Richard Salomon

Verlegeort
Uhlandstr. 162
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
23. August 2011
Geboren
25. Juni 1894 in Berlin
Deportation
am 14. Dezember 1942 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Richard Salomon, geboren am 25. Juni 1894 in Charlottenburg, stammte, worauf er stets mit Stolz verwies, aus einer angesehenen, zeitweilig wohl auch sehr wohlhabenden, vor allem aber alteingesessenen jüdischen Familie. Seine väterlichen Vorfahren waren bereits im 18. Jahrhundert, von Holland herkommend, nach Pommern eingewandert, wo sie sich in der Gegend um Körlin ansiedelten. Von dort zog dann die urgroßväterliche Familie schon im Jahre 1833 nach Berlin.<br />
Sein Vater Ernst Salomon (1860 – 1937) brachte es als „Importeur von Lammfellen für die Handschuhfabrikation“ bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg zu so beachtlichem Wohlstand, dass er es sich leisten konnte, seinen Sohn durch Privatunterricht auf die Kaiser-Friedrich-Schule vorbereiten zu lassen. Salomons Mutter, Marianne Bunzel (1867 – 1942) war die Tochter eines der angesehensten Kaffeeimporteure in Hamburg.<br />
<br />
Obwohl in seiner Jugend häufig krank, gehörte Richard Salomon doch immer zu den Besten seiner Klasse. Vermutlich hat er bereits in der Familie vielfältige Anregungen erfahren, etwa durch seinen älteren und völlig „verlesenen“ Bruder, den späteren Politologen und verantwortlichen Redakteur der sozialdemokratischen Zeitschrift „Die Gesellschaft“, Albert Salomon (1891 – 1966). Oder auch durch seine Tante, die weithin bekannte Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin Alice Salomon (1872 – 1948). Und selbst sein durch Geschäftsreisen häufig abwesender Vater – den Worten seines Erstgeborenen Albert nach ein wahres Sprachgenie – wird einen gewissen Einfluss auf die intellektuelle Entwicklung seines Sohnes Richard ausgeübt haben.<br />
Von wem, wenn nicht von ihm, sollte dessen besonderes Interesse sowohl für die antiken wie modernen Fremdsprachen ausgegangen sein, das noch Richard Salomons Abitur-Lebenslauf unterstreicht?<br />
<br />
Nach dem Abitur 1912 folgte ein Jura-Studium in Freiburg, Heidelberg und Berlin. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Richard Salomon sofort freiwillig. Nachdem er bei der ersten Musterung aufgrund seiner Kurzsichtigkeit zunächst auf ein Jahr vom Militärdienst zurückgestellt worden war, eilte er schon nach zehn Monaten, wiederum freiwillig, erneut zu den Waffen – ausgerechnet zu einer neugebildeten Gebirgskompanie, mit der es ins Feld zog. Hinter dieser steten Freiwilligkeit stand natürlich auch der Wunsch, allen zu beweisen, dass er, der Jude Richard Salomon, ein „guter Deutscher“ sei, dass es ihm weder an Pflichtgefühl und Opferbereitschaft, noch an wahrer patriotischer Gesinnung mangele. Für das „Vaterland“ gab er schließlich seine Gesundheit. Bei Gebirgskämpfen in Rumänien zog er sich schwerste Erfrierungen zu, unter deren Folgen er sein Leben lang litt. <br />
<br />
„Durchgerüttelt“ vom Krieg schloss Richard Salomon 1920 sein Jura-Studium mit der Promotion ab. Von 1923 an arbeitete er selbständig als Rechtsanwalt und ab 1931 als Notar. Doch schon zwei Jahre später erteilten ihm die an die Macht gekommenen Nationalsozialisten Berufsverbot, wogegen er als ehemaliger Frontsoldat zunächst erfolgreich Einspruch erhob. Bis 1935 konnte er Notar, bis 1938 Rechtsanwalt bleiben. <br />
<br />
Seine Überzeugung, dass ihm als guten Deutschen, der seinen Beruf stets in einwandfreier und makelloser Weise ausgeübt habe, nur ein Unrecht widerfahre, das aus der Welt zu schaffen sei, war eines der Motive, warum Salomon in der Anfangszeit der nationalsozialistischen Diktatur eine Emigration nicht in Erwägung zog. Er glaubte, sich derlei Gedanken auch gar nicht erlauben zu dürfen, hatte er doch für eine Familie zu sorgen, nicht nur für seine aus Schwedt an der Oder stammende Ehefrau Edith, die er 1924 geheiratet hatte, und für die 1928 geborenen Tochter Ilse, sondern auch für seine betagten Eltern, zumal der Vater 1931 sein gesamtes Vermögen verloren hatte.<br />
