Juliane Kirstein geb. Loewi

Verlegeort
Zähringer Str. 25
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
24. Juli 2012
Geboren
30. April 1876 in Königsberg / Kaliningrad
Deportation
am 15. August 1942 nach Riga
Ermordet
18. August 1942 in Riga

Juliane Kirstein, geboren am 30. April 1876 in Königsberg im damaligen Ostpreußen (heute Kaliningrad) als Juliane Loewi, wuchs in einer assimilierten, weltlichen, gut situierten großbürgerlichen Familie mit vier älteren Brüdern auf.<br />
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Ihr Vater war Joseph Moritz Loewi (geboren 1823, gestorben 1902 in Berlin, beigesetzt in Weißensee), ihre Mutter Babette Hermine Loewi Herwi, geb. Rosenfeld, geboren 1843 in Berlin. Sie heiratete 1863, zog nach Königsberg, wo sie fünf Kinder gebar (Juliane war das Jüngste) und zog mit ihrem Mann 1895 zurück nach Berlin in die Luitpoldstraße 11 in Schöneberg. Sie war Schriftstellerin und im Vorstand der Deutschen Frauenschaft. Sie starb 1910 und wurde neben ihrem Mann in Weißensee begraben.<br />
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Die Loewi-Familie war verankert in der deutschen Kultur und pflegte das gesellschaftliche Leben. Klassische Musik, Theater und Literatur spielten eine große Rolle. Das Jüdische war der Loewi-Familie völlig fremd. Durch die Rassegesetze des Nationalsozialismus wurden sie wie so viele andere assimilierte Familien zu Juden gemacht und aus der Gesellschaft ausgegrenzt.<br />
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Seit 1925 wohnte Juliane Kirstein in der Bamberger Straße 40 in der 3. Etage, von 1936 an lebte sie in der Zähringerstraße 25, zusammen mit ihrem Mann, dem am 24. Juni 1869 in Berlin geborenen Schriftsteller Paul Adolph Kirstein. Im Antiquariat sind noch diverse Schriften von ihm zu finden: „Sturm im Land – Der Roman einer zerrütteten Zeit“ (Mosse Verlag), „Die kleinen Götzen“ (Roman, 1908), „Sein Junge“ (1912), „Der Griff in den Himmel“ (Kronen Verlag, 1917), „Eifersucht“ (Helikon Verlag), „Die Wanderer“ (Mosse Verlag, 1925). Paul Adolph Kirstein starb am 22. August 1940 in Berlin und ist ebenfalls auf dem Friedhof in Weißensee begraben.<br />
<br />
Der älteste Bruder von Juliane Kirstein war Ernst Loewi, 1864 in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Er war Baumwollfabrikant in Berlin und verheiratet mit Claire Holz. Sie hatten zwei Töchter, Anita und Erna, und lebten gut situiert in Charlottenburg in der Meinekestraße 4. Anita heiratete 1921 Erich Paul Zander und wanderte mit ihm und dem 11-jährigen Sohn Peter im Oktober 1933 nach England aus. Erna heiratete im Februar 1942 Martin Ruben, der zusammen mit seiner Schwester Hedwig in der Dahlmannstraße 10 in Charlottenburg wohnte. Erna und Martin Ruben wurden am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert, Hedwig Ruben flüchtete im Mai 1942 in den Tod.<br />
<br />
Ernst Loewi starb 1928 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee begraben. Neben seinem Grab war noch eine Grabstelle frei, vermutlich für seine Frau Claire Loewi. Anita Zander gelang es, ihre Mutter Claire Loewi 1939 nach England zu holen, wo sie 1941/1942 in Welwyn Garden City starb und beigesetzt wurde.<br />
<br />
Ein anderer Bruder von Juliane Kirstein war Hans Anton Loewi, geboren 1867 in Königsberg (Ostpreußen), zuletzt wohnhaft in der Landshuter Straße 37. Er war Cellist in einem Amateurorchester, arbeitete an der Londoner Börse und nahm die britische Staatsangehörigkeit an. Von ihm ist die Redewendung überliefert: „Bei uns in England ist es Sitte …“. Er kehrte dann jedoch nach Berlin zurück. Als er 1939 starb, wurde seine Asche im Grab seines Vaters in Weißensee beerdigt, allerdings ohne Hinweis. Erst 2005 hat sein Großneffe Peter Zander die Inschrift anbringen lassen: „Onkel Hans musste unbenannt bleiben, als er 1939 hier beerdigt wurde.“<br />
<br />
Der dritte Bruder von Juliane Kirstein, Otto Loewi, war durch seine nichtjüdische Ehefrau Lotte geschützt. Beide überlebten in einer sogenannten Judenwohnung. Sie mussten mit ansehen, wie aus ihr mehrere Juden deportiert wurden. Sein Großneffe Peter Zander erinnerte sich an ihn als stattlichen Mann mit Schnurrbart und sah ihn nach dem Zweiten Weltkrieg als gebrochenen, kranken Mann in einer kaputten Wohnung mit nur zwei bewohnbaren Zimmern wieder. Otto Loewi starb 1948 in Berlin, seine Frau Lotte in den 1970er Jahren. Über einen weiteren Bruder von Juliane Kirstein gibt es kaum Informationen.<br />
<br />
Über Juliane Kirstein sind im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam, wo die Vermögensakten vieler Deportierter lagern, keine Unterlagen vorhanden. Sie wurde im Alter von 66 Jahren am 15. August 1942 aus der Zähringerstraße 25 offenbar sofort, ohne den Umweg über ein Sammellager, zum Güterbahnhof Moabit verschleppt, wo sie mit rund 1000 Menschen, darunter 57 Kindern unter 10 Jahren, in einen Zug gepfercht und nach Riga deportiert wurde. Sämtliche Insassen des Zuges wurden dort gleich nach der Ankunft am 18. August 1942 erschossen und in Massengräber geworfen. Nur ihre Kleidungsstücke gelangten noch ins Ghetto von Riga.

