Irma Erna Potolowsky geb. Simon

Verlegeort
Taunusstr. 11
Bezirk/Ortsteil
Friedenau
Verlegedatum
09. August 2012
Geboren
01. Februar 1893 in Berlin
Deportation
am 17. Mai 1943 nach Auschwitz
Ermordet
19. Mai 1943 in Auschwitz

Irma Erna Potolowsky, genannt Erna, wurde am 1. Februar 1893 in Berlin als Tochter des Viehhändlers Simon geboren. Sie wuchs in der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Marseliusstraße in der Nähe des Alexanderplatzes auf. Ungefähr dort, wo ihr Geburtshaus war, steht heute das Café Moskau an der breiten Karl-Marx-Allee. Ihre Schwester Thea war ein Jahr jünger als sie. 

Am 30. Juni 1912 brachte Erna ihre unehelich geborene Tochter Lieselotte zur Welt. 1916 heiratete sie dann den jungen Bankbeamten Feodor Potolowsky, dessen Namen auch ihre Tochter Lieselotte ab dem 3. Oktober jenes Jahres trug. Im selben Jahr zog die junge Familie nach Friedenau in das damalige Neubaugebiet am Südwestkorso. Ihr neues Zuhause in der Taunusstr. 11 war 1912 fertiggestellt worden. Am 2. Oktober 1921 kam die gemeinsame Tochter Ellen-Juliane zur Welt. Die Jahre bis 1933 müssen für die Familie Potolowsky eine wirtschaftlich erfolgreiche Zeit gewesen sein. Feodor Potolowsky war Börsenvertreter des Bankhauses Fromberg. Die Wohnung war hochwertig und modern ausgestattet: Die Familie besaß einen Bechsteinflügel und Möbel aus den Hellerauer Werkstätten. Es sollen wertvolle Gemälde, Zeichnungen von Kokoschka, Corinth sowie Pechstein und ostasiatische Kunst vorhanden gewesen sein, außerdem eine große Bibliothek. Feodor Potolowsky war Hobbyfotograf und hatte sich in der Wohnung eine Dunkelkammer eingerichtet. Im Urlaub fuhr die Familie häufig zum Skifahren.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann eine andere Zeit. 1934 wurde das Bankhaus Fromberg arisiert und Feodor Potolowsky verlor seine Anstellung. Seitdem lebte die Familie von der Substanz. 1935 wurden die Nürnberger Rassengesetze erlassen. Lieselotte Potolowsky, die zwar einen nichtjüdischen leiblichen Vater hat, wurde – weil jüdisch erzogen – als „Geltungsjüdin“ behandelt. Sie musste eine Ausbildung als Gebrauchsgrafikerin abbrechen und konnte beruflich nicht Fuß fassen. Auch Irmas Schwester Thea, inzwischen geschiedene Jacobowitz, erhielt Berufsverbot und durfte nicht mehr in ihrer Charlottenburger Praxis als Dentistin arbeiten. Die Tochter Ellen-Juliane, gerade einmal 16 Jahre, bestieg, noch bevor am 9. November 1938 die Synagogen brannten, einen Zug nach Paris. Am Bahnhof Zoo sah sie ihre Eltern zum letzten Mal. Über Frankreich gelangte sie noch im selben Jahr zu Verwandten nach New York. 1940 brach der Kontakt zu ihren Eltern ab. 

Ab September 1941 mussten die Potolowskys ein Zimmer an das „Mischlings“-Ehepaar Böhm untervermieten. Der Mann war Jude. Mitte Oktober 1941 begannen die Deportationen mit unbekanntem Ziel „in den Osten“. Da Feodor Potolowsky inzwischen bei der Reichsvereinigung der Juden arbeitete, blieben er und seine Frau zunächst verschont. Mitte August 1942 erhielt Irmas Schwester Thea Jacobowitz den „Umsiedlungsbescheid“. Sie verließ ihre Wohnung in der Weimarer Straße und ging, wie später ihr Sohn Günter, in die Illegalität. Noch bis zum Mai 1943 übernachteten beide häufig in der Taunusstraße 11, der Wohnung von Feodor und Erna Potolowsky. Ihr Sohn Günter wurde jedoch bald von der Gestapo aufgespürt und am 20. Juni 1943 nach Auschwitz deportiert. Er war 23 Jahre jung, arbeitsfähig und marschierte ins Lager. Lieselotte Potolowsky, die bei Siemens-Schuckert Zwangsarbeit leistete, wurde im Zuge der „Fabrik-Aktion“ Ende Februar 1943 an ihrem Arbeitsplatz verhaftet und bis Anfang Mai im Sammellager Rosenstraße gefangen gehalten. Man ließ sie aber wieder frei, weil die Nazis Halbjuden und Juden in „Mischehen“ noch eine Schonfrist einräumten. 

