Adolf Abraham Kadisch

Verlegeort
Björnsonstraße 3
Bezirk/Ortsteil
Steglitz
Verlegedatum
10. Mai 2012
Geboren
20. August 1878 in Stenschewo (Posen) / Stęszew
Deportation
am 24. September 1942 nach Raasiku (b. Reval)
Tot
in Raasiku (b. Reval)

Bei der Volkszählung im Mai 1939 sind in dem Haus Björnsonstr. 3 das Ehepaar Adolf (*20. August 1878 in Stenschewo /Stęszew in Posen, heute Polen) und Hedwig Kadisch, geb. Brauer (*31. März 1879 in Beuthen/Ost-Schlesien) gemeldet. 

Sie haben einen gemeinsamen Sohn Werner (*3. Dezember 1901). Werner wird - wahrscheinlich im Zuge der Novemberpogrome 1938 - in Sachsenhausen inhaftiert und am 20. Dezember 1938 wieder entlassen. Im Juni 1942 kann er nach Sydney auswandern.

Hedwig Kadisch wird auf Anweisung des damaligen Wilmersdorfer Amtsarztes in die Wittenauer Heilstätten eingewiesen, von dort ins Rheinland verlegt und später deportiert. (siehe Biografie Hedwig Kadisch.)

Adolf Kadisch wird 1942 in einer sog. Judenwohnung in der Hubertusallee 37 in Berlin Grunewald einquartiert und von dort aus am 24. September 1942 über Frankfurt nach Raasiku bei Reval deportiert. Geplant war, dass der Zug nach Riga fährt. Da das Ghetto überfüllt ist, wird der Zug weiter nach Estland geleitet. Am 31. September 1942 kommt er in Raasiku (östlich von Tallin) an.

Adolf (Abraham) Kadisch wurde am 20. August 1878 in Stenschewo /Stęszew in Posen, heute Polen geboren. Seine Eltern waren der Schneidermeister Raphael und Lene (geb. Freundt) Kadisch. Adolf hatte zwei Schwestern: Auguste ( geb. 1873) und Regina (geb. 1881) und vier  Brüder:  Philipp (geb. 1875), Isidor (geb. 1883),  David (geb. 1886, gestorben 1920) und Siegfried (geb. 1893).

Adolf wurde Kaufmann. Er heiratete am 9. Mai 1910 die Buchhalterin Hedwig  Brauer, die am 31. März 1879 in Beuthen/Oberschlesien geboren wurde.  Beide waren laut Heiratsurkunde mosaischer Religion. Das Ehepaar blieb kinderlos.

Aus der Heiratsurkunde wie auch den Eintragungen im Berliner und dem Jüdischen Adressbuch geht hervor, dass Adolf Kadisch Kaufmann war. Der Lebensmittelpunkt des Ehepaares war von 1923 bis 1930 in der Winscheidtstr.  10, Charlottenburg. 1930 bis 1934 in der Kastanienallee 29.  Ab 1934 gab es dann häufige Wechsel in den Adressen, 1938 und 1939 war Adolf Kadisch in die Bozener Str. 17  in Schöneberg ausgewiesen. 
1940 stand Adolf Israel Kadisch mit Adresse Giesebrechtstr. 15 in Charlottenburg das letzte Mal im Adressbuch. Tatsäch waren  er und seine Ehefrau Hedwig bei der im Mai 1939 durchgeführten Volkszählung jedoch bereits als Untermieter in der Björnsonstr. 3 in Steglitz erfasst worden. 1941 oder 1942 lebte Adolf Kadisch  in einer  "Judenwohnung" in der Hubertusallee 37 in Berlin Grunewald. 

Hedwig Kadisch war zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt auf Anweisung des damaligen Wilmersdorfer Amtsarztes in die Wittenauer Heilstätten (heute Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) eingeliefert und von dort in die Israelitische Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke in Bendorf-Sayn bei Koblenz überführt worden. Diese war 1869 von dem Kaufmann Meyer Jacoby für jüdische Patientinnen und Patienten gegründet worden. Die "Jacoby`sche Anstalt" genannte Klinik blieb in den ersten Jahren des Nationalsozialismus relativ unbehelligt. 1940 konnte Gründerfamilie Jacoby nach Südamerika entkommen. Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland übernahm die Verwaltung der Klinik. Ab März 1942 wurden die dort eingewiesenen Menschen in die Vernichtungslager deportiert. Bis zum November 1942 waren es 573 Patientinnen und Patienten.
Hedwig Kadisch wurde am 15. Juni 1942 von Koblenz über Köln, Düsseldorf und Berlin mit insgesamt 1003 Menschen nach Sobibor deportiert, wo sie am 19. Juni ankam. Dort wurde sie ermordet.

Adolf Kadisch wurde am 26. September 1942 mit dem 20. Osttransport von Berlin Moabit nach Raasiku bei Reval deportiert. Der Zug war am 24. September 1942 in Frankfurt mit 237 Menschen gestartet; in Berlin wurde er mit einem dort bereitstehenden Zug verkoppelt, in dem sich 812 Menschen befanden. 
Der 20.  Osttransport war ursprünglich für den 3. Oktober 1942 nach Riga geplant, tatsächlich wurde auf den Transportlisten vom 26. September 1942 jedoch diese Deportation als 20. Osttransport ausgewiesen.  Am 31. September 1942 kam Adolf Kadisch er in Raasiku (östlich von Tallin) an, wo er ermordet wurde.

Drei der Geschwister von Adolf Kadisch wurden von den Nationalsozialisten ermordert: 
Auguste wurde am 19. November 1942 nach Theresienstadt deportiert.
Regina und ihr Ehemann Joseph Rosenthal wurden am 12. März 1943 nach Auschwitz deportiert.
Philipp starb am 23. Juni 1942; seine Ehefrau Jenny wurde am 1. Juli 1943 nach Theresienstadt und von dort am 6. Oktober 1944 nach Auswitz deportiert.

Isidor und Siegfried waren mit nichtjüdischen Frauen verheiratet und konnten vermutlich überleben.