Edith Kohn geb. Rödelsheimer

Verlegeort
Solinger Straße 10
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
September 2003
Geboren
13. Februar 1909 in
Überlebt

Edith Berta Rödelsheimer wurde am 13. Februar 1909 in Stettin (heute: Szczecin / Polen) als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie geboren. Sie war das einzige Kind des Kaufmanns Leopold Louis Rödelsheimer und seiner Frau Berta (geb. Kahn). Ihr Vater war seit 1912 Alleininhaber der traditionsreichen Firma Bartsch & Rödelsheimer, die Herrenkonfektion herstellte. In Stettin besuchte Edith die Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule, ein Realgymnasium, an dem sie im Februar 1928 das Abitur bestand. Sie war eine gute Schülerin mit sehr guten Noten in Musik und Kunst, einzig in Mathematik hatte sie ein „nicht genügend“ auf dem Zeugnis. Nach dem Abitur zog sie nach Berlin und studierte von April 1928 bis Herbst 1930 Philologie und Musikwissenschaft an der Friedrich-Wilhelms-Universität und anschließend acht Semester an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik. Sie absolvierte die künstlerische Prüfung für das Lehramt an höheren Lehranstalten mit dem Hauptfach Klavier. Die Lehrprobe bestand sie mit Auszeichnung. Zur Prüfung, die im Juni 1934 stattfand, wurde sie vom Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung als Jüdin nur ausnahmsweise zugelassen. Ihr Zeugnis enthielt allerdings den Vermerk, dass sie den Lehrberuf nicht ausüben dürfe. Später schreibt sie in ihrem Entschädigungsantrag, dass es ein schwerer seelischer Schock war, ihren ersehnten Beruf nicht ausüben zu dürfen. <br />
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Für etwa ein Jahr arbeitete sie ohne Bezahlung als Hospitantin an der Knaben-Volksschule der Jüdischen Gemeinde in der Kaiserstraße. Sie war mit Heinz Messner verlobt, der kein Jude war, als 1935 die Nürnberger Rassengesetze in Kraft traten. Um einer Anzeige wegen „Rassenschande“ zu entgehen, trennten sie sich und da es dennoch Gerüchte gab, dass sie die Beziehung weiter aufrechterhielten, zog Edith vorübergehend zurück zu ihren Eltern nach Stettin. 1936 fand sie Arbeit als Sekretärin in einer jüdischen Firma, wo sie bis Dezember 1938 arbeitete. Ende 1938 oder 1939 mussten ihre Eltern aufgrund der antisemitischen Verfolgung ihr früher gutgehendes Geschäft schließen. Am 12. Februar 1940 wurden sie nach Piaski bei Lublin deportiert. Monate später erhielt Edith von der Gestapo die Erlaubnis, ihre elterliche Wohnung in Stettin unter Polizeiaufsicht zu betreten und fand sie in einem Zustand der Verwüstung vor. Sie besaß zwar eine Generalvollmacht, aber es wurde ihr jegliche Inbesitznahme des Vermögens, auch der Mitgift in Höhe von 70.000 RM, die für sie vorgesehen war, versagt. Eine letzte Postkarte ihrer Eltern, die Edith erreichte, war auf den 24. März 1942 datiert. <br />
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Durch den Besuch verschiedener Kurse – Kochen, Hüte- und Handschuhanfertigung, Schaufensterdekoration – versuchte sie, sich eine berufliche Perspektive aufzubauen. Schließlich wurde sie am 1. Juli 1940 zur Zwangsarbeit als Fabrikarbeiterin bei Siemens im Wernerwerk M verpflichtet. Morgens musste sie um 4:45 Uhr die Wohnung verlassen und kehrte erst um 19:30 Uhr zurück. Durch das lange Stehen an der Drehbank in Holzschulen trug sie schwere gesundheitliche Schäden davon.<br />
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Am 22. April 1941 heiratete sie auf dem Standesamt Berlin-Mitte den fünf Jahre älteren früheren Speditionskaufmann Adolf Kohn. Auch ihr Mann musste ab Juli 1941 Zwangsarbeit bei Siemens leisten. Zusammen wohnten die Eheleute in der Memhardstraße 10 und zogen dann in ein kleines Häuschen in der Manfred-von-Richthofen-Straße 79 in Tempelhof. Als sie am 11. Februar 1943 von der Fabrik nach Hause kamen, fanden sie an ihrer Haustür ein Siegel der Gestapo vor. Sie ließen all ihren Besitz zurück und tauchten noch in derselben Nacht unter. Hilfe bekamen sie von dem Ehepaar Ella und Emil Schock aus Tegel. In deren Wochenendhaus in Birkenwerder hielten sich Edith und Adolf Kohn versteckt. Sie verbrachten drei Winter in der ungeheizten Hütte, ohne Lebensmittelkarten und ausreichende Versorgung. In ihrem Versteck überlebten sie bis zur Befreiung, in der ständigen Angst, entdeckt zu werden. In ihrem Entschädigungsantrag schreibt Edith Kohn: „Ich habe mich physisch und seelisch nie von diesem 2 ½ Jahre dauernden Schock-Erlebnis erholt. Es vergeht jetzt noch selten eine Nacht, wo ich nicht aus einem Verfolgungsschreck-Traum mit klopfendem Herzen und schweißgebadet aufschrecke.“ Kurze Zeit wohnten die Eheleute nach der Befreiung in der Hoeppnerstraße 71 in Berlin-Tempelhof und emigrierten schließlich im August 1946 in die USA. Sie ließen sich in Portland, Oregon, nieder und änderten ihren Nachnamen zu Carr. Ihr Mann fand Arbeit bei einer Spedition, Edith arbeitete zunächst in einer Fabrik und ab 1948 als Bibliotheksgehilfin der Library Association of Portland in der Multnomah County Library.<br />
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Ihren Lebensabend verbrachten Edith und Adolph Carr in Laguna Hills, Kalifornien. Ihr Mann starb dort 1993 kurz nach seinem 90. Geburtstag. Edith Carr starb am 7. August 2004 im Alter von 95 Jahren an ihrem letzten Wohnsitz.<br />
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Edith Berta Rödelsheimer wurde am 13. Februar 1909 in Stettin (heute: Szczecin / Polen) als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie geboren. Sie war das einzige Kind des Kaufmanns Leopold Louis Rödelsheimer und seiner Frau Berta (geb. Kahn). Ihr Vater war seit 1912 Alleininhaber der traditionsreichen Firma Bartsch & Rödelsheimer, die Herrenkonfektion herstellte. In Stettin besuchte Edith die Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule, ein Realgymnasium, an dem sie im Februar 1928 das Abitur bestand. Sie war eine gute Schülerin mit sehr guten Noten in Musik und Kunst, einzig in Mathematik hatte sie ein „nicht genügend“ auf dem Zeugnis. Nach dem Abitur zog sie nach Berlin und studierte von April 1928 bis Herbst 1930 Philologie und Musikwissenschaft an der Friedrich-Wilhelms-Universität und anschließend acht Semester an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik. Sie absolvierte die künstlerische Prüfung für das Lehramt an höheren Lehranstalten mit dem Hauptfach Klavier. Die Lehrprobe bestand sie mit Auszeichnung. Zur Prüfung, die im Juni 1934 stattfand, wurde sie vom Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung als Jüdin nur ausnahmsweise zugelassen. Ihr Zeugnis enthielt allerdings den Vermerk, dass sie den Lehrberuf nicht ausüben dürfe. Später schreibt sie in ihrem Entschädigungsantrag, dass es ein schwerer seelischer Schock war, ihren ersehnten Beruf nicht ausüben zu dürfen.

