Dr. Paul Ludwig Edel

Verlegeort
Heilbronner Str. 19
Bezirk/Ortsteil
Schöneberg
Verlegedatum
19. November 2012
Geboren
12. Januar 1874 in Hannover
Beruf
Gynäkologe
Flucht in den Tod
07. September 1942 in Berlin

Paul Ludwig Edel wurde am 12. Januar 1874 als Sohn einer ursprünglich jüdischen, aber seit langem aus dem Kreise des Judentums gelösten Familie in Hannover geboren. Sein Vater Dr. Emil Edel war am 20. August 1873 aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten. Seine Mutter Hertha Edel, geborene Süssmann, war vermutlich „Arierin“. Sie ließen ihren Sohn und eine Tochter protestantisch taufen. Paul Ludwig Edel studierte in München Medizin, schloss 1898 sein Studium mit einer Dissertation zum Dr. med. mit dem Thema „Über Sclerodermie“ ab und erhielt im gleichen Jahr seine Approbation. Am 22. März 1900 trat er als Schiffsarzt in den Dienst der Hamburg-Amerika-Linie und übte diese Tätigkeit bis zum 1. Mai 1901 aus. Wie ihm der Chefarzt am 1. Mai 1901 anerkennend bestätigte, bewährte er sich auf den Schiffen der Hapag mit Auszeichnung. Anschließend nahm er auf dem Dampfer Andalusia als Arzt an dem Feldzug zur Niederschlagung des Boxeraufstandes unter Feldmarschall Alfred Graf von Waldersee im Kaiserreich China teil. Für seine geleisteten Dienste wurde er am 21. August 1902 von Kaiser Wilhelm II. mit einer Denkmünze aus Stahl ausgezeichnet. Seit dem 17. März 1903 arbeitete er in Berlin als Gynäkologe. Neben seiner praktischen Tätigkeit schrieb und veröffentlichte er auch Fachartikel. Im Jahre 1904 erschienen in der Klinisch-Therapeutischen Wochenschrift eine Abhandlung zum Thema „Ätiologie und Therapie des Carcinoms“ und im Jahre 1907 ein weiterer Fachaufsatz in der Medizinischen Woche zur „Krebsfrage“. 1909 heiratete er Alice Steinthal. Seit dem 1. April 1909 lebte er mit seiner Frau in der Heilbronner Straße 19. Bereits vor ihrer Heirat war auch Alice Steinthal aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten und gehörte seit dem 8. Februar 1909 wie auch ihr Mann dem Protestantismus an. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war er zunächst verpflichteter Zivil-, dann Assistenz- und schließlich Bataillonsarzt. Er nahm an den Frankreichfeldzügen teil, wurde dort vermutlich verwundet und arbeitete ab dem 26. Juni 1917 bis zum 1. Oktober 1918 in diversen Kliniken und Feldlazaretten. Seine Frau Alice hatte sich gleichfalls freiwillig zur militärischen Krankenpflege gemeldet und erhielt dafür am 16. Juli 1918 das Verdienstkreuz für Kriegshilfe. Auch Dr. Paul Ludwig Edel wurde hoch dekoriert. Er erhielt am 15. August 1915 das Eiserne Kreuz II. Klasse, das Verwundetenabzeichen in Schwarz und am 21. Dezember 1934 nachträglich das Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Er blieb auch nach dem Krieg seinem Truppenteil verbunden und ein geschätztes Mitglied des Offiziersvereins des Reserve-Infanterieregiments 99. Noch 1933 unternahm er mit seinem Kriegskameradenverband eine Reise. Seine politische Einstellung war und blieb „deutsch-national“. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm er seine Tätigkeit als praktizierender Gynäkologe wieder auf. Seine Praxis befand sich in der Heilbronner Straße 19, wo er und seine Frau seit 1909 auch privat wohnten. Mittlerweile war er zum Sanitätsrat ernannt worden. Nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Facharzt für Frauenleiden wurde ihm am 9. Dezember 1938 die Kassenzulassung entzogen. Seine Frau war vermutlich depressiv und erschoss sich vor 1933 mit der alten Armeepistole ihres Mannes in ihrer Wohnung in der Heilbronner Straße 19. Das Ehepaar hatte keine Kinder. Am 1. August 1941 zog Dr. Paul Ludwig Edel in die Freisinger Straße 15 in die Wohnung der Familie Kopfstein. Angesichts der nun eingeschränkten Vermögens- und beengten Wohnverhältnisse vermachte er der Staatlichen Sammlung Ärztlicher Lehrmittel nicht nur seine medizinischen Instrumente, sondern auch besonders wertvolle Gegenstände der ärztlichen Praxis von historischem Wert. Am 18. Juli 1939 wurde dies von dem Direktor der Staatlichen Sammlung anerkennend bestätigt. Bereits in den letzten Jahren seiner medizinischen Tätigkeit hatte Dr. Edel große gesundheitliche Probleme. Sowohl der Tod seiner Frau, der ihn seelisch stark belastete, als auch eine hartnäckige Blasenkrankheit steigerten den Druck seiner Leiden. Seine Krankheit machte ihm letztlich die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben unmöglich. Eine Emigration zog er - trotz dringenden Anratens von Bekannten - wohl deshalb niemals in Erwägung. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass ihm angesichts seiner militärischen und sonstigen Verdienste etwas passieren würde. Letztlich muss er die bedrohliche Situation, in der er sich befand, jedoch erkannt haben. Am 23. Januar 1942 machte er sein Testament, in dem er den Major a. D. Franz Josef Mager zum Erben seines gesamten Vermögens einsetzte. Franz Josef Mager lebte seinerzeit ebenfalls in der Heilbronner Straße 19. Er war Dr. Edel aufgrund dessen Erlebnisse als alter China- und Frontkämpfer freundschaftlich zugetan. Dr. Edel glaubte ihm einen finanziellen Ausgleich schuldig zu sein, da Franz Josef Mager und seine Frau in Streitigkeiten mit dem Hauseigentümer in der Heilbronner Straße 19 geraten waren. Dr. Edel hatte seinerzeit das Mietverhältnis seiner Wohnung einer Frau Blankenstein übertragen und die Wohnung sollte schließlich an Major Mager übergehen. Ein Schlaganfall und der plötzliche Tod von Frau Blankenstein verhinderten, dass Major Mager die Wohnung erhielt. Dadurch kam es zum Streit mit dem Hauseigentümer und nicht zuletzt auch zu einem erheblichen finanziellen Schaden. <br />
Von der Deportation bedroht, durch gesundheitliche Probleme eingeschränkt und in depressiver Verfassung nahm sich Dr. Paul Ludwig Edel am 7. September 1942 in seiner Wohnung das Leben. <br />
In einer Sammelverfügung vom 22. September 1942 wurde in einer auszugsweisen Abschrift das Vermögen von Dr. Edel eingezogen. Am 29. September 1942 wurde im Reichsanzeiger Nr. 228 und in der Verfügung Nr. 296 vom 17. Dezember 1942 der Hinweis auf den Verfall seines Vermögens veröffentlicht. <br />
