Johanna Engel

Verlegeort
Wielandstr. 30
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
03. April 2009
Geboren
13. April 1889 in Erfurt
Beruf
Pianistin
Flucht in den Tod
17. Dezember 1941 in Berlin

Johanna Engel kam am 13. April 1889 in Erfurt zur Welt (und nicht in Naugard, wie das Gedenkbuch Berlin fälschlich angibt). <br />
<br />
Sie war die Schwester von Elise Engel, die am 8. April 1885 in Naugard (heute Nowogard) in Hinterpommern geboren wurde, 60 km von Stettin entfernt und 70 von Swinemünde, als Tochter des Kaufmannes Siegmund Engel und seiner Frau Klara geb. Wolle. Zwei Jahre nach Elises Geburt zog Siegmund Engel mit seiner Familie nach Erfurt, wo er mit Max Engel, wahrscheinlich sein Bruder, eine Schuhfabrik betrieb. <br />
<br />
Vielleicht hatten Siegmund und Klara Engel auch noch mehr Kinder. 1894 war von der Schuhfabrik nur noch ein von Max Engel betriebenes Schuhwarenlager übrig, Siegmund Engel war weiter nach Berlin gezogen. Hier wohnte er zunächst in der Melanchtonstraße 22. Ab 1903 beteiligte er sich an der Firma Arno Peschlow: Musik- u Schokoladenautomaten; elektr. Claviere, Grammophone etc., 1911 schied er wieder aus. 1907 – Elise war 22, Johanna, Hanna gerufen, 18 Jahre alt – nahm die Familie eine Wohnung in der Charlottenburger Niebuhrstraße 6, parterre. <br />
<br />
1919 starb Siegmund Engel. Seine Witwe Klara blieb mit Elise und Hanna in der Niebuhrstraße 6 wohnen. Die beiden Töchter, immer noch ledig, hatten jeweils eine Ausbildung gemacht: Elise war Archivarin geworden, Hanna Berufspianistin. 1925 ist im Adressbuch Hanna als Hauptmieterin in der Niebuhrstraße aufgeführt, vermutlich war nun auch die Mutter gestorben. 1931 ließen sich beide Schwestern mit der Adresse Niebuhrstraße 6 in das Adressbuch eintragen, drei Jahre später gaben die Schwestern die Wohnung auf, in der sie 25 Jahre gelebt hatten, und zogen gemeinsam in die Wielandstraße 30. Für das Adressbuch sind sie zu einer Person zusammengeschmolzen, der Eintrag lautet jetzt: „Engel, Elise Hanna, Pianistin“. Erst ab 1938 gilt Hanna wieder als Hauptmieterin. <br />
<br />
Inzwischen dürfte sich das Leben der Schwestern sehr verändert haben. Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten war ein Berufsleben für Juden und erst recht für Jüdinnen sehr erschwert worden. Elise war bei der Jüdischen Kulturvereinigung angestellt. Hanna bezeichnete sich weiterhin als Pianistin, hatte es aber inzwischen beruflich nicht leicht. Die 1933 von Goebbels eingeführte Zwangsmitgliedschaft in der Reichsmusikkammer und der gleichzeitige Ausschluss von Juden aus derselben kamen einem Berufsverbot gleich. Vermutlich fand auch Hanna zunächst noch Erwerbsmöglichkeiten durch den daraufhin gegründeten „Kulturbund Deutscher Juden“ (der sich 1935 in „Reichsverband jüdischer Kulturbünde in Deutschland“ umbenennen musste, da es nach der nationalsozialistischen Anschauung keine „deutschen“ Juden geben konnte). Durch den Verband wurde dank Mitgliederbeiträgen arbeitslosen Künstlern ein bescheidenes Einkommen ermöglicht. Nach den Novemberpogromen 1938 wurde die Arbeit jüdischer Künstler weiter erschwert, nur der Berliner Jüdische Kulturbund wurde nicht aufgelöst. Seine Möglichkeiten waren aber zunehmend eingeschränkt, 1941 wurde auch er verboten. <br />
<br />
Zu diesen Schwierigkeiten kamen noch die ständig zunehmenden Einschränkungen des Alltagslebens für Juden. Insbesondere nach dem Pogrom am 9./10. November 1938 hatten sich die Verordnungen gegen Juden gehäuft, sie konnten nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen, nicht in Theater, Konzerte, Kinos usw. gehen, zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen. Schmuck und Silber mussten sie abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt – dies waren nur einige der staatlichen antisemitischen Maßnahmen. Elises und Hannas Einkommen war zudem sicherlich knapp, sie sahen sich gezwungen, Untermieter aufzunehmen. Zum Zeitpunkt der Volkszählung vom Mai 1939, bei der Juden gesondert erfasst wurden, wohnte Edith Chocky bei ihnen.<br />
<br />
Als im Herbst 1941 die Deportationen begannen, warteten die Schwestern nicht, bis sie an der Reihe waren. Elise und Hanna, die ihr ganzes Leben zusammen verbracht hatten, gingen am 17. Dezember 1941 gemeinsam freiwillig in den Tod. Die Jüdische Wohlfahrtsstelle sorgte dafür, dass beide im Jüdischen Friedhof Weißensee bestattet wurden. Ihre Grabsteine sind heute noch vorhanden.

