Therese Brasch geb. Brasch

Verlegeort
Sentastr. 3
Bezirk/Ortsteil
Friedenau
Verlegedatum
19. Dezember 2014
Geboren
16. Juni 1877 in Lobsens (Posen) / Łobżenica
Flucht in den Tod
31. März 1942 in Berlin

Therese Brasch wurde am 16. Juni 1877 in Lobens geboren. Sie war verheiratet mit Leo Brasch, Alleininhaber des Bankhauses Joseph Brasch. Das Ehepaar wohnte in Berlin-Charlottenburg in der Schlüterstraße 41. Ein letzter Eintrag im Berliner Adressbuch ist für das Jahr 1935 zu finden, das Jahr, in dem Leo Brasch verstarb. Nach dem Tod ihres Mannes ernannte Therese Brasch die langjährige Prokuristin im Bankhaus Brasch und ihre Vertraute, Ella Hellwig, zur Geschäftsführerin des Bankhauses. Von der Schlüterstraße 41 zog Therese Brasch in die Joachimsthaler Straße 22/23, von da in die Lassenstraße 32/34 in Berlin Grunewald.<br />
Am 4. September 1939 verfasste sie in Berlin-Grunewald ihr Testament. Sie verfügte über Vermögenswerte von etwa 600 000 RM und ein Grundstück in Neukölln. Als Erben setzte sie ihren Neffen, den Rechtsanwalt Dr. Karl Selowski, und ihre Nichte Margot Brock, geb. Brasch ein. Weiterhin setzte sie verschiedene Vermächtnisse für Angehörige und Bekannte in Form von Geldzahlungen und Sachwerten aus, darunter für die von ihr eingesetzte Geschäftsführerin Ella Hellwig. Diese ernannte sie auch zur Testamentsvollstreckerin. In einem weiteren Testament verfügte Therese Brasch am 4. März 1940, dass nach ihrem Tod die immerwährende Pflege der Erbgrabstätte Leo und Therese Brasch (Feld F VI Erb.3654) sowie weiterer Gräber der Familie Brasch der Gärtnerei-Inspektion des jüdischen Friedhofes der jüdischen Gemeinde zu Berlin übertragen werden sollte. <br />
Am 1. April 1941 erfolgte ein letzter Wohnungswechsel: Therese Brasch zog nach Berlin-Friedenau in die Sentastraße 3 und wohnte bei der Hauptmieterin Margarete Eppstein in einem Zimmer mit Pension zur Untermiete. Für das Zimmer zahlte sie monatlich 50 RM Miete, für die Pension 160 RM. Ihren umfangreichen Hausrat hatte sie nicht mitnehmen können, sondern unter dem Namen ihrer Vertrauten Ella Hellwig eingelagert. Die Wohnung von Margarete Eppstein in der Sentastraße 3 lag im Vorderhaus im 1. Stock links und hatte fünf Zimmer. Bei der Volkszählung vom Mai 1939 waren dort außer dem Ehepaar Eppstein noch folgende Personen gemeldet: der Schwiegersohn Siegbert Gorzelanczyk, die Tochter Käthe Gorzelanczyk, geb. Eppstein, verw. Jacob, deren gemeinsamer Sohn Hans Gorzelanczyk, Ingeborg Jacob, Tochter von Käthe Gorzelanczyk aus erster Ehe, sowie Selma Friedmann. <br />
Therese Brasch lebte noch etwa ein Jahr mit den oben genannten Mitbewohnern zusammen. Im Laufe des Jahres 1942 wurden drei Menschen aus dieser Wohnung Eppstein durch den nationalsozialistischen Rassenwahn in den Tod getrieben, fünf wurden zwangsumgesiedelt und wenige Monate später ebenfalls ermordet. Die nunmehr 65-jährige Therese Brasch entschied sich am 31. März 1942 nach Erhalt des Deportationsbescheides für die Flucht in den Tod. In der Nazi-Sprache wurde in den Akten vermerkt: „Die Jüdin Brasch hat sich der Abwanderung entzogen.“ Ihre Vermögenswerte wurden von der Gestapo zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Der Gerichtsvollzieher schätzte das Inventar ihres Zimmers auf 100 RM („1 Schrankkoffer, 5 Kleider, 2 Mäntel, 1 Rock, 2 Strickjacken, 4 Blusen, 1 Koffer mit 5 Paar Schuhen, Wäsche, alles defekt.“). <br />
Der von Therese Brasch in ihrem Testament vom 4. September 1939 als Erbe eingesetzte Neffe, Rechtsanwalt Dr. Karl Selowski, Jahrgang 1910, war nach Frankreich ins Exil gegangen, wo er überlebte. 1945 kehrte er nach Berlin zurück, zog dann nach Süddeutschland und wurde im Oktober 1950 in Karlsruhe zum Bundesrichter ernannt. Kurz nach seiner Pensionierung erhielt er das Große Kreuz des Bundesverdienstordens. Er starb am 6. Juni 1960. <br />
Die als zweite Erbin eingesetzte Nichte Margot Brock überlebte die Shoah nicht. Sie wurde am 3. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert. Vor ihrer Deportation hatte sie u.a. ihre Cousine Recha Wolff, geb. Baer als Erbin eingesetzt, deren Tochter Caroline Wolff noch in den 1990er Jahren einen Restitutionsantrag stellte. <br />
Ab 1949 kam es zu mehreren Entschädigungs- und Wiedergutmachungsverfahren, die sich über viele Jahre hinzogen, zum einen weil wegen des umfangreichen von der Gestapo eingezogenen Vermögens und der zahlreichen von Therese Brasch in ihrem Testament bedachten Personen immer neue Anträge gestellt wurden, zum anderen weil die Berliner Behörden die Ansprüche der Erben nicht anerkennen wollten. Ansprüche wegen der wertvollen Wohnungseinrichtung von Therese Brasch beispielsweise wurden zurückgewiesen, indem sich der Senator für Finanzen auf die Schätzung des Hausrates in dem Zimmer in der Sentastraße 3 durch den Gerichtsvollzieher berief („100 RM, alles defekt“). Dagegen machte Ella Hellwig geltend, dass sie Therese Braschs gesamtes Mobiliar aus den früheren geräumigen Wohnungen unter ihrem Namen eingelagert hatte. Das Verfahren für die Restitutionsansprüche von Dr. Karl Selowski wurde erst nach seinem Tod zugunsten der Witwe im November 1965 abgeschlossen.<br />
Die Akten im Landesarchiv Berlin geben einen bedrückenden Einblick in den Zeitgeist, der in den 1950er und 1960er Jahren in den Berliner Behörden gegenüber den Antragstellern auf Entschädigung und Wiedergutmachung herrschte.<br />
Am 19. Dezember 2014 wurden vor dem Haus Sentastraße 3 auf Initiative der Stolpersteininitiative Stierstraße/Friedenau sieben Stolpersteine zur Erinnerung an Therese Brasch und ihre Mitbewohner verlegt und in einer feierlichen Gedenkstunde der Öffentlichkeit übergeben.<br />
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Therese Brasch wurde am 16. Juni 1877 in Lobens geboren. Sie war verheiratet mit Leo Brasch, Alleininhaber des Bankhauses Joseph Brasch. Das Ehepaar wohnte in Berlin-Charlottenburg in der Schlüterstraße 41. Ein letzter Eintrag im Berliner Adressbuch ist für das Jahr 1935 zu finden, das Jahr, in dem Leo Brasch verstarb. Nach dem Tod ihres Mannes ernannte Therese Brasch die langjährige Prokuristin im Bankhaus Brasch und ihre Vertraute, Ella Hellwig, zur Geschäftsführerin des Bankhauses. Von der Schlüterstraße 41 zog Therese Brasch in die Joachimsthaler Straße 22/23, von da in die Lassenstraße 32/34 in Berlin Grunewald.
Am 4. September 1939 verfasste sie in Berlin-Grunewald ihr Testament. Sie verfügte über Vermögenswerte von etwa 600 000 RM und ein Grundstück in Neukölln. Als Erben setzte sie ihren Neffen, den Rechtsanwalt Dr. Karl Selowski, und ihre Nichte Margot Brock, geb. Brasch ein. Weiterhin setzte sie verschiedene Vermächtnisse für Angehörige und Bekannte in Form von Geldzahlungen und Sachwerten aus, darunter für die von ihr eingesetzte Geschäftsführerin Ella Hellwig. Diese ernannte sie auch zur Testamentsvollstreckerin. In einem weiteren Testament verfügte Therese Brasch am 4. März 1940, dass nach ihrem Tod die immerwährende Pflege der Erbgrabstätte Leo und Therese Brasch (Feld F VI Erb.3654) sowie weiterer Gräber der Familie Brasch der Gärtnerei-Inspektion des jüdischen Friedhofes der jüdischen Gemeinde zu Berlin übertragen werden sollte.
Am 1. April 1941 erfolgte ein letzter Wohnungswechsel: Therese Brasch zog nach Berlin-Friedenau in die Sentastraße 3 und wohnte bei der Hauptmieterin Margarete Eppstein in einem Zimmer mit Pension zur Untermiete. Für das Zimmer zahlte sie monatlich 50 RM Miete, für die Pension 160 RM. Ihren umfangreichen Hausrat hatte sie nicht mitnehmen können, sondern unter dem Namen ihrer Vertrauten Ella Hellwig eingelagert. Die Wohnung von Margarete Eppstein in der Sentastraße 3 lag im Vorderhaus im 1. Stock links und hatte fünf Zimmer. Bei der Volkszählung vom Mai 1939 waren dort außer dem Ehepaar Eppstein noch folgende Personen gemeldet: der Schwiegersohn Siegbert Gorzelanczyk, die Tochter Käthe Gorzelanczyk, geb. Eppstein, verw. Jacob, deren gemeinsamer Sohn Hans Gorzelanczyk, Ingeborg Jacob, Tochter von Käthe Gorzelanczyk aus erster Ehe, sowie Selma Friedmann.
Therese Brasch lebte noch etwa ein Jahr mit den oben genannten Mitbewohnern zusammen. Im Laufe des Jahres 1942 wurden drei Menschen aus dieser Wohnung Eppstein durch den nationalsozialistischen Rassenwahn in den Tod getrieben, fünf wurden zwangsumgesiedelt und wenige Monate später ebenfalls ermordet. Die nunmehr 65-jährige Therese Brasch entschied sich am 31. März 1942 nach Erhalt des Deportationsbescheides für die Flucht in den Tod. In der Nazi-Sprache wurde in den Akten vermerkt: „Die Jüdin Brasch hat sich der Abwanderung entzogen.“ Ihre Vermögenswerte wurden von der Gestapo zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Der Gerichtsvollzieher schätzte das Inventar ihres Zimmers auf 100 RM („1 Schrankkoffer, 5 Kleider, 2 Mäntel, 1 Rock, 2 Strickjacken, 4 Blusen, 1 Koffer mit 5 Paar Schuhen, Wäsche, alles defekt.“).
Der von Therese Brasch in ihrem Testament vom 4. September 1939 als Erbe eingesetzte Neffe, Rechtsanwalt Dr. Karl Selowski, Jahrgang 1910, war nach Frankreich ins Exil gegangen, wo er überlebte. 1945 kehrte er nach Berlin zurück, zog dann nach Süddeutschland und wurde im Oktober 1950 in Karlsruhe zum Bundesrichter ernannt. Kurz nach seiner Pensionierung erhielt er das Große Kreuz des Bundesverdienstordens. Er starb am 6. Juni 1960.
Die als zweite Erbin eingesetzte Nichte Margot Brock überlebte die Shoah nicht. Sie wurde am 3. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert. Vor ihrer Deportation hatte sie u.a. ihre Cousine Recha Wolff, geb. Baer als Erbin eingesetzt, deren Tochter Caroline Wolff noch in den 1990er Jahren einen Restitutionsantrag stellte.
Ab 1949 kam es zu mehreren Entschädigungs- und Wiedergutmachungsverfahren, die sich über viele Jahre hinzogen, zum einen weil wegen des umfangreichen von der Gestapo eingezogenen Vermögens und der zahlreichen von Therese Brasch in ihrem Testament bedachten Personen immer neue Anträge gestellt wurden, zum anderen weil die Berliner Behörden die Ansprüche der Erben nicht anerkennen wollten. Ansprüche wegen der wertvollen Wohnungseinrichtung von Therese Brasch beispielsweise wurden zurückgewiesen, indem sich der Senator für Finanzen auf die Schätzung des Hausrates in dem Zimmer in der Sentastraße 3 durch den Gerichtsvollzieher berief („100 RM, alles defekt“). Dagegen machte Ella Hellwig geltend, dass sie Therese Braschs gesamtes Mobiliar aus den früheren geräumigen Wohnungen unter ihrem Namen eingelagert hatte. Das Verfahren für die Restitutionsansprüche von Dr. Karl Selowski wurde erst nach seinem Tod zugunsten der Witwe im November 1965 abgeschlossen.
Die Akten im Landesarchiv Berlin geben einen bedrückenden Einblick in den Zeitgeist, der in den 1950er und 1960er Jahren in den Berliner Behörden gegenüber den Antragstellern auf Entschädigung und Wiedergutmachung herrschte.
Am 19. Dezember 2014 wurden vor dem Haus Sentastraße 3 auf Initiative der Stolpersteininitiative Stierstraße/Friedenau sieben Stolpersteine zur Erinnerung an Therese Brasch und ihre Mitbewohner verlegt und in einer feierlichen Gedenkstunde der Öffentlichkeit übergeben.