Harriet Freifrau von Campe geb. von Bleichröder

Verlegeort
Kurfürstendamm 75
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
29. September 2010
Geboren
21. April 1892 in Weißenberg-Drehsa
Deportation
am 15. August 1942 nach Riga
Ermordet
18. August 1942 in Riga

Nicht nur ihr Name, auch ihre Herkunft ist auffallend ungewöhnlich: Harriet Freifrau von Campe war die Enkelin des Bankiers Gerson Bleichröder (1802–1893), den der Historiker Fritz Stern als den zu jener Zeit „reichsten Mann Deutschlands“ bezeichnet.<br />
<br />
Bleichröder war ein konservativer deutscher Jude, der für Reichskanzler Otto von Bismarck dessen private Geldangelegenheiten regelte und für den preußischen Staat Millionen-Transaktionen organisierte. Wegen seiner loyalen Dienste für Bismarck und für Kaiser Wilhelm I. wurde Gerson Bleichröder 1872 in den Adelsstand erhoben.<br />
<br />
Die Erben des Bankers versuchten auf verschiedene Weise, sich in die preußisch-wilhelminische Gesellschaft einzugliedern. Anita Wilhelmine Sammy Harriet, am 21. April 1892 auf dem ehemaligen sächsischen Rittergut Schloß Drehsa in Weißenberg bei Bautzen als Tochter von James und Harriet von Bleichröder geboren, heiratete Jordan von Campe, einen Freiherrn aus uralter braunschweigischer Adelsfamilie. Die Ehe war kurzzeitig und kinderlos. Zeitgenossen argwöhnten damals, sie habe der Einordnung als Jüdin entgehen wollen. Später behauptete sie auch, sie sei „außerehelich gezeugt“ worden. Aber das Reichssippenamt erkannte eine Eidesstattliche Versicherung des angeblichen Erzeugers Hermann Ende nicht an und verwies auf „die Rassemerkmale“, die auf einen jüdischen Vater hindeuteten. Außerdem hatten Nazi-Funktionäre ein Auge auf die prominent gelegene Wohnung mit Blick über den Kudamm zum Lehniner Platz – und bestimmt auch auf das Erbe der wohlhabenden Dame.<br />
<br />
Seit November 1935 lebte sie im dritten Stock des Prachthauses Kurfürstendamm 75. Für zwei geräumige Zimmer mit Balkon, Bad und Fahrstuhl bezahlte Harriet Freifrau von Campe 120 Reichsmark Miete an den Hauseigentümer Rudolph A. Herrschel in Lichterfelde-Ost in der Bahnhofstraße 34, mit dem sie auch familiäre und geschäftliche Beziehungen hatte.<br />
<br />
Außerdem verfügte sie über eine Zweitwohnung in Garmisch-Partenkirchen in der Höllentalstraße 63. In einer Eidesstattlichen Erklärung über den ehemaligen NSDAP-Kreisleiter Hans Hausböck vom 1. Oktober 1949 steht: „Am 10. November 1938 erhielt ich von Kreisleiter Hausböck den Auftrag, die Jüdin Frau Bleich(en)röder zu veranlassen, sich zwecks Entgegennahme einer Erklärung des Gauleiters unverzüglich zur Kreisleitung zu begeben. Näheres ist darüber nicht mehr zu erfahren.<br />
<br />
Einerseits genossen Harriet und ihre drei Geschwister, die jeweils 120 000 Reichsmark (was nach heutigen Begriffen einem Millionen-Vermögen entspricht) geerbt hatten, einige Privilegien. Das Finanzamt Moabit-West verfügte am 24. Mai 1940 nach dem Tod des Onkels Hans eine Ausnahme: „Der Nachlaß ist nicht judenvermögensabgabepflichtig.“ Und die Behörde des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Volkspolizei, Heinrich Himmler, bestätigte am 28. Januar 1942 eine Sonderregelung für die Bleichröder-Erben: „Da sich die vorbezeichneten Erben noch im Reichsgebiet aufhalten und auch nicht die Absicht haben auszuwandern, ist von einer Sicherstellung der inländischen Vermögenswerte des verstorbenen Hans von Bleichröder Abstand genommen worden.“<br />
<br />
Harriet von Campe, die ein materiell sorgenfreies Leben führen durfte, überwies jeden Monat 50 Reichsmark an ihre Mutter Harriet von Bleichröder, die in München lebte. Dem befreundeten Rudolph A. Herrschel, der ihr Vermögen verwaltete, hatte sie mehrere Darlehen gegeben, die zu 4 % verzinst wurden.<br />
<br />
Trotz hochrangiger Bekanntschaften wusste die Freifrau, dass sie sich weder im Kurort Garmisch-Partenkirchen noch in der feinen Berliner Gesellschaft, wo sie als „Baronin“ tituliert wurde, sicher fühlen durfte. Es gab Warnzeichen: In Berlin reichte sie ein Gesuch ein, ihr das Reichsbürgerrecht zu verleihen, das aber von den NS-Behörden abgelehnt wurde. Auch ihr Einspruch gegen den Abstammungsbescheid des Reichssippenamtes wurde zurückgewiesen. Als sie bald danach von der bevorstehenden Deportation ihrer Schwester Ellie von Bleichröder erfuhr, versuchte sie verzweifelt, sich über gute Beziehungen zu retten.<br />
