Hermine Kalmár

Verlegeort
Xantener Str. 5
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
20. März 2012
Geboren
03. Februar 1875 in Szered / Sereď
Deportation
am 28. Januar 1943 nach Theresienstadt
Ermordet
21. Juli 1944 in Theresienstadt

In den spärlichen Resten von Unterlagen sind über die einstigen Bewohner/-innen der Xantener Straße 5 nur bruchstückhafte Informationen zu finden. Immerhin lässt sich noch einiges rekonstruieren.<br />
<br />
In den Akten zu Else Weiss, geboren am 26. Januar 1894 in Berlin, wird auch ihre Tochter Ingeborg erwähnt. Ingeborg Gassenheimer, geboren am 1. März 1919 in Berlin als Ingeborg Weiss, steht auf der gleichen Deportationsliste wie ihre Mutter: Am 26. Februar 1943 wurden beide in einem mit rund 1000 Menschen besetzten Zug vom berüchtigten Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht. Eine Meldeadresse von Ingeborg Gassenheimer ist aber nicht auffindbar. Für sie wurde nachträglich ein Stolperstein gesetzt.<br />
<br />
Der Vater, Max Weiss, geboren am 23. November 1881 in Frankfurt am Main, wurde am 16. Juni 1943 nach Theresienstadt verschleppt und dort am 25. Mai ermordet.<br />
<br />
Auch die Mutter von Else Weiss, Grete Cohn, also die Großmutter von Ingeborg Gassenheimer, wohnte bis zu ihrem Tod 1941 in der Xantener Straße 5. Else und Max Weiss waren seit 1943 dort polizeilich gemeldet, vorher hatten sie in der Uhlandstrasse 80 bei Levin gewohnt.<br />
<br />
Im Todesjahr der Mutter Grete Cohn, die als „verstorben“ registriert wurde, nahmen sich Elses Schwester Fanny, geboren am 30. August 1886, und ihr Ehemann Willy Wallmann, geboren am 6. März 1877 in Bernburg, gemeinsam am 4. November 1941 das Leben. Ihr Sohn Alfred hatte 1937 nach Chicago flüchten können, wo er als Fred Wallmann mit seiner Frau Ellen lebte. Sie hatten zwei Söhne: Steven und Howard Jay Wallmann, Jahrgang 1946. Auch zum Gedenken an Willy und Fanny Wallmann können an ihrem Wohnsitz Bechstedter Weg 2 in Wilmersdorf Stolpersteine verlegt werden.<br />
<br />
Die Grenze des Stadtviertels beiderseits entlang des Kurfürstendamms, das in der brutalen Nazi-Sprache „judenrein“ bleiben sollte, führte durch die Xantener Straße. Viele der verdrängten jüdischen Bewohner/-innen kamen nur mit Hilfe von Verwandten oder Freunden woanders unter oder wurden in „Judenwohnungen“ oder „Judenhäusern“ zwangseinquartiert, aus denen sie dann deportiert wurden. Einem Dokument der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) ist zu entnehmen, dass es in der Xantener Straße fünf solche „Judenwohnungen“ gab.<br />
<br />
Fünf aus dem Haus Xantener Straße 5 deportierte Menschen waren erst kurze Zeit vor ihrem Abtransport in Ghettos oder Vernichtungslager in die Xantener Straße 5 eingewiesen worden und dort polizeilich gemeldet. Zwei von ihnen hatten die elterlichen Wohnungen bezogen, eine hatte hier ihre Jugend bei einer Tante verbracht. Offenbar wurden sie wieder in dieses Haus gebracht, um sie bald danach nach Osten zu deportieren.<br />
<br />
Den Akten über Margit Reichl ist zu entnehmen, dass sie 1943 in eine der fünf „Judenwohnungen“ umgezogen war, allerdings offenbar nur für kurze Zeit. Sie hatte schon in früheren Jahren bei ihrer Tante Augustine Ludanyi, geb. Reichl, in der Xantener Straße 5 gewohnt, die nach amtlichen Angaben 1941 „verstorben“ war und über die keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen sind. Margit Reichl lebte bis März in der Aschaffenburger Straße 6, wurde im Mai im Jüdischen Krankenhaus stationär behandelt und wurde am 1. Juli 1943 mit dem 94. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Es ist grotesk, dass sie, wie in einem Gestapo-Dokument zu lesen ist, noch danach als „flüchtig“ gesucht wurde.<br />
<br />
Ebenfalls erst ab Januar 1943 in der Xantener Str. 5 gemeldet war Hermine Kalmár. Von 1941 bis 1942 hatte sie möbliert bei Hermann Michaelis in der Wittelsbacher Straße 25 gewohnt. Dort wurde ihre Habe nach dem Gesetz „über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ am 1. Oktober konfisziert. Am 28. Januar 1943 wurde sie mit 100 Menschen vom Anhalter Bahnhof ins Ghetto Theresienstadt deportiert. In diesem Zug saß auch Leo Baeck, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Berlins, der die Befreiung erlebte und überlebte. Hermine Kalmár wurde am 21. Juli 1944 umgebracht.<br />
<br />
Lucie Noack, geb. Friedländer, wohnte bei Goldstein in der Wilhelmsaue 3, bevor sie wieder in der Xantener Str. 5, vermutlich in der Wohnung ihrer Mutter Martha Friedländer, gemeldet war. Die 1891 in Berlin geborene Frau wurde am 5. September 1942 mit 796 Menschen vom Güterbahnhof Moabit über Insterburg nach Riga deportiert und dort wie die meisten – darunter 25 Kinder unter zehn Jahren – sofort nach ihrer Ankunft am 8. Mai erschossen. Martha Friedländer, geb. Cassirer, wurde am 10. September 1859 in Beuthen (Oberschlesien) geboren. Sie wurde mit dem „10. Alterstransport“ am 25. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 8. Juli 1942 im Alter von 83 Jahren zu Tode kam. Nur diese dürftigen Daten sind bekannt, über sie sind sonst keine Unterlagen mehr vorhanden.<br />
<br />
Die im Landeshauptarchiv in Potsdam lagernde Akte von Oswald Friedmann ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht einzusehen. Er wurde am 19. Januar 1942 in einem mit 1002 Menschen vollgestopften Eisenbahnzug bei eisiger Kälte nach Riga deportiert und dort am 15. April im Ghetto umgebracht.<br />
<br />
Eine nicht mehr lebende Mieterin des Hauses Xantener Str. 5 zeigte in den 1990er Jahren einem der heutigen Hausbewohner, Uli Schröder, ihren Mietvertrag aus dem Jahr 1943. Darin wurde ihr ein „judenfreies“ Haus garantiert. Die Mörder haben gründlich gearbeitet.

