Philipp Paul Preuss

Verlegeort
Lützowstraße 15
Bezirk/Ortsteil
Tiergarten
Verlegedatum
06. Juni 2013
Geboren
09. Juli 1880 in Barten / Barciany
Deportation
am 14. Dezember 1942 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Philipp Paul Preuss wurde geboren am 9. Juli 1880 in der damals ostpreußischen Ortschaft Barten (dem heutigen Barciany in Polen) an der Liebe (Liwna), die etwa 75 Kilometer nordöstlich von Allenstein (Olsztyn) liegt. Er war der Sohn des Kaufmanns Philipp Preuss und dessen Frau Henriette, geb. Brasch. Seine Eltern hatten 1873 in Königsberg i. Pr. (Kaliningrad) geheiratet und waren anschließend über Zinten (Kornewo), wo sie zeitweilig an der Adresse Am Markt 177 lebten, nach Barten gezogen. Philipp Paul wuchs im Kreis von mindestens zwei Geschwistern auf: Seine älteren Brüder Hermann und Willi Preuss waren 1875 und 1879 zur Welt gekommen. Es gibt Hinweise darauf, dass er noch einen weiteren Bruder hatte, von dem aber weder das Geburtsjahr noch der Name bekannt ist. Über das Elternhaus, die Jugend und Kindheit von Philipp Paul Preuss und seinen Brüdern in Barten der Kaiserzeit haben sich keine weiteren Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur relativ kleinen jüdischen Gemeinde des Landkreises Rastenburg.