<br />
Einen genauen Bericht darüber hat der Hausbesitzer Herrschel hinterlassen. Unter dem „Betreff: Mietrückstände“ schrieb er später an den ihm persönlich bekannten Oberfinanzpräsidenten Karl Kuhn, der seinen Dienstsitz im Haus Cumberland am Kurfürstendamm 193/194 hatte: Harriet von Campe sei „am 22.7.42 von der Gestapo abgeholt und am selben Tage auch die Wohnung v.d. Gestapo versiegelt. Die Baronin war 3 Wochen noch in Berlin in Haft. – Der Herr Reichsminister Lammers hatte mir geschrieben, dass er sich bei Herrn Minister Frick für die Baronin verwenden wolle. Vielleicht wurde deshalb mit ihrem Abschub noch etwas gewartet. Sie ist am 15. August 42 nach dem Osten dann abgeschoben worden.“ Wilhelm Frick war Reichsinnenminister und Hans Lammers war als Chef der Reichskanzlei direkt Adolf Hitler unterstellt. Bei ihm hatte sich der berühmte Felix Graf Luckner („Der Seeteufel“), der beste Beziehungen zu Nazi-Oberen hatte, für die Freifrau stark gemacht. Doch am 21. Februar 1942 erhielt Herrschel Nachricht aus der Reichskanzlei, es gebe keine Ausnahmeregelung.<br />
<br />
Es half alles nichts, eines Tages wurde sie in das Sammellager in der Synagoge an der Levetzowstraße verschleppt. Dort wurde die gerade 50-jährige adelige Dame, die bis dahin ein üppiges Leben gewöhnt war, registriert und musste wie alle in dieser Massenunterkunft am 13. August 1942 ihre Vermögenserklärung abliefern. In die Spalte Beruf schrieb sie: Wicklerin A.E.G. Drontheimerstraße Wedding. Also war sie offenbar in den letzten Tagen als Zwangsarbeiterin verpflichtet worden.<br />
<br />
Am 15. August 1942 musste sie mit wenig Handgepäck in einer Kolonne zum Güterbahnhof Moabit an der Putlitzstraße marschieren. Mit fast tausend Menschen, darunter 57 Kindern unter zehn Jahren, wurde sie in einen Sonderzug der Reichsbahn gesteckt, der drei Tage später auf dem Bahnhof Riga-Šķirotava ankam. Nur eine Frau aus diesem Transport, die als Krankenschwester ausgebildet war und zur medizinischen Versorgung der Bewohner des Ghettos Riga abkommandiert wurde, überlebte den Zweiten Weltkrieg. Alle anderen wurden sofort nach der Ankunft des Todeszugs aus Berlin im Wald von Biķernieki erschossen und in Massengräbern verscharrt.<br />
<br />
Über Harriet von Campes wertvollen Besitz – Orientteppiche, Kronleuchter, kostbares Meißner Porzellan – machten sich sogleich die auf den Raub jüdischen Eigentums spezialisierten Händler B. Tiekötter und H. Giesecke (NAMÖ Neu- und Altmöbel) her und kauften für 5 060,30 Reichsmark auf, was sie holen konnten. Aber auch Herrschel („Ich bin Vollarier“) war nicht untätig. Er schaltete sofort um und erklärte: „Die Möbel des Wohnzimmers sind mein Eigentum.“ Er sei im Übrigen bereit, „auch die Einrichtung des Schlafzimmers zu erstehen“ und bot an, die gesamte Einrichtung der Wohnung „dem Büro d. Herrn Generalbauinspektor Speer zur Verfügung zu stellen. Heil Hitler! Sehr ergebenst R.A. Herrschel“. Albert Speer (1906 bis 1981) war Hitlers Architekt, leitete von 1942 bis 1945 die Kriegswirtschaft und wurde 1946 als einer der Hauptkriegsverbrecher zu 20 Jahren Haft verurteilt.<br />
<br />
Am 3. Juni 1944 schrieb die Behörde des Oberfinanzpräsidenten einen trockenen Vermerk an die Deutsche Bank, wo Harriet von Campes Konten geplündert werden sollten: „Die Jüdin ist außerhalb des Reichs abgeschoben worden.“ Und die BEWAG meldete noch Ansprüche von 18,24 RM für Stromverbrauch der Freifrau bis zum 2. März 1943 an.<br />
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Ellie von Bleichröder, am 17. September 1894 in Schloß Drehsa bei Bautzen geboren, war eine Zeitlang mit Rudolph A. Herrschel verheiratet gewesen und hatte ein Kind. Seit dem 27. Juli 1942 befand sie sich im Ghetto Theresienstadt und wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs befreit. Die beiden Brüder Kurt (geboren 1889) und Edgar (geboren 1897) von Bleichröder haben den Zweiten Weltkrieg als Offiziere der deutschen Armee mitgemacht, sie überlebten mit teils schweren Verwundungen.<br />
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In dem Haus Kurfürstendamm 75 wohnte zur gleichen Zeit wie die Freifrau von Campe von 1939 bis 1941 einer der bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts, Claudio Arrau (1903-1991). Er verließ Berlin 1941 voller „Wut“ über die „entsetzlichen Vorgänge“ in Deutschland und ging auf Welttournee.

Nicht nur ihr Name, auch ihre Herkunft ist auffallend ungewöhnlich: Harriet Freifrau von Campe war die Enkelin des Bankiers Gerson Bleichröder (1802–1893), den der Historiker Fritz Stern als den zu jener Zeit „reichsten Mann Deutschlands“ bezeichnet.

Bleichröder war ein konservativer deutscher Jude, der für Reichskanzler Otto von Bismarck dessen private Geldangelegenheiten regelte und für den preußischen Staat Millionen-Transaktionen organisierte. Wegen seiner loyalen Dienste für Bismarck und für Kaiser Wilhelm I. wurde Gerson Bleichröder 1872 in den Adelsstand erhoben.

Die Erben des Bankers versuchten auf verschiedene Weise, sich in die preußisch-wilhelminische Gesellschaft einzugliedern. Anita Wilhelmine Sammy Harriet, am 21. April 1892 auf dem ehemaligen sächsischen Rittergut Schloß Drehsa in Weißenberg bei Bautzen als Tochter von James und Harriet von Bleichröder geboren, heiratete Jordan von Campe, einen Freiherrn aus uralter braunschweigischer Adelsfamilie. Die Ehe war kurzzeitig und kinderlos. Zeitgenossen argwöhnten damals, sie habe der Einordnung als Jüdin entgehen wollen. Später behauptete sie auch, sie sei „außerehelich gezeugt“ worden. Aber das Reichssippenamt erkannte eine Eidesstattliche Versicherung des angeblichen Erzeugers Hermann Ende nicht an und verwies auf „die Rassemerkmale“, die auf einen jüdischen Vater hindeuteten. Außerdem hatten Nazi-Funktionäre ein Auge auf die prominent gelegene Wohnung mit Blick über den Kudamm zum Lehniner Platz – und bestimmt auch auf das Erbe der wohlhabenden Dame.