Johanna Engel kam am 13. April 1889 in Erfurt zur Welt (und nicht in Naugard, wie das Gedenkbuch Berlin fälschlich angibt).

Sie war die Schwester von Elise Engel, die am 8. April 1885 in Naugard (heute Nowogard) in Hinterpommern geboren wurde, 60 km von Stettin entfernt und 70 von Swinemünde, als Tochter des Kaufmannes Siegmund Engel und seiner Frau Klara geb. Wolle. Zwei Jahre nach Elises Geburt zog Siegmund Engel mit seiner Familie nach Erfurt, wo er mit Max Engel, wahrscheinlich sein Bruder, eine Schuhfabrik betrieb.

Vielleicht hatten Siegmund und Klara Engel auch noch mehr Kinder. 1894 war von der Schuhfabrik nur noch ein von Max Engel betriebenes Schuhwarenlager übrig, Siegmund Engel war weiter nach Berlin gezogen. Hier wohnte er zunächst in der Melanchtonstraße 22. Ab 1903 beteiligte er sich an der Firma Arno Peschlow: Musik- u Schokoladenautomaten; elektr. Claviere, Grammophone etc., 1911 schied er wieder aus. 1907 – Elise war 22, Johanna, Hanna gerufen, 18 Jahre alt – nahm die Familie eine Wohnung in der Charlottenburger Niebuhrstraße 6, parterre.

1919 starb Siegmund Engel. Seine Witwe Klara blieb mit Elise und Hanna in der Niebuhrstraße 6 wohnen. Die beiden Töchter, immer noch ledig, hatten jeweils eine Ausbildung gemacht: Elise war Archivarin geworden, Hanna Berufspianistin. 1925 ist im Adressbuch Hanna als Hauptmieterin in der Niebuhrstraße aufgeführt, vermutlich war nun auch die Mutter gestorben. 1931 ließen sich beide Schwestern mit der Adresse Niebuhrstraße 6 in das Adressbuch eintragen, drei Jahre später gaben die Schwestern die Wohnung auf, in der sie 25 Jahre gelebt hatten, und zogen gemeinsam in die Wielandstraße 30. Für das Adressbuch sind sie zu einer Person zusammengeschmolzen, der Eintrag lautet jetzt: „Engel, Elise Hanna, Pianistin“. Erst ab 1938 gilt Hanna wieder als Hauptmieterin.

Inzwischen dürfte sich das Leben der Schwestern sehr verändert haben. Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten war ein Berufsleben für Juden und erst recht für Jüdinnen sehr erschwert worden. Elise war bei der Jüdischen Kulturvereinigung angestellt. Hanna bezeichnete sich weiterhin als Pianistin, hatte es aber inzwischen beruflich nicht leicht. Die 1933 von Goebbels eingeführte Zwangsmitgliedschaft in der Reichsmusikkammer und der gleichzeitige Ausschluss von Juden aus derselben kamen einem Berufsverbot gleich. Vermutlich fand auch Hanna zunächst noch Erwerbsmöglichkeiten durch den daraufhin gegründeten „Kulturbund Deutscher Juden“ (der sich 1935 in „Reichsverband jüdischer Kulturbünde in Deutschland“ umbenennen musste, da es nach der nationalsozialistischen Anschauung keine „deutschen“ Juden geben konnte). Durch den Verband wurde dank Mitgliederbeiträgen arbeitslosen Künstlern ein bescheidenes Einkommen ermöglicht. Nach den Novemberpogromen 1938 wurde die Arbeit jüdischer Künstler weiter erschwert, nur der Berliner Jüdische Kulturbund wurde nicht aufgelöst. Seine Möglichkeiten waren aber zunehmend eingeschränkt, 1941 wurde auch er verboten.

Zu diesen Schwierigkeiten kamen noch die ständig zunehmenden Einschränkungen des Alltagslebens für Juden. Insbesondere nach dem Pogrom am 9./10. November 1938 hatten sich die Verordnungen gegen Juden gehäuft, sie konnten nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen, nicht in Theater, Konzerte, Kinos usw. gehen, zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen. Schmuck und Silber mussten sie abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt – dies waren nur einige der staatlichen antisemitischen Maßnahmen. Elises und Hannas Einkommen war zudem sicherlich knapp, sie sahen sich gezwungen, Untermieter aufzunehmen. Zum Zeitpunkt der Volkszählung vom Mai 1939, bei der Juden gesondert erfasst wurden, wohnte Edith Chocky bei ihnen.

Als im Herbst 1941 die Deportationen begannen, warteten die Schwestern nicht, bis sie an der Reihe waren. Elise und Hanna, die ihr ganzes Leben zusammen verbracht hatten, gingen am 17. Dezember 1941 gemeinsam freiwillig in den Tod. Die Jüdische Wohlfahrtsstelle sorgte dafür, dass beide im Jüdischen Friedhof Weißensee bestattet wurden. Ihre Grabsteine sind heute noch vorhanden.