Die Deutsche Bank teilte am 8. Oktober 1942 der Vermögensverwertungsstelle die Vermögensverhältnisse von Dr. Paul Edel mit. Demnach hatte er bei der Deutschen Bank ein beschränkt verfügbares Sicherungskonto mit einem Guthaben von 609,63 RM und ein Sparkonto mit einem Guthaben von 7.123,48 RM. Weiterhin verfügte er über ein Depot mit insgesamt 7.000,-- RM Reichsschatzanweisungen und Pfandbriefen. Die Bank teilt außerdem mit, dass von der Dt. Reichsschatzanweisung 2.200,- und von dem Preuss. Land-Pfandbrief 5.000,-- RM bereits zur Sicherung der Reichsfluchtsteuer verpfändet worden seien. „Wir haben uns auf den Konten und dem Wertpapierdepot vorsorglich eine Sperre wegen der vorliegenden Einziehungsverfügung vorgemerkt, machen aber ausdrücklich darauf aufmerksam, dass Dr. Paul Ludwig Israel Edel am 7.9.42, also vor Erlass der Einziehungsverfügung, verstorben ist. Testamentsvollstrecker ist Herr Dr. Kann, Berlin W 50, Neue Ansbacher Str. 6. Die vorhandenen Vermögenswerte verwahren wir vom Todestage ab nicht mehr für den Kontoinhaber, sondern für dessen Erben, die uns nicht bekannt sind. Eingezogen ist aber lediglich das Vermögen des Dr. Paul Isr. Edel. Wir bitten um Ihre Stellungnahme.“ Ein Dr. iur. John A. Fagg machte am 27. November 1942 darauf aufmerksam, dass Major a. D. Franz Josef Mager, Berlin W., Burggrafenstraße 16, zum Alleinerben eingesetzt wurde. Er zitierte das Testament vom 23. Januar 1942, in dem Paul Edel nicht seine Schwester, die in Heilbronn lebte und vermutlich bereits deportiert worden war, sondern seinen Freund und Mitbewohner als Erbe eingesetzt hatte. Der Rechtsanwalt nun argumentiert, dass sein Nachlass nicht dem Deutschen Reich verfallen sein könne, da Dr. Paul Edel bis zu seinem Tode in der Freisinger Straße 16 seinen Wohnsitz behalten habe und auch dort verstorben sei. „Es wird gebeten, zu bescheinigen, dass das Deutsche Reich den Nachlass des Arztes Dr. Paul Israel Edel und die dazu gehörigen Werte nicht in Anspruch nimmt. Der Verstorbene war Inhaber hoher Kriegszeichnungen aus dem Weltkrieg 1914-1918, die sich bereits im Besitz des Erben befindet.“ Am 28. November 1942 wurde ein Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt, ein Erbschein war bereits am 22. Oktober 1942 ausgefertigt worden. Am 13. Januar 1943 mahnte der Rechtsanwalt eine baldige Stellungnahme der Vermögensverwertungsstelle an. <br />
Auch am 5. Februar 1943 forderte der Rechtsanwalt nochmals zur Freigabe des Erbes für seinen Mandanten auf: „Ich bitte daher, die erwähnten Verfügungen der Staatspolizeileitstelle einer Nachprüfung zu unterziehen und das Vermögen zu Gunsten der Erben f r e i z u g e b e n.“ Am 6. Februar 1943 wurde ein weiteres Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt. Es handelte sich um ein Erbe in Höhe von ca. 15.000,-- RM. Am 30. März 1943 schrieb der Rechtsanwalt nochmals in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker an die Vermögensverwertungsstelle: „Nachdem mir durch den Herrn Sachbearbeiter angedeutet worden ist, daß die Frage des Verfalls des Vermögens zu Gunsten des Reiches auch von dem Gesichtspunkt aus zu prüfen sei, ob der verst. Dr. Edel sich durch Selbstmord der gegen ihn angedrohten Evakuierung entzogen habe und deshalb als Staatsfeind zu betrachten sei, beehre ich mich, hierzu noch folgendes anzuführen: …“ Als Rechtfertigung führt er an, dass Paul Edel zwar einer „nichtarischen“ Familie entstammte, aber protestantischen Glaubens sei. Es folgt eine Aufzählung