Henriette Harris geb. Lewek

Verlegeort
Markgraf-Albrecht-Str. 5
Bezirk/Ortsteil
Halensee
Verlegedatum
08. Mai 2012
Geboren
13. Januar 1861 in Konitz (Westpreußen) / Chojnice
Deportation
am 12. Januar 1943 nach Theresienstadt
Ermordet
22. März 1943 in Theresienstadt

Henriette Harris, geboren am 13. Januar 1861 als Henriette Lewek in Konitz (heute: Chojnize/Polen) im damaligen Westpreußen, hatte in der Markgraf-Albrecht-Straße 5 gewohnt – wahrscheinlich zusammen mit ihrem vor 1939 gestorbenen Mann und ihrer Tochter Regina. Von ihm ist nicht einmal der Vorname überliefert, von den beiden Frauen gibt es nur wenige Spuren.<br />
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Im November 1942 mussten sie kurzfristig unter Zwang in die Sybelstraße 35 umziehen, wo sie im Vorderhaus im 1. Stock bei Hartmann in einem möblierten Zimmer wohnten, für das sie 50 RM Miete im Monat zu zahlen hatten. In diesem Eckhaus am Holtzendorffplatz lebten außer ihnen mindestens 21 jüdische Menschen, die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns wurden. Zum Gedenken an sie sind dort Stolpersteine verlegt worden. Bewohner namens Hartmann sind nicht darunter.<br />
<br />
In ihre Vermögenserklärung, die sie vor der Deportation abgeben musste, diktierte Henriette Harris am 24. Dezember 1942 auf die Frage „Welche Familienangehörigen wandern mit aus?“: „Tochter“. Tatsächlich war dieses Dokument am Heiligen Abend ausgefüllt worden. Am 9. Januar 1943 hielt sie sich jedenfalls im Jüdischen Altersheim Gerlachstraße 21 auf. Offenbar hatte sie dort noch einen Heimplatz gefunden. Am 12. Januar 1943 wurde sie jedoch vom Bahnhof Grunewald ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie an ihrem 82. Geburtstag eintraf und am 22. März ums Leben kam.<br />
<br />
Henriette und Regina Harris hatten von ihrem Ererbten oder Ersparten wahrscheinlich gut leben können. Erhalten ist ein Schreiben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, die damals den für Deportationen zuständigen Nazi-Behörden unterstand, an den Oberfinanzpräsidenten Berlin/Brandenburg vom 29. August 1944: „Henriette Harris hat mit uns anlässlich ihrer Abwanderung einen Heimeinkaufsvertrag geschlossen und zur teilweisen Erfüllung des Vertrages den halben Anteil der Darlehenshypothek an den Bankier Otto Scheurmann abgetreten.“ Der Hypothekenbrief sei aber nicht aufzufinden. Unterschrieben ist dieser Brief von Dr. Hugo Ehrlich. Was genau dahinter steckte, ist nur zu vermuten.<br />
<br />
Ein Formular der Deutschen Bank, Zweigstelle Kurfürstendamm 92, listet das Vermögen von Henriette Harris auf. Demnach hatte sie auf dem Konto etwa 3300 RM und Aktien im Wert von 9500 RM. Bei der Union und Rhein Versicherungs AG hatte sie eine Police über 6000 RM. Im Grundbuch waren außerdem eine halbe Hypothek auf ein Grundstück der Molkereibesitzerin Anna Höke, Berlin-Buchholz, Berliner Straße 46, in Höhe von 5000 Reichsmark und zwei Hypotheken für einen Rechtsanwalt Ernst Gothe in Rüdersdorf bei Berlin von 2000 RM und einen Gottlieb Finke in Altlandsberg bei Berlin von 2997,58 RM eingetragen.<br />
<br />
Die Versicherungssumme der „außerhalb des Reichsgebiets abgeschobenen Jüdin Harris“ und die anderen Guthaben einschließlich der Grundschuld von Anna Höke sind am 11. Januar 1943 „durch Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamts zugunsten des Deutschen Reichs einzogen worden“. In diese Zeit fällt auch eine Anfrage der Union und Rhein beim Oberfinanzpräsidenten, woher sie „den fällig gewesenen Jahresbeitrag für eine Hausratversichrung von 6,60 RM“ bekommen könne.<br />
<br />
Zahlreiche Finanz- und Justizbeamte und das Amtsgericht Pankow waren daran beteiligt, sich des Vermögens der Harris-Frauen zu bemächtigen.<br />
<br />
Die mit ihrer Mutter zusammen lebende Regina Harris, geboren am 21. April 1890 in Briesen, war unverheiratet. Über ihr Leben ist nichts bekannt.<br />
<br />
Am 11. Januar 1943 befand sie sich im Sammellager im ehemaligen Jüdischen Altersheim an der Großen Hamburger Straße 26. Tags darauf wurde sie – am gleichen Tag wie ihre Mutter Henriette, aber mit einem anderen Zug – vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald im Alter von 52 Jahren ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert.<br />
<br />
Obergerichtsvollzieher Krönert, Friedenstraße 11, hielt fest: „Von der Untermieterin Harris befinden sich keine Sachen mehr hier. Nach Angabe der Hauswartin ist der Rest der Habe von der Harris mitgenommen worden. Die Einrichtungsgegenstände gehörten nach Angaben der Hauswartin dem Vermieter Hartmann.“ Regina Harris hatte über etwas Vermögen verfügt: Wertpapiere, eine Versicherung bei der Reichsversicherung für Angestellte und eine halbe Hypothek (die andere Hälfte hatte ihre Mutter) auf ein Grundstück der Molkereibesitzerin Anna Höke in Berlin-Buchholz über 5000 RM. Alles wurde eingezogen. Sie wurde umgebracht.

