Gertrud Zuttermann geb. Poppelauer

Verlegeort
Giesebrechtstr. 11
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
08. Mai 2011
Geboren
20. März 1876 in Berlin
Deportation
am 18. Oktober 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Ermordet
20. Dezember 1941 in Łódź / Litzmannstadt

Gertrud Zuttrermann war am 20. März 1876 als Tochter des Kaufmannes Carl Jacob Poppelauer und seiner Ehefrau Sara geb. Jacoby in der Oranienstraße 48, Berlin, geboren worden. Ihr Vater war der Inhaber eines Leinen- und Baumwollwarengeschäfts im Parterre ihres Wohnhauses. Dort blieb auch der Laden, als die Eltern wenig später in die Luckauer Straße zogen und 1890 in die Schmidstraße 7. Ob Gertrud Geschwister hatte, wissen wir nicht. Vielleicht war sie mit Moritz Poppelauer verwandt, ein bekannter Buchhändler und Verleger jüdischer Literatur, dessen Buchhandlung in der Neuen Friedrichstraße war. Laut Heiratsurkunde erlernte Gertrud keinen „besonderen Beruf“. Am 4. September 1902 heiratete sie Max Zuttermann und verbrachte mit ihm die Flitterwochen in Bad Homburg, im Hotel Bellevue, wie eine Gästeliste bezeugt.<br />
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Max und Gertrud bezogen eine Wohnung am Holsteiner Ufer 5. 1905 kam ihre erste Tochter Eva, zur Welt, ein Jahr später die zweite, Susanne. Möglicherweise anlässlich der Familienerweiterung waren Zuttermanns in die Crefelder Straße 18 umgezogen. Um 1910 unterhielt Max Zuttermann wieder ein Geschäft mit einem Partner: die „Feine Herrenschneiderei Zuttermann & Haß“ in der Behrenstraße 24. Die Familie bezog nun eine Wohnung in der Mommsenstraße 19. Bald wechselten noch mal Partner und Geschäftsadresse, nun war es die „Englische Maßschneiderei Maaß & Zuttermann“, in der Französischen Straße 25/26. Diese Firma überstand jedoch nicht den Ersten Weltkrieg, 1917 betrieb Max Zuttermann wieder eine Schneiderei alleine, diesmal in der Französischen Straße 8. Diesen Laden hat er 1930 aufgegeben, möglicherweise eine Folge der Weltwirtschaftskrise. Im Adressbuch ist er weiterhin in der Mommsenstraße eingetragen, zunächst als Schneidermeister, dann allgemein als Kaufmann. Erst 1934, Max Zuttermann ist 66 Jahre alt, ziehen sie in die Giesebrechtstraße 11.<br />
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Möglicher Anlass für den Umzug könnte sein, dass die Töchter nun aus dem Haus waren. Eva heiratete 1934 einen Engländer namens Mitchell, den sie vermutlich durch ihre Arbeit kennen gelernt hatte. Seit 1928 war sie in der Berliner Niederlassung von Price Waterhouse tätig, eine Wirtschaftsprüferfirma. Durch ihre Ehe hatte sie die englische Staatsbürgerschaft erworben und konnte 1939 Deutschland Richtung London verlassen. Tochter Susanne war mit Heinz Block verheiratet, das Datum der Eheschließung ist nicht bekannt. Das Paar wanderte später nach Paraguay aus.<br />
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Max und Gertrud blieben in der Giesebrechtstraße und hatten nun die zunehmenden Schikanen und Einschränkungen für Juden seitens des NS-Regimes zu gewärtigen. Sie nahmen 1935 Fritz Hirschfeldt als Untermieter auf, ob das freiwillig war, ist nicht sicher. Mit ihm teilten sie fortan Diskriminierung und Verfolgung. Juden wurden, vor allem nach den Novemberpogromen 1938, durch immer neue Verordnungen nach und nach vollständig aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, durch ständig weitere Steuern und Abgaben verarmt, sie konnten sich nicht mehr frei bewegen und auch nicht über evtl. vorhandenes Vermögen frei verfügen. Unter diesen Umständen konnten auch Max und Gertrud Zuttermann eine Auswanderung zu ihren Kindern, wie sie etwa die Schwiegermutter von Susanne, Elise Block plante, nicht bewerkstelligen. <br />
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Auswanderungen – zunächst von den Nationalsozialisten erwünscht - wurden 1941 gänzlich verboten. Stattdessen setzte die Regierung auf die grausame Politik der Deportationen und Ermordungen. Gleich mit dem ersten Deportationszug aus Berlin am 18. Oktober 1941 mussten Max und Gertrud Zuttermann, zusammen mit Fritz Hirschfeldt, ihre Wohnung, ihre Stadt, ihr Land verlassen und verloren letztlich auch ihr Leben. Der Zug ging vom Gleis 17 im Bahnhof Grunewald ab, Ziel war das Ghetto Lodz.<br />
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In dem hoffnungslos überfüllten Ghetto wurden sie hinter Stacheldraht und unter menschenunwürdigen Lebensverhältnissen im Bleichweg 21/7, „eingesiedelt“, wie es offiziell hieß. Da sie trotz ihres Alters - Max war 73, Gertrud 65 Jahre alt – als „arbeitsfähig“ eingestuft worden waren, mussten sie möglicherweise Zwangsarbeit leisten, in Munitionsfabriken oder, in Anbetracht von Maxens Beruf wahrscheinlicher, in einer Uniformschneiderei. Katastrophale Hygienezustände, Kälte, Hunger und Krankheiten kamen hinzu.<br />
<br />
Gertrud Zuttermann ertrug diese harten Bedingungen nur wenige Wochen. Am 20. Dezember 1941 erlag sie den Verhältnissen im Ghetto. Max Zuttermann überlebte seine Frau keinen Monat. Am 15. Januar 1942 starb auch er an den verheerenden Lebensumständen.<br />
<br />
Eva Mitchell, die ältere Tochter, starb 1961 in London. Susana (vormals Susanne) Block bekam in Paraguay 1943 und 1948 zwei Söhne, Pedro Ismael und Walter Maximiliano, ihr Mann Heinz Block starb 1949 in Montevideo (Uruguay). Susanas Schwiegermutter Elise Block geb. Seligmann wurde am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort bereits am folgenden 26. September. Für sie liegt ein Stolperstein vor dem Haus Leopoldstraße 32 in Marzahn-Hellersdorf - Kaulsdorf (www.stolpersteine-berlin.de/de/bio…). <br />
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Quellen:<br />
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; www.statistik-des-holocaust.de/lis… <br />
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Gertrud Zuttrermann war am 20. März 1876 als Tochter des Kaufmannes Carl Jacob Poppelauer und seiner Ehefrau Sara geb. Jacoby in der Oranienstraße 48, Berlin, geboren worden. Ihr Vater war der Inhaber eines Leinen- und Baumwollwarengeschäfts im Parterre ihres Wohnhauses. Dort blieb auch der Laden, als die Eltern wenig später in die Luckauer Straße zogen und 1890 in die Schmidstraße 7. Ob Gertrud Geschwister hatte, wissen wir nicht. Vielleicht war sie mit Moritz Poppelauer verwandt, ein bekannter Buchhändler und Verleger jüdischer Literatur, dessen Buchhandlung in der Neuen Friedrichstraße war. Laut Heiratsurkunde erlernte Gertrud keinen „besonderen Beruf“. Am 4. September 1902 heiratete sie Max Zuttermann und verbrachte mit ihm die Flitterwochen in Bad Homburg, im Hotel Bellevue, wie eine Gästeliste bezeugt.