Das Gefühl der Unentbehrlichkeit ließ ihn freilich nicht die Dinge ignorieren, die um ihn herum passierten und sein eigenes Leben im Kern betrafen. Er führe, „wie die meisten, ein sehr zurückgezogenes Leben, ohne Theater u. Konzerte“, aber wenigstens sei er gesund, schrieb Richard an seinen in Amerika lebenden Bruder. Von seiner beruflichen Lage könne man Ähnliches nicht ohne Weiteres behaupten. Er führe ein Leben mit kurzfristiger Planung, woran er sich erst gewöhnen müsse.<br />
<br />
Auf die Bitten seines Bruders Albert, ihm nach Amerika zu folgen, reagierte Richard eher ausweichend und ließ dabei eine gewissen Unentschlossenheit und Zukunftsangst erkennen. Auf bloße Hoffnungen wollte er sich nicht in dieses Abenteuer stürzen. „Sich drüben 3 Wochen hinzusetzen und zu warten, ob man irgendwohin gerufen“ werde, das schien ihm dann doch eine zu vage Aussicht. Hinzu kam, dass Richard Salomon 1936 erkrankte. Er sei „nervenmässig nicht auf der Höhe“, schrieb er nach Amerika. Alle folgenden Briefe mit Nachrichten über sein Ergehen sind von seiner Ehefrau Edith geschrieben. Richard Salomon selbst war dazu nicht mehr in der Lage. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich so rapide, dass er in eine Nervenheilanstalt eingeliefert werden musste.<br />
<br />
Seine Frau, gezwungen wichtige Überlebensentscheidungen zu treffen, schickte zunächst ihre Tochter Ilse mit einem sogenannten Kindertransport nach Großbritannien. Dann erst und nachdem sie sich vom völlig hoffnungslosen Zustand ihres Mannes überzeugt hatte, folgte sie im Juni 1939 schweren Herzens ihrer Tochter nach England, später in die USA. Ihre ganze Verzweiflung über eine ausweglose Situation fasste sie in dem Satz zusammen: „Über Richards Schicksal darf ich gar nicht nachdenken, was soll nur aus ihm hier allein und ohne Geld werden!“ Am 5. August 1942 hatte Richards Mutter Marianne Salomon, geborene Bunzel, Selbstmord begangen.<br />
<br />
Seit 1933 hatten Richard, Edith und Ilse in der Uhlandstraße 162 gewohnt. Bei der Volkszählung im Mai 1939 – Juden wurden in einer gesonderten Kartei erfasst – wurden Richard und Edith dort registriert, Richard mit dem Vermerk „vorübergehend abwesend“. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in der Heil- und Pflegeanstalt Berolinum, Leonorenstraße 14/16 in Lankwitz. Sicher war er noch dort, als einen Monat später Edith Salomon nach England flüchtete. <br />
<br />
Wider Erwarten genas Richard von seinem Leiden, konnte jedoch nicht in die Uhlandstraße zurückkehren. Er bezog ein Zimmer zur Untermiete in der Gervinusstraße 34. Auch seinen Beruf konnte er nicht mehr ausüben, im September 1938 waren alle jüdischen Rechtsanwälte aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen worden, sie durften lediglich als „Konsulenten“ Juden rechtlich beraten und vertreten. Auch Richard Salomon war als Rechtsberater tätig, bis er Anfang Dezember 1942 zur Deportation in dem Sammellager Große Hamburger Straße 26 interniert wurde. Am 14. Dezember verließ der als „25. Osttransport“ getarnte Deportationszug den Güterbahnhof Moabit mit weiteren 815 Schicksalsgefährten. Da als Ziel lediglich „nach dem Osten“ angegeben war, wurde gelegentlich angenommen, der Zug sei nach Riga gefahren. Inzwischen weiß man, dass die Menschen nach Auschwitz verschleppt wurden. Ein genaues Todesdatum ist für Richard Salomon nicht bekannt. Vermutlich wurde er unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz ermordet.<br />
<br />
Nach Angaben der „Sterbebücher von Auschwitz“ hat auch keine der Personen, die zunächst als „arbeitsfähig“ registriert worden waren, den Beginn des Monats Februar 1943 überlebt.

