Alfred Nathan Reisner

Verlegeort
Pestalozzistr. 15
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
26. April 2012
Geboren
10. Mai 1895 in Berlin
Deportation
am 06. November 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
18. April 1944 in Theresienstadt

Alfred Nathan Reisner wurde am 10. Mai 1895 in Berlin geboren. Er war sehr wahrscheinlich verwandt mit den Inhabern der 1863 gegründeten Zigarrenversandfirma Hermann Reisner in der Königsstrasse 48, möglicherweise war Hermann Reisner sein Großvater. Ab 1897 wurde die Firma von dessen Witwe Anna Reisner geb. Dames geleitet. 1906 übergab sie das Geschäft ihrem Sohn Arthur. Arthur Reisner hatte keine eigenen Kinder, vielleicht war einer seiner Brüder, Ernst oder Johannes, der Vater von Alfred. Die Firma hatte mittlerweile eine Filiale in der Kantstraße 136. Hier wohnte ab 1914 auch Elise Reisner, geb. Friedländer, vielleicht Alfreds Mutter. Denn 1927, dem Jahr, in dem Alfred Reisner selbst erstmalig im Adressbuch erscheint, lautete seine Adresse ebenfalls Kantstraße 136. 1928 sind sowohl Alfred Reisner wie Elise Reisner in die Schlüterstraße 22 vermerkt. Das bedeutet aber nicht, dass sie umgezogen sind, denn es handelt sich um das gleiche Haus: Kantstraße 136/Schlüterstraße 22 ist ein Eckhaus.

Alfred war Bankbeamter und hatte 1926 die Kunstgewerblerin Lilli Brandt geheiratet. Lilli Reisner, geb. Brandt, war die Tochter des Kaufmanns Max Moritz Brandt und seiner Frau Emma, geb. Gundermann. Als Lilli am 24. September 1895 geboren wurde, lebten die Eltern in der Brunnenstraße 152, zogen aber wenige Jahre darauf in die Wallnertheaterstraße 23, 1905 dann in die Grunewaldstraße 101 in Schöneberg. Dort wuchs Lilli ab ihrem 10. Lebensjahr auf. Sie hatte einen zwei Jahre älteren Bruder, Siegfried, und zwei Schwestern, Irma, Jahrgang 1897, und Hertha, 1899 geboren. Irma starb schon 1908. 1924 starb auch der Vater Moritz Brandt, seine Witwe wohnte weiter mit ihren Kindern in die Grunewaldstraße, das Haus war mittlerweile in 74 umnummeriert worden. Lilli machte in einer privaten Fachschule eine Ausbildung im Putzbereich, d.h. im Herstellen von Hut- und Kleiderschmuck. Im Ersten Weltkrieg ließ sie sich als Rote-Kreuz-Schwester ausbilden und arbeitete in einem Militärlazarett. Nach dem Krieg machte sie sich als Kunstgewerblerin selbständig, stellte, so ihre Schwester, „Teepuppen, Lampenschirme, Kuchenglocken und auch Wollpuppen nach eigenen Entwürfen“ her, die sie an Läden und Privatkunden verkaufte. Außerdem betrieb sie einen privaten Kindergarten, in dem sie bis zu 20 Kinder betreute. Dafür mietete sie ein kleines Haus mit Garten in der Laubenkolonie an der Innsbrucker Straße. Den Kindergarten betrieb sie auch nach ihrer Heirat weiter, bis sie ihn Ende 1938 verfolgungsbedingt aufgeben musste.

Bis zu ihrer Heirat wohnte Lilli mit Mutter und Geschwistern in der Grunewaldstraße 74, mit Alfred dann in der Kantstraße 136 und/oder Schlüterstraße 22. Im Februar 1929 brachte sie eine Tochter zur Welt, Miriam, die jedoch schon zwei Monate später starb. 1932 zogen Reisners in die Kantstraße 120 um, Elise Reisner blieb in der Schlüterstraße. Laut Adressbuch war Alfred weiterhin Bankbeamter, eine Stellung, die er später verlor, sicherlich aufgrund der Rassenverfolgung, um dann als Buchhalter zu arbeiten. Als solcher wurde er bei der Jüdischen Gemeinde angestellt. Das war wohl auch der Grund, warum er 1939 eine 3-Zimmer-Wohnung in der Pestalozzistraße 15, Hochparterre rechts, beziehen konnte, zu einem Zeitpunkt, als Juden immer öfter gedrängt wurden, größere Wohnungen für Nicht-Juden zu räumen. Auch Emma Brandt, die weiterhin in der Grunewaldstraße 74 wohnte, sah sich genötigt, ihre Wohnung aufzugeben und zog 1940 zu ihrer Tochter in die Pestalozzistraße.

