Sigmund Klein

Verlegeort
Thomasiusstraße 3
Bezirk/Ortsteil
Moabit
Verlegedatum
08. August 2014
Geboren
22. Juni 1871 in Roth (Bayern)
Deportation
am 14. September 1942 nach Theresienstadt
Ermordet
08. Dezember 1942 in Theresienstadt (Ghetto)

Sigmund Klein wurde am 22. Juni 1871 im bayerischen Roth geboren. Der Ort liegt 22 Kilometer südlich von Nürnberg am Zusammenfluss der Flüsse Roth, Rednitz und Aurach am nördlichen Rand des Fränkischen Seenlandes. Zum Zeitpunkt von Sigmunds Geburt hatte die Kleinstadt in Mittelfranken knapp 2500 Einwohner und erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung durch die Industrialisierung und die Anbindung an das Bahnnetz Mitte des 19. Jahrhunderts. Sigmund Klein war der Sohn des Kaufmanns Salomon Klein (1844–1907), der ebenfalls in Roth zur Welt gekommen war. Sigmunds Mutter Getti Klein, geborene Herz, (1848–1895) stammte aus dem etwa 30 Kilometer südlich von Roth gelegenen Markt Berolzheim. Vermutlich nicht lange vor Sigmunds Geburt hatten Salomon und Getti Klein geheiratet und eine gemeinsame Wohnung in Roth bezogen. Sigmund war das älteste von sechs Kindern des Ehepaares: 1872 und 1873 wurden seine Brüder Max und David geboren; in den Jahren 1876, 1878 und 1881 kamen seine Schwestern Doris, Maria und Rosa zur Welt. Nach der Geburt der jüngsten Tochter zog die Familie spätestens in den 1890er-Jahren nach Nürnberg, wo 1895 Sigmunds Mutter verstarb und 1907 auch sein Vater.

Sigmund Klein hatte nach seinem Schulabschluss eine kaufmännische Laufbahn eingeschlagen und war als Kaufmann in Nürnberg tätig. Im November 1905 verlobte er sich mit der aus Straßfurt nahe Magdeburg stammenden Gertrud Salinger (1878–1935), heiratete sie 1906 oder 1907 und ließ sich mit ihr in einer gemeinsamen Wohnung in Nürnberg nieder, wo am 13. Januar 1908 ihr einziges Kind zur Welt kam; ihre Tochter Lotte Klein. In den 1910er-Jahren lebte die Familie in einer Wohnung in der Hochstraße in Nürnberg-Rosenau unweit der Pegnitz, zunächst in der Hochstraße 41 und ab 1915/1916 an der Adresse Hochstraße 20. Die beiden Brüder von Sigmund, Max und David Klein, wurden nach Beginn des Ersten Weltkriegs eingezogen oder sie meldeten sich freiwillig zum Kriegsdienst. Ob auch Sigmund Klein zwischen 1914 und 1918 als Soldat im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde, geht aus den erhaltenen Quellen nicht hervor. Nach Ende des Weltkriegs zog er, vermutlich in den 1920er-Jahren, mit seiner Frau und der Tochter Lotte nach Berlin. Leider haben sich keine weiteren Quellen erhalten, die einen Einblick in das Leben des Kaufmanns mit seiner Familie im Berlin der Weimarer Republik geben könnten.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Sigmund Klein und seine Familie. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität, Erlasse und Sondergesetze drängten Sigmund Klein zunehmend in die Position eines Rechtlosen. In dieser Zeit starb Sigