Else Weisz geb. Rosenthal

Verlegeort
Giesebrechtstr. 18
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
22. September 2010
Geboren
25. Dezember 1887 in Hamm
Deportation
1943 nach unbekannten Deportationsort
Ermordet

Elses Rosenthals Vater war der Kaufmann Salomon (Salo) Rosenthal, aus Billerbeck stammend (heute Nordrhein-Westfalen), der mit seiner Ehefrau Henriette (Jettchen) geb. Kahnfeld in Münster gelebt hatte. Im April 1879 siedelte er mit seiner Frau und den zwischen 1873 und Januar 1879 geborenen Kindern Otto, Martha, Selma, Alma und Julius nach Hamm um. Otto war möglicherweise ein angenommenes Kind. In Hamm kam am 25. Dezember 1887 Else zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Familie in der kleinen Weststraße 29, Salomon betrieb einen Möbelhandel. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob Else weitere, in Hamm geborene Geschwister hatte. Wahrscheinlich waren Betty, 1881 in Hamm geboren, und Alfred Rosenthal, Jahrgang 1883, auch Kinder von Salomon Rosenthal. Bis mindestens 1892 blieb Salomons Familie in Hamm, im Adressbuch von 1895 ist er nicht mehr aufgeführt.<br />
<br />
Entsprechend diesen eher dürftigen Daten wissen wir auch nichts über Elses Kindheit und Jugend. Am 20. September 1916 heiratete sie in Berlin den ungarischen Schuhmacher Martin Weisz, der sich damals Weiss schrieb. Wann sie in die Hauptstadt kam, ist ungewiss. Möglicherweise hat sie Martin Weiss bei Otto Rosenthal kennen gelernt, der in der Richthofenstraße 17 (heute Auerstraße) einen Schuhwarenhandel betrieb. Dieser Otto Rosenthal war wohl nicht identisch mit Elses Bruder oder Nennbruder Otto. Wahrscheinlich war er ein Cousin gleichen Namens.<br />
<br />
Else und Martin lebten zunächst in der Invalidenstraße 16. Dort brachte Else am 9. Juli 1917 ihre einzige Tochter Käthe zur Welt. Martin Weisz (ungarisch: Marton) war am 28. Oktober 1889 in Fürményes (Siebenbürgen) zur Welt gekommen. Er war der Sohn des Landwirtes Samuel Weisz. Seine Mutter Eva geb. Goldberger starb, als Martin drei Jahre alt war. Martin besuchte die Volksschule und wurde dann, nach dreijähriger Ausbildung, Schuhmachermeister. Wann er sich in Berlin niederließ, ist nicht bekannt. Wenige Jahre nach seiner Heirat mit Else konnte er ein Schuhwarengeschäft mit Reparaturwerkstatt in der Chausseestraße 51/52 eröffnen. Die Geschäfte gingen gut, Martin beschäftigte bis zu drei Gesellen. Else arbeitete im Laden mit, die Tochter machte eine Ausbildung zur Kontoristin auf der Handelsschule. Aber nach dem Judenboykott im April 1933 blieben die Kunden weg und Martin Weisz - so schrieb er sich nun - musste sein Geschäft verkleinern. Die Familie mietete sich in der Giesebrechtstraße 18 ein und brachte auch die Schuhwerkstatt dort unter. Aber auch hier konnte er nicht mehr einen Kundenstamm aufbauen, die Geschäftslage sei ungünstig gewesen, so seine Tochter. Hinzu kam die wachsende Zahl von diskriminierenden Verordnungen gegen Juden. In der Pogromnacht im November 1938 wurden Geschäft und ein bescheidenes Warenlager geplündert. <br />
<br />
Käthe Weisz trug zum Haushalt ihrer Eltern mit ihrem Einkommen als Kontoristin in verschiedenen Firmen bei. Von der letzten, der Parfümfabrik Careel, wurde sie entlassen, weil die Firma "arisiert" und ihre jüdischen Inhaber - wahrscheinlich im Rahmen der sog. "Polentransporte" im Oktober 1938 - nach Polen abgeschoben wurden. Nach dem Pogrom 1938 sah Käthe keine Zukunft mehr in Deutschland für sich, im Mai 1939 emigrierte sie nach Shanghai.<br />
<br />
Else und Martin blieben in Berlin. Als „ausländische Juden“ - Else hatte durch die Heirat die ungarische Staatsbürgerschaft angenommen - waren sie zunächst relativ geschützt. Sigismund Rosenthal, ein älterer Bruder Elses, der seinerzeit nicht mit nach Hamm gekommen war, wohnte zum Zeitpunkt der Volkszählung vom 17. Mai laut der Sonderkartei, die extra für Juden angelegt wurde, bei Else. Er lebte getrennt von seiner (vermutlich nicht-jüdischen) Frau. Else musste erleben, dass 1942 Sigismund Opfer der „Sonderaktion” zur „Vergeltung” nach dem Anschlag der Gruppe Baum auf die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies” wurde. 500 Juden wurden verhaftet und nach Sachsenhausen verbracht. 154 von ihnen wurden sofort erschossen, darunter auch Sigismund Rosenthal. 96 weitere, bereits inhaftierte Häftlinge erlitten ebenfalls dieses Schicksal.<br />