Nach seinem Schulabschluss schlug Philipp Paul Preuss eine kaufmännische Laufbahn ein, wobei er sich im Bereich der Textilmanufaktur und des Handels mit Stoffen spezialisierte. Sein Bruder Willi hatte eine Ausbildung zum Dekorateur absolviert. Nach dem Tod ihres Vaters zog es die drei Brüder Hermann, Willi und Philipp Paul Preuss sowie ihre verwitwete Mutter in den 1900er-Jahren nach Berlin, wo Henriette Preuss in zweiter Ehe einen Kaufmann Visser heiratete und mit ihm in Charlottenburg lebte. Aus dem Jahr 1901 hat sich eine Karte von Hermann Preuss an die Schwestern Anna und Margarete Brasch (letztere die spätere Ehefrau von Philipp Paul Preuss) erhalten, die Hermann in seiner Militärzeit bei einem Berliner Infanterieregiment zeigt. Die Brüder Preuss lebten in den 1900er-Jahren in Berlin, wo Willi und Philipp Paul 1906 und 1909 heirateten. Die Ehefrau von Philipp Paul war die 1888 in der Hansestadt Lüneburg (heutiges Niedersachsen) geborene Verkäuferin Margarete Brasch. Sie war die Tochter des Kaufmanns Adolf Abraham Brasch (1860–1901) und seiner Frau Gertrud (1860–1925). Mit Hermann und Willi Preuss lebte das Ehepaar nach der Hochzeit zeitweilig in Nürnberg, wo sich Philipp Pauls Brüder dauerhaft niederlassen sollten. Am 4. August 1910 wurde in Nürnberg das erste von vier Kindern der Eheleute Philipp Paul und Margarete Preuss geboren, ihr Sohn Adolf. Während Hermann Preuss in Nürnberg ein Schuhgeschäft gründete und Willi Preuss als Plakatkleber und Dekorateur tätig war, zog es die Eheleute Preuss zurück nach Berlin, wo im Februar 1913 ihr Sohn Martin Preuss geboren wurde. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs meldeten sich sowohl Philipp Paul als auch sein Bruder Willi freiwillig oder sie wurden rekrutiert und an verschiedenen Kriegsschauplätzen als Frontsoldaten eingesetzt. Während seiner Dienstzeit wurde Philipp Paul Preuss am 4. Juni 1917 – vermutlich als Teilnehmer der Schlacht bei Messines in Belgien – verwundet. Nach dem Ende seines Militärdienstes und der Demobilisierung kehrte Philipp Preuss zu seiner Familie nach Berlin zurück, wo 1923 und 1926 die Söhne Lothar und Gert Preuss geboren wurden. Seit 1919 lebte die Familie in einer Wohnung in der Melchiorstraße 20 in der Berliner Luisenstadt nahe dem Michaelkirchplatz. Philipp Paul Preuss wurde laut späteren Angaben des befreundeten Ehepaares Eisenstaedt in der Nachkriegszeit als sogenannter Kriegsbeschädigter bei einer Berliner Großhandelsfirma angestellt, wo er bis mindestens Mitte der 1930er-Jahre arbeitete. Seine Ehefrau Margarete betrieb in den 1920er- bis in die 1930er-Jahre eine Strickwarenmanufaktur mit mehreren Angestellten in Berlin, die verschiedene Modehäuser belieferte. Ihr Sohn Adolf erinnerte sich später an die Manufaktur: „Meine Mutter hatte die Strickwarenerzeugung zuerst in einem gemieteten Fabrikgebäude. […] Dann nahm sie eine 8 Zimmerwohnung in der Leipzigerstraße […] gegenüber von Tietz Warenhaus und betrieb in 3 Zimmer[n] die Strickmaschinen. Sie hatte Spulmaschinen, Rauhmaschinen, Strickmaschinen sowie Spezialnähmaschinen, also einen ganzen Betrieb. Ca. 1932 zog meine Mutter [an] den Luztowplatz und führte den selben Betrieb dort weiter. Als nach 1933 durch die Verfolgungsmaßnahme das Geschäft schlechter ging, zog meine Mutter mit dem Betrieb in die Lützowstraße 15, dies war ca. 1934. Meine Mutter fertigte alles nach Maß an, wie Pullover, Badeanzüge, Skianzüge.“ Kunden waren laut Adolf Preuss neben dem Warenhaus Tietz unter anderem das Unternehmen „Grünthal, Wolff und Co.“ in der Charlottenstraße und der renommierte Wiener Herrenausstatter „Kniže & Comp.“ in der Wilhelmstraße. Die Angaben ihres Sohnes decken sich recht genau mit den Daten der Berliner Adressbücher dieser Zeit. Bis 1930 firmierte die Maschinenstickerei – im Fernsprechbuch Berlin 1932 wird sie als „Atelier für maschinengestrickte Wollbekleidung“ geführt – an der Wohnadresse der Familie in der Melchiorstraße 20; 1931 in der Leipziger Straße 83; ab 1933 in der Schillstraße 8 nahe dem Lützowplatz und ab 1935 in der Lützowstraße 15. Eine weitere Wohnung war Anfang bis Mitte der 1930er-Jahre auf Philipp Preuss in der Brückenstraße 6a gemeldet.

Die Familie Preuss zählte trotz der Kriegsverletzung von Philipp Paul in der Zeit der Weimarer Republik zur einkommensstärkeren Bevölkerungsschicht der Hauptstadt. Die wenigen erhaltenen Zeugnisse zum Leben der Familie Preuss im Berlin der Weimarer Republik, zeichnen das Bild von einer dem deutschen Bürgertum angehörenden Familie, deren Angehörige am Aufschwung und den technischen Innovationen der sogenannten Goldenen Zwanziger Jahre partizipierten und Teil des aufblühenden kulturellen und gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt waren. Kunst, Musik und Bildung spielten im Familienleben eine herausragende Rolle – es wurde besonderer Wert auf die Ausbildung der Söhne gelegt. So ist etwa von Adolf Preuss bekannt, dass er privaten Klavierunterricht erhielt in einer Qualität, die es ihm später im Exil ermöglichte, ein Auskommen als Berufspianist zu finden, und in der Ausstattung der Berliner Wohnung von Philipp Paul und Margarete Preuss befanden sich auch Kunstgegenstände wie Ölgemälde. In einem späteren Lebensbericht des 1936 in Berlin geborenen Sohnes von Adolf, Rolf Preuss, erwähnt dieser Aufnahmen seines Vaters aus der Vorkriegszeit, die einen Mann zeigen, der „immer gut gekleidet war in modischen Anzügen, verschiedene neue Autos fuhr, seine Freizeit in Straßencafés verbrachte, Gruppenausflüge unternahm (Camping, Bootfahren, Skifahren usw.) und immer von vielen Freunden umgeben war.“ Philipp Pauls ältester Sohn Adolf Preuss hatte sich beruflich als Pelzhändler in Berlin betätigt, welchen Beruf der Sohn Martin ergriff, ist nicht bekannt. Die jüngeren Söhne waren noch im schulpflichtigen Alter, als die NS-Gesetzgebung ihnen ihre Chancen auf Ausbildung und freie Berufsentfaltung erschwerte.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Philipp Paul Preuss und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 war das Ehepaar Preuss als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Mai und November 1938 in Berlin erfuhren. In Nürnberg wurde das Schuhgeschäft von Philipp Pauls Bruder Hermann im November 1938 zerstört. Im selben Jahr musste Margarete Preuss den Betrieb der Maschinenstrickerei, die seit Mitte der 1930er-Jahre immer größere Schwierigkeiten gehabt hat, ihren Kundenkreis aufrechtzuerhalten, schließlich aufgeben. Philipp Paul Preuss selbst war in den 1930er-Jahren aus seinem Anstellungsverhältnis gekündigt worden. Im Sommer 1939 gelang es Adolf Preuss, mit seiner Ehefrau und seinem dreijährigen Sohn Deutschland zu verlassen. Sie alle konnten sich über Frankreich und Italien über den Seeweg nach Shanghai retten.

Ein Schreiben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland an das „Committee for the Assistance of European Jewish Refugees in Shanghai“ vom 6. Mai 1940 deutet darauf hin, dass auch Margarete und Philipp Paul Preuss nach Möglichkeiten suchten, mit ihren Kindern Martin, Lothar und Gert nach Shanghai zu fliehen. Mit dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 war jedoch die Fluchtroute über See blockiert. Jede Hoffnung auf eine Auswanderung zerschlug sich schließlich mit dem Ausreiseverbot vom Oktober 1941. Für die in Berlin zurückgebliebenen Familienmitglieder wurde das Leben spätestens Ende der 1930er-Jahre/ Anfang der 1940er-Jahre zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Seit Anfang der 1940er-Jahre mussten Philipp Paul Preuss und sein Sohn Martin zudem Zwangsarbeit leisten: der Weltkriegsveteran und Kriegsinvalide Philipp Paul Preuss als Arbeiter bei der „Deutsche Waffen und Munitionsfabriken AG“ im Werk Berlin-Borsigwalde am Eichborndamm 103–127, sein Sohn Martin als Arbeiter in der „Berliner Wellpappen-Werk GmbH“ Berlin-Lichtenberg in der Herzbergstraße 26.

Im Sommer 1941 wurde der damals 18-jährige Schüler Lothar Preuss wegen „unerlaubten Reisens“ in Weimar aufgegriffen. Er wurde am 30. Juli 1941 im Gestapogefängnis Weimar in „Schutzhaft“ genommen und zwei Tage später, am 1. August 1941, in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Am 26. August 1941 wurde er in Buchenwald ermordet. Sein Nachlass – eine Armbanduhr und einige Kleidungsstücke – wurden am 12. September 1941 an die Kriminalpolizeileitstelle Berlin zur Aushändigung an seine Eltern geschickt, aber offenbar nie übergeben. In der Vermögenserklärung, die Margarete Preuss am 20. November 1942, kurz vor ihrer Deportation, ausfüllen musste, gibt sie unter dem Punkt „Welche Familienangehörigen wandern mit aus?“ neben ihren Söhnen Gert und Martin auch den Namen von Lothar mit Fragezeichen an, anscheinend vermutete sie ihn weiterhin in Haft und wusste auch mehr als ein Jahr danach noch nichts vom gewaltsamen Tod ihres Sohnes.

Ein letztes Lebenszeichen der Berliner Familienangehörigen aus eigener Hand hat sich mit einer Rotkreuz-Nachricht, die höchstens 25 Wörter lang sein durfte, von Margarete Preuss an ihren Sohn und dessen Frau in Shanghai erhalten. Darin schreibt sie am 14. September 1942: „Liebe Kinder! Hoffe jetzt bald eine Nachricht von Euch zu erhalten, dass Ihr gesund seid. Geht Rolfchen schon zur Schule? Gratulieren Rolfchen zum Geburtstag. Mama, Ohmi.“

Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlin informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Familie Preuss erhielt den Deportationsbescheid im Winter 1942. Im November 1942 musste sie ihre letzte Berliner Wohnung in der Lützowstraße 15 verlassen und wurde im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Von dort aus wurde der 62-jährige Philipp Paul Preuss zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Söhnen Martin und Gert Preuss am 14. Dezember 1942 mit dem „25. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo alle ermordet wurden.
Philipp Pauls Bruder Willi war zusammen mit seiner Ehefrau einige Monate zuvor, am 24. März 1942, aus Nürnberg in das Ghetto Izbica deportiert und ermordet worden. Sein Bruder Hermann überlebte die NS-Verfolgung in Nürnberg in sogenannter privilegierter Mischehe. Philipp Pauls ältester Sohn Adolf, seine Ehefrau (die Ehe wurde in Shanghai geschieden) und sein Sohn überlebten im Exil in Shanghai. Sie lebten später in den USA. Aus dem Familienzweig von Margarete Preuss überlebte ihre 1928 in Berlin geborene Nichte Gerda Levy. Sie konnte 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden. Ihre Mutter – Margaretes Schwester – Dorothea Levy, wurde mit ihrem Ehemann 1941 in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert und 1942 im Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) ermordet. Margaretes Bruder Kurt Brasch, der bis zu seinem Tod in „privilegierter Mischehe“ in Berlin lebte, verstarb im Januar 1944.

Philipp Paul Preuss wurde geboren am 9. Juli 1880 in der damals ostpreußischen Ortschaft Barten (dem heutigen Barciany in Polen) an der Liebe (Liwna), die etwa 75 Kilometer nordöstlich von Allenstein (Olsztyn) liegt. Er war der Sohn des Kaufmanns Philipp Preuss und dessen Frau Henriette, geb. Brasch. Seine Eltern hatten 1873 in Königsberg i. Pr. (Kaliningrad) geheiratet und waren anschließend über Zinten (Kornewo), wo sie zeitweilig an der Adresse Am Markt 177 lebten, nach Barten gezogen. Philipp Paul wuchs im Kreis von mindestens zwei Geschwistern auf: Seine älteren Brüder Hermann und Willi Preuss waren 1875 und 1879 zur Welt gekommen. Es gibt Hinweise darauf, dass er noch einen weiteren Bruder hatte, von dem aber weder das Geburtsjahr noch der Name bekannt ist. Über das Elternhaus, die Jugend und Kindheit von Philipp Paul Preuss und seinen Brüdern in Barten der Kaiserzeit haben sich keine weiteren Informationen erhalten. Seine Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur relativ kleinen jüdischen Gemeinde des Landkreises Rastenburg.

Nach seinem Schulabschluss schlug Philipp Paul Preuss eine kaufmännische Laufbahn ein, wobei er sich im Bereich der Textilmanufaktur und des Handels mit Stoffen spezialisierte. Sein Bruder Willi hatte eine Ausbildung zum Dekorateur absolviert. Nach dem Tod ihres Vaters zog es die drei Brüder Hermann, Willi und Philipp Paul Preuss sowie ihre verwitwete Mutter in den 1900er-Jahren nach Berlin, wo Henriette Preuss in zweiter Ehe einen Kaufmann Visser heiratete und mit ihm in Charlottenburg lebte. Aus dem Jahr 1901 hat sich eine Karte von Hermann Preuss an die Schwestern Anna und Margarete Brasch (letztere die spätere Ehefrau von Philipp Paul Preuss) erhalten, die Hermann in seiner Militärzeit bei einem Berliner Infanterieregiment zeigt. Die Brüder Preuss lebten in den 1900er-Jahren in Berlin, wo Willi und Philipp Paul 1906 und 1909 heirateten. Die Ehefrau von Philipp Paul war die 1888 in der Hansestadt Lüneburg (heutiges Niedersachsen) geborene Verkäuferin Margarete Brasch. Sie war die Tochter des Kaufmanns Adolf Abraham Brasch (1860–1901) und seiner Frau Gertrud (1860–1925). Mit Hermann und Willi Preuss lebte das Ehepaar nach der Hochzeit zeitweilig in Nürnberg, wo sich Philipp Pauls Brüder dauerhaft niederlassen sollten. Am 4. August 1910 wurde in Nürnberg das erste von vier Kindern der Eheleute Philipp Paul und Margarete Preuss geboren, ihr Sohn Adolf. Während Hermann Preuss in Nürnberg ein Schuhgeschäft gründete und Willi Preuss als Plakatkleber und Dekorateur tätig war, zog es die Eheleute Preuss zurück nach Berlin, wo im Februar 1913 ihr Sohn Martin Preuss geboren wurde. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs meldeten sich sowohl Philipp Paul als auch sein Bruder Willi freiwillig oder sie wurden rekrutiert und an verschiedenen Kriegsschauplätzen als Frontsoldaten eingesetzt. Während seiner Dienstzeit wurde Philipp Paul Preuss am 4. Juni 1917 – vermutlich als Teilnehmer der Schlacht bei Messines in Belgien – verwundet. Nach dem Ende seines Militärdienstes und der Demobilisierung kehrte Philipp Preuss zu seiner Familie nach Berlin zurück, wo 1923 und 1926 die Söhne Lothar und Gert Preuss geboren wurden. Seit 1919 lebte die Familie in einer Wohnung in der Melchiorstraße 20 in der Berliner Luisenstadt nahe dem Michaelkirchplatz. Philipp Paul Preuss wurde laut späteren Angaben des befreundeten Ehepaares Eisenstaedt in der Nachkriegszeit als sogenannter Kriegsbeschädigter bei einer Berliner Großhandelsfirma angestellt, wo er bis mindestens Mitte der 1930er-Jahre arbeitete. Seine Ehefrau Margarete betrieb in den 1920er- bis in die 1930er-Jahre eine Strickwarenmanufaktur mit mehreren Angestellten in Berlin, die verschiedene Modehäuser belieferte. Ihr Sohn Adolf erinnerte sich später an die Manufaktur: „Meine Mutter hatte die Strickwarenerzeugung zuerst in einem gemieteten Fabrikgebäude. […] Dann nahm sie eine 8 Zimmerwohnung in der Leipzigerstraße […] gegenüber von Tietz Warenhaus und betrieb in 3 Zimmer[n] die Strickmaschinen. Sie hatte Spulmaschinen, Rauhmaschinen, Strickmaschinen sowie Spezialnähmaschinen, also einen ganzen Betrieb. Ca. 1932 zog meine Mutter [an] den Luztowplatz und führte den selben Betrieb dort weiter. Als nach 1933 durch die Verfolgungsmaßnahme das Geschäft schlechter ging, zog meine Mutter mit dem Betrieb in die Lützowstraße 15, dies war ca. 1934. Meine Mutter fertigte alles nach Maß an, wie Pullover, Badeanzüge, Skianzüge.“ Kunden waren laut Adolf Preuss neben dem Warenhaus Tietz unter anderem das Unternehmen „Grünthal, Wolff und Co.“ in der Charlottenstraße und der renommierte Wiener Herrenausstatter „Kniže & Comp.“ in der Wilhelmstraße. Die Angaben ihres Sohnes decken sich recht genau mit den Daten der Berliner Adressbücher dieser Zeit. Bis 1930 firmierte die Maschinenstickerei – im Fernsprechbuch Berlin 1932 wird sie als „Atelier für maschinengestrickte Wollbekleidung“ geführt – an der Wohnadresse der Familie in der Melchiorstraße 20; 1931 in der Leipziger Straße 83; ab 1933 in der Schillstraße 8 nahe dem Lützowplatz und ab 1935 in der Lützowstraße 15. Eine weitere Wohnung war Anfang bis Mitte der 1930er-Jahre auf Philipp Preuss in der Brückenstraße 6a gemeldet.

Die Familie Preuss zählte trotz der Kriegsverletzung von Philipp Paul in der Zeit der Weimarer Republik zur einkommensstärkeren Bevölkerungsschicht der Hauptstadt. Die wenigen erhaltenen Zeugnisse zum Leben der Familie Preuss im Berlin der Weimarer Republik, zeichnen das Bild von einer dem deutschen Bürgertum angehörenden Familie, deren Angehörige am Aufschwung und den technischen Innovationen der sogenannten Goldenen Zwanziger Jahre partizipierten und Teil des aufblühenden kulturellen und gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt waren. Kunst, Musik und Bildung spielten im Familienleben eine herausragende Rolle – es wurde besonderer Wert auf die Ausbildung der Söhne gelegt. So ist etwa von Adolf Preuss bekannt, dass er privaten Klavierunterricht erhielt in einer Qualität, die es ihm später im Exil ermöglichte, ein Auskommen als Berufspianist zu finden, und in der Ausstattung der Berliner Wohnung von Philipp Paul und Margarete Preuss befanden sich auch Kunstgegenstände wie Ölgemälde. In einem späteren Lebensbericht des 1936 in Berlin geborenen Sohnes von Adolf, Rolf Preuss, erwähnt dieser Aufnahmen seines Vaters aus der Vorkriegszeit, die einen Mann zeigen, der „immer gut gekleidet war in modischen Anzügen, verschiedene neue Autos fuhr, seine Freizeit in Straßencafés verbrachte, Gruppenausflüge unternahm (Camping, Bootfahren, Skifahren usw.) und immer von vielen Freunden umgeben war.“ Philipp Pauls ältester Sohn Adolf Preuss hatte sich beruflich als Pelzhändler in Berlin betätigt, welchen Beruf der Sohn Martin ergriff, ist nicht bekannt. Die jüngeren Söhne waren noch im schulpflichtigen Alter, als die NS-Gesetzgebung ihnen ihre Chancen auf Ausbildung und freie Berufsentfaltung erschwerte.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Philipp Paul Preuss und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 war das Ehepaar Preuss als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. In Nürnberg wurde das Schuhgeschäft von Philipp Pauls Bruder Hermann im November 1938 zerstört. Im selben Jahr musste Margarete Preuss den Betrieb der Maschinenstrickerei, die seit Mitte der 1930er-Jahre immer größere Schwierigkeiten gehabt hat, ihren Kundenkreis aufrechtzuerhalten, schließlich aufgeben. Philipp Paul Preuss selbst war in den 1930er-Jahren aus seinem Anstellungsverhältnis gekündigt worden. Im Sommer 1939 gelang es Adolf Preuss, mit seiner Ehefrau und seinem dreijährigen Sohn Deutschland zu verlassen. Sie alle konnten sich über Frankreich und Italien über den Seeweg nach Shanghai retten.

Ein Schreiben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland an das „Committee for the Assistance of European Jewish Refugees in Shanghai“ vom 6. Mai 1940 deutet darauf hin, dass auch Margarete und Philipp Paul Preuss nach Möglichkeiten suchten, mit ihren Kindern Martin, Lothar und Gert nach Shanghai zu fliehen. Mit dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 war jedoch die Fluchtroute über See blockiert. Jede Hoffnung auf eine Auswanderung zerschlug sich schließlich mit dem Ausreiseverbot vom Oktober 1941. Für die in Berlin zurückgebliebenen Familienmitglieder wurde das Leben spätestens Ende der 1930er-Jahre/ Anfang der 1940er-Jahre zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Seit Anfang der 1940er-Jahre mussten Philipp Paul Preuss und sein Sohn Martin zudem Zwangsarbeit leisten: der Weltkriegsveteran und Kriegsinvalide Philipp Paul Preuss als Arbeiter bei der „Deutsche Waffen und Munitionsfabriken AG“ im Werk Berlin-Borsigwalde am Eichborndamm 103–127, sein Sohn Martin als Arbeiter in der „Berliner Wellpappen-Werk GmbH“ Berlin-Lichtenberg in der Herzbergstraße 26.

Im Sommer 1941 wurde der damals 18-jährige Schüler Lothar Preuss wegen „unerlaubten Reisens“ in Weimar aufgegriffen. Er wurde am 30. Juli 1941 im Gestapogefängnis Weimar in „Schutzhaft“ genommen und zwei Tage später, am 1. August 1941, in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Am 26. August 1941 wurde er in Buchenwald ermordet. Sein Nachlass – eine Armbanduhr und einige Kleidungsstücke – wurden am 12. September 1941 an die Kriminalpolizeileitstelle Berlin zur Aushändigung an seine Eltern geschickt, aber offenbar nie übergeben. In der Vermögenserklärung, die Margarete Preuss am 20. November 1942, kurz vor ihrer Deportation, ausfüllen musste, gibt sie unter dem Punkt „Welche Familienangehörigen wandern mit aus?“ neben ihren Söhnen Gert und Martin auch den Namen von Lothar mit Fragezeichen an, anscheinend vermutete sie ihn weiterhin in Haft und wusste auch mehr als ein Jahr danach noch nichts vom gewaltsamen Tod ihres Sohnes.

Ein letztes Lebenszeichen der Berliner Familienangehörigen aus eigener Hand hat sich mit einer Rotkreuz-Nachricht, die höchstens 25 Wörter lang sein durfte, von Margarete Preuss an ihren Sohn und dessen Frau in Shanghai erhalten. Darin schreibt sie am 14. September 1942: „Liebe Kinder! Hoffe jetzt bald eine Nachricht von Euch zu erhalten, dass Ihr gesund seid. Geht Rolfchen schon zur Schule? Gratulieren Rolfchen zum Geburtstag. Mama, Ohmi.“

Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlin informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Familie Preuss erhielt den Deportationsbescheid im Winter 1942. Im November 1942 musste sie ihre letzte Berliner Wohnung in der Lützowstraße 15 verlassen und wurde im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Von dort aus wurde der 62-jährige Philipp Paul Preuss zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Söhnen Martin und Gert Preuss am 14. Dezember 1942 mit dem „25. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo alle ermordet wurden.
Philipp Pauls Bruder Willi war zusammen mit seiner Ehefrau einige Monate zuvor, am 24. März 1942, aus Nürnberg in das Ghetto Izbica deportiert und ermordet worden. Sein Bruder Hermann überlebte die NS-Verfolgung in Nürnberg in sogenannter privilegierter Mischehe. Philipp Pauls ältester Sohn Adolf, seine Ehefrau (die Ehe wurde in Shanghai geschieden) und sein Sohn überlebten im Exil in Shanghai. Sie lebten später in den USA. Aus dem Familienzweig von Margarete Preuss überlebte ihre 1928 in Berlin geborene Nichte Gerda Levy. Sie konnte 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden. Ihre Mutter – Margaretes Schwester – Dorothea Levy, wurde mit ihrem Ehemann 1941 in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert und 1942 im Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) ermordet. Margaretes Bruder Kurt Brasch, der bis zu seinem Tod in „privilegierter Mischehe“ in Berlin lebte, verstarb im Januar 1944.