Gert Preuss

Verlegeort
Lützowstraße 15
Bezirk/Ortsteil
Tiergarten
Verlegedatum
06. Juni 2013
Geboren
21. Dezember 1926 in Berlin
Deportation
am 14. Dezember 1942 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Gert Preuss wurde am 21. Dezember 1926 in Berlin geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Philipp Paul Preuss und dessen Frau Margarete, geb. Brasch, hatten 1909 in Berlin geheiratet und dann kurzzeitig in Nürnberg gelebt, bevor sie sich in Berlin niederließen. Gert hatte drei ältere Brüder: Adolf war 1910 in Nürnberg geboren worden, in Berlin waren 1913 Martin und 1923 Lothar zur Welt gekommen. Seit 1919 lebte die Familie in einer Wohnung in der Melchiorstraße 20 in der Berliner Luisenstadt nahe dem Michaelkirchplatz.

Gerts Vater hatte in der Nachkriegszeit eine Anstellung als sogenannter Kriegsbeschädigter bei einer Berliner Großhandelsfirma gefunden; seine Mutter gründete und leitete in den 1920er- und 1930er-Jahre eine Strickwarenmanufaktur mit mehreren Angestellten in Berlin. Gerts ältester Bruder Adolf erinnerte sich später an die Manufaktur: „Meine Mutter hatte die Strickwarenerzeugung zuerst in einem gemieteten Fabrikgebäude. […] Dann nahm sie eine 8 Zimmerwohnung in der Leipzigerstraße […] gegenüber von Tietz Warenhaus und betrieb in 3 Zimmer[n] die Strickmaschinen. Sie hatte Spulmaschinen, Rauhmaschinen, Strickmaschinen sowie Spezialnähmaschinen, also einen ganzen Betrieb. Ca. 1932 zog meine Mutter [an] den Luztowplatz [Lützowplatz] und führte den selben Betrieb dort weiter. Als nach 1933 durch die Verfolgungsmaßnahme das Geschäft schlechter ging, zog meine Mutter mit dem Betrieb in die Lützowstraße 15, dies war ca. 1934. Meine Mutter fertigte alles nach Maß an, wie Pullover, Badeanzüge, Skianzüge.“ Kunden waren laut Adolf Preuss neben dem Warenhaus Tietz unter anderem das Unternehmen „Grünthal, Wolff und Co.“ in der Charlottenstraße und der renommierte Wiener Herrenausstatter „Kniže & Comp.“ in der Wilhelmstraße. Die Angaben decken sich recht genau mit den Daten der Berliner Adressbücher dieser Zeit. Bis 1930 firmierte die Maschinenstickerei – im Fernsprechbuch Berlin 1932 wird sie als „Atelier für maschinengestrickte Wollbekleidung“ geführt – an der Wohnadresse der Familie in der Melchiorstraße 20; 1931 in der Leipziger Straße 83; ab 1933 in der Schillstraße 8 nahe des Lützowplatzes und ab 1935 in der Lützowstraße 15. Eine weitere Wohnung war Anfang bis Mitte der 1930er-Jahre auf Philipp Preuss in der Brückenstraße 6a gemeldet.

Die Familie Preuss zählte trotz der Kriegsverletzung von Gerts Vater in der Zeit der Weimarer Republik zur einkommensstärkeren Bevölkerungsschicht der Hauptstadt. Die wenigen erhaltenen Zeugnisse zum Leben der Familie Preuss im Berlin der Weimarer Republik, zeichnen das Bild von einer dem deutschen Bürgertum angehörenden Familie, deren Angehörige am Aufschwung und den technischen Innovationen der sogenannten Goldenen Zwanziger Jahre partizipierten und Teil des aufblühenden kulturellen und gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt waren. Kunst, Musik und Bildung spielten im Familienleben eine herausragende Rolle – es wurde besonderer Wert auf die Ausbildung der Söhne gelegt. So ist etwa von Adolf Preuss bekannt, dass er privaten Klavierunterricht erhielt in einer Qualität, die es ihm später im Exil ermöglichte, ein Auskommen als Berufspianist zu finden, und in der Ausstattung der Berliner Wohnung von Philipp Paul und Margarete Preuss befanden sich auch Kunstgegenstände wie Ölgemälde. In einem späteren Lebensbericht des 1936 in Berlin geborenen Sohnes von Adolf, Rolf Preuss, erwähnt dieser Aufnahmen seines Vaters aus der Vorkriegszeit, die einen Mann zeigen, der „immer gut gekleidet war in modischen Anzügen, verschiedene neue Autos fuhr, seine Freizeit in Straßencafés verbrachte, Gruppenausflüge unternahm (Camping, Bootfahren, Skifahren usw.) und immer von vielen Freunden umgeben war.“ Es ist anzunehmen, dass sicher auch der wesentlich jüngere Gert – Ende 1933 war er sechs Jahre alt – im Familienkreis gefördert wurde und er sich entfalten konnte. Sein Bruder Adolf war beruflich als Pelzhändler in Berlin tätig. Welchen Beruf Martin Preuss ergriff, ist nicht bekannt. Die jüngeren Brüder Lothar und Gert Preuss waren noch im schulpflichtigen Alter, als die NS-Gesetzgebung ihnen eine Chance auf Ausbildung und freie Berufsentfaltung erschwerte.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Gert Preuss und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 waren seine Eltern als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Mai und November 1938 in Berlin erfuhren. Bereits 1933 waren mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Chancen des Fünfjährigen auf einen höheren Bildungsabschluss erheblich eingeschränkt worden. Ein Erlass von 1935 sah eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor und nach den Pogromen im November 1938 wurde jüdischen Schülern der Besuch von öffentlichen Schulen grundsätzlich verboten, womit ihnen im Wesentlichen nur noch Privatschulen und Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde als Bildungseinrichtungen offenstanden. Im Jahr 1938 sah sich Gerts Mutter gezwungen, den Betrieb der Maschinenstrickerei aufzugeben und in den 1930er-Jahren hatte sein Vater seine Anstellung verloren. Er erhielt noch eine geringe Kriegsbeschädigtenrente.

Im Sommer 1939 gelang es Gerts Bruder Adolf, mit seiner Ehefrau und seinem dreijährigen Sohn Deutschland zu verlassen. Sie alle konnten sich über Frankreich und Italien über den Seeweg nach Shanghai retten. Ein Schreiben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland an das „Committee for the Assistance of European Jewish Refugees in Shanghai“ vom 6. Mai 1940 deutet darauf hin, dass auch Margarete und Philipp Preuss mit ihren drei Söhnen nach Möglichkeiten suchten, nach Shanghai zu fliehen. Mit dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 war die Fluchtroute über See aber blockiert und mit dem Ausreiseverbot vom Oktober 1941 zerschlug sich jede Hoffnung auf Auswanderung. Für die in Berlin zurückgebliebenen Familienmitglieder wurde das Leben spätestens Ende der 1930er-Jahre/ Anfang der 1940er-Jahre zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Seit Anfang der 1940er-Jahre mussten Gerts Vater und sein Bruder Martin außerdem Zwangsarbeit leisten: der Kriegsinvalide Philipp Paul Preuss als Arbeiter bei der „Deutsche Waffen und Munitionsfabriken AG“ im Werk Berlin-Borsigwalde am Eichborndamm 103–127, Martin als Arbeiter in der „Berliner Wellpappen-Werk GmbH“ Berlin-Lichtenberg in der Herzbergstraße 26.

Im Sommer 1941 wurde Gerts 18-jähriger Bruder Lothar Preuss wegen „unerlaubten Reisens“ in Weimar aufgegriffen. Er wurde am 30. Juli 1941 im Gestapogefängnis Weimar in „Schutzhaft“ genommen und zwei Tage später, am 1. August 1941, in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Am 26. August 1941 wurde er in Buchenwald ermordet. Sein Nachlass – eine Armbanduhr und einige Kleidungsstücke – wurden am 12. September 1941 an die Kriminalpolizeileitstelle Berlin zur Aushändigung an seine Eltern geschickt, aber offenbar nie übergeben. In der Vermögenserklärung, die Margarete Preuss am 20. November 1942, kurz vor ihrer Deportation, ausfüllen musste, gibt sie unter dem Punkt „Welche Familienangehörigen wandern mit aus?“ neben ihren Söhnen Gert und Martin auch den Namen von Lothar mit Fragezeichen an, anscheinend vermutete sie ihn weiterhin in Haft und wusste auch mehr als ein Jahr danach noch nichts vom gewaltsamen Tod ihres Sohnes. Ein letztes Lebenszeichen der Berliner Familienangehörigen aus eigener Hand hat sich mit einer Rotkreuz-Nachricht, die höchstens 25 Wörter lang sein durfte, von Margarete Preuss an ihren Sohn Adolf und dessen Frau in Shanghai erhalten. Darin schreibt sie am 14. September 1942: „Liebe Kinder! Hoffe jetzt bald eine Nachricht von Euch zu erhalten, dass Ihr gesund seid. Geht Rolfchen schon zur Schule? Gratulieren Rolfchen zum Geburtstag. Mama, Ohmi.“

Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlin informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Familie Preuss erhielt den Deportationsbescheid im Winter 1942. Im November 1942 mussten sie ihre letzte Berliner Wohnung in der Lützowstraße 15 verlassen und wurden im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Von dort aus wurde Philipp Paul und Margarete Preuss zusammen mit ihren Söhnen Martin und Gert Preuss am 14. Dezember 1942 mit dem „25. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurden. Zu diesem Zeitpunkt war Gert Preuss 15 Jahre alt. Gerts Bruder Adolf, dessen geschiedene Frau und dessen Sohn Rolf überlebten im Exil in Shanghai. Sie lebten später in den USA.

Gert Preuss wurde am 21. Dezember 1926 in Berlin geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Philipp Paul Preuss und dessen Frau Margarete, geb. Brasch, hatten 1909 in Berlin geheiratet und dann kurzzeitig in Nürnberg gelebt, bevor sie sich in Berlin niederließen. Gert hatte drei ältere Brüder: Adolf war 1910 in Nürnberg geboren worden, in Berlin waren 1913 Martin und 1923 Lothar zur Welt gekommen. Seit 1919 lebte die Familie in einer Wohnung in der Melchiorstraße 20 in der Berliner Luisenstadt nahe dem Michaelkirchplatz.

Gerts Vater hatte in der Nachkriegszeit eine Anstellung als sogenannter Kriegsbeschädigter bei einer Berliner Großhandelsfirma gefunden; seine Mutter gründete und leitete in den 1920er- und 1930er-Jahre eine Strickwarenmanufaktur mit mehreren Angestellten in Berlin. Gerts ältester Bruder Adolf erinnerte sich später an die Manufaktur: „Meine Mutter hatte die Strickwarenerzeugung zuerst in einem gemieteten Fabrikgebäude. […] Dann nahm sie eine 8 Zimmerwohnung in der Leipzigerstraße […] gegenüber von Tietz Warenhaus und betrieb in 3 Zimmer[n] die Strickmaschinen. Sie hatte Spulmaschinen, Rauhmaschinen, Strickmaschinen sowie Spezialnähmaschinen, also einen ganzen Betrieb. Ca. 1932 zog meine Mutter [an] den Luztowplatz [Lützowplatz] und führte den selben Betrieb dort weiter. Als nach 1933 durch die Verfolgungsmaßnahme das Geschäft schlechter ging, zog meine Mutter mit dem Betrieb in die Lützowstraße 15, dies war ca. 1934. Meine Mutter fertigte alles nach Maß an, wie Pullover, Badeanzüge, Skianzüge.“ Kunden waren laut Adolf Preuss neben dem Warenhaus Tietz unter anderem das Unternehmen „Grünthal, Wolff und Co.“ in der Charlottenstraße und der renommierte Wiener Herrenausstatter „Kniže & Comp.“ in der Wilhelmstraße. Die Angaben decken sich recht genau mit den Daten der Berliner Adressbücher dieser Zeit. Bis 1930 firmierte die Maschinenstickerei – im Fernsprechbuch Berlin 1932 wird sie als „Atelier für maschinengestrickte Wollbekleidung“ geführt – an der Wohnadresse der Familie in der Melchiorstraße 20; 1931 in der Leipziger Straße 83; ab 1933 in der Schillstraße 8 nahe des Lützowplatzes und ab 1935 in der Lützowstraße 15. Eine weitere Wohnung war Anfang bis Mitte der 1930er-Jahre auf Philipp Preuss in der Brückenstraße 6a gemeldet.

Die Familie Preuss zählte trotz der Kriegsverletzung von Gerts Vater in der Zeit der Weimarer Republik zur einkommensstärkeren Bevölkerungsschicht der Hauptstadt. Die wenigen erhaltenen Zeugnisse zum Leben der Familie Preuss im Berlin der Weimarer Republik, zeichnen das Bild von einer dem deutschen Bürgertum angehörenden Familie, deren Angehörige am Aufschwung und den technischen Innovationen der sogenannten Goldenen Zwanziger Jahre partizipierten und Teil des aufblühenden kulturellen und gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt waren. Kunst, Musik und Bildung spielten im Familienleben eine herausragende Rolle – es wurde besonderer Wert auf die Ausbildung der Söhne gelegt. So ist etwa von Adolf Preuss bekannt, dass er privaten Klavierunterricht erhielt in einer Qualität, die es ihm später im Exil ermöglichte, ein Auskommen als Berufspianist zu finden, und in der Ausstattung der Berliner Wohnung von Philipp Paul und Margarete Preuss befanden sich auch Kunstgegenstände wie Ölgemälde. In einem späteren Lebensbericht des 1936 in Berlin geborenen Sohnes von Adolf, Rolf Preuss, erwähnt dieser Aufnahmen seines Vaters aus der Vorkriegszeit, die einen Mann zeigen, der „immer gut gekleidet war in modischen Anzügen, verschiedene neue Autos fuhr, seine Freizeit in Straßencafés verbrachte, Gruppenausflüge unternahm (Camping, Bootfahren, Skifahren usw.) und immer von vielen Freunden umgeben war.“ Es ist anzunehmen, dass sicher auch der wesentlich jüngere Gert – Ende 1933 war er sechs Jahre alt – im Familienkreis gefördert wurde und er sich entfalten konnte. Sein Bruder Adolf war beruflich als Pelzhändler in Berlin tätig. Welchen Beruf Martin Preuss ergriff, ist nicht bekannt. Die jüngeren Brüder Lothar und Gert Preuss waren noch im schulpflichtigen Alter, als die NS-Gesetzgebung ihnen eine Chance auf Ausbildung und freie Berufsentfaltung erschwerte.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Gert Preuss und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 waren seine Eltern als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. Bereits 1933 waren mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Chancen des Fünfjährigen auf einen höheren Bildungsabschluss erheblich eingeschränkt worden. Ein Erlass von 1935 sah eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor und nach den Pogromen im November 1938 wurde jüdischen Schülern der Besuch von öffentlichen Schulen grundsätzlich verboten, womit ihnen im Wesentlichen nur noch Privatschulen und Einrichtungen der Jüdischen Gemeinde als Bildungseinrichtungen offenstanden. Im Jahr 1938 sah sich Gerts Mutter gezwungen, den Betrieb der Maschinenstrickerei aufzugeben und in den 1930er-Jahren hatte sein Vater seine Anstellung verloren. Er erhielt noch eine geringe Kriegsbeschädigtenrente.

Im Sommer 1939 gelang es Gerts Bruder Adolf, mit seiner Ehefrau und seinem dreijährigen Sohn Deutschland zu verlassen. Sie alle konnten sich über Frankreich und Italien über den Seeweg nach Shanghai retten. Ein Schreiben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland an das „Committee for the Assistance of European Jewish Refugees in Shanghai“ vom 6. Mai 1940 deutet darauf hin, dass auch Margarete und Philipp Preuss mit ihren drei Söhnen nach Möglichkeiten suchten, nach Shanghai zu fliehen. Mit dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 war die Fluchtroute über See aber blockiert und mit dem Ausreiseverbot vom Oktober 1941 zerschlug sich jede Hoffnung auf Auswanderung. Für die in Berlin zurückgebliebenen Familienmitglieder wurde das Leben spätestens Ende der 1930er-Jahre/ Anfang der 1940er-Jahre zum Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen. Seit Anfang der 1940er-Jahre mussten Gerts Vater und sein Bruder Martin außerdem Zwangsarbeit leisten: der Kriegsinvalide Philipp Paul Preuss als Arbeiter bei der „Deutsche Waffen und Munitionsfabriken AG“ im Werk Berlin-Borsigwalde am Eichborndamm 103–127, Martin als Arbeiter in der „Berliner Wellpappen-Werk GmbH“ Berlin-Lichtenberg in der Herzbergstraße 26.

Im Sommer 1941 wurde Gerts 18-jähriger Bruder Lothar Preuss wegen „unerlaubten Reisens“ in Weimar aufgegriffen. Er wurde am 30. Juli 1941 im Gestapogefängnis Weimar in „Schutzhaft“ genommen und zwei Tage später, am 1. August 1941, in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Am 26. August 1941 wurde er in Buchenwald ermordet. Sein Nachlass – eine Armbanduhr und einige Kleidungsstücke – wurden am 12. September 1941 an die Kriminalpolizeileitstelle Berlin zur Aushändigung an seine Eltern geschickt, aber offenbar nie übergeben. In der Vermögenserklärung, die Margarete Preuss am 20. November 1942, kurz vor ihrer Deportation, ausfüllen musste, gibt sie unter dem Punkt „Welche Familienangehörigen wandern mit aus?“ neben ihren Söhnen Gert und Martin auch den Namen von Lothar mit Fragezeichen an, anscheinend vermutete sie ihn weiterhin in Haft und wusste auch mehr als ein Jahr danach noch nichts vom gewaltsamen Tod ihres Sohnes. Ein letztes Lebenszeichen der Berliner Familienangehörigen aus eigener Hand hat sich mit einer Rotkreuz-Nachricht, die höchstens 25 Wörter lang sein durfte, von Margarete Preuss an ihren Sohn Adolf und dessen Frau in Shanghai erhalten. Darin schreibt sie am 14. September 1942: „Liebe Kinder! Hoffe jetzt bald eine Nachricht von Euch zu erhalten, dass Ihr gesund seid. Geht Rolfchen schon zur Schule? Gratulieren Rolfchen zum Geburtstag. Mama, Ohmi.“

Der vollständigen Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlin informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Die Familie Preuss erhielt den Deportationsbescheid im Winter 1942. Im November 1942 mussten sie ihre letzte Berliner Wohnung in der Lützowstraße 15 verlassen und wurden im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 interniert. Von dort aus wurde Philipp Paul und Margarete Preuss zusammen mit ihren Söhnen Martin und Gert Preuss am 14. Dezember 1942 mit dem „25. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurden. Zu diesem Zeitpunkt war Gert Preuss 15 Jahre alt. Gerts Bruder Adolf, dessen geschiedene Frau und dessen Sohn Rolf überlebten im Exil in Shanghai. Sie lebten später in den USA.