Für etwa ein Jahr arbeitete sie ohne Bezahlung als Hospitantin an der Knaben-Volksschule der Jüdischen Gemeinde in der Kaiserstraße. Sie war mit Heinz Messner verlobt, der kein Jude war, als 1935 die Nürnberger Rassengesetze in Kraft traten. Um einer Anzeige wegen „Rassenschande“ zu entgehen, trennten sie sich und da es dennoch Gerüchte gab, dass sie die Beziehung weiter aufrechterhielten, zog Edith vorübergehend zurück zu ihren Eltern nach Stettin. 1936 fand sie Arbeit als Sekretärin in einer jüdischen Firma, wo sie bis Dezember 1938 arbeitete. Ende 1938 oder 1939 mussten ihre Eltern aufgrund der antisemitischen Verfolgung ihr früher gutgehendes Geschäft schließen. Am 12. Februar 1940 wurden sie nach Piaski bei Lublin deportiert. Monate später erhielt Edith von der Gestapo die Erlaubnis, ihre elterliche Wohnung in Stettin unter Polizeiaufsicht zu betreten und fand sie in einem Zustand der Verwüstung vor. Sie besaß zwar eine Generalvollmacht, aber es wurde ihr jegliche Inbesitznahme des Vermögens, auch der Mitgift in Höhe von 70.000 RM, die für sie vorgesehen war, versagt. Eine letzte Postkarte ihrer Eltern, die Edith erreichte, war auf den 24. März 1942 datiert.

