Charlotte Spiegel-Wolff geb. Stern

Verlegeort
Nassauische Str. 61
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
15. April 2010
Geboren
28. Januar 1898 in Berlin
Deportation
am 13. Juni 1942 nach Sobibór
Ermordet

Charlotte Stern kam als älteste von 2 Schwestern am 28. Januar 1898 in Berlin auf die Welt. Elisabeth wurde 2 Jahre später, am 14. Januar 1900 geboren. Die Eltern Margarete und Leopold (Leo) Stern wohnten in Friedrichshain in der Andreasstraße 33, einige Jahre später gegenüber in der Andreasstraße 56. In derselben Wohnung hatte Leo auch seine Praxis als praktischer und Kinderarzt. Als Charlotte 14 Jahre alt war, zog die Familie mit der väterlichen Praxis um in die Große Frankfurter Straße 123 (heute Karl–Marx–Allee). Beide Töchter machten eine Ausbildung als Stenotypistin bzw. Maschinenschreiberin.

Bis zu ihrer Hochzeit blieb Charlotte bei ihren Eltern wohnen.
Ihr Mann, der Kaufmann Rudolf Spiegel – Wolff war 10 Jahre älter (*5. Dezember 1888). Sie heirateten am 30. Mai 1923. Das Ehepaar wohnte viele Jahre in der Thüringer Straße 21, erst 1935 erfolgte der Umzug in die Nassauische Straße 61. Die Ehe der Spiegel – Wolffs blieb 16 Jahre lang kinderlos. Der Sohn Dan, Danny genannt, kam am 16. Oktober 1939 auf die Welt. Neben den zunehmenden systematischen Diskriminierungen und Entrechtungen für die jüdische Bevölkerung, gab es in diesem Jahr auch persönliche dramatische Einschnitte im Leben von Charlotte. Ihre Eltern verließen die Wohnung in Friedrichshain und zogen zu ihren Kindern in die Nassauische Straße. Leo Stern starb im Juni dieses Jahres an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Charlotte und Rudolf hatten ihre Ausreise nach Shanghai vorbereitet und schon eine Anzahlung auf die Schiffspassagen geleistet, als die Reiseagentur insolvent ging und die Anzahlung damit verloren war.

Beide Eheleute waren längst erwerbslos und so geriet die Familie in erhebliche finanzielle Nöte. Dieses war möglicherweise auch ein Grund, die große Wohnung in der Nassauischen Straße 61 aufzugeben und im Oktober 1941 in eine 2 ½ Zimmerwohnung am Friedrich – Karl – Platz 17 (heute Klausenerplatz) zu ziehen. Charlottes Mutter Margarete Stern war schon im Herbst 1940 zur Untermiete an den Hohenzollerndamm 201 verbracht worden.

Obwohl schon 1939 der jüdischen Bevölkerung die Mietrechte genommen worden waren, konnten die Spiegel – Wolffs noch einen Einheitsmietvertrag mit gesetzlicher Kündigungsfrist unterzeichnen. Allerdings standen der jungen Familie tatsächlich nur 1 ½ Zimmer in der Wohnung zur Verfügung. Das andere Zimmer wurde schon vorher vom Ehepaar Hermann und Hedwig Scholl bewohnt, wobei nur Hermann Scholl jüdisch war.

Charlotte wurde, obwohl Mutter eines Kleinkindes, zur Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb herangezogen. Sie gab in ihrer „Vermögenserklärung“ an, bei der Fa. Wilhelm Jakubaschk, Simeonstraße 11 in Kreuzberg als Handnäherin für einen „schwankenden Wochenlohn“ Akkordarbeit geleistet zu haben.

Charlotte, Rudolf und Dan Spiegel – Wolff wurden am 2. Juni 1942 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Fälschlicherweise wurde der 14. Berliner Osttransport auf den 13. Juni 1942 datiert, die „Vermögenserklärung“ wurde von ihrem Mann am 31. Mai unterzeichnet, ein Indiz, dass die Deportation unmittelbar bevorstand.

Charlottes Schwester Elisabeth, die 1922 den Zahnarzt James Ludwig Krebs geheiratet hatte, war offenbar schon kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit ihrem Mann nach Palästina ausgewandert, 1933 gibt es die letzte Eintragung für James Ludwig Krebs in den Berliner Adressbüchern.

Für Charlotte wurde ein Gedenkblatt von der entfernten Verwandten Carolyn Winchester geb. Burgess, aus Frankreich, in der Gedenkstätte Yad Vashem hinterlegt.