Richard Salomon, geboren am 25. Juni 1894 in Charlottenburg, stammte, worauf er stets mit Stolz verwies, aus einer angesehenen, zeitweilig wohl auch sehr wohlhabenden, vor allem aber alteingesessenen jüdischen Familie. Seine väterlichen Vorfahren waren bereits im 18. Jahrhundert, von Holland herkommend, nach Pommern eingewandert, wo sie sich in der Gegend um Körlin ansiedelten. Von dort zog dann die urgroßväterliche Familie schon im Jahre 1833 nach Berlin.
Sein Vater Ernst Salomon (1860 – 1937) brachte es als „Importeur von Lammfellen für die Handschuhfabrikation“ bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg zu so beachtlichem Wohlstand, dass er es sich leisten konnte, seinen Sohn durch Privatunterricht auf die Kaiser-Friedrich-Schule vorbereiten zu lassen. Salomons Mutter, Marianne Bunzel (1867 – 1942) war die Tochter eines der angesehensten Kaffeeimporteure in Hamburg.

Obwohl in seiner Jugend häufig krank, gehörte Richard Salomon doch immer zu den Besten seiner Klasse. Vermutlich hat er bereits in der Familie vielfältige Anregungen erfahren, etwa durch seinen älteren und völlig „verlesenen“ Bruder, den späteren Politologen und verantwortlichen Redakteur der sozialdemokratischen Zeitschrift „Die Gesellschaft“, Albert Salomon (1891 – 1966). Oder auch durch seine Tante, die weithin bekannte Sozialpolitikerin und Frauenrechtlerin Alice Salomon (1872 – 1948). Und selbst sein durch Geschäftsreisen häufig abwesender Vater – den Worten seines Erstgeborenen Albert nach ein wahres Sprachgenie – wird einen gewissen Einfluss auf die intellektuelle Entwicklung seines Sohnes Richard ausgeübt haben.
Von wem, wenn nicht von ihm, sollte dessen besonderes Interesse sowohl für die antiken wie modernen Fremdsprachen ausgegangen sein, das noch Richard Salomons Abitur-Lebenslauf unterstreicht?

Nach dem Abitur 1912 folgte ein Jura-Studium in Freiburg, Heidelberg und Berlin. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Richard Salomon sofort freiwillig. Nachdem er bei der ersten Musterung aufgrund seiner Kurzsichtigkeit zunächst auf ein Jahr vom Militärdienst zurückgestellt worden war, eilte er schon nach zehn Monaten, wiederum freiwillig, erneut zu den Waffen – ausgerechnet zu einer neugebildeten Gebirgskompanie, mit der es ins Feld zog. Hinter dieser steten Freiwilligkeit stand natürlich auch der Wunsch, allen zu beweisen, dass er, der Jude Richard Salomon, ein „guter Deutscher“ sei, dass es ihm weder an Pflichtgefühl und Opferbereitschaft, noch an wahrer patriotischer Gesinnung mangele. Für das „Vaterland“ gab er schließlich seine Gesundheit. Bei Gebirgskämpfen in Rumänien zog er sich schwerste Erfrierungen zu, unter deren Folgen er sein Leben lang litt.

„Durchgerüttelt“ vom Krieg schloss Richard Salomon 1920 sein Jura-Studium mit der Promotion ab. Von 1923 an arbeitete er selbständig als Rechtsanwalt und ab 1931 als Notar. Doch schon zwei Jahre später erteilten ihm die an die Macht gekommenen Nationalsozialisten Berufsverbot, wogegen er als ehemaliger Frontsoldat zunächst erfolgreich Einspruch erhob. Bis 1935 konnte er Notar, bis 1938 Rechtsanwalt bleiben.