Max und Gertrud bezogen eine Wohnung am Holsteiner Ufer 5. 1905 kam ihre erste Tochter Eva, zur Welt, ein Jahr später die zweite, Susanne. Möglicherweise anlässlich der Familienerweiterung waren Zuttermanns in die Crefelder Straße 18 umgezogen. Um 1910 unterhielt Max Zuttermann wieder ein Geschäft mit einem Partner: die „Feine Herrenschneiderei Zuttermann & Haß“ in der Behrenstraße 24. Die Familie bezog nun eine Wohnung in der Mommsenstraße 19. Bald wechselten noch mal Partner und Geschäftsadresse, nun war es die „Englische Maßschneiderei Maaß & Zuttermann“, in der Französischen Straße 25/26. Diese Firma überstand jedoch nicht den Ersten Weltkrieg, 1917 betrieb Max Zuttermann wieder eine Schneiderei alleine, diesmal in der Französischen Straße 8. Diesen Laden hat er 1930 aufgegeben, möglicherweise eine Folge der Weltwirtschaftskrise. Im Adressbuch ist er weiterhin in der Mommsenstraße eingetragen, zunächst als Schneidermeister, dann allgemein als Kaufmann. Erst 1934, Max Zuttermann ist 66 Jahre alt, ziehen sie in die Giesebrechtstraße 11.

Möglicher Anlass für den Umzug könnte sein, dass die Töchter nun aus dem Haus waren. Eva heiratete 1934 einen Engländer namens Mitchell, den sie vermutlich durch ihre Arbeit kennen gelernt hatte. Seit 1928 war sie in der Berliner Niederlassung von Price Waterhouse tätig, eine Wirtschaftsprüferfirma. Durch ihre Ehe hatte sie die englische Staatsbürgerschaft erworben und konnte 1939 Deutschland Richtung London verlassen. Tochter Susanne war mit Heinz Block verheiratet, das Datum der Eheschließung ist nicht bekannt. Das Paar wanderte später nach Paraguay aus.

Max und Gertrud blieben in der Giesebrechtstraße und hatten nun die zunehmenden Schikanen und Einschränkungen für Juden seitens des NS-Regimes zu gewärtigen. Sie nahmen 1935 Fritz Hirschfeldt als Untermieter auf, ob das freiwillig war, ist nicht sicher. Mit ihm teilten sie fortan Diskriminierung und Verfolgung. Juden wurden, vor allem nach den Novemberpogromen 1938, durch immer neue Verordnungen nach und nach vollständig aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, durch ständig weitere Steuern und Abgaben verarmt, sie konnten sich nicht mehr frei bewegen und auch nicht über evtl. vorhandenes Vermögen frei verfügen. Unter diesen Umständen konnten auch Max und Gertrud Zuttermann eine Auswanderung zu ihren Kindern, wie sie etwa die Schwiegermutter von Susanne, Elise Block plante, nicht bewerkstelligen.

Auswanderungen – zunächst von den Nationalsozialisten erwünscht - wurden 1941 gänzlich verboten. Stattdessen setzte die Regierung auf die grausame Politik der Deportationen und Ermordungen. Gleich mit dem ersten Deportationszug aus Berlin am 18. Oktober 1941 mussten Max und Gertrud Zuttermann, zusammen mit Fritz Hirschfeldt, ihre Wohnung, ihre Stadt, ihr Land verlassen und verloren letztlich auch ihr Leben. Der Zug ging vom Gleis 17 im Bahnhof Grunewald ab, Ziel war das Ghetto Lodz.

In dem hoffnungslos überfüllten Ghetto wurden sie hinter Stacheldraht und unter menschenunwürdigen Lebensverhältnissen im Bleichweg 21/7, „eingesiedelt“, wie es offiziell hieß. Da sie trotz ihres Alters - Max war 73, Gertrud 65 Jahre alt – als „arbeitsfähig“ eingestuft worden waren, mussten sie möglicherweise Zwangsarbeit leisten, in Munitionsfabriken oder, in Anbetracht von Maxens Beruf wahrscheinlicher, in einer Uniformschneiderei. Katastrophale Hygienezustände, Kälte, Hunger und Krankheiten kamen hinzu.

Gertrud Zuttermann ertrug diese harten Bedingungen nur wenige Wochen. Am 20. Dezember 1941 erlag sie den Verhältnissen im Ghetto. Max Zuttermann überlebte seine Frau keinen Monat. Am 15. Januar 1942 starb auch er an den verheerenden Lebensumständen.

Eva Mitchell, die ältere Tochter, starb 1961 in London. Susana (vormals Susanne) Block bekam in Paraguay 1943 und 1948 zwei Söhne, Pedro Ismael und Walter Maximiliano, ihr Mann Heinz Block starb 1949 in Montevideo (Uruguay). Susanas Schwiegermutter Elise Block geb. Seligmann wurde am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort bereits am folgenden 26. September. Für sie liegt ein Stolperstein vor dem Haus Leopoldstraße 32 in Marzahn-Hellersdorf - Kaulsdorf (www.stolpersteine-berlin.de/de/bio…).

Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; www.statistik-des-holocaust.de/lis…