Juliane Kirstein, geboren am 30. April 1876 in Königsberg im damaligen Ostpreußen (heute Kaliningrad) als Juliane Loewi, wuchs in einer assimilierten, weltlichen, gut situierten großbürgerlichen Familie mit vier älteren Brüdern auf.

Ihr Vater war Joseph Moritz Loewi (geboren 1823, gestorben 1902 in Berlin, beigesetzt in Weißensee), ihre Mutter Babette Hermine Loewi Herwi, geb. Rosenfeld, geboren 1843 in Berlin. Sie heiratete 1863, zog nach Königsberg, wo sie fünf Kinder gebar (Juliane war das Jüngste) und zog mit ihrem Mann 1895 zurück nach Berlin in die Luitpoldstraße 11 in Schöneberg. Sie war Schriftstellerin und im Vorstand der Deutschen Frauenschaft. Sie starb 1910 und wurde neben ihrem Mann in Weißensee begraben.

Die Loewi-Familie war verankert in der deutschen Kultur und pflegte das gesellschaftliche Leben. Klassische Musik, Theater und Literatur spielten eine große Rolle. Das Jüdische war der Loewi-Familie völlig fremd. Durch die Rassegesetze des Nationalsozialismus wurden sie wie so viele andere assimilierte Familien zu Juden gemacht und aus der Gesellschaft ausgegrenzt.