Seine Überzeugung, dass ihm als guten Deutschen, der seinen Beruf stets in einwandfreier und makelloser Weise ausgeübt habe, nur ein Unrecht widerfahre, das aus der Welt zu schaffen sei, war eines der Motive, warum Salomon in der Anfangszeit der nationalsozialistischen Diktatur eine Emigration nicht in Erwägung zog. Er glaubte, sich derlei Gedanken auch gar nicht erlauben zu dürfen, hatte er doch für eine Familie zu sorgen, nicht nur für seine aus Schwedt an der Oder stammende Ehefrau Edith, die er 1924 geheiratet hatte, und für die 1928 geborenen Tochter Ilse, sondern auch für seine betagten Eltern, zumal der Vater 1931 sein gesamtes Vermögen verloren hatte.
Das Gefühl der Unentbehrlichkeit ließ ihn freilich nicht die Dinge ignorieren, die um ihn herum passierten und sein eigenes Leben im Kern betrafen. Er führe, „wie die meisten, ein sehr zurückgezogenes Leben, ohne Theater u. Konzerte“, aber wenigstens sei er gesund, schrieb Richard an seinen in Amerika lebenden Bruder. Von seiner beruflichen Lage könne man Ähnliches nicht ohne Weiteres behaupten. Er führe ein Leben mit kurzfristiger Planung, woran er sich erst gewöhnen müsse.

Auf die Bitten seines Bruders Albert, ihm nach Amerika zu folgen, reagierte Richard eher ausweichend und ließ dabei eine gewissen Unentschlossenheit und Zukunftsangst erkennen. Auf bloße Hoffnungen wollte er sich nicht in dieses Abenteuer stürzen. „Sich drüben 3 Wochen hinzusetzen und zu warten, ob man irgendwohin gerufen“ werde, das schien ihm dann doch eine zu vage Aussicht. Hinzu kam, dass Richard Salomon 1936 erkrankte. Er sei „nervenmässig nicht auf der Höhe“, schrieb er nach Amerika. Alle folgenden Briefe mit Nachrichten über sein Ergehen sind von seiner Ehefrau Edith geschrieben. Richard Salomon selbst war dazu nicht mehr in der Lage. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich so rapide, dass er in eine Nervenheilanstalt eingeliefert werden musste.

Seine Frau, gezwungen wichtige Überlebensentscheidungen zu treffen, schickte zunächst ihre Tochter Ilse mit einem sogenannten Kindertransport nach Großbritannien. Dann erst und nachdem sie sich vom völlig hoffnungslosen Zustand ihres Mannes überzeugt hatte, folgte sie im Juni 1939 schweren Herzens ihrer Tochter nach England, später in die USA. Ihre ganze Verzweiflung über eine ausweglose Situation fasste sie in dem Satz zusammen: „Über Richards Schicksal darf ich gar nicht nachdenken, was soll nur aus ihm hier allein und ohne Geld werden!“ Am 5. August 1942 hatte Richards Mutter Marianne Salomon, geborene Bunzel, Selbstmord begangen.

Seit 1933 hatten Richard, Edith und Ilse in der Uhlandstraße 162 gewohnt. Bei der Volkszählung im Mai 1939 – Juden wurden in einer gesonderten Kartei erfasst – wurden Richard und Edith dort registriert, Richard mit dem Vermerk „vorübergehend abwesend“. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in der Heil- und Pflegeanstalt Berolinum, Leonorenstraße 14/16 in Lankwitz. Sicher war er noch dort, als einen Monat später Edith Salomon nach England flüchtete.

Wider Erwarten genas Richard von seinem Leiden, konnte jedoch nicht in die Uhlandstraße zurückkehren. Er bezog ein Zimmer zur Untermiete in der Gervinusstraße 34. Auch seinen Beruf konnte er nicht mehr ausüben, im September 1938 waren alle jüdischen Rechtsanwälte aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen worden, sie durften lediglich als „Konsulenten“ Juden rechtlich beraten und vertreten. Auch Richard Salomon war als Rechtsberater tätig, bis er Anfang Dezember 1942 zur Deportation in dem Sammellager Große Hamburger Straße 26 interniert wurde. Am 14. Dezember verließ der als „25. Osttransport“ getarnte Deportationszug den Güterbahnhof Moabit mit weiteren 815 Schicksalsgefährten. Da als Ziel lediglich „nach dem Osten“ angegeben war, wurde gelegentlich angenommen, der Zug sei nach Riga gefahren. Inzwischen weiß man, dass die Menschen nach Auschwitz verschleppt wurden. Ein genaues Todesdatum ist für Richard Salomon nicht bekannt. Vermutlich wurde er unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz ermordet.

Nach Angaben der „Sterbebücher von Auschwitz“ hat auch keine der Personen, die zunächst als „arbeitsfähig“ registriert worden waren, den Beginn des Monats Februar 1943 überlebt.