Betty Tischler

Verlegeort
Hektorstr. 4
Bezirk/Ortsteil
Halensee
Verlegedatum
26. April 2013
Geboren
28. September 1875 in Breslau (Schlesien) / Wrocław
Deportation
am 25. Januar 1942 nach Riga
Ermordet
in Riga

Betty Tischler war – wie viele Berliner – eine gebürtige Schlesierin. In dessen Hauptstadt Breslau wurde sie am 28. September 1875 geboren. Wer ihre Eltern waren, lässt sich nicht mehr ermitteln. Sie hatte zwei, ebenfalls in Breslau geborene Brüder: Paul, Jahrgang 1870, und Carl, der am 15. April 1877 das Licht der Welt erblickte. Alle drei Geschwister haben später in Berlin gewohnt; ob und wann auch die Eltern in die Reichshauptstadt zogen, wissen wir nicht.<br />
<br />
Paul Tischler, von Beruf Kaufmann, wohnte zunächst in der Roscherstraße 13. Später bezog er die komfortable 3 ½-Zimmer-Wohnung im ersten Stock links in der Hektorstraße 4, die er offenbar als Hauptmieter mit seiner Schwester teilte. Die Miete betrug monatlich 135 Reichsmark, hinzu kamen 12 RM für Gas und Licht. Paul Tischler starb am 28. Dezember 1939 in Berlin. Ob für seinen Tod die massiven antijüdischen Repressalien der Nazis ursächlich waren, lässt sich nicht ermitteln.<br />
Betty Tischler blieb nach dem Tod des Bruders in der Hektorstraße wohnen. Möglicherweise hatte man der „Vorsorge-Rentenversicherung“, die die Wohnung vermietete, das Ableben von Paul nicht gemeldet. Denn noch nach der Deportation und dem Tod von Betty schrieb die „Vorsorge“ am 20. Februar 1942 an das Hauptplanungsamt Berlin: „Die Wohnung des jüdischen Mieters Israel Paul Tischler, Hektorstraße 4/1 links, ist auf Veranlassung des Herrn Generalinspektors für die Reichshauptstadt Berlin für kriegswichtige Zwecke geräumt und beschlagnahmt worden.“ Der „kriegswichtige Zweck“ war, dass auf die Wohnung der Wehrmachtsmajor Hermann Ahlers und dessen Frau Elsbeth ein Auge geworfen hatten und möglichst rasch einziehen wollten.<br />
<br />
<br />
Betty Tischler hatte nach dem Tod des Bruders nur noch gut zwei Jahre in der Wohnung gelebt, die aus 1 Diele, 3 Zimmer, 1 Küche, 1 Kammer, 1 Bad, 1 Toilette bestand. Am 8. Januar 1942 musste sie die sogenannte „Vermögenserklärung“ abgeben, üblicherweise die erste Stufe zur Deportation, mit deren Hilfe die Nazis die jüdischen Opfer auch materiell ausbeuteten. In der Erklärung zählt Betty Tischer nicht nur penibel ihr Mobiliar bis zu „diversen Büchern“ und einem „Nachttisch“ auf, sondern verweist auch auf Wertpapiere, die aber „eigentlich dem Bruder Paul“ gehörten. Alles, was Eigentum der Geschwister war, wurde beschlagnahmt und verfiel dem Deutschen Reich.<br />
<br />
Am 25. Januar 1942 wurde Betty Tischler zusammen mit 1043 weiteren Opfern vom Bahnhof Berlin-Grunewald aus deportiert. Dieser sogenannte „10. Osttransport“ mit vorwiegend Bewohnern aus verschiedenen Altersheimen ging nach Riga und fand in gedeckten Güterwagen statt. Im Standardwerk über die „Judendeportationen aus dem Deutschen Reich“ von Gottwaldt/Schulle heißt es über den fast viertägigen Transport: „Die Teilnehmer waren vollkommen ungeschützt dem Einfluss der noch immer herrschenden Kältewelle ausgesetzt. Das führte dazu, dass bei der Ankunft in Riga bereits viele erfroren, andere durch die Kälte stark geistig verwirrt waren und beim Ausladen in Riga-Skirotava sofort erschossen wurden.“ Das Durchschnittsalter der Transportteilnehmer in diesem Zug aus Berlin betrug 58 Jahre. Nur 13 Deportierte überlebten. Betty Tischler war nicht unter ihnen. <br />
<br />
Betty Tischler teilte ihr grausames Schicksal mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Carl Tischler und dessen Frau Johanna Tischler geb. Gonserowsky (geboren am 12. August 1885 in Berlin), die zuletzt zwei Parallelstraßen von Betty entfernt in der Katharinenstraße 8 in Berlin-Halensee gewohnt hatten. Sie wurden mit dem gleichen Transport in eisiger Kälte deportiert und unmittelbar nach der Ankunft am 30. Januar 1942 erschossen.<br />
<br />
Am 7. Mai 1942, also gut drei Monate nach der Ermordung von Betty Tischler, schrieb die „Vorsorge-Versicherung“, die noch viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Eigentümerin der Hektorstraße 4 blieb, an den Oberfinanzpräsidenten und bat um „Rückerstattung der Instandsetzungskosten der Judenwohnung Tischler über 644,69 Reichsmark“. Der Präsident signalisierte Zustimmung.<br />

Betty Tischler war – wie viele Berliner – eine gebürtige Schlesierin. In dessen Hauptstadt Breslau wurde sie am 28. September 1875 geboren. Wer ihre Eltern waren, lässt sich nicht mehr ermitteln. Sie hatte zwei, ebenfalls in Breslau geborene Brüder: Paul, Jahrgang 1870, und Carl, der am 15. April 1877 das Licht der Welt erblickte. Alle drei Geschwister haben später in Berlin gewohnt; ob und wann auch die Eltern in die Reichshauptstadt zogen, wissen wir nicht.

Paul Tischler, von Beruf Kaufmann, wohnte zunächst in der Roscherstraße 13. Später bezog er die komfortable 3 ½-Zimmer-Wohnung im ersten Stock links in der Hektorstraße 4, die er offenbar als Hauptmieter mit seiner Schwester teilte. Die Miete betrug monatlich 135 Reichsmark, hinzu kamen 12 RM für Gas und Licht. Paul Tischler starb am 28. Dezember 1939 in Berlin. Ob für seinen Tod die massiven antijüdischen Repressalien der Nazis ursächlich waren, lässt sich nicht ermitteln.
Betty Tischler blieb nach dem Tod des Bruders in der Hektorstraße wohnen. Möglicherweise hatte man der „Vorsorge-Rentenversicherung“, die die Wohnung vermietete, das Ableben von Paul nicht gemeldet. Denn noch nach der Deportation und dem Tod von Betty schrieb die „Vorsorge“ am 20. Februar 1942 an das Hauptplanungsamt Berlin: „Die Wohnung des jüdischen Mieters Israel Paul Tischler, Hektorstraße 4/1 links, ist auf Veranlassung des Herrn Generalinspektors für die Reichshauptstadt Berlin für kriegswichtige Zwecke geräumt und beschlagnahmt worden.“ Der „kriegswichtige Zweck“ war, dass auf die Wohnung der Wehrmachtsmajor Hermann Ahlers und dessen Frau Elsbeth ein Auge geworfen hatten und möglichst rasch einziehen wollten.


Betty Tischler hatte nach dem Tod des Bruders nur noch gut zwei Jahre in der Wohnung gelebt, die aus 1 Diele, 3 Zimmer, 1 Küche, 1 Kammer, 1 Bad, 1 Toilette bestand. Am 8. Januar 1942 musste sie die sogenannte „Vermögenserklärung“ abgeben, üblicherweise die erste Stufe zur Deportation, mit deren Hilfe die Nazis die jüdischen Opfer auch materiell ausbeuteten. In der Erklärung zählt Betty Tischer nicht nur penibel ihr Mobiliar bis zu „diversen Büchern“ und einem „Nachttisch“ auf, sondern verweist auch auf Wertpapiere, die aber „eigentlich dem Bruder Paul“ gehörten. Alles, was Eigentum der Geschwister war, wurde beschlagnahmt und verfiel dem Deutschen Reich.

Am 25. Januar 1942 wurde Betty Tischler zusammen mit 1043 weiteren Opfern vom Bahnhof Berlin-Grunewald aus deportiert. Dieser sogenannte „10. Osttransport“ mit vorwiegend Bewohnern aus verschiedenen Altersheimen ging nach Riga und fand in gedeckten Güterwagen statt. Im Standardwerk über die „Judendeportationen aus dem Deutschen Reich“ von Gottwaldt/Schulle heißt es über den fast viertägigen Transport: „Die Teilnehmer waren vollkommen ungeschützt dem Einfluss der noch immer herrschenden Kältewelle ausgesetzt. Das führte dazu, dass bei der Ankunft in Riga bereits viele erfroren, andere durch die Kälte stark geistig verwirrt waren und beim Ausladen in Riga-Skirotava sofort erschossen wurden.“ Das Durchschnittsalter der Transportteilnehmer in diesem Zug aus Berlin betrug 58 Jahre. Nur 13 Deportierte überlebten. Betty Tischler war nicht unter ihnen.

Betty Tischler teilte ihr grausames Schicksal mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Carl Tischler und dessen Frau Johanna Tischler geb. Gonserowsky (geboren am 12. August 1885 in Berlin), die zuletzt zwei Parallelstraßen von Betty entfernt in der Katharinenstraße 8 in Berlin-Halensee gewohnt hatten. Sie wurden mit dem gleichen Transport in eisiger Kälte deportiert und unmittelbar nach der Ankunft am 30. Januar 1942 erschossen.

Am 7. Mai 1942, also gut drei Monate nach der Ermordung von Betty Tischler, schrieb die „Vorsorge-Versicherung“, die noch viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Eigentümerin der Hektorstraße 4 blieb, an den Oberfinanzpräsidenten und bat um „Rückerstattung der Instandsetzungskosten der Judenwohnung Tischler über 644,69 Reichsmark“. Der Präsident signalisierte Zustimmung.