<br />
Es war abzusehen, dass sich die vergleichbar sichere Situation „ausländischer“ Juden jederzeit ändern konnte. Else und Martin beschlossen, nach Ungarn zurückzukehren. Offenbar taten sie dies nicht auf offiziellem Wege, sie verschwanden so spurlos, dass ihre Tochter, die Anfang 1943 zum letzten Mal über das Rote Kreuz eine Nachricht von ihnen erhielt, zunächst davon ausgehen musste, sie seien in Berlin verhaftet, deportiert und ermordet worden. Erst später konnte über die Israelische Kultusgemeinde in Budapest ihr Schicksal geklärt werden. Anders als auf dem Stolperstein nach dem Recherchestand von 2010 vermerkt, wurden sie nicht von Berlin aus deportiert.<br />
<br />
Martin, und offenbar Else mit ihm, flüchtete ungefähr im März 1943 nach Budapest, und wohnte dort „...vom Ende des Jahres unter der Adresse Kárpát utca 3 [...], von wo er zur Zeit des deutsch-faschistischen Regime's in Ungarn im Oktober 1944 verschleppt und deportiert wurde und in der Deportierung fand er sein Tod.[sic]“<br />
<br />
Nach der Besetzung Ungarns durch die Deutschen im März 1944 begannen diese sofort mit der Verhaftung und Deportation der ungarischen Juden. Martin Weisz wurde „erst“ am 20. Oktober 1944 verhaftet. Einen Monat später wurde er in Buchenwald eingeliefert, im Aufnahmeblatt heißt es „Zähne: 10 fehlen“ und „Besondere Kennzeichen: der linke Arm gebrochen“. Ganz offensichtlich war er schwer misshandelt worden. Als Verhaftungsgrund ist „Polit.Ungar.Jude“ vermerkt, er galt also als politischer und jüdischer Häftling. In Buchenwald trug er den roten Winkel auf dem gelben.<br />
<br />
Martin wurde im Außenlager Ohrdruf zur Zwangsarbeit eingesetzt. Das war ein älteres Wehrmachtlager, dass im November 1944 als KZ ausgebaut wurde. Es war das erste Lager, das 1945 durch westalliierte Truppen befreit wurde. Für Martin kam das allerdings zu spät. Der Lagerarzt des Außenkommandos Ohrdruf-Nord meldete, dass der Häftling 97504, Marton Weisz, am 2. Januar 1945 um 1 Uhr an einer Blutvergiftung gestorben sei. Er war mit einer Gesichtsrose am gleichen Tag eingeliefert worden.<br />
<br />
Else war nicht verhaftet worden. Sie galt offenbar nicht als politisch, vielleicht konnte sie auch untertauchen. Jedenfalls blieb sie in der Kárpát utca 3 gemeldet. Die Budapester Kultusgemeinde informierte nach dem Krieg, dass „Frau Martin Weiss, geborene Elisabeth Rosenthal in unserem Begräbnisregister mit Todestag 2. April 1945 und gewesene Adresse V. Kárpát utca 3 eingetragen ist.“ Wir wissen nicht, ob Else noch vom grausamen Tod ihres Mannes erfahren hat. Das Ende des Krieges erlebte sie nicht mehr.<br />
<br />
Käthe Weisz, die Tochter, musste in Shanghai nach Ankunft bis 15. August 1945 in das dortige Ghetto. In Shanghai lernte sie ihren zukünftigen Mann Leo Altmann kennen, den sie 1947 heiratete. 1949 konnte das Paar nach Israel weiterwandern. Entschädigungsanträge, die Käthe Altmann nach ihren Eltern stellte, wurden in den 60er Jahren abgewiesen, mit der Begründung, die Wohnungsvoraussetzungen - letzter Wohnsitz in Berlin - seien nicht gegeben, denn nach dem (in den) Heimatstaat zu gehen - gemeint ist Ungarn - sei keine Auswanderung. <br />
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Elses Rosenthals Vater war der Kaufmann Salomon (Salo) Rosenthal, aus Billerbeck stammend (heute Nordrhein-Westfalen), der mit seiner Ehefrau Henriette (Jettchen) geb. Kahnfeld in Münster gelebt hatte. Im April 1879 siedelte er mit seiner Frau und den zwischen 1873 und Januar 1879 geborenen Kindern Otto, Martha, Selma, Alma und Julius nach Hamm um. Otto war möglicherweise ein angenommenes Kind. In Hamm kam am 25. Dezember 1887 Else zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Familie in der kleinen Weststraße 29, Salomon betrieb einen Möbelhandel. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob Else weitere, in Hamm geborene Geschwister hatte. Wahrscheinlich waren Betty, 1881 in Hamm geboren, und Alfred Rosenthal, Jahrgang 1883, auch Kinder von Salomon Rosenthal. Bis mindestens 1892 blieb Salomons Familie in Hamm, im Adressbuch von 1895 ist er nicht mehr aufgeführt.