seiner militärischen und beruflichen Verdienste als Arzt sowie seiner gesundheitlichen Verfassung. Außerdem machte der Rechtsanwalt darauf aufmerksam, dass er durch eine Schenkung historischer Gegenstände an die Staatliche Sammlung Ärztlicher Lehrmittel einen wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft geleistet habe. Am 17. Mai 1943 machte der Rechtsanwalt in seinem Schreiben auf sein Treueverhältnis aufmerksam, das ihn verpflichtete, die Interesse des Erben wahrzunehmen, und dass er im Falle einer schuldhaften Verletzung seiner Pflichten als Testamentsvollstrecker dem Erben gegenüber schadensersatzpflichtig würde. Vom 1. Juni 1943 gibt es eine Notiz, dass man dem Antrag stattgeben solle, da es sich um einen Einzelfall handele. Dennoch wurde der Nachlass nicht freigegeben. Am 7. Juli 1943 schrieb deshalb der Erbe F. J. Mager selbst an die Vermögensverwertungsstelle und wies nochmals auf die Tatsache hin, dass es sich um einen Einzelfall handeln müsse. Als Beweis für seine eigene Loyalität dem Reich gegenüber fügte er diverse Beurteilungen seiner Person bei. Am 9. August 1943 schließlich meldete sich der Erbe Mager erneut bei der Vermögensverwertungsstelle, um in seinem Fall auf einen ihn betreffenden Rechtsirrtum zu verweisen. „Ich beantrage also demzufolge nochmals, mir die Beträge umgehend auszahlen zu wollen.“ Weitere Schreiben folgten. Die Behörde verweigerte ihm aber weiterhin seine berechtigten Ansprüche. Am 20. November 1943 wurde der Antrag nochmals eindeutig mit Hinweis auf die Gesetzeslage abgelehnt: Scheinbar großmütig, sei man „aber gern bereit, die Frage, ob Ihnen aus Billigkeitsgründen aus dem Vermögen des verstorbenen Edel etwas überlassen werden kann, noch einmal zu prüfen.“ Am 16. November 1943 legte Major Mager offiziell Widerspruch und Beschwerde bei dem Leiter der Vermögensverwer-tungsstelle, d.h. dem Vorgesetzten des Beamten ein, der ihm den negativen Bescheid hatte zukommen lassen. „Ich halte meine gesamten Ansprüche im vollen Umfang aufrecht und mache nochmals, wie bereits geschehen, auf den Schaden aufmerksam, der mir durch die Zurückbehaltung meiner Erbschaft entsteht.“ Am 26. Mai 1944 sperrte die Deutsche Bank die Konten und machte darauf aufmerksam, dass ein Teil der Konten dem Finanzamt verpfändet sei. Am 30. Juni 1944 fragte das Finanzamt Tiergarten bei der Vermögensverwertungsstelle an, ob das Nachlassvermögen nun dem Reich verfallen sei und endgültig dem Reich verbliebe. Die Gestapo hatte in der Zwischenzeit die politische Gesinnung des Erben Mager überprüft und war zu der Auffassung gelangt, das über ihn in politischer Hinsicht nichts Nachteiliges bekannt sei (Schreiben vom 13.1.1944). Am 24. Juli 1944 teilte die Deutsche Bank der Vermögensverwertungsstelle mit, dass die Vermögenswerte nun an die Vermögensverwertungsstelle überwiesen worden seien. Aus einem Schreiben vom 2. Dezember 1944 geht hervor, dass F. J. Mager 7.500,-- RM aus dem Erbe von Paul Edel erhalten sollte. Damit fand die strittige Angelegenheit jedoch noch keinen befriedigenden Abschluss. Am 10. Dezember 1945 verlangte ein neuer Rechtsanwalt von F. J. Mager, ein Dr. Kurt Landsberger, die restlose Herausgabe des eingezogenen Vermögens von Paul Edel, da die Einziehung rechts-, sitten- und verfassungswidrig gewesen sei. Auch nach dem Krieg ist die Erbangelegenheit noch nicht eindeutig geklärt. Noch 1981 stritt man sich um das Erbe von Dr. Paul Ludwig Edel. <br />
Eine Inventarbewertung der wenigen Möbel und des geringen Hausrates von Dr. Edel vom 12. März 1943 ergab einen Betrag in Höhe von 227,50 RM. Zwei Händler erwarben die Haushaltsgegenstände. Am 28. November 1942 war sein Inventar noch in Höhe von 325,-- RM bewertet worden. <br />

Paul Ludwig Edel wurde am 12. Januar 1874 als Sohn einer ursprünglich jüdischen, aber seit langem aus dem Kreise des Judentums gelösten Familie in Hannover geboren. Sein Vater Dr. Emil Edel war am 20. August 1873 aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten. Seine Mutter Hertha Edel, geborene Süssmann, war vermutlich „Arierin“. Sie ließen ihren Sohn und eine Tochter protestantisch taufen. Paul Ludwig Edel studierte in München Medizin, schloss 1898 sein Studium mit einer Dissertation zum Dr. med. mit dem Thema „Über Sclerodermie“ ab und erhielt im gleichen Jahr seine Approbation. Am 22. März 1900 trat er als Schiffsarzt in den Dienst der Hamburg-Amerika-Linie und übte diese Tätigkeit bis zum 1. Mai 1901 aus. Wie ihm der Chefarzt am 1. Mai 1901 anerkennend bestätigte, bewährte er sich auf den Schiffen der Hapag mit Auszeichnung. Anschließend nahm er auf dem Dampfer Andalusia als Arzt an dem Feldzug zur Niederschlagung des Boxeraufstandes unter Feldmarschall Alfred Graf von Waldersee im Kaiserreich China teil. Für seine geleisteten Dienste wurde er am 21. August 1902 von Kaiser Wilhelm II. mit einer Denkmünze aus Stahl ausgezeichnet. Seit dem 17. März 1903 arbeitete er in Berlin als Gynäkologe. Neben seiner praktischen Tätigkeit schrieb und veröffentlichte er auch Fachartikel. Im Jahre 1904 erschienen in der Klinisch-Therapeutischen Wochenschrift eine Abhandlung zum Thema „Ätiologie und Therapie des Carcinoms“ und im Jahre 1907 ein weiterer Fachaufsatz in der Medizinischen Woche zur „Krebsfrage“. 1909 heiratete er Alice Steinthal. Seit dem 1. April 1909 lebte er mit seiner Frau in der Heilbronner Straße 19. Bereits vor ihrer Heirat war auch Alice Steinthal aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten und gehörte seit dem 8. Februar 1909 wie auch ihr Mann dem Protestantismus an. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war er zunächst verpflichteter Zivil-, dann Assistenz- und schließlich Bataillonsarzt. Er nahm an den Frankreichfeldzügen teil, wurde dort vermutlich verwundet und arbeitete ab dem 26. Juni 1917 bis zum 1. Oktober 1918 in diversen Kliniken und Feldlazaretten. Seine Frau Alice hatte sich gleichfalls freiwillig zur militärischen Krankenpflege gemeldet und erhielt dafür am 16. Juli 1918 das Verdienstkreuz für Kriegshilfe. Auch Dr. Paul Ludwig Edel wurde hoch dekoriert. Er erhielt am 15. August 1915 das Eiserne Kreuz II. Klasse, das Verwundetenabzeichen in Schwarz und am 21. Dezember 1934 nachträglich das Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Er blieb auch nach dem Krieg seinem Truppenteil verbunden und ein geschätztes Mitglied des Offiziersvereins des Reserve-Infanterieregiments 99. Noch 1933 unternahm er mit seinem Kriegskameradenverband eine Reise. Seine politische Einstellung war und blieb „deutsch-national“. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm er seine Tätigkeit als praktizierender Gynäkologe wieder auf. Seine Praxis befand sich in der Heilbronner Straße 19, wo er und seine Frau seit 1909 auch privat wohnten. Mittlerweile war er zum Sanitätsrat ernannt worden. Nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Facharzt für Frauenleiden wurde ihm am 9. Dezember 1938 die Kassenzulassung entzogen. Seine Frau war vermutlich depressiv und erschoss sich vor 1933 mit der alten Armeepistole ihres Mannes in ihrer Wohnung in der Heilbronner Straße 19. Das Ehepaar hatte keine Kinder. Am 1. August 1941 zog Dr. Paul Ludwig Edel in die Freisinger Straße 15 in die Wohnung der Familie Kopfstein. Angesichts der nun eingeschränkten Vermögens- und beengten Wohnverhältnisse vermachte er der Staatlichen Sammlung Ärztlicher Lehrmittel nicht nur seine medizinischen Instrumente, sondern auch besonders wertvolle Gegenstände der ärztlichen Praxis von historischem Wert. Am 18. Juli 1939 wurde dies von dem Direktor der Staatlichen Sammlung anerkennend bestätigt. Bereits in den letzten Jahren seiner medizinischen Tätigkeit hatte Dr. Edel große gesundheitliche Probleme. Sowohl der Tod seiner Frau, der ihn seelisch stark belastete, als auch eine hartnäckige Blasenkrankheit steigerten den Druck seiner Leiden. Seine Krankheit machte ihm letztlich die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben unmöglich. Eine Emigration zog er - trotz dringenden Anratens von Bekannten - wohl deshalb niemals in Erwägung. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass ihm angesichts seiner militärischen und sonstigen Verdienste etwas passieren würde. Letztlich muss er die bedrohliche Situation, in der er sich befand, jedoch erkannt haben. Am 23. Januar 1942 machte er sein Testament, in dem er den Major a. D. Franz Josef Mager zum Erben seines gesamten Vermögens einsetzte. Franz Josef Mager lebte seinerzeit ebenfalls in der Heilbronner Straße 19. Er war Dr. Edel aufgrund dessen Erlebnisse als alter China- und Frontkämpfer freundschaftlich zugetan. Dr. Edel glaubte ihm einen finanziellen Ausgleich schuldig zu sein, da Franz Josef Mager und seine Frau in Streitigkeiten mit dem Hauseigentümer in der Heilbronner Straße 19 geraten waren. Dr. Edel hatte seinerzeit das Mietverhältnis seiner Wohnung einer Frau Blankenstein übertragen und die Wohnung sollte schließlich an Major Mager übergehen. Ein Schlaganfall und der plötzliche Tod von Frau Blankenstein verhinderten, dass Major Mager die Wohnung erhielt. Dadurch kam es zum Streit mit dem Hauseigentümer und nicht zuletzt auch zu einem erheblichen finanziellen Schaden.
Von der Deportation bedroht, durch gesundheitliche Probleme eingeschränkt und in depressiver Verfassung nahm sich Dr. Paul Ludwig Edel am 7. September 1942 in seiner Wohnung das Leben.
In einer Sammelverfügung vom 22. September 1942 wurde in einer auszugsweisen Abschrift das Vermögen von Dr. Edel eingezogen. Am 29. September 1942 wurde im Reichsanzeiger Nr. 228 und in der Verfügung Nr. 296 vom 17. Dezember 1942 der Hinweis auf den Verfall seines Vermögens veröffentlicht.
Die Deutsche Bank teilte am 8. Oktober 1942 der Vermögensverwertungsstelle die Vermögensverhältnisse von Dr. Paul Edel mit. Demnach hatte er bei der Deutschen Bank ein beschränkt verfügbares Sicherungskonto mit einem Guthaben von 609,63 RM und ein Sparkonto mit einem Guthaben von 7.123,48 RM. Weiterhin verfügte er über ein Depot mit insgesamt 7.000,-- RM Reichsschatzanweisungen und Pfandbriefen. Die Bank teilt außerdem mit, dass von der Dt. Reichsschatzanweisung 2.200,- und von dem Preuss. Land-Pfandbrief 5.000,-- RM bereits zur Sicherung der Reichsfluchtsteuer verpfändet worden seien. „Wir haben uns auf den Konten und dem Wertpapierdepot vorsorglich eine Sperre wegen der vorliegenden Einziehungsverfügung vorgemerkt, machen aber ausdrücklich darauf aufmerksam, dass Dr. Paul Ludwig Israel Edel am 7.9.42, also vor Erlass der Einziehungsverfügung, verstorben ist. Testamentsvollstrecker ist Herr Dr. Kann, Berlin W 50, Neue Ansbacher Str. 6. Die vorhandenen Vermögenswerte verwahren wir vom Todestage ab nicht mehr für den Kontoinhaber, sondern für dessen Erben, die uns nicht bekannt sind. Eingezogen ist aber lediglich das Vermögen des Dr. Paul Isr. Edel. Wir bitten um Ihre Stellungnahme.“ Ein Dr. iur. John A. Fagg machte am 27. November 1942 darauf aufmerksam, dass Major a. D. Franz Josef Mager, Berlin W., Burggrafenstraße 16, zum Alleinerben eingesetzt wurde. Er zitierte das Testament vom 23. Januar 1942, in dem Paul Edel nicht seine Schwester, die in Heilbronn lebte und vermutlich bereits deportiert worden war, sondern seinen Freund und Mitbewohner als Erbe eingesetzt hatte. Der Rechtsanwalt nun argumentiert, dass sein Nachlass nicht dem Deutschen Reich verfallen sein könne, da Dr. Paul Edel bis zu seinem Tode in der Freisinger Straße 16 seinen Wohnsitz behalten habe und auch dort verstorben sei. „Es wird gebeten, zu bescheinigen, dass das Deutsche Reich den Nachlass des Arztes Dr. Paul Israel Edel und die dazu gehörigen Werte nicht in Anspruch nimmt. Der Verstorbene war Inhaber hoher Kriegszeichnungen aus dem Weltkrieg 1914-1918, die sich bereits im Besitz des Erben befindet.“ Am 28. November 1942 wurde ein Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt, ein Erbschein war bereits am 22. Oktober 1942 ausgefertigt worden. Am 13. Januar 1943 mahnte der Rechtsanwalt eine baldige Stellungnahme der Vermögensverwertungsstelle an.
Auch am 5. Februar 1943 forderte der Rechtsanwalt nochmals zur Freigabe des Erbes für seinen Mandanten auf: „Ich bitte daher, die erwähnten Verfügungen der Staatspolizeileitstelle einer Nachprüfung zu unterziehen und das Vermögen zu Gunsten der Erben f r e i z u g e b e n.“ Am 6. Februar 1943 wurde ein weiteres Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt. Es handelte sich um ein Erbe in Höhe von ca. 15.000,-- RM. Am 30. März 1943 schrieb der Rechtsanwalt nochmals in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker an die Vermögensverwertungsstelle: „Nachdem mir durch den Herrn Sachbearbeiter angedeutet worden ist, daß die Frage des Verfalls des Vermögens zu Gunsten des Reiches auch von dem Gesichtspunkt aus zu prüfen sei, ob der verst. Dr. Edel sich durch Selbstmord der gegen ihn angedrohten Evakuierung entzogen habe und deshalb als Staatsfeind zu betrachten sei, beehre ich mich, hierzu noch folgendes anzuführen: …“ Als Rechtfertigung führt er an, dass Paul Edel zwar einer „nichtarischen“ Familie entstammte, aber protestantischen Glaubens sei. Es folgt eine Aufzählung seiner militärischen und beruflichen Verdienste als Arzt sowie seiner gesundheitlichen Verfassung. Außerdem machte