Nachdem Lilli sich gezwungen sah, 1938 ihren Kindergarten zu schließen – nicht-jüdische Kinder blieben aus antisemitischen Gründen weg, viele jüdische aber auch, da ihre Eltern aus Deutschland auswanderten –, nahmen Reisners einen Untermieter auf, vermutlich den 1939 erst 16-jährigen Martin Lwowski aus Zwickau. Als ein Jahr darauf auch Lillis Mutter in die Wohnung zog, lebte die Familie ziemlich beengt. Inzwischen hatten die antisemitischen Maßnahmen stark zugenommen, die das Alltagsleben der Juden immer weiter einschränkten und sie praktisch aus dem öffentlichen Leben ausschlossen. Zudem wurde Lilli zur Zwangsarbeit als Stanzerin bei der Görler Transformatorenfabrik, Flottenstraße 58 in Reinickendorf Ost, verpflichtet. Alfred konnte offenbar seine Arbeit bei der Jüdischen Gemeinde behalten.

Ende September/Anfang Oktober 1942 wurde Lillis Mutter Emma Brandt von der Gestapo abgeholt und am 3. Oktober nach Theresienstadt deportiert. Emma war am 8. Dezember 1868 in Halle a. d. Saale geboren worden, ihre Eltern waren Louis Gundermann und Charlotte Guttman. Ihr Zimmer in der Pestalozzistraße wurde von der Oberfinanzdirektion versiegelt, so dass Reisners es nicht mehr nutzen konnten. Sie hätten auch nicht viel davon gehabt, denn gut vier Wochen später, am 2. und 3. November, mussten sie jeweils ihre „Vermögenserklärung“ ausfüllen – zu diesem Zeitpunkt waren sie womöglich schon von der Gestapo in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 verbracht worden. Alfred Reisner gab an, zuletzt drei Untermieter gehabt zu haben: Emil Adam und ein Herr Katz teilten sich ein Zimmer, ein Herr Aronheim bewohnte die Kammer. Emil Adam, Jahrgang 1899, wurde am 12. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Aronheim blieb noch ein halbes Jahr in der Wohnung, bevor sie geräumt und das Inventar verkauft wurde – Emmi Brandts Zimmer war da noch immer versiegelt. Das Schicksal von Aronheim und Katz ist nicht geklärt. Vielleicht handelte es sich bei letzterem um den jungen Arno Katz, Jahrgang 1921, dessen Mutter Johanna bereits am 3. Oktober 1942, zusammen mit Emmi Brandt, deportiert worden war. Arno Katz wurde selber am 19. Februar 1943 nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Alfred und Lilli Reisner wurden vom Lager in der Großen Hamburger Straße aus am 6. November 1942 nach Theresienstadt deportiert. In Theresienstadt erwarteten sie schwer erträgliche Lebensumstände: Kälte, Hunger, Raumnot und völlig unzureichende gesundheitliche und sanitäre Bedingungen führten bei vielen Insassen zum frühen Tod. Ein kleiner Trost mag für Lilli gewesen sein, dass sie dort ihre Mutter wiedersehen konnte und mit ihr eine dürftige Unterkunft in der Parkstraße 4 teilen. Aber Emmi Brandt überlebte die katastrophalen Umstände kein Jahr: wie viele, ereilte sie eine Darmkrankheit, am 10. August 1943 starb sie, offiziell an „Herzmuskelentartung“, wie die beschönigende „Todesfallanzeige“ vermerkt. Acht Monate später, am 18. April 1944, erlag auch Alfred Reisner den todbringenden Daseinsbedingungen. Lilli Reisner, die noch die Kraft fand, weiter zu überleben, wurde am 9. Oktober des gleichen Jahres zusammen mit nicht weniger als 1600 Leidensgenossen nach Auschwitz weiter verschleppt und dort ermordet. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt. 

Lillis Schwester Hertha konnte sich rechtzeitig nach London retten. Nicht so der Bruder Siegfried Brandt: Nachdem sich seine Frau Gertrud geb. Danziger am 27. Juli 1940 das Leben genommen hatte, blieb er mit der achtjährigen Tochter Eva in seiner Wohnung in der Kleiststraße 25 zurück. Am 2. März 1943 wurden sie beide nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Eva war 11 Jahre alt, ihr Vater knapp 50.