Entsprechend diesen eher dürftigen Daten wissen wir auch nichts über Elses Kindheit und Jugend. Am 20. September 1916 heiratete sie in Berlin den ungarischen Schuhmacher Martin Weisz, der sich damals Weiss schrieb. Wann sie in die Hauptstadt kam, ist ungewiss. Möglicherweise hat sie Martin Weiss bei Otto Rosenthal kennen gelernt, der in der Richthofenstraße 17 (heute Auerstraße) einen Schuhwarenhandel betrieb. Dieser Otto Rosenthal war wohl nicht identisch mit Elses Bruder oder Nennbruder Otto. Wahrscheinlich war er ein Cousin gleichen Namens.

Else und Martin lebten zunächst in der Invalidenstraße 16. Dort brachte Else am 9. Juli 1917 ihre einzige Tochter Käthe zur Welt. Martin Weisz (ungarisch: Marton) war am 28. Oktober 1889 in Fürményes (Siebenbürgen) zur Welt gekommen. Er war der Sohn des Landwirtes Samuel Weisz. Seine Mutter Eva geb. Goldberger starb, als Martin drei Jahre alt war. Martin besuchte die Volksschule und wurde dann, nach dreijähriger Ausbildung, Schuhmachermeister. Wann er sich in Berlin niederließ, ist nicht bekannt. Wenige Jahre nach seiner Heirat mit Else konnte er ein Schuhwarengeschäft mit Reparaturwerkstatt in der Chausseestraße 51/52 eröffnen. Die Geschäfte gingen gut, Martin beschäftigte bis zu drei Gesellen. Else arbeitete im Laden mit, die Tochter machte eine Ausbildung zur Kontoristin auf der Handelsschule. Aber nach dem Judenboykott im April 1933 blieben die Kunden weg und Martin Weisz - so schrieb er sich nun - musste sein Geschäft verkleinern. Die Familie mietete sich in der Giesebrechtstraße 18 ein und brachte auch die Schuhwerkstatt dort unter. Aber auch hier konnte er nicht mehr einen Kundenstamm aufbauen, die Geschäftslage sei ungünstig gewesen, so seine Tochter. Hinzu kam die wachsende Zahl von diskriminierenden Verordnungen gegen Juden. In der Pogromnacht im November 1938 wurden Geschäft und ein bescheidenes Warenlager geplündert.

Käthe Weisz trug zum Haushalt ihrer Eltern mit ihrem Einkommen als Kontoristin in verschiedenen Firmen bei. Von der letzten, der Parfümfabrik Careel, wurde sie entlassen, weil die Firma "arisiert" und ihre jüdischen Inhaber - wahrscheinlich im Rahmen der sog. "Polentransporte" im Oktober 1938 - nach Polen abgeschoben wurden. Nach dem Pogrom 1938 sah Käthe keine Zukunft mehr in Deutschland für sich, im Mai 1939 emigrierte sie nach Shanghai.