In den spärlichen Resten von Unterlagen sind über die einstigen Bewohner/-innen der Xantener Straße 5 nur bruchstückhafte Informationen zu finden. Immerhin lässt sich noch einiges rekonstruieren.

In den Akten zu Else Weiss, geboren am 26. Januar 1894 in Berlin, wird auch ihre Tochter Ingeborg erwähnt. Ingeborg Gassenheimer, geboren am 1. März 1919 in Berlin als Ingeborg Weiss, steht auf der gleichen Deportationsliste wie ihre Mutter: Am 26. Februar 1943 wurden beide in einem mit rund 1000 Menschen besetzten Zug vom berüchtigten Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht. Eine Meldeadresse von Ingeborg Gassenheimer ist aber nicht auffindbar. Für sie wurde nachträglich ein Stolperstein gesetzt.

Der Vater, Max Weiss, geboren am 23. November 1881 in Frankfurt am Main, wurde am 16. Juni 1943 nach Theresienstadt verschleppt und dort am 25. Mai ermordet.

Auch die Mutter von Else Weiss, Grete Cohn, also die Großmutter von Ingeborg Gassenheimer, wohnte bis zu ihrem Tod 1941 in der Xantener Straße 5. Else und Max Weiss waren seit 1943 dort polizeilich gemeldet, vorher hatten sie in der Uhlandstrasse 80 bei Levin gewohnt.

Im Todesjahr der Mutter Grete Cohn, die als „verstorben“ registriert wurde, nahmen sich Elses Schwester Fanny, geboren am 30. August 1886, und ihr Ehemann Willy Wallmann, geboren am 6. März 1877 in Bernburg, gemeinsam am 4. November 1941 das Leben. Ihr Sohn Alfred hatte 1937 nach Chicago flüchten können, wo er als Fred Wallmann mit seiner Frau Ellen lebte. Sie hatten zwei Söhne: Steven und Howard Jay Wallmann, Jahrgang 1946. Auch zum Gedenken an Willy und Fanny Wallmann können an ihrem Wohnsitz Bechstedter Weg 2 in Wilmersdorf Stolpersteine verlegt werden.