 

Alfred Nathan  Reisner wurde am 10. Mai 1895 in Berlin geboren. Sein Vater war Wilhelm Wolff Reisner, die Mutter Elise Reisner, geb. Friedländer. Als Alfred vier Jahre alt war, ließen sich die Eltern scheiden. Alfred blieb bei der Mutter, Wilhelm Wolff Reisner heiratete erneut und emigrierte zu einem unbekannten Zeitpunkt in die USA. Er und seine Frau Meta Minna geb. Strase verstarben in Kendalville, Indiana. Elise ist in den Berliner Adressbüchern in der Kantstraße 136 verzeichnet. Im gleichen Haus befand sich auch eine Filiale der Firma Hermann Reisner Zigarrenversand, geleitet von dem Sohn des Gründers, Arthur Reisner, möglicherweise ein Verwandter von Alfred. 1927 ist der frisch verheiratete Alfred laut Adressbuch ebenfalls in der Kantstraße 136 wohnhaft, vielleicht in einer anderen Wohnung als seine Mutter. 1928 sind sowohl Alfred Reisner wie Elise Reisner in der Schlüterstraße 22 vermerkt. Das bededeutet aber nicht, dass sie umgezogen sind, denn es handelt sich um das gleiche Haus: Kantstraße 136/Schlüterstraße 22 ist ein Eckhaus.

Alfred war Bankbeamter und hatte 1926 die Kunstgewerblerin Lilli Brandt geheiratet. Lilli Reisner, geb. Brandt, war die Tochter des Kaufmanns Max Moritz Brandt und seiner Frau Emma, geb. Gundermann. Als Lilli am 24. September 1895 geboren wurde, lebten die Eltern in der Brunnenstraße 152, zogen aber wenige Jahre darauf in die Wallnertheaterstraße 23, 1905 dann in die Grunewaldstraße 101 in Schöneberg. Dort wuchs Lilli ab ihrem 10. Lebensjahr auf. Sie hatte einen zwei Jahre älteren Bruder, Siegfried, und zwei Schwestern, Irma, Jahrgang 1897, und Hertha, 1899 geboren. Irma starb schon 1908. 1924 starb auch der Vater Moritz Brandt, seine Witwe wohnte weiter mit ihren Kindern in die Grunewaldstraße, das Haus war mittlerweile in 74 umnummeriert worden. Lilli machte in einer privaten Fachschule eine Ausbildung im Putzbereich, d.h. im Herstellen von Hut- und Kleiderschmuck. Im Ersten Weltkrieg ließ sie sich als Rote-Kreuz-Schwester ausbilden und arbeitete in einem Militärlazarett. Nach dem Krieg machte sie sich als Kunstgewerblerin selbständig, stellte, so ihre Schwester, „Teepuppen, Lampenschirme, Kuchenglocken und auch Wollpuppen nach eigenen Entwürfen“ her, die sie an Läden und Privatkunden verkaufte. Außerdem betrieb sie einen privaten Kindergarten, in dem sie bis zu 20 Kinder betreute. Dafür mietete sie ein kleines Haus mit Garten in der Laubenkolonie an der Innsbrucker Straße. Den Kindergarten betrieb sie auch nach ihrer Heirat weiter, bis sie ihn Ende 1938 verfolgungsbedingt aufgeben musste.

Bis zu ihrer Heirat wohnte Lilli mit Mutter und Geschwistern in der Grunewaldstraße 74, mit Alfred dann in der Kantstraße 136 und/oder Schlüterstraße 22. Im Februar 1929 brachte sie eine Tochter zur Welt, Miriam, die jedoch schon zwei Monate später starb. 1932 zogen Reisners in die Kantstraße 120 um, Elise Reisner blieb in der Schlüterstraße. Laut Adressbuch war Alfred weiterhin Bankbeamter, eine Stellung, die er später verlor, sicherlich aufgrund der Rassenverfolgung, um dann als Buchhalter zu arbeiten. Als solcher wurde er bei der Jüdischen Gemeinde angestellt. Das war wohl auch der Grund, warum er 1939 eine 3-Zimmer-Wohnung in der Pestalozzistraße 15, Hochparterre rechts, beziehen konnte, zu einem Zeitpunkt, als Juden immer öfter gedrängt wurden, größere Wohnungen für Nicht-Juden zu räumen. Auch Emma Brandt, die weiterhin in der Grunewaldstraße 74 wohnte, sah sich genötigt, ihre Wohnung aufzugeben und zog 1940 zu ihrer Tochter in die Pestalozzistraße.