Durch den Besuch verschiedener Kurse – Kochen, Hüte- und Handschuhanfertigung, Schaufensterdekoration – versuchte sie, sich eine berufliche Perspektive aufzubauen. Schließlich wurde sie am 1. Juli 1940 zur Zwangsarbeit als Fabrikarbeiterin bei Siemens im Wernerwerk M verpflichtet. Morgens musste sie um 4:45 Uhr die Wohnung verlassen und kehrte erst um 19:30 Uhr zurück. Durch das lange Stehen an der Drehbank in Holzschulen trug sie schwere gesundheitliche Schäden davon.

Am 22. April 1941 heiratete sie auf dem Standesamt Berlin-Mitte den fünf Jahre älteren früheren Speditionskaufmann Adolf Kohn. Auch ihr Mann musste ab Juli 1941 Zwangsarbeit bei Siemens leisten. Zusammen wohnten die Eheleute in der Memhardstraße 10 und zogen dann in ein kleines Häuschen in der Manfred-von-Richthofen-Straße 79 in Tempelhof. Als sie am 11. Februar 1943 von der Fabrik nach Hause kamen, fanden sie an ihrer Haustür ein Siegel der Gestapo vor. Sie ließen all ihren Besitz zurück und tauchten noch in derselben Nacht unter. Hilfe bekamen sie von dem Ehepaar Ella und Emil Schock aus Tegel. In deren Wochenendhaus in Birkenwerder hielten sich Edith und Adolf Kohn versteckt. Sie verbrachten drei Winter in der ungeheizten Hütte, ohne Lebensmittelkarten und ausreichende Versorgung. In ihrem Versteck überlebten sie bis zur Befreiung, in der ständigen Angst, entdeckt zu werden. In ihrem Entschädigungsantrag schreibt Edith Kohn: „Ich habe mich physisch und seelisch nie von diesem 2 ½ Jahre dauernden Schock-Erlebnis erholt. Es vergeht jetzt noch selten eine Nacht, wo ich nicht aus einem Verfolgungsschreck-Traum mit klopfendem Herzen und schweißgebadet aufschrecke.“ Kurze Zeit wohnten die Eheleute nach der Befreiung in der Hoeppnerstraße 71 in Berlin-Tempelhof und emigrierten schließlich im August 1946 in die USA. Sie ließen sich in Portland, Oregon, nieder und änderten ihren Nachnamen zu Carr. Ihr Mann fand Arbeit bei einer Spedition, Edith arbeitete zunächst in einer Fabrik und ab 1948 als Bibliotheksgehilfin der Library Association of Portland in der Multnomah County Library.

Ihren Lebensabend verbrachten Edith und Adolph Carr in Laguna Hills, Kalifornien. Ihr Mann starb dort 1993 kurz nach seinem 90. Geburtstag. Edith Carr starb am 7. August 2004 im Alter von 95 Jahren an ihrem letzten Wohnsitz.