Seit November 1935 lebte sie im dritten Stock des Prachthauses Kurfürstendamm 75. Für zwei geräumige Zimmer mit Balkon, Bad und Fahrstuhl bezahlte Harriet Freifrau von Campe 120 Reichsmark Miete an den Hauseigentümer Rudolph A. Herrschel in Lichterfelde-Ost in der Bahnhofstraße 34, mit dem sie auch familiäre und geschäftliche Beziehungen hatte.

Außerdem verfügte sie über eine Zweitwohnung in Garmisch-Partenkirchen in der Höllentalstraße 63. In einer Eidesstattlichen Erklärung über den ehemaligen NSDAP-Kreisleiter Hans Hausböck vom 1. Oktober 1949 steht: „Am 10. November 1938 erhielt ich von Kreisleiter Hausböck den Auftrag, die Jüdin Frau Bleich(en)röder zu veranlassen, sich zwecks Entgegennahme einer Erklärung des Gauleiters unverzüglich zur Kreisleitung zu begeben. Näheres ist darüber nicht mehr zu erfahren.

Einerseits genossen Harriet und ihre drei Geschwister, die jeweils 120 000 Reichsmark (was nach heutigen Begriffen einem Millionen-Vermögen entspricht) geerbt hatten, einige Privilegien. Das Finanzamt Moabit-West verfügte am 24. Mai 1940 nach dem Tod des Onkels Hans eine Ausnahme: „Der Nachlaß ist nicht judenvermögensabgabepflichtig.“ Und die Behörde des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Volkspolizei, Heinrich Himmler, bestätigte am 28. Januar 1942 eine Sonderregelung für die Bleichröder-Erben: „Da sich die vorbezeichneten Erben noch im Reichsgebiet aufhalten und auch nicht die Absicht haben auszuwandern, ist von einer Sicherstellung der inländischen Vermögenswerte des verstorbenen Hans von Bleichröder Abstand genommen worden.“

Harriet von Campe, die ein materiell sorgenfreies Leben führen durfte, überwies jeden Monat 50 Reichsmark an ihre Mutter Harriet von Bleichröder, die in München lebte. Dem befreundeten Rudolph A. Herrschel, der ihr Vermögen verwaltete, hatte sie mehrere Darlehen gegeben, die zu 4 % verzinst wurden.

Trotz hochrangiger Bekanntschaften wusste die Freifrau, dass sie sich weder im Kurort Garmisch-Partenkirchen noch in der feinen Berliner Gesellschaft, wo sie als „Baronin“ tituliert wurde, sicher fühlen durfte. Es gab Warnzeichen: In Berlin reichte sie ein Gesuch ein, ihr das Reichsbürgerrecht zu verleihen, das aber von den NS-Behörden abgelehnt wurde. Auch ihr Einspruch gegen den Abstammungsbescheid des Reichssippenamtes wurde zurückgewiesen. Als sie bald danach von der bevorstehenden Deportation ihrer Schwester Ellie von Bleichröder erfuhr, versuchte sie verzweifelt, sich über gute Beziehungen zu retten.

Einen genauen Bericht darüber hat der Hausbesitzer Herrschel hinterlassen. Unter dem „Betreff: Mietrückstände“ schrieb er später an den ihm persönlich bekannten Oberfinanzpräsidenten Karl Kuhn, der seinen Dienstsitz im Haus Cumberland am Kurfürstendamm 193/194 hatte: Harriet von Campe sei „am 22.7.42 von der Gestapo abgeholt und am selben Tage auch die Wohnung v.d. Gestapo versiegelt. Die Baronin war 3 Wochen noch in Berlin in Haft. – Der Herr Reichsminister Lammers hatte mir geschrieben, dass er sich bei Herrn Minister Frick für die Baronin verwenden wolle. Vielleicht wurde deshalb mit ihrem Abschub noch etwas gewartet. Sie ist am 15. August 42 nach dem Osten dann abgeschoben worden.“ Wilhelm Frick war Reichsinnenminister und Hans Lammers war als Chef der Reichskanzlei direkt Adolf Hitler unterstellt. Bei ihm hatte sich der berühmte Felix Graf Luckner („Der Seeteufel“), der beste Beziehungen zu Nazi-Oberen hatte, für die Freifrau stark gemacht. Doch am 21. Februar 1942 erhielt Herrschel Nachricht aus der Reichskanzlei, es gebe keine Ausnahmeregelung.

Es half alles nichts, eines Tages wurde sie in das Sammellager in der Synagoge an der Levetzowstraße verschleppt. Dort wurde die gerade 50-jährige adelige Dame, die bis dahin ein üppiges Leben gewöhnt war, registriert und musste wie alle in dieser Massenunterkunft am 13. August 1942 ihre Vermögenserklärung abliefern. In die Spalte Beruf schrieb sie: Wicklerin A.E.G. Drontheimerstraße Wedding. Also war sie offenbar in den letzten Tagen als Zwangsarbeiterin verpflichtet worden.

Am 15. August 1942 musste sie mit wenig Handgepäck in einer Kolonne zum Güterbahnhof Moabit an der Putlitzstraße marschieren. Mit fast tausend Menschen, darunter 57 Kindern unter zehn Jahren, wurde sie in einen Sonderzug der Reichsbahn gesteckt, der drei Tage später auf dem Bahnhof Riga-Šķirotava ankam. Nur eine Frau aus diesem Transport, die als Krankenschwester ausgebildet war und zur medizinischen Versorgung der Bewohner des Ghettos Riga abkommandiert wurde, überlebte den Zweiten Weltkrieg. Alle anderen wurden sofort nach der Ankunft des Todeszugs aus Berlin im Wald von Biķernieki erschossen und in Massengräbern verscharrt.

Über Harriet von Campes wertvollen Besitz – Orientteppiche, Kronleuchter, kostbares Meißner Porzellan – machten sich sogleich die auf den Raub jüdischen Eigentums spezialisierten Händler B. Tiekötter und H. Giesecke (NAMÖ Neu- und Altmöbel) her und kauften für 5 060,30 Reichsmark auf, was sie holen konnten. Aber auch Herrschel („Ich bin Vollarier“) war nicht untätig. Er schaltete sofort um und erklärte: „Die Möbel des Wohnzimmers sind mein Eigentum.“ Er sei im Übrigen bereit, „auch die Einrichtung des Schlafzimmers zu erstehen“ und bot an, die gesamte Einrichtung der Wohnung „dem Büro d. Herrn Generalbauinspektor Speer zur Verfügung zu stellen. Heil Hitler! Sehr ergebenst R.A. Herrschel“. Albert Speer (1906 bis 1981) war Hitlers Architekt, leitete von 1942 bis 1945 die Kriegswirtschaft und wurde 1946 als einer der Hauptkriegsverbrecher zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Am 3. Juni 1944 schrieb die Behörde des Oberfinanzpräsidenten einen trockenen Vermerk an die Deutsche Bank, wo Harriet von Campes Konten geplündert werden sollten: „Die Jüdin ist außerhalb des Reichs abgeschoben worden.“ Und die BEWAG meldete noch Ansprüche von 18,24 RM für Stromverbrauch der Freifrau bis zum 2. März 1943 an.

Ellie von Bleichröder, am 17. September 1894 in Schloß Drehsa bei Bautzen geboren, war eine Zeitlang mit Rudolph A. Herrschel verheiratet gewesen und hatte ein Kind. Seit dem 27. Juli 1942 befand sie sich im Ghetto Theresienstadt und wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs befreit. Die beiden Brüder Kurt (geboren 1889) und Edgar (geboren 1897) von Bleichröder haben den Zweiten Weltkrieg als Offiziere der deutschen Armee mitgemacht, sie überlebten mit teils schweren Verwundungen.

In dem Haus Kurfürstendamm 75 wohnte zur gleichen Zeit wie die Freifrau von Campe von 1939 bis 1941 einer der bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts, Claudio Arrau (1903-1991). Er verließ Berlin 1941 voller „Wut“ über die „entsetzlichen Vorgänge“ in Deutschland und ging auf Welttournee.