Die Grenze des Stadtviertels beiderseits entlang des Kurfürstendamms, das in der brutalen Nazi-Sprache „judenrein“ bleiben sollte, führte durch die Xantener Straße. Viele der verdrängten jüdischen Bewohner/-innen kamen nur mit Hilfe von Verwandten oder Freunden woanders unter oder wurden in „Judenwohnungen“ oder „Judenhäusern“ zwangseinquartiert, aus denen sie dann deportiert wurden. Einem Dokument der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) ist zu entnehmen, dass es in der Xantener Straße fünf solche „Judenwohnungen“ gab.

Fünf aus dem Haus Xantener Straße 5 deportierte Menschen waren erst kurze Zeit vor ihrem Abtransport in Ghettos oder Vernichtungslager in die Xantener Straße 5 eingewiesen worden und dort polizeilich gemeldet. Zwei von ihnen hatten die elterlichen Wohnungen bezogen, eine hatte hier ihre Jugend bei einer Tante verbracht. Offenbar wurden sie wieder in dieses Haus gebracht, um sie bald danach nach Osten zu deportieren.

Den Akten über Margit Reichl ist zu entnehmen, dass sie 1943 in eine der fünf „Judenwohnungen“ umgezogen war, allerdings offenbar nur für kurze Zeit. Sie hatte schon in früheren Jahren bei ihrer Tante Augustine Ludanyi, geb. Reichl, in der Xantener Straße 5 gewohnt, die nach amtlichen Angaben 1941 „verstorben“ war und über die keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen sind. Margit Reichl lebte bis März in der Aschaffenburger Straße 6, wurde im Mai im Jüdischen Krankenhaus stationär behandelt und wurde am 1. Juli 1943 mit dem 94. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Es ist grotesk, dass sie, wie in einem Gestapo-Dokument zu lesen ist, noch danach als „flüchtig“ gesucht wurde.

Ebenfalls erst ab Januar 1943 in der Xantener Str. 5 gemeldet war Hermine Kalmár. Von 1941 bis 1942 hatte sie möbliert bei Hermann Michaelis in der Wittelsbacher Straße 25 gewohnt. Dort wurde ihre Habe nach dem Gesetz „über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ am 1. Oktober konfisziert. Am 28. Januar 1943 wurde sie mit 100 Menschen vom Anhalter Bahnhof ins Ghetto Theresienstadt deportiert. In diesem Zug saß auch Leo Baeck, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Berlins, der die Befreiung erlebte und überlebte. Hermine Kalmár wurde am 21. Juli 1944 umgebracht.

Lucie Noack, geb. Friedländer, wohnte bei Goldstein in der Wilhelmsaue 3, bevor sie wieder in der Xantener Str. 5, vermutlich in der Wohnung ihrer Mutter Martha Friedländer, gemeldet war. Die 1891 in Berlin geborene Frau wurde am 5. September 1942 mit 796 Menschen vom Güterbahnhof Moabit über Insterburg nach Riga deportiert und dort wie die meisten – darunter 25 Kinder unter zehn Jahren – sofort nach ihrer Ankunft am 8. Mai erschossen. Martha Friedländer, geb. Cassirer, wurde am 10. September 1859 in Beuthen (Oberschlesien) geboren. Sie wurde mit dem „10. Alterstransport“ am 25. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 8. Juli 1942 im Alter von 83 Jahren zu Tode kam. Nur diese dürftigen Daten sind bekannt, über sie sind sonst keine Unterlagen mehr vorhanden.

Die im Landeshauptarchiv in Potsdam lagernde Akte von Oswald Friedmann ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht einzusehen. Er wurde am 19. Januar 1942 in einem mit 1002 Menschen vollgestopften Eisenbahnzug bei eisiger Kälte nach Riga deportiert und dort am 15. April im Ghetto umgebracht.

Eine nicht mehr lebende Mieterin des Hauses Xantener Str. 5 zeigte in den 1990er Jahren einem der heutigen Hausbewohner, Uli Schröder, ihren Mietvertrag aus dem Jahr 1943. Darin wurde ihr ein „judenfreies“ Haus garantiert. Die Mörder haben gründlich gearbeitet.