Helmuth Szprycer

Verlegeort
Barbarossastr. 8
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
09. August 2012
Geboren
08. August 1929 in Hamburg
Deportation
am 17. März 1943 nach Theresienstadt
Später deportiert
am 18. Dezember 1943 nach Auschwitz
Überlebt

Helmuth Szprycer wurde am 8. August 1929 als Sohn des Geschäftsreisenden Julius (Eliejzer) Szprycer (geb. 1899 in Warschau, gest. 1974) und Rosa Szprycer, geb. Littmann (geb. 1901 in Berlin, gest. 1995) in Hamburg geboren. <br />
<br />
Die Eltern hatten sich bereits vor seiner Geburt getrennt. Seinen Vater lernte er nie kennen, denn nach seiner Geburt lebte er zusammen mit seinen beiden älteren Schwestern Giesa (s. dort) und Lotte (sie starb 1940 an Tuberkulose) bei seinen Großeltern Fanny (s. dort) und Joseph Littmann (s. dort) in Berlin, erst in der Landsberger Straße 85, Berlin-Friedrichshain, seit 1934 in einer Vierzimmer-Wohnung mit Balkon, WC und Badezimmer in der Schöneberger Barbarossastraße 8. <br />
<br />
Alle drei Kinder galten als staatenlos, wie ihre Mutter und die Großeltern. Seine Mutter Rosa wanderte 1938 nach England aus. Helmuth Szprycer war musikalisch sehr begabt und konnte gut pfeifen, was ihm später sehr von Nutzen war. <br />
<br />
Am 14. Februar 1943 musste der erst 13jährige mit Hilfe seiner Großmutter seine „Vermögenserklärung“ ausfüllen, die einer Deportation vorausging. Einen Monat später wurde er zusammen mit seinen Großeltern Fanny und Joseph Littmann mit dem „4. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Seine Schwester Giesa war bereits am 19. Februar 1943 „abgeholt“ worden. <br />
<br />
In Theresienstadt schloss sich Helmuth als begabter Pfeifer einer Musikkapelle namens „Ghetto Swingers“ an. Sie musizierten für die anderen Deportierten im Austausch für Essen, Seife und Decken und konnten so zumindest etwas zum Überleben ihrer Angehörigen beitragen. Am 18. Dezember 1943 transportierte man Großeltern und Enkel weiter nach Auschwitz-Birkenau. <br />
<br />
Während seine Großeltern in Auschwitz schon bald nach ihrer Ankunft dort ermordet wurden, gelang es Helmuth Szprycer, sein eigenes Leben und das seines Freundes Harry Lowit zu retten. Er erzählte später in einem Interview von ihrer Rettung:<br />
<br />
Im Juli 1944 befahl der Lagerarzt Josef Mengele den Gefangenen, sich für die Selektion in zwei Reihen aufzustellen. Helmuth Szprycer und sein 13jähriger Freund Harry befanden sich auf der für die Gaskammern vorgesehenen linken Seite der beiden Gruppen. „Ich schaute ihm (Mengele) direkt in die Augen … und sagte: ‚Ich möchte für Sie arbeiten. Ich mache alles – Schuhe putzen oder Ihr Motorrad reinigen. Stecken Sie mich bitte nicht in die Gaskammer.‛“ Als Mengele hörte, dass er aus Berlin kam, sollte Helmuth zukünftig am Tor des D-Lagers arbeiten. Harry Lowit bat ihn inständig, auch etwas für ihn zu tun. Als Helmuth wieder zurück zu Mengele ging, hielt dieser jetzt zwei Streichhölzer hoch. „Derjenige, der das längere Streichholz zieht, wird leben, der mit dem kürzeren geht in die Gaskammer.“ Harry zog das kürzere Streichholz. „Ich werde niemals Harrys Augen vergessen“ erzählte Helmuth, „Er schrie: ‚Ich möchte nicht sterben!‛“ Dann ging Helmuth ein drittes Mal zu Mengele. „Was macht es schon aus, noch ein weiteres Leben zu verschonen?“ Erstaunlicherweise wurde Mengele weich. Die Jungen erhielten blaue Uniformen und wurden Boten im KZ. Später verlegte man Harry in das Hauptlager, wo er das Eingangstor zu besetzen hatte, durch das die Gefangenen hereinkamen. <br />
<br />
Wegen des Rückzugs vor den Russen im Winter 1944/45 wurde das Lager aufgelöst, die Lagerinsassen gezwungen, zu Fuß in Richtung Deutschland zu marschieren. Harry Lowit landete schließlich in einem Lager in der Nähe von Salzburg. Von dort gelang ihm zusammen mit einem Freund die Flucht in die Alpen, wo sie sich bis zum Kriegsende versteckt hielten. <br />
<br />
Helmuth wurde kurz vor der Kapitulation der Deutschen durch einen Freund nach Prag geschmuggelt. In einem Zug in Richtung Frankreich wurde er von den Russen aufgegriffen und unter Bewachung gestellt. Er entkam erneut. Als er auf der Straße schließlich amerikanische Truppen antraf, pfiff er die Schlagermelodie „Jeepers Creepers“ und die Amerikaner nahmen ihn auf. <br />
<br />
Er lebte dann fünf Jahre bei seiner Mutter Rosa in England. In London eröffnete er eine Firma, die Brillengestelle herstellte. 1951 traf Helmuth seine künftige Frau Vera. Sie zogen in Veras belgische Heimatstadt Gent und eröffneten dort ein gut gehendes Antiquitätengeschäft. Das Ehepaar blieb kinderlos. <br />
<br />
Helmuth Szprycer und Harry Lowit trafen sich am 3. Februar 1997 in London erstmals wieder.

