Franziska Borchardt geb. Pasmantier

Verlegeort
Pallasstr. 12
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
20. April 2012
Geboren
13. Januar 1889 in Warszawa (Russisches Reich) / dt. Warschau
Deportation
am 19. Oktober 1942 nach Riga
Ermordet
22. Oktober 1942 in Riga

Franziska Pasmantier wurde am 13. Januar 1889 als Tochter von Chaim und Marie Pasmantier in Warschau, das damals zu Russland gehörte, geboren. Dort wuchs sie mit mehreren Geschwistern auf (darunter die Schwestern Emma, Bella und Regina und die Brüder Adolf und Judka). Die Familie übersiedelte schließlich nach Berlin. 1920 heiratete Franziska Pasmantier den Kaufmann Jacques Borchardt, Inhaber einer Wollwarenfabrik. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Helmut Michael (*20. Oktober 1922), Lilli Flora (*25. Januar 1926) und Irene (*31. Januar 1929).<br />
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Borchardts lebten in wirtschaftlich guten Verhältnissen und wohnten zunächst in einem Einfamilienhaus in der Villenkolonie Nikolassee im Bezirk Zehlendorf. Eine Hausangestellte half bei der Erziehung der Kinder. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste die Familie ihr Heim in der Dreilindenstraße 23 verlassen und zog in die Innenstadt. <br />
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Nachdem die Wollwarenfabrik ihres Mannes enteignet worden war, arbeitete Franziska Borchardt als Sekretärin (den Erinnerungen der Tochter Irene zufolge in einer jüdischen Kunstschule).<br />
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Wie viele Eltern versuchten auch Borchardts, zunächst ihren Kindern die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen – in der Hoffnung, ihnen bald folgen zu können. Im Mai 1939 gelangte die jüngste Tochter mit einem der „Kindertransporte“ nach England. Die nichtjüdische Familie Shaxson, die mit ihren vier Jungen in Midhurst in Südengland wohnte, nahm das Mädchen auf. Schon im September 1939 wurde Irene, die bis zu ihrer Ausreise kein Wort Englisch sprach, eingeschult.<br />
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Offenbar sollte die dreizehnjährige Lilli im Herbst 1939 ihrer Schwester nach England folgen. Doch dieser Plan zerschlug sich nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Nur brieflich konnte Franziska Borchardt den Kontakt mit ihrer Tochter aufrecht erhalten. Sie ermahnte sie, stets „artig und folgsam“ zu sein und sich ihrer Gastfamilie gegenüber dankbar zu erweisen – wohl aus Angst, Familie Shaxson könnte das Mädchen sonst womöglich nach Deutschland zurückschicken. Sie forderte Irene auch auf, die deutsche Sprache „unter keinen Umständen (zu) verlernen, im Gegenteil, Du musst Dich darin verbessern; es ist Dein Geburtsland“. <br />
<br />
Aufgrund der Zensur konnte Franziska Borchardt in ihren Briefen nur vage Andeutungen über ihr Leben machen, das immer stärkeren Restriktionen ausgesetzt war. So schreibt sie beispielsweise im Juli 1939, sie wolle mit Lilli in den Schulferien einige Ausflüge machen, es sei „nur so schwierig, weil man nicht weiß, wo man hindarf“. <br />
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Im Juni 1941 musste die Familie von der Pallasstraße 12 in Berlin-Schöneberg in die Ebersstraße 18 ziehen. Dort wohnten sie zur Untermiete bei der Fotografin Edith Löwenthal. Franziska Borchardt arbeitete nun als Sekretärin bei der Jüdischen Kultusvereinigung in der Oranienburger Straße 26. Schließlich wurde sie im Juni 1942 gewaltsam von Mann und Sohn getrennt, die nach Minsk deportiert wurden.<br />
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Am 14. Oktober 1942 informierte Franziska Borchardt ihre jüngste Tochter über eine bevorstehende „Reise“: „Inniggeliebtes Irenchen! Ich fahre mit Lilli zu Papa und Helmut. Bleibe gesund und brav. Gott erhalte Dir Deinen Frohsinn. Innigste Grüsse, Küsse, Mami, Lilli.“ Es war die letzte kurze Nachricht – mehr als 25 Wörter waren nicht erlaubt –, die Irene Borchardt via Rotes Kreuz von ihrer Mutter erhielt.<br />
<br />
Franziska und Lilli Borchardt wurden am 19. Oktober 1942 mit dem 21.Transport nach Riga deportiert und am 22. Oktober, unmittelbar nach ihrer Ankunft, in den umliegenden Wäldern ermordet. <br />
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Irene Borchardt überlebte als Einzige von ihrer Familie. 1948 wanderte sie nach Palästina aus, wo sie heiratete und drei Kinder bekam. Was die letzte Mitteilung ihrer Mutter wirklich bedeutete, habe sie erst später begriffen, ließ sie in einer Ansprache anlässlich der Stolpersteinverlegung im April 2012 für ihre Eltern und Geschwister mitteilen.<br />

Franziska Pasmantier wurde am 13. Januar 1889 als Tochter von Chaim und Marie Pasmantier in Warschau, das damals zu Russland gehörte, geboren. Dort wuchs sie mit mehreren Geschwistern auf (darunter die Schwestern Emma, Bella und Regina und die Brüder Adolf und Judka). Die Familie übersiedelte schließlich nach Berlin. 1920 heiratete Franziska Pasmantier den Kaufmann Jacques Borchardt, Inhaber einer Wollwarenfabrik. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Helmut Michael (*20. Oktober 1922), Lilli Flora (*25. Januar 1926) und Irene (*31. Januar 1929).

Borchardts lebten in wirtschaftlich guten Verhältnissen und wohnten zunächst in einem Einfamilienhaus in der Villenkolonie Nikolassee im Bezirk Zehlendorf. Eine Hausangestellte half bei der Erziehung der Kinder. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste die Familie ihr Heim in der Dreilindenstraße 23 verlassen und zog in die Innenstadt.

Nachdem die Wollwarenfabrik ihres Mannes enteignet worden war, arbeitete Franziska Borchardt als Sekretärin (den Erinnerungen der Tochter Irene zufolge in einer jüdischen Kunstschule).

Wie viele Eltern versuchten auch Borchardts, zunächst ihren Kindern die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen – in der Hoffnung, ihnen bald folgen zu können. Im Mai 1939 gelangte die jüngste Tochter mit einem der „Kindertransporte“ nach England. Die nichtjüdische Familie Shaxson, die mit ihren vier Jungen in Midhurst in Südengland wohnte, nahm das Mädchen auf. Schon im September 1939 wurde Irene, die bis zu ihrer Ausreise kein Wort Englisch sprach, eingeschult.

Offenbar sollte die dreizehnjährige Lilli im Herbst 1939 ihrer Schwester nach England folgen. Doch dieser Plan zerschlug sich nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Nur brieflich konnte Franziska Borchardt den Kontakt mit ihrer Tochter aufrecht erhalten. Sie ermahnte sie, stets „artig und folgsam“ zu sein und sich ihrer Gastfamilie gegenüber dankbar zu erweisen – wohl aus Angst, Familie Shaxson könnte das Mädchen sonst womöglich nach Deutschland zurückschicken. Sie forderte Irene auch auf, die deutsche Sprache „unter keinen Umständen (zu) verlernen, im Gegenteil, Du musst Dich darin verbessern; es ist Dein Geburtsland“.

Aufgrund der Zensur konnte Franziska Borchardt in ihren Briefen nur vage Andeutungen über ihr Leben machen, das immer stärkeren Restriktionen ausgesetzt war. So schreibt sie beispielsweise im Juli 1939, sie wolle mit Lilli in den Schulferien einige Ausflüge machen, es sei „nur so schwierig, weil man nicht weiß, wo man hindarf“.

Im Juni 1941 musste die Familie von der Pallasstraße 12 in Berlin-Schöneberg in die Ebersstraße 18 ziehen. Dort wohnten sie zur Untermiete bei der Fotografin Edith Löwenthal. Franziska Borchardt arbeitete nun als Sekretärin bei der Jüdischen Kultusvereinigung in der Oranienburger Straße 26. Schließlich wurde sie im Juni 1942 gewaltsam von Mann und Sohn getrennt, die nach Minsk deportiert wurden.

Am 14. Oktober 1942 informierte Franziska Borchardt ihre jüngste Tochter über eine bevorstehende „Reise“: „Inniggeliebtes Irenchen! Ich fahre mit Lilli zu Papa und Helmut. Bleibe gesund und brav. Gott erhalte Dir Deinen Frohsinn. Innigste Grüsse, Küsse, Mami, Lilli.“ Es war die letzte kurze Nachricht – mehr als 25 Wörter waren nicht erlaubt –, die Irene Borchardt via Rotes Kreuz von ihrer Mutter erhielt.

Franziska und Lilli Borchardt wurden am 19. Oktober 1942 mit dem 21.Transport nach Riga deportiert und am 22. Oktober, unmittelbar nach ihrer Ankunft, in den umliegenden Wäldern ermordet.

Irene Borchardt überlebte als Einzige von ihrer Familie. 1948 wanderte sie nach Palästina aus, wo sie heiratete und drei Kinder bekam. Was die letzte Mitteilung ihrer Mutter wirklich bedeutete, habe sie erst später begriffen, ließ sie in einer Ansprache anlässlich der Stolpersteinverlegung im April 2012 für ihre Eltern und Geschwister mitteilen.