der Rechtsanwalt darauf aufmerksam, dass er durch eine Schenkung historischer Gegenstände an die Staatliche Sammlung Ärztlicher Lehrmittel einen wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft geleistet habe. Am 17. Mai 1943 machte der Rechtsanwalt in seinem Schreiben auf sein Treueverhältnis aufmerksam, das ihn verpflichtete, die Interesse des Erben wahrzunehmen, und dass er im Falle einer schuldhaften Verletzung seiner Pflichten als Testamentsvollstrecker dem Erben gegenüber schadensersatzpflichtig würde. Vom 1. Juni 1943 gibt es eine Notiz, dass man dem Antrag stattgeben solle, da es sich um einen Einzelfall handele. Dennoch wurde der Nachlass nicht freigegeben. Am 7. Juli 1943 schrieb deshalb der Erbe F. J. Mager selbst an die Vermögensverwertungsstelle und wies nochmals auf die Tatsache hin, dass es sich um einen Einzelfall handeln müsse. Als Beweis für seine eigene Loyalität dem Reich gegenüber fügte er diverse Beurteilungen seiner Person bei. Am 9. August 1943 schließlich meldete sich der Erbe Mager erneut bei der Vermögensverwertungsstelle, um in seinem Fall auf einen ihn betreffenden Rechtsirrtum zu verweisen. „Ich beantrage also demzufolge nochmals, mir die Beträge umgehend auszahlen zu wollen.“ Weitere Schreiben folgten. Die Behörde verweigerte ihm aber weiterhin seine berechtigten Ansprüche. Am 20. November 1943 wurde der Antrag nochmals eindeutig mit Hinweis auf die Gesetzeslage abgelehnt: Scheinbar großmütig, sei man „aber gern bereit, die Frage, ob Ihnen aus Billigkeitsgründen aus dem Vermögen des verstorbenen Edel etwas überlassen werden kann, noch einmal zu prüfen.“ Am 16. November 1943 legte Major Mager offiziell Widerspruch und Beschwerde bei dem Leiter der Vermögensverwer-tungsstelle, d.h. dem Vorgesetzten des Beamten ein, der ihm den negativen Bescheid hatte zukommen lassen. „Ich halte meine gesamten Ansprüche im vollen Umfang aufrecht und mache nochmals, wie bereits geschehen, auf den Schaden aufmerksam, der mir durch die Zurückbehaltung meiner Erbschaft entsteht.“ Am 26. Mai 1944 sperrte die Deutsche Bank die Konten und machte darauf aufmerksam, dass ein Teil der Konten dem Finanzamt verpfändet sei. Am 30. Juni 1944 fragte das Finanzamt Tiergarten bei der Vermögensverwertungsstelle an, ob das Nachlassvermögen nun dem Reich verfallen sei und endgültig dem Reich verbliebe. Die Gestapo hatte in der Zwischenzeit die politische Gesinnung des Erben Mager überprüft und war zu der Auffassung gelangt, das über ihn in politischer Hinsicht nichts Nachteiliges bekannt sei (Schreiben vom 13.1.1944). Am 24. Juli 1944 teilte die Deutsche Bank der Vermögensverwertungsstelle mit, dass die Vermögenswerte nun an die Vermögensverwertungsstelle überwiesen worden seien. Aus einem Schreiben vom 2. Dezember 1944 geht hervor, dass F. J. Mager 7.500,-- RM aus dem Erbe von Paul Edel erhalten sollte. Damit fand die strittige Angelegenheit jedoch noch keinen befriedigenden Abschluss. Am 10. Dezember 1945 verlangte ein neuer Rechtsanwalt von F. J. Mager, ein Dr. Kurt Landsberger, die restlose Herausgabe des eingezogenen Vermögens von Paul Edel, da die Einziehung rechts-, sitten- und verfassungswidrig gewesen sei. Auch nach dem Krieg ist die Erbangelegenheit noch nicht eindeutig geklärt. Noch 1981 stritt man sich um das Erbe von Dr. Paul Ludwig Edel.
Eine Inventarbewertung der wenigen Möbel und des geringen Hausrates von Dr. Edel vom 12. März 1943 ergab einen Betrag in Höhe von 227,50 RM. Zwei Händler erwarben die Haushaltsgegenstände. Am 28. November 1942 war sein Inventar noch in Höhe von 325,-- RM bewertet worden.