Seit 1925 wohnte Juliane Kirstein in der Bamberger Straße 40 in der 3. Etage, von 1936 an lebte sie in der Zähringerstraße 25, zusammen mit ihrem Mann, dem am 24. Juni 1869 in Berlin geborenen Schriftsteller Paul Adolph Kirstein. Im Antiquariat sind noch diverse Schriften von ihm zu finden: „Sturm im Land – Der Roman einer zerrütteten Zeit“ (Mosse Verlag), „Die kleinen Götzen“ (Roman, 1908), „Sein Junge“ (1912), „Der Griff in den Himmel“ (Kronen Verlag, 1917), „Eifersucht“ (Helikon Verlag), „Die Wanderer“ (Mosse Verlag, 1925). Paul Adolph Kirstein starb am 22. August 1940 in Berlin und ist ebenfalls auf dem Friedhof in Weißensee begraben.

Der älteste Bruder von Juliane Kirstein war Ernst Loewi, 1864 in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Er war Baumwollfabrikant in Berlin und verheiratet mit Claire Holz. Sie hatten zwei Töchter, Anita und Erna, und lebten gut situiert in Charlottenburg in der Meinekestraße 4. Anita heiratete 1921 Erich Paul Zander und wanderte mit ihm und dem 11-jährigen Sohn Peter im Oktober 1933 nach England aus. Erna heiratete im Februar 1942 Martin Ruben, der zusammen mit seiner Schwester Hedwig in der Dahlmannstraße 10 in Charlottenburg wohnte. Erna und Martin Ruben wurden am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert, Hedwig Ruben flüchtete im Mai 1942 in den Tod.

Ernst Loewi starb 1928 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee begraben. Neben seinem Grab war noch eine Grabstelle frei, vermutlich für seine Frau Claire Loewi. Anita Zander gelang es, ihre Mutter Claire Loewi 1939 nach England zu holen, wo sie 1941/1942 in Welwyn Garden City starb und beigesetzt wurde.

Ein anderer Bruder von Juliane Kirstein war Hans Anton Loewi, geboren 1867 in Königsberg (Ostpreußen), zuletzt wohnhaft in der Landshuter Straße 37. Er war Cellist in einem Amateurorchester, arbeitete an der Londoner Börse und nahm die britische Staatsangehörigkeit an. Von ihm ist die Redewendung überliefert: „Bei uns in England ist es Sitte …“. Er kehrte dann jedoch nach Berlin zurück. Als er 1939 starb, wurde seine Asche im Grab seines Vaters in Weißensee beerdigt, allerdings ohne Hinweis. Erst 2005 hat sein Großneffe Peter Zander die Inschrift anbringen lassen: „Onkel Hans musste unbenannt bleiben, als er 1939 hier beerdigt wurde.“

Der dritte Bruder von Juliane Kirstein, Otto Loewi, war durch seine nichtjüdische Ehefrau Lotte geschützt. Beide überlebten in einer sogenannten Judenwohnung. Sie mussten mit ansehen, wie aus ihr mehrere Juden deportiert wurden. Sein Großneffe Peter Zander erinnerte sich an ihn als stattlichen Mann mit Schnurrbart und sah ihn nach dem Zweiten Weltkrieg als gebrochenen, kranken Mann in einer kaputten Wohnung mit nur zwei bewohnbaren Zimmern wieder. Otto Loewi starb 1948 in Berlin, seine Frau Lotte in den 1970er Jahren. Über einen weiteren Bruder von Juliane Kirstein gibt es kaum Informationen.

Über Juliane Kirstein sind im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam, wo die Vermögensakten vieler Deportierter lagern, keine Unterlagen vorhanden. Sie wurde im Alter von 66 Jahren am 15. August 1942 aus der Zähringerstraße 25 offenbar sofort, ohne den Umweg über ein Sammellager, zum Güterbahnhof Moabit verschleppt, wo sie mit rund 1000 Menschen, darunter 57 Kindern unter 10 Jahren, in einen Zug gepfercht und nach Riga deportiert wurde. Sämtliche Insassen des Zuges wurden dort gleich nach der Ankunft am 18. August 1942 erschossen und in Massengräber geworfen. Nur ihre Kleidungsstücke gelangten noch ins Ghetto von Riga.