Nachdem Lilli sich gezwungen sah, 1938 ihren Kindergarten zu schließen – nicht-jüdische Kinder blieben aus antisemitischen Gründen weg, viele jüdische aber auch, da ihre Eltern aus Deutschland auswanderten –, nahmen Reisners einen Untermieter auf, vermutlich den 1939 erst 16-jährigen Martin Lwowski aus Zwickau. Als ein Jahr darauf auch Lillis Mutter in die Wohnung zog, lebte die Familie ziemlich beengt. Inzwischen hatten die antisemitischen Maßnahmen stark zugenommen, die das Alltagsleben der Juden immer weiter einschränkten und sie praktisch aus dem öffentlichen Leben ausschlossen. Zudem wurde Lilli zur Zwangsarbeit als Stanzerin bei der Görler Transformatorenfabrik, Flottenstraße 58 in Reinickendorf Ost, verpflichtet. Alfred konnte offenbar seine Arbeit bei der Jüdischen Gemeinde behalten.

Ende September/Anfang Oktober 1942 wurde Lillis Mutter Emma Brandt von der Gestapo abgeholt und am 3. Oktober nach Theresienstadt deportiert. Emma war am 8. Dezember 1868 in Halle a. d. Saale geboren worden, ihre Eltern waren Louis Gundermann und Charlotte Guttman. Ihr Zimmer in der Pestalozzistraße wurde von der Oberfinanzdirektion versiegelt, so dass Reisners es nicht mehr nutzen konnten. Sie hätten auch nicht viel davon gehabt, denn gut vier Wochen später, am 2. und 3. November, mussten sie jeweils ihre „Vermögenserklärung“ ausfüllen – zu diesem Zeitpunkt waren sie womöglich schon von der Gestapo in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 verbracht worden. Alfred Reisner gab an, zuletzt drei Untermieter gehabt zu haben: Emil Adam und ein Herr Katz teilten sich ein Zimmer, ein Herr Aronheim bewohnte die Kammer. Emil Adam, Jahrgang 1899, wurde am 12. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Aronheim blieb noch ein halbes Jahr in der Wohnung, bevor sie geräumt und das Inventar verkauft wurde – Emmi Brandts Zimmer war da noch immer versiegelt. Das Schicksal von Aronheim und Katz ist nicht geklärt. Vielleicht handelte es sich bei letzterem um den jungen Arno Katz, Jahrgang 1921, dessen Mutter Johanna bereits am 3. Oktober 1942, zusammen mit Emmi Brandt, deportiert worden war. Arno Katz wurde selber am 19. Februar 1943 nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Alfred und Lilli Reisner wurden vom Lager in der Großen Hamburger Straße aus am 6. November 1942 nach Theresienstadt deportiert. In Theresienstadt erwarteten sie schwer erträgliche Lebensumstände: Kälte, Hunger, Raumnot und völlig unzureichende gesundheitliche und sanitäre Bedingungen führten bei vielen Insassen zum frühen Tod. Ein kleiner Trost mag für Lilli gewesen sein, dass sie dort ihre Mutter wiedersehen konnte und mit ihr eine dürftige Unterkunft in der Parkstraße 4 teilen. Aber Emmi Brandt überlebte die katastrophalen Umstände kein Jahr: wie viele, ereilte sie eine Darmkrankheit, am 10. August 1943 starb sie, offiziell an „Herzmuskelentartung“, wie die beschönigende „Todesfallanzeige“ vermerkt. Acht Monate später, am 18. April 1944, erlag auch Alfred Reisner den todbringenden Daseinsbedingungen. Lilli Reisner, die noch die Kraft fand, weiter zu überleben, wurde am 9. Oktober des gleichen Jahres zusammen mit nicht weniger als 1600 Leidensgenossen nach Auschwitz weiter verschleppt und dort ermordet. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt. 

Lillis Schwester Hertha konnte sich rechtzeitig nach London retten. Nicht so der Bruder Siegfried Brandt: Nachdem sich seine Frau Gertrud geb. Danziger am 27. Juli 1940 das Leben genommen hatte, blieb er mit der achtjährigen Tochter Eva in seiner Wohnung in der Kleiststraße 25 zurück. Am 2. März 1943 wurden sie beide nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Eva war 11 Jahre alt, ihr Vater knapp 50.