Für ihre Eltern war die Schonfrist jedoch vorbei. Sie erhielten den Deportationsbescheid. Auf einem achtseitigen Finanzformular mussten sie eine detaillierte Vermögenserklärung abgeben. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt, auch ein Mantel, in den Irma Potolowsky 5000 Reichsmark und Schmuck „für alle Fälle“ eingenäht hatte. Am 15. Mai 1943, einem Sonnabend, verließ das Ehepaar die Wohnung in der Taunusstraße. Zwei Nächte verbrachten die beiden noch im Sammellager in der Synagoge Levetzowstraße. Am Montagnachmittag brachte man sie mit 406 anderen Menschen zum nahegelegenen Güterbahnhof Moabit am Westhafen. Dort bestiegen sie den (letzten) „36. Osttransport“ aus Berlin. Der Zug war zwei Tage unterwegs, ungewöhnlich lange für eine Strecke von ca. 570 Kilometern. Am 19. Mai 1943 erreichte er Auschwitz. Noch auf der Rampe entschied sich ihr weiteres Schicksal. Irma und Feodor Potolowsky kamen nicht ins Lager und erhielten auch keine Nummer auf den Unterarm tätowiert. Sie wurden auf Lastwagen verladen und zu einem der gerade in Betrieb genommenen neuen Krematorien in Birkenau gefahren. Dort endete ihr Leben in einer Gaskammer. Ihre Asche wurde in der Nähe des Lagers in die Weichsel gekippt. An diesem Mittwoch, dem 19. Mai 1943, erklärte der Gauleiter der NSDAP in Berlin und Minister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, die Reichshauptstadt offiziell für „judenfrei“. 

Lieselotte Potolowsky tauchte nach der Deportation ihrer Eltern unter. Wie ihre Tante Thea Jacobowitz überlebte sie in Berlin und Umgebung in verschiedenen Verstecken bis zum Kriegsende im Mai 1945. Auch ihr Onkel, der Neuköllner Arzt Hermann Gysi, half den Untergetauchten. Die Verfolgungszeit hatte Lieselotte Potolowsky aber physisch wie psychisch stark mitgenommen. Sie wurde Anfang der 1950er Jahre zwar per Ausnahmegenehmigung des Volksbildungssenators zum Psychologiestudium an der FU zugelassen, beendete aber das Studium aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen nicht. Sie starb ledig und kinderlos mit 63 Jahren am 28. Januar 1975 in Spandau. Auch ihre Schwester Ellen-Juliane wurde nicht alt. Sie war zweimal verheiratet, zog 1952 an die amerikanische Westküste und lebte unter verschiedenen Adressen in Hollywood. Um das Jahr 1956 herum wurde sie nach Akteninformationen wahrscheinlich Mutter eines Sohnes. Im Juli 1984 starb Ellen-Juliane Williford in Los Angeles. Deutschland, Friedenau und ihre Schwester hat sie nie wieder gesehen.

Irma Potolowskys Schwester, Thea Jacobowitz, lebte über 30 Jahre in der Zähringer Straße in Wilmersdorf. Sie starb 94-jährig am 12. Oktober 1988 in einem Altersheim in Zehlendorf. Ihr Sohn Günter überlebte Auschwitz. Er blieb dort bis zur Evakuierung des Lagers durch die SS vor der heranrückenden Roten Armee am 18. Januar 1945. Am 6. Mai befreite ihn die amerikanische Armee im Lager Ebensee in Oberöstereich. Nach dem Krieg arbeitete er für die Filmgesellschaft Warner Brothers und lebte bis zu seinem Tod 2004 in Weßling bei München. Die tätowierte Nummer aus Auschwitz hatte er sich entfernen lassen. Seine 1951 geborene Tochter erfuhr erst mit fünfzehn Jahren von seinem Schicksal. Ihr Vater redete kaum über die Zeit. Auf dem Grabstein seiner Mutter Thea auf dem Jüdischen Friedhof an der Heerstraße in Charlottenburg steht unter ihren Lebensdaten: „Zum Gedenken an meine liebe Schwester Irma und meinen Schwager Feo Potolowsky, umgekommen in Auschwitz Mai 1943“.

Irma Erna Potolowsky, genannt Erna, wurde am 1. Februar 1893 in Berlin als Tochter des Viehhändlers Simon geboren. Sie wuchs in der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Marseliusstraße in der Nähe des Alexanderplatzes auf. Ungefähr dort, wo ihr Geburtshaus war, steht heute das Café Moskau an der breiten Karl-Marx-Allee. Ihre Schwester Thea war ein Jahr jünger als sie.

Am 30. Juni 1912 brachte Erna ihre unehelich geborene Tochter Lieselotte zur Welt. 1916 heiratete sie dann den jungen Bankbeamten Feodor Potolowsky, dessen Namen auch ihre Tochter Lieselotte ab dem 3. Oktober jenes Jahres trug. Im selben Jahr zog die junge Familie nach Friedenau in das damalige Neubaugebiet am Südwestkorso. Ihr neues Zuhause in der Taunusstr. 11 war 1912 fertiggestellt worden. Am 2. Oktober 1921 kam die gemeinsame Tochter Ellen-Juliane zur Welt. Die Jahre bis 1933 müssen für die Familie Potolowsky eine wirtschaftlich erfolgreiche Zeit gewesen sein. Feodor Potolowsky war Börsenvertreter des Bankhauses Fromberg. Die Wohnung war hochwertig und modern ausgestattet: Die Familie besaß einen Bechsteinflügel und Möbel aus den Hellerauer Werkstätten. Es sollen wertvolle Gemälde, Zeichnungen von Kokoschka, Corinth sowie Pechstein und ostasiatische Kunst vorhanden gewesen sein, außerdem eine große Bibliothek. Feodor Potolowsky war Hobbyfotograf und hatte sich in der Wohnung eine Dunkelkammer eingerichtet. Im Urlaub fuhr die Familie häufig zum Skifahren.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann eine andere Zeit. 1934 wurde das Bankhaus Fromberg arisiert und Feodor Potolowsky verlor seine Anstellung. Seitdem lebte die Familie von der Substanz. 1935 wurden die Nürnberger Rassengesetze erlassen. Lieselotte Potolowsky, die zwar einen nichtjüdischen leiblichen Vater hat, wurde – weil jüdisch erzogen – als „Geltungsjüdin“ behandelt. Sie musste eine Ausbildung als Gebrauchsgrafikerin abbrechen und konnte beruflich nicht Fuß fassen. Auch Irmas Schwester Thea, inzwischen geschiedene Jacobowitz, erhielt Berufsverbot und durfte nicht mehr in ihrer Charlottenburger Praxis als Dentistin arbeiten. Die Tochter Ellen-Juliane, gerade einmal 16 Jahre, bestieg, noch bevor am 9. November 1938 die Synagogen brannten, einen Zug nach Paris. Am Bahnhof Zoo sah sie ihre Eltern zum letzten Mal. Über Frankreich gelangte sie noch im selben Jahr zu Verwandten nach New York. 1940 brach der Kontakt zu ihren Eltern ab.

Ab September 1941 mussten die Potolowskys ein Zimmer an das „Mischlings“-Ehepaar Böhm untervermieten. Der Mann war Jude. Mitte Oktober 1941 begannen die Deportationen mit unbekanntem Ziel „in den Osten“. Da Feodor Potolowsky inzwischen bei der Reichsvereinigung der Juden arbeitete, blieben er und seine Frau zunächst verschont. Mitte August 1942 erhielt Irmas Schwester Thea Jacobowitz den „Umsiedlungsbescheid“. Sie verließ ihre Wohnung in der Weimarer Straße und ging, wie später ihr Sohn Günter, in die Illegalität. Noch bis zum Mai 1943 übernachteten beide häufig in der Taunusstraße 11, der Wohnung von Feodor und Erna Potolowsky. Ihr Sohn Günter wurde jedoch bald von der Gestapo aufgespürt und am 20. Juni 1943 nach Auschwitz deportiert. Er war 23 Jahre jung, arbeitsfähig und marschierte ins Lager. Lieselotte Potolowsky, die bei Siemens-Schuckert Zwangsarbeit leistete, wurde im Zuge der „Fabrik-Aktion“ Ende Februar 1943 an ihrem Arbeitsplatz verhaftet und bis Anfang Mai im Sammellager Rosenstraße gefangen gehalten. Man ließ sie aber wieder frei, weil die Nazis Halbjuden und Juden in „Mischehen“ noch eine Schonfrist einräumten.

Für ihre Eltern war die Schonfrist jedoch vorbei. Sie erhielten den Deportationsbescheid. Auf einem achtseitigen Finanzformular mussten sie eine detaillierte Vermögenserklärung abgeben. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt, auch ein Mantel, in den Irma Potolowsky 5000 Reichsmark und Schmuck „für alle Fälle“ eingenäht hatte. Am 15. Mai 1943, einem Sonnabend, verließ das Ehepaar die Wohnung in der Taunusstraße. Zwei Nächte verbrachten die beiden noch im Sammellager in der Synagoge Levetzowstraße. Am Montagnachmittag brachte man sie mit 406 anderen Menschen zum nahegelegenen Güterbahnhof Moabit am Westhafen. Dort bestiegen sie den (letzten) „36. Osttransport“ aus Berlin. Der Zug war zwei Tage unterwegs, ungewöhnlich lange für eine Strecke von ca. 570 Kilometern. Am 19. Mai 1943 erreichte er Auschwitz. Noch auf der Rampe entschied sich ihr weiteres Schicksal. Irma und Feodor Potolowsky kamen nicht ins Lager und erhielten auch keine Nummer auf den Unterarm tätowiert. Sie wurden auf Lastwagen verladen und zu einem der gerade in Betrieb genommenen neuen Krematorien in Birkenau gefahren. Dort endete ihr Leben in einer Gaskammer. Ihre Asche wurde in der Nähe des Lagers in die Weichsel gekippt. An diesem Mittwoch, dem 19. Mai 1943, erklärte der Gauleiter der NSDAP in Berlin und Minister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, die Reichshauptstadt offiziell für „judenfrei“.

Lieselotte Potolowsky tauchte nach der Deportation ihrer Eltern unter. Wie ihre Tante Thea Jacobowitz überlebte sie in Berlin und Umgebung in verschiedenen Verstecken bis zum Kriegsende im Mai 1945. Auch ihr Onkel, der Neuköllner Arzt Hermann Gysi, half den Untergetauchten. Die Verfolgungszeit hatte Lieselotte Potolowsky aber physisch wie psychisch stark mitgenommen. Sie wurde Anfang der 1950er Jahre zwar per Ausnahmegenehmigung des Volksbildungssenators zum Psychologiestudium an der FU zugelassen, beendete aber das Studium aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen nicht. Sie starb ledig und kinderlos mit 63 Jahren am 28. Januar 1975 in Spandau. Auch ihre Schwester Ellen-Juliane wurde nicht alt. Sie war zweimal verheiratet, zog 1952 an die amerikanische Westküste und lebte unter verschiedenen Adressen in Hollywood. Um das Jahr 1956 herum wurde sie nach Akteninformationen wahrscheinlich Mutter eines Sohnes. Im Juli 1984 starb Ellen-Juliane Williford in Los Angeles. Deutschland, Friedenau und ihre Schwester hat sie nie wieder gesehen.

Irma Potolowskys Schwester, Thea Jacobowitz, lebte über 30 Jahre in der Zähringer Straße in Wilmersdorf. Sie starb 94-jährig am 12. Oktober 1988 in einem Altersheim in Zehlendorf. Ihr Sohn Günter überlebte Auschwitz. Er blieb dort bis zur Evakuierung des Lagers durch die SS vor der heranrückenden Roten Armee am 18. Januar 1945. Am 6. Mai befreite ihn die amerikanische Armee im Lager Ebensee in Oberöstereich. Nach dem Krieg arbeitete er für die Filmgesellschaft Warner Brothers und lebte bis zu seinem Tod 2004 in Weßling bei München. Die tätowierte Nummer aus Auschwitz hatte er sich entfernen lassen. Seine 1951 geborene Tochter erfuhr erst mit fünfzehn Jahren von seinem Schicksal. Ihr Vater redete kaum über die Zeit. Auf dem Grabstein seiner Mutter Thea auf dem Jüdischen Friedhof an der Heerstraße in Charlottenburg steht unter ihren Lebensdaten: „Zum Gedenken an meine liebe Schwester Irma und meinen Schwager Feo Potolowsky, umgekommen in Auschwitz Mai 1943“.