Else und Martin blieben in Berlin. Als „ausländische Juden“ - Else hatte durch die Heirat die ungarische Staatsbürgerschaft angenommen - waren sie zunächst relativ geschützt. Sigismund Rosenthal, ein älterer Bruder Elses, der seinerzeit nicht mit nach Hamm gekommen war, wohnte zum Zeitpunkt der Volkszählung vom 17. Mai laut der Sonderkartei, die extra für Juden angelegt wurde, bei Else. Er lebte getrennt von seiner (vermutlich nicht-jüdischen) Frau. Else musste erleben, dass 1942 Sigismund Opfer der „Sonderaktion” zur „Vergeltung” nach dem Anschlag der Gruppe Baum auf die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies” wurde. 500 Juden wurden verhaftet und nach Sachsenhausen verbracht. 154 von ihnen wurden sofort erschossen, darunter auch Sigismund Rosenthal. 96 weitere, bereits inhaftierte Häftlinge erlitten ebenfalls dieses Schicksal.

Es war abzusehen, dass sich die vergleichbar sichere Situation „ausländischer“ Juden jederzeit ändern konnte. Else und Martin beschlossen, nach Ungarn zurückzukehren. Offenbar taten sie dies nicht auf offiziellem Wege, sie verschwanden so spurlos, dass ihre Tochter, die Anfang 1943 zum letzten Mal über das Rote Kreuz eine Nachricht von ihnen erhielt, zunächst davon ausgehen musste, sie seien in Berlin verhaftet, deportiert und ermordet worden. Erst später konnte über die Israelische Kultusgemeinde in Budapest ihr Schicksal geklärt werden. Anders als auf dem Stolperstein nach dem Recherchestand von 2010 vermerkt, wurden sie nicht von Berlin aus deportiert.

Martin, und offenbar Else mit ihm, flüchtete ungefähr im März 1943 nach Budapest, und wohnte dort „...vom Ende des Jahres unter der Adresse Kárpát utca 3 [...], von wo er zur Zeit des deutsch-faschistischen Regime's in Ungarn im Oktober 1944 verschleppt und deportiert wurde und in der Deportierung fand er sein Tod.[sic]“

Nach der Besetzung Ungarns durch die Deutschen im März 1944 begannen diese sofort mit der Verhaftung und Deportation der ungarischen Juden. Martin Weisz wurde „erst“ am 20. Oktober 1944 verhaftet. Einen Monat später wurde er in Buchenwald eingeliefert, im Aufnahmeblatt heißt es „Zähne: 10 fehlen“ und „Besondere Kennzeichen: der linke Arm gebrochen“. Ganz offensichtlich war er schwer misshandelt worden. Als Verhaftungsgrund ist „Polit.Ungar.Jude“ vermerkt, er galt also als politischer und jüdischer Häftling. In Buchenwald trug er den roten Winkel auf dem gelben.

Martin wurde im Außenlager Ohrdruf zur Zwangsarbeit eingesetzt. Das war ein älteres Wehrmachtlager, dass im November 1944 als KZ ausgebaut wurde. Es war das erste Lager, das 1945 durch westalliierte Truppen befreit wurde. Für Martin kam das allerdings zu spät. Der Lagerarzt des Außenkommandos Ohrdruf-Nord meldete, dass der Häftling 97504, Marton Weisz, am 2. Januar 1945 um 1 Uhr an einer Blutvergiftung gestorben sei. Er war mit einer Gesichtsrose am gleichen Tag eingeliefert worden.

Else war nicht verhaftet worden. Sie galt offenbar nicht als politisch, vielleicht konnte sie auch untertauchen. Jedenfalls blieb sie in der Kárpát utca 3 gemeldet. Die Budapester Kultusgemeinde informierte nach dem Krieg, dass „Frau Martin Weiss, geborene Elisabeth Rosenthal in unserem Begräbnisregister mit Todestag 2. April 1945 und gewesene Adresse V. Kárpát utca 3 eingetragen ist.“ Wir wissen nicht, ob Else noch vom grausamen Tod ihres Mannes erfahren hat. Das Ende des Krieges erlebte sie nicht mehr.

Käthe Weisz, die Tochter, musste in Shanghai nach Ankunft bis 15. August 1945 in das dortige Ghetto. In Shanghai lernte sie ihren zukünftigen Mann Leo Altmann kennen, den sie 1947 heiratete. 1949 konnte das Paar nach Israel weiterwandern. Entschädigungsanträge, die Käthe Altmann nach ihren Eltern stellte, wurden in den 60er Jahren abgewiesen, mit der Begründung, die Wohnungsvoraussetzungen - letzter Wohnsitz in Berlin - seien nicht gegeben, denn nach dem (in den) Heimatstaat zu gehen - gemeint ist Ungarn - sei keine Auswanderung.