Helmuth Szprycer wurde am 8. August 1929 als Sohn des Geschäftsreisenden Julius (Eliejzer) Szprycer (geb. 1899 in Warschau, gest. 1974) und Rosa Szprycer, geb. Littmann (geb. 1901 in Berlin, gest. 1995) in Hamburg geboren.

Die Eltern hatten sich bereits vor seiner Geburt getrennt. Seinen Vater lernte er nie kennen, denn nach seiner Geburt lebte er zusammen mit seinen beiden älteren Schwestern Giesa (s. dort) und Lotte (sie starb 1940 an Tuberkulose) bei seinen Großeltern Fanny (s. dort) und Joseph Littmann (s. dort) in Berlin, erst in der Landsberger Straße 85, Berlin-Friedrichshain, seit 1934 in einer Vierzimmer-Wohnung mit Balkon, WC und Badezimmer in der Schöneberger Barbarossastraße 8.

Alle drei Kinder galten als staatenlos, wie ihre Mutter und die Großeltern. Seine Mutter Rosa wanderte 1938 nach England aus. Helmuth Szprycer war musikalisch sehr begabt und konnte gut pfeifen, was ihm später sehr von Nutzen war.

Am 14. Februar 1943 musste der erst 13jährige mit Hilfe seiner Großmutter seine „Vermögenserklärung“ ausfüllen, die einer Deportation vorausging. Einen Monat später wurde er zusammen mit seinen Großeltern Fanny und Joseph Littmann mit dem „4. großen Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Seine Schwester Giesa war bereits am 19. Februar 1943 „abgeholt“ worden.

In Theresienstadt schloss sich Helmuth als begabter Pfeifer einer Musikkapelle namens „Ghetto Swingers“ an. Sie musizierten für die anderen Deportierten im Austausch für Essen, Seife und Decken und konnten so zumindest etwas zum Überleben ihrer Angehörigen beitragen. Am 18. Dezember 1943 transportierte man Großeltern und Enkel weiter nach Auschwitz-Birkenau.

Während seine Großeltern in Auschwitz schon bald nach ihrer Ankunft dort ermordet wurden, gelang es Helmuth Szprycer, sein eigenes Leben und das seines Freundes Harry Lowit zu retten. Er erzählte später in einem Interview von ihrer Rettung:

Im Juli 1944 befahl der Lagerarzt Josef Mengele den Gefangenen, sich für die Selektion in zwei Reihen aufzustellen. Helmuth Szprycer und sein 13jähriger Freund Harry befanden sich auf der für die Gaskammern vorgesehenen linken Seite der beiden Gruppen. „Ich schaute ihm (Mengele) direkt in die Augen … und sagte: ‚Ich möchte für Sie arbeiten. Ich mache alles – Schuhe putzen oder Ihr Motorrad reinigen. Stecken Sie mich bitte nicht in die Gaskammer.‛“ Als Mengele hörte, dass er aus Berlin kam, sollte Helmuth zukünftig am Tor des D-Lagers arbeiten. Harry Lowit bat ihn inständig, auch etwas für ihn zu tun. Als Helmuth wieder zurück zu Mengele ging, hielt dieser jetzt zwei Streichhölzer hoch. „Derjenige, der das längere Streichholz zieht, wird leben, der mit dem kürzeren geht in die Gaskammer.“ Harry zog das kürzere Streichholz. „Ich werde niemals Harrys Augen vergessen“ erzählte Helmuth, „Er schrie: ‚Ich möchte nicht sterben!‛“ Dann ging Helmuth ein drittes Mal zu Mengele. „Was macht es schon aus, noch ein weiteres Leben zu verschonen?“ Erstaunlicherweise wurde Mengele weich. Die Jungen erhielten blaue Uniformen und wurden Boten im KZ. Später verlegte man Harry in das Hauptlager, wo er das Eingangstor zu besetzen hatte, durch das die Gefangenen hereinkamen.

Wegen des Rückzugs vor den Russen im Winter 1944/45 wurde das Lager aufgelöst, die Lagerinsassen gezwungen, zu Fuß in Richtung Deutschland zu marschieren. Harry Lowit landete schließlich in einem Lager in der Nähe von Salzburg. Von dort gelang ihm zusammen mit einem Freund die Flucht in die Alpen, wo sie sich bis zum Kriegsende versteckt hielten.

Helmuth wurde kurz vor der Kapitulation der Deutschen durch einen Freund nach Prag geschmuggelt. In einem Zug in Richtung Frankreich wurde er von den Russen aufgegriffen und unter Bewachung gestellt. Er entkam erneut. Als er auf der Straße schließlich amerikanische Truppen antraf, pfiff er die Schlagermelodie „Jeepers Creepers“ und die Amerikaner nahmen ihn auf.

Er lebte dann fünf Jahre bei seiner Mutter Rosa in England. In London eröffnete er eine Firma, die Brillengestelle herstellte. 1951 traf Helmuth seine künftige Frau Vera. Sie zogen in Veras belgische Heimatstadt Gent und eröffneten dort ein gut gehendes Antiquitätengeschäft. Das Ehepaar blieb kinderlos.

Helmuth Szprycer und Harry Lowit trafen sich am 3. Februar 1997 in London erstmals wieder.