Paula Wachsner geb. Gumpert

Verlegeort
Mommsenstraße 35
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Geboren
26. Juli 1897 in Berlin
Deportation
am 19. Januar 1942 nach Riga
Ermordet
in Riga

Alfred Wachsner wurde am 3. August 1886 in Berlin geboren, seine Frau Paula Wachsner, geb. Gumpert, am 26. Juli 1897 ebenfalls in Berlin. Wachsner war selbständiger Knopfhändler, im Adressbuch war er als Kaufmann eingetragen.<br />
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Zunächst wohnte die Familie in der Mommsenstraße 13, seit 1932 in der Mommsenstraße 35. Die Wohnung bestand aus Wohn- und Esszimmer, 3 ½ Schlafzimmern, Flur und Balkon. Wachsners mochten klassische Musik, oft schallte Rossini durch die Räume. Die Kinder Anneliese, Günter und Gerhard mussten abends Knöpfe sortieren und verpacken. 1936/37 zogen Martin und Margarete Gumpert mit ein, weil sie sich keine eigene Wohnung mehr leisten konnten. Die Familie musste zusammenrücken. Alfred Wachsner hatte sein Geschäft aufgeben müssen, eine Umbenennung auf den Namen des Alt-Besitzers Willy von Wegeler nützte nichts, der Trick wurde von den Nazis durchschaut. Nach der Pogromnacht, die er in einem Versteck im Grunewald verbracht hatte, und nachdem ihm seine Orden aus dem Ersten Weltkrieg abgenommen worden waren, dachte Alfred Wachsner über Emigration nach. 1939 gelang es wenigstens, die drei Kinder außer Landes zu bringen. Am 3. Mai 1940 wurde die Wohnung von Nazis gestürmt und besetzt, die Bewohner wurden in die Sybelstraße 12 vertrieben, wo sie in einem Zimmer als Untermieter bei Fritz Scherbel unterkamen. Wohin das Ehepaar Gumpert umgesiedelt wurde, ist nicht belegt.<br />
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Die Sybelstraße 12 war ein Haus, in dem jüdische Menschen Unterschlupf fanden, die anderswo ausziehen mussten. Am 17. Mai 1939 lebten dort 27 Juden. Es gehörte dem Stadtrat a.D. Bernhard Guttmann, der im Nachbarhaus Nummer 13 wohnte. Von 1941 an war der Fleischermeister Hans Niesar aus Niederschönhausen neuer Eigentümer. Bei Scherbel waren außer dem Ehepaar Wachsner auch Cäcilie Weissenstein (geboren am 28. Mai 1881, deportiert am 14. Dezember 1942 nach Auschwitz) und Erich Guttmann (geboren am 10. Februar 1901 in Hirschberg im Riesengebirge, deportiert am 12. März 1943 nach Auschwitz) untergekommen. In der Wohnung muss eine drangvolle Enge geherrscht haben. Dr. Fritz Scherbel war Verlagsbuchhändler. Ob er Jude war, ist ungewiss, aber wahrscheinlich. Jedenfalls stand er von 1941 an nicht mehr im Adressbuch, sein Name taucht allerdings in keiner Deportationsliste auf.<br />
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Ihre Vermögenserklärungen mussten Alfred und Paula Wachsner am 22. Dezember 1941 abgeben. Auffällig ist, dass die Formulare teilweise mit Schreibmaschine, teilweise handschriftlich mit Füllfederhalter ausgefüllt waren. Auf die Frage nach Kindern schrieb Alfred Wachsner: „volljährig, im Ausland“ und mit der Hand dazu: „1 Kind (Gerhard) minderjährig, im Ausland“. Wiederum mit der Schreibmaschine: „Kinder jetzt ausgebürgert, daher jetzt ohne eigenes Vermögen.“ Paula Wachsner gab eine minimal abweichende Auskunft: „volljährig, sämtlich in Ausland“. Die Namen der Tochter Anneliese Wachsner (geboren 1920), die im November 1939 über den Balkan nach Israel auswanderte, und des Sohnes Günter Wachsner (geboren am 23. Mai 1921 in Berlin), der 1939 nach Neuseeland ging, taucht in diesem Zusammenhang nicht auf. Der jüngere Sohn Gerhard (geboren am 29. September 1924 in Berlin) wurde 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet und folgte 1948 seinem Bruder nach Neuseeland.<br />
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Außer den Möbeln wurden in der Vermögenserklärung aufgelistet: 6 Gardinen, 1 Papierkorb, 2 Nachttischlampen, 1 Lexikon 10 Bände, div. einzelne Besteckteile, 1 Bademantel, ein Reisekoffer. Paula Wachsner gab zusätzlich an: 3 Handtaschen, 3 Wollkleider, 3 Nachthemden. In einer anderen Handschrift, deren Urheber nicht erkennbar ist, waren die Kontostände bei der Deutschen Bank am Kurfürstendamm 162/164 genannt sowie eine Obligation der Gelsenkirchener Bergwerke zum Kurs von 104 % und zwei Versicherungen bei der Iduna. Das Gesamtvermögen wurde mit rund 2400 RM angegeben. <br />
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In einem amtlichen Schätzblatt mit Datum vom 2. April 1942 hieß es: „Der entsiedelte Wachsner, Alfred, war Untermieter und bewohnte ein Zimmer mit eigenen Möbeln“, der Zustand sei „bewohnbar, ungezieferfrei“. Drei Beamte namens Hirthe, Koch, Nietz taxierten den Wert des Inventars auf auf 205,50 Reichsmark.<br />
<br />
Die Deutsche Bank meldete dem Finanzamt am 16. März 1943 ein Guthaben von 576,14 RM und gab sich ahnungslos: „ … jetzige Adresse nicht bekannt, … nehmen wir an, dass W abgeschoben ist“ – zwei Unterschriften. Das Oberfinanzpräsidium hielt am 27. Februar 1944 fest, dass Vermögenswerte „des außerhalb des Reichsgebiets abgeschobenen Alfred Wachsner … dem Reich verfallen“ seien – wiederum zwei Unterschriften. Am 30. Juni 1944 schrieb die Rechtsabteilung der Deutschen Bank: „Das Konto und das Depot des Kunden sind nunmehr glattgestellt, die Geschäftsverbindungen erloschen.“ Dieses Schreiben trug vier Unterschriften. Allein diese Vorgänge zeigen, wie viele Personen mit dem auf die Deportation folgenden Vermögensraub befasst waren. Auch die Iduna-Versicherung teilte der Vermögensverwertungsstelle im Februar und März 1944 eilfertig mit, welche Versicherungen die Wachsners hatten, diese Briefe trugen vier weitere Unterschriften.<br />
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Alfred und Paula Wachsner wurden am 19. Januar 1942 mit etwa 1000 bei eisiger Kälte in gedeckten Güterwagen zusammengepferchten Menschen vom Bahnhof Grunewald nach Riga deportiert, der Zug kam dort am 23. Januar an. Wie der Sohn Gerhard/Gerald von Überlebenden des Ghettos Riga erfahren haben will, wurde Alfred Wachsner am 5. Februar 1942 erschossen und in ein Massengrab im Wald von Bierniki geworfen. Die Mutter Paula lebte noch zweieinhalb Jahre und wurde nach diesen unbestätigten Angaben am 13. August 1944 ermordet.

Alfred Wachsner wurde am 3. August 1886 in Berlin geboren, seine Frau Paula Wachsner, geb. Gumpert, am 26. Juli 1897 ebenfalls in Berlin. Wachsner war selbständiger Knopfhändler, im Adressbuch war er als Kaufmann eingetragen.

Zunächst wohnte die Familie in der Mommsenstraße 13, seit 1932 in der Mommsenstraße 35. Die Wohnung bestand aus Wohn- und Esszimmer, 3 ½ Schlafzimmern, Flur und Balkon. Wachsners mochten klassische Musik, oft schallte Rossini durch die Räume. Die Kinder Anneliese, Günter und Gerhard mussten abends Knöpfe sortieren und verpacken. 1936/37 zogen Martin und Margarete Gumpert mit ein, weil sie sich keine eigene Wohnung mehr leisten konnten. Die Familie musste zusammenrücken. Alfred Wachsner hatte sein Geschäft aufgeben müssen, eine Umbenennung auf den Namen des Alt-Besitzers Willy von Wegeler nützte nichts, der Trick wurde von den Nazis durchschaut. Nach der Pogromnacht, die er in einem Versteck im Grunewald verbracht hatte, und nachdem ihm seine Orden aus dem Ersten Weltkrieg abgenommen worden waren, dachte Alfred Wachsner über Emigration nach. 1939 gelang es wenigstens, die drei Kinder außer Landes zu bringen. Am 3. Mai 1940 wurde die Wohnung von Nazis gestürmt und besetzt, die Bewohner wurden in die Sybelstraße 12 vertrieben, wo sie in einem Zimmer als Untermieter bei Fritz Scherbel unterkamen. Wohin das Ehepaar Gumpert umgesiedelt wurde, ist nicht belegt.

Die Sybelstraße 12 war ein Haus, in dem jüdische Menschen Unterschlupf fanden, die anderswo ausziehen mussten. Am 17. Mai 1939 lebten dort 27 Juden. Es gehörte dem Stadtrat a.D. Bernhard Guttmann, der im Nachbarhaus Nummer 13 wohnte. Von 1941 an war der Fleischermeister Hans Niesar aus Niederschönhausen neuer Eigentümer. Bei Scherbel waren außer dem Ehepaar Wachsner auch Cäcilie Weissenstein (geboren am 28. Mai 1881, deportiert am 14. Dezember 1942 nach Auschwitz) und Erich Guttmann (geboren am 10. Februar 1901 in Hirschberg im Riesengebirge, deportiert am 12. März 1943 nach Auschwitz) untergekommen. In der Wohnung muss eine drangvolle Enge geherrscht haben. Dr. Fritz Scherbel war Verlagsbuchhändler. Ob er Jude war, ist ungewiss, aber wahrscheinlich. Jedenfalls stand er von 1941 an nicht mehr im Adressbuch, sein Name taucht allerdings in keiner Deportationsliste auf.

Ihre Vermögenserklärungen mussten Alfred und Paula Wachsner am 22. Dezember 1941 abgeben. Auffällig ist, dass die Formulare teilweise mit Schreibmaschine, teilweise handschriftlich mit Füllfederhalter ausgefüllt waren. Auf die Frage nach Kindern schrieb Alfred Wachsner: „volljährig, im Ausland“ und mit der Hand dazu: „1 Kind (Gerhard) minderjährig, im Ausland“. Wiederum mit der Schreibmaschine: „Kinder jetzt ausgebürgert, daher jetzt ohne eigenes Vermögen.“ Paula Wachsner gab eine minimal abweichende Auskunft: „volljährig, sämtlich in Ausland“. Die Namen der Tochter Anneliese Wachsner (geboren 1920), die im November 1939 über den Balkan nach Israel auswanderte, und des Sohnes Günter Wachsner (geboren am 23. Mai 1921 in Berlin), der 1939 nach Neuseeland ging, taucht in diesem Zusammenhang nicht auf. Der jüngere Sohn Gerhard (geboren am 29. September 1924 in Berlin) wurde 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet und folgte 1948 seinem Bruder nach Neuseeland.

Außer den Möbeln wurden in der Vermögenserklärung aufgelistet: 6 Gardinen, 1 Papierkorb, 2 Nachttischlampen, 1 Lexikon 10 Bände, div. einzelne Besteckteile, 1 Bademantel, ein Reisekoffer. Paula Wachsner gab zusätzlich an: 3 Handtaschen, 3 Wollkleider, 3 Nachthemden. In einer anderen Handschrift, deren Urheber nicht erkennbar ist, waren die Kontostände bei der Deutschen Bank am Kurfürstendamm 162/164 genannt sowie eine Obligation der Gelsenkirchener Bergwerke zum Kurs von 104 % und zwei Versicherungen bei der Iduna. Das Gesamtvermögen wurde mit rund 2400 RM angegeben.

In einem amtlichen Schätzblatt mit Datum vom 2. April 1942 hieß es: „Der entsiedelte Wachsner, Alfred, war Untermieter und bewohnte ein Zimmer mit eigenen Möbeln“, der Zustand sei „bewohnbar, ungezieferfrei“. Drei Beamte namens Hirthe, Koch, Nietz taxierten den Wert des Inventars auf auf 205,50 Reichsmark.

Die Deutsche Bank meldete dem Finanzamt am 16. März 1943 ein Guthaben von 576,14 RM und gab sich ahnungslos: „ … jetzige Adresse nicht bekannt, … nehmen wir an, dass W abgeschoben ist“ – zwei Unterschriften. Das Oberfinanzpräsidium hielt am 27. Februar 1944 fest, dass Vermögenswerte „des außerhalb des Reichsgebiets abgeschobenen Alfred Wachsner … dem Reich verfallen“ seien – wiederum zwei Unterschriften. Am 30. Juni 1944 schrieb die Rechtsabteilung der Deutschen Bank: „Das Konto und das Depot des Kunden sind nunmehr glattgestellt, die Geschäftsverbindungen erloschen.“ Dieses Schreiben trug vier Unterschriften. Allein diese Vorgänge zeigen, wie viele Personen mit dem auf die Deportation folgenden Vermögensraub befasst waren. Auch die Iduna-Versicherung teilte der Vermögensverwertungsstelle im Februar und März 1944 eilfertig mit, welche Versicherungen die Wachsners hatten, diese Briefe trugen vier weitere Unterschriften.

Alfred und Paula Wachsner wurden am 19. Januar 1942 mit etwa 1000 bei eisiger Kälte in gedeckten Güterwagen zusammengepferchten Menschen vom Bahnhof Grunewald nach Riga deportiert, der Zug kam dort am 23. Januar an. Wie der Sohn Gerhard/Gerald von Überlebenden des Ghettos Riga erfahren haben will, wurde Alfred Wachsner am 5. Februar 1942 erschossen und in ein Massengrab im Wald von Bierniki geworfen. Die Mutter Paula lebte noch zweieinhalb Jahre und wurde nach diesen unbestätigten Angaben am 13. August 1944 ermordet.