Elisabeth Levysohn

Verlegeort
Giesebrechtstr. 19
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
11. Dezember 2006
Geboren
01. Dezember 1879 in Gnesen (Posen) / Gniezno
Deportation
am 14. September 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
17. Mai 1943 im Ghetto Theresienstadt

Am 1. Dezember 1879 brachte Laura Levysohn geb. Kurtzig in Gnesen, Posen (poln. Gniezno) Zwillinge auf die Welt, zwei Mädchen, welche die Namen Elisabeth und Margarete erhielten. Der Vater war der Kaufmann Jacob Levysohn. Das Paar hatte bereits zwei Söhne: Julius und Paul, 1873 bzw. 1876 geboren.

Nur ein Jahr nach Elisabeths Geburt starb Jacob Levysohn und Laura blieb mit ihren vier Kindern in Gnesen zurück. Folgt man den Berliner Adressbüchern, nahm sie um 1906 eine Wohnung in Berlin in der Bleibtreustraße 52. Unklar bleibt, ob sie und ihre Kinder zwischen 1880 und 1906 die ganze Zeit in Gnesen lebten. Wenige Jahre später ist als Hauptmieter in der Berliner Wohnung der Sohn Julius eingetragen und 1912 hat dieser – ebenfalls in der Bleibtreustraße 52 – einen Futtermittelhandel im Handelsregister angemeldet. Ein Jahr später ist die Firmen- und Wohnadresse in der Giesebrechtstraße 19. Dort ist ab 1915 im Adressbuch ebenfalls wieder Laura registriert. Auch ihre Tochter Elisabeth hat seit 1914 in der Giesebrechtstraße 19 gelebt, was zu der Annahme berechtigt, dass sie auch vorher mit der Mutter zusammen gewohnt hat. 

Elisabeth Levysohn hatte eine Gesangsausbildung gemacht, sie wurde Konzert- und Oratoriensängerin, gab Gesangsunterricht und Repetitorien für bekannte Sänger. Sie legte sich den Künstlernamen Elisabeth Lee an, unter dem sie auch später im Adressbuch vermerkt ist. Auch Julius änderte seinen Namen in Julius Kühlbrandt. 1920 starb Laura, Elisabeth und Julius wohnten weiterhin in der Giesebrechtstraße. In diesem Jahr, ließ sich auch Elisabeths Bruder Paul mit Frau und Kindern in Berlin nieder. Er war bis dahin Apotheker in Arys/Allenstein (Ostpreußen) gewesen. Auch in Berlin übte er weiter seinen Beruf aus.

Elisabeth blieb ledig. Aber sie hatte eine enge Verbindung zu ihrer Zwillingsschwester Margarete, die mittlerweile den Juristen Adolf Grünberg geheiratet hatte, und zu deren zwei Töchtern, Lilly und Magdalene (Magda). Elisabeth hatte viel Einfluss auf die musische Entwicklung der Nichten.

Mit der NS-Regierung kam die Diskriminierung und schließlich Verfolgung der Juden und die beruflichen Möglichkeiten Elisabeths dürften zurückgegangen sein. Auftritte als Sängerin konnte sie höchstens noch beim Jüdischen Kulturbund bekommen haben, sie war aber noch als Gesanglehrerin tätig. Ihr Bechstein - Flügel stand in der 6-Zimmerwohnung in der Giesebrechtstraße. Allerdings wurde es dort enger: Nicht nur Julius und Elisabeth wohnten dort, ab etwa 1938 zogen auch Margarete, Adolf und Magda ein, sie hatten ihre eigene Wohnung in der Bismarckstraße aufgeben müssen. 

Am 4. Februar 1939 starb Julius (auch Julian genannt) im Hospital der Jüdischen Gemeinde im Wedding an einem Schlaganfall. Ende 1940 emigrierte Familie Grünberg nach Uruguay. Paul war bereits im Mai 1939 die Flucht nach Shanghai gelungen. Von den Geschwistern blieb nur Elisabeth zurück.

Im Unterschied zu vielen Juden wurde Elisabeth nicht gezwungen, ihre Wohnung aufzugeben. Man kann aber davon ausgehen, dass spätestens nach der Auswanderung der Grünbergs andere jüdische Untermieter bei ihr eingewiesen wurden, da die Nazis bestrebt waren, durch Zusammenlegen der Juden Wohnraum für Nichtjuden frei zu machen. Albert Speer hatte vor, für die großangelegte „Neugestaltung“ der Hauptstadt „Germania“ zahlreiche Wohnungen abzureißen, Ersatzwohnraum für betroffene „Arier“ sollten die freigemachten Wohnungen der Juden bieten. Schon 1938 hatte Albert Speer dafür einen Plan „zur zwangsweisen Ausmietung von Juden“ vorgelegt. 1939 wurde per Gesetz der Mieterschutz für Juden „gelockert“ bzw. abgeschafft. Noch Ende 1940, mitten im Krieg, drängte Speer seine Mitarbeiter: „Was macht die Aktion der Räumung der 1000 Juden-Wohnungen?“, so ein Dokument, das in der Ausstellung „Macht Raum Gewalt“ 2023 zu lesen war.

Nach den Pogromen vom November 1938 wurden fast täglich neue Verordnungen erlassen, die das  Alltagsleben von Juden weiter beeinträchtigten und allmählich unerträglich machten. Schließlich entschieden sich die Nationalsozialisten für die Deportation und Vernichtung der noch im Deutschen Reich verbliebenen Juden. Elisabeth Levysohn erhielt vermutlich Anfang September 1942 ihren Deportationsbescheid, sie wurde am 14. September vom Moabiter Bahnhof aus mit rund 1000 weiteren Menschen nach Theresienstadt verschleppt.

Im Lager Theresienstadt, das sogenannte „Altersghetto“, waren die Lebensumstände schwer zu ertragen: hoffnungslose Überfüllung, Mangelernährung, katastrophale Hygienebedingungen, entsprechende Krankheiten und Seuchen waren an der Tagesordnung. Viele Menschen wurden in Vernichtungslager weiterdeportiert, nicht wenige starben jedoch schon vorher an diesen Zuständen. Elisabeth Levysohn überlebte zwar den grausamen Winter, kam jedoch laut der Theresienstädter Krematoriumskartei am 17. Mai 1943 ums Leben,. 

Die wohl noch weitgehend intakte Wohnungseinrichtung inklusive Bechstein - Flügel wurde sofort nach Elisabeths Deportation abgeholt und geplündert, wie nach dem Krieg vom Portier bezeugt wurde. Schon im Februar 1939 hatten alle Juden ihre Gold-, Silber- und Schmucksachen in der Pfandleihanstalt abgeben müssen. Elisabeths Wertsachen, von Margarete nach dem Krieg aus dem Gedächtnis aufgezählt, wurden von einem Gutachter auf einen Wiederbeschaffungswert von 3290.80 DM geschätzt. Der ursprüngliche Wert in RM dürfte weit höher gelegen haben.

Paul Levysohn konnte von Shanghai aus in die USA weiter emigrieren und änderte dort seinen Nachnamen in Lansing. Auch seine Frau Olga und die Söhne Heinz und Wolfgang gelangten in die USA, unklar ist, ob auch sie über Shanghai oder über andere Umwege dorthin kamen. Margarete, Adolf und Magda waren gemeinsam über Lissabon nach Montevideo gereist. Lilly Grünberg war schon früher mit ihrem Mann Albert Meyer nach Holland emigriert und überlebte dort nach Einmarsch der Deutschen Wehrmacht im Untergrund.