Henriette Harris, geboren am 13. Januar 1861 als Henriette Lewek in Konitz (heute: Chojnize/Polen) im damaligen Westpreußen, hatte in der Markgraf-Albrecht-Straße 5 gewohnt – wahrscheinlich zusammen mit ihrem vor 1939 gestorbenen Mann und ihrer Tochter Regina. Von ihm ist nicht einmal der Vorname überliefert, von den beiden Frauen gibt es nur wenige Spuren.

Im November 1942 mussten sie kurzfristig unter Zwang in die Sybelstraße 35 umziehen, wo sie im Vorderhaus im 1. Stock bei Hartmann in einem möblierten Zimmer wohnten, für das sie 50 RM Miete im Monat zu zahlen hatten. In diesem Eckhaus am Holtzendorffplatz lebten außer ihnen mindestens 21 jüdische Menschen, die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns wurden. Zum Gedenken an sie sind dort Stolpersteine verlegt worden. Bewohner namens Hartmann sind nicht darunter.

In ihre Vermögenserklärung, die sie vor der Deportation abgeben musste, diktierte Henriette Harris am 24. Dezember 1942 auf die Frage „Welche Familienangehörigen wandern mit aus?“: „Tochter“. Tatsächlich war dieses Dokument am Heiligen Abend ausgefüllt worden. Am 9. Januar 1943 hielt sie sich jedenfalls im Jüdischen Altersheim Gerlachstraße 21 auf. Offenbar hatte sie dort noch einen Heimplatz gefunden. Am 12. Januar 1943 wurde sie jedoch vom Bahnhof Grunewald ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie an ihrem 82. Geburtstag eintraf und am 22. März ums Leben kam.

Henriette und Regina Harris hatten von ihrem Ererbten oder Ersparten wahrscheinlich gut leben können. Erhalten ist ein Schreiben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, die damals den für Deportationen zuständigen Nazi-Behörden unterstand, an den Oberfinanzpräsidenten Berlin/Brandenburg vom 29. August 1944: „Henriette Harris hat mit uns anlässlich ihrer Abwanderung einen Heimeinkaufsvertrag geschlossen und zur teilweisen Erfüllung des Vertrages den halben Anteil der Darlehenshypothek an den Bankier Otto Scheurmann abgetreten.“ Der Hypothekenbrief sei aber nicht aufzufinden. Unterschrieben ist dieser Brief von Dr. Hugo Ehrlich. Was genau dahinter steckte, ist nur zu vermuten.

Ein Formular der Deutschen Bank, Zweigstelle Kurfürstendamm 92, listet das Vermögen von Henriette Harris auf. Demnach hatte sie auf dem Konto etwa 3300 RM und Aktien im Wert von 9500 RM. Bei der Union und Rhein Versicherungs AG hatte sie eine Police über 6000 RM. Im Grundbuch waren außerdem eine halbe Hypothek auf ein Grundstück der Molkereibesitzerin Anna Höke, Berlin-Buchholz, Berliner Straße 46, in Höhe von 5000 Reichsmark und zwei Hypotheken für einen Rechtsanwalt Ernst Gothe in Rüdersdorf bei Berlin von 2000 RM und einen Gottlieb Finke in Altlandsberg bei Berlin von 2997,58 RM eingetragen.

Die Versicherungssumme der „außerhalb des Reichsgebiets abgeschobenen Jüdin Harris“ und die anderen Guthaben einschließlich der Grundschuld von Anna Höke sind am 11. Januar 1943 „durch Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamts zugunsten des Deutschen Reichs einzogen worden“. In diese Zeit fällt auch eine Anfrage der Union und Rhein beim Oberfinanzpräsidenten, woher sie „den fällig gewesenen Jahresbeitrag für eine Hausratversichrung von 6,60 RM“ bekommen könne.

Zahlreiche Finanz- und Justizbeamte und das Amtsgericht Pankow waren daran beteiligt, sich des Vermögens der Harris-Frauen zu bemächtigen.

Die mit ihrer Mutter zusammen lebende Regina Harris, geboren am 21. April 1890 in Briesen, war unverheiratet. Über ihr Leben ist nichts bekannt.

Am 11. Januar 1943 befand sie sich im Sammellager im ehemaligen Jüdischen Altersheim an der Großen Hamburger Straße 26. Tags darauf wurde sie – am gleichen Tag wie ihre Mutter Henriette, aber mit einem anderen Zug – vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald im Alter von 52 Jahren ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert.

Obergerichtsvollzieher Krönert, Friedenstraße 11, hielt fest: „Von der Untermieterin Harris befinden sich keine Sachen mehr hier. Nach Angabe der Hauswartin ist der Rest der Habe von der Harris mitgenommen worden. Die Einrichtungsgegenstände gehörten nach Angaben der Hauswartin dem Vermieter Hartmann.“ Regina Harris hatte über etwas Vermögen verfügt: Wertpapiere, eine Versicherung bei der Reichsversicherung für Angestellte und eine halbe Hypothek (die andere Hälfte hatte ihre Mutter) auf ein Grundstück der Molkereibesitzerin Anna Höke in Berlin-Buchholz über 5000 RM. Alles wurde eingezogen. Sie wurde umgebracht.