaldt/Schulle, S. 112).

Friedrich Jeckeln war erst seit 31. Oktober 1941 Höherer SS-Führer in Riga geworden, nachdem er „in gleicher Funktion in der Ukraine dafür gesorgt [hatte], dass die 'Endlösung' konsequent vorangetrieben wurde. Als routinierter Massenmörder war ihm aufgefallen, dass in Riga angeblich noch nicht genug für die 'Lösung der Judenfrage' getan wurde." (Gottwaldt/Schulle, S.111).

Jeckeln wurde am 3. Februar 1946 von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet.