Klara Habel

Verlegeort
Marienstraße 27
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
20. Oktober 2014
Geboren
27. August 1922 in Berlin
Deportation
am 27. November 1941 nach Riga
Ermordet
30. November 1941 in Riga-Rumbula

Klara Habel wurde als Klara Antmann am 27. August 1922 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Tapezierers und Geschäftsinhabers Gerson (auch Gershon) Antmann (*1890) und der Friseurin Frieda (auch Freude) Antmann, geborene Gugig (1890–1934). Ihr Vater stammte aus der kleinen galizischen Ortschaft Przekopana, die damals zu Österreich-Ungarn gehörte (heutiges Polen, 1963 in die Stadt Przemyśl eingemeindet); ihre Mutter stammte aus der ebenfalls damals österreichischen Stadt Drohobytsch in Galizien (heutiges Дрогобич in der Ukraine). Im Jahr 1911 kam das Paar nach Berlin, wo sie sich eine Wohnung in der Dragonerstraße 48 (heutige Max-Beer-Straße) nahmen. Klaras Vater arbeitete als Tapezierer in der Hauptstadt und gründete später ein Möbel- und Tapetengeschäft in der Elsässer Straße 83 (heutige Torstraße). Im November 1913 wurde Klaras ältester Bruder Karl (Chaim) Antmann geboren; im Januar 1916 folgte ihr Bruder Jakob Antmann. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs waren die Antmanns aus der Dragonerstraße in die Elsässer Straße 83 gezogen, wo Klara geboren wurde. Im Erdgeschoss der Elsässer Straße unterhielt Gerson Antmann sein Tapezier- und Polstereigeschäft, mit dem er den Lebensunterhalt der Familie sicherte. Die Antmanns zählten im Berlin der Weimarer Republik zur bürgerlichen Mittelschicht. Klaras Eltern gehörten aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde Berlins. Im Jahr 1929 wurde Klara eingeschult. Sie besuchte die jüdische Mädchenschule in der Auguststraße.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Klara Antmann und ihre Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Seit 1933 war Klaras Vater auch als Geschäftsinhaber von den antisemitischen Kampagnen, Boykotten und Ausschreitungen betroffen, die ihren sichtbarsten Ausdruck in den Pogromen im Juni und November 1938 in Berlin erfuhren. Klara Antmann erfuhr den Antisemitismus unmittelbar im Bildungswesen. Bereits 1933 war der 10-Jährigen mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ die Chance auf einen höheren Bildungszweig versperrt worden und ein Erlass von 1935 sah eine „möglichst vollständige Rassentrennung“ in Schulen vor. Ihr Bruder Karl Antmann berichtete später zu ihrer Ausbildungssituation: „Sie hätte nach Beendigung der vier Vorschulklassen eine höhere Schule besucht. Mein Vater war hierzu willens und in der Lage. So aber blieb sie nach der Machtergreifung in der Schule Auguststraße und verließ diese nach Abschluss 1937 (möglicherweise 1938).“ Im September 1934 starb Klaras Mutter Frieda in Berlin – da war sie gerade 12 Jahre alt geworden. Ihr Vater heiratete 1936 in zweiter Ehe die aus Obornik (Oborniki) stammenden Dora Haller (*1895) und bekam mit ihr 1937 einen Sohn, dem sie den Namen Jean gaben. Ihre letzte Berliner Wohnung befand sich in der Brunnenstraße 16 in Mitte.

Karlas Bruder Karl Antmann gelang es, Mitte der 1930er-Jahre Deutschland zu verlassen und sich in das britische Mandatsgebiet Palästina zu retten. Auch Klara bereitete sich auf eine Emigration vor. Die damals 14-Jährige ging nach ihrem Schulabschluss 1937 nach Ulm, wo sie eine landwirtschaftliche Ausbildung für Palästina in einem Hachscharah-Zentrum erhielt. Bei der Ausbildungsstätte handelte es sich möglicherweise um das Jüdische Landschulheim Herrlingen nahe Ulm, das 1933 von dem Pädagogen Hugo Rosenthal (1887–1980) eingerichtet worden war und als anerkanntes Hachscharah-Zentrum 1936/1937 80 Heimschüler und 24 jüdische Kinder und Jugendliche aus Herrlingen und Ulm auf die Auswanderung vorbereitete. In Berlin hatten unterdessen die Behörden 1936 Gerson Antmann davon in Kenntnis gesetzt, dass sie die in Galizien geschlossene, religiöse Ehe seiner Mutter Beila Habel mit seinem Vater David Antmann nicht anerkennen würden. Alle Familienmitglieder mussten nun den Mädchennamen seiner Mutter, Habel, führen. Im Oktober 1938 wurde Gerson Habel im Zuge der sogenannten „Polenaktion“ verhaftet, von seiner Ehefrau und seinem kaum einjährigen Sohn getrennt und aus Berlin an die polnische Grenze nach Bentschen (Zbąszyń) deportiert. Die Ausgewiesenen durften nur wenige Nahrungsmittel und Habseligkeiten mitnehmen. Aus dem Abschiebelager Bentschen gelangte Gerson Habel 1938/1939 – möglicherweise zu Verwandten – nach Białystok, rund 180 Kilometer nordöstlich von Warschau (Warszawa), wohin ihm im Mai 1939 seine Ehefrau Dora mit ihrem Sohn Jean folgte. Im März 1939 konnte sich Klaras Bruder Jakob Habel ins Exil nach England flüchten. Zu Ostern 1939 musste das Landschulheim Herrlingen zwangsweise schließen und Klara kehrte kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Berlin zurück. Sie fand Unterkunft bei der Schwiegermutter ihres Bruders Jakob, Chawa Berman, geborene Perkal (*1886), die in der Marienstraße 27 in Berlin-Mitte lebte. Anfang der 1940er-Jahre wurde Klara zu Zwangsarbeit herangezogen – bis zu ihrer Deportation musste sie, laut späteren Berichten ihres Bruders Jakob, Zwangsarbeit in einer Ziegelei verrichten. Das Leben in Berlin war für sie zum Existenzkampf geworden: Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnte sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Klara Habel erhielt den Deportationsbescheid noch im Herbst 1941. Sie wurde in einem der Berliner Sammellager interniert. Am 27. November 1941 wurde die 19-Jährige mit dem „7. Osttransport“ über den Bahnhof Grunewald nach Riga deportiert und dort unmittelbar nach ihrer Ankunft im Bahnhof Riga-Šķirotava am 30. November 1941 in den umliegenden Wäldern des Ghettos bei Rumbula erschossen („Rigaer Blutsonntag“).

Auch ihr Vater Gerson Habel, dessen Ehefrau Dora Habel und ihr Halbbruder Jean Habel überlebten die NS-Verfolgung nicht. Sie wurden nach dem Einmarsch der Wehrmacht im besetzten Polen ermordet. Klaras Brüder Karl Chaim Antmann, der vor der Namensänderung ausgewandert war, und Jakob Habel überlebten im Exil – Karl in Palästina und Jakob in England, wo er mit seiner Ehefrau Gretel lebte. Seine Schwiegermutter Chawa Berman konnte sich 1943 vor dem Zugriff der Gestapo und der Deportation retten, indem sie untertauchte. Sie überlebte versteckt und emigrierte nach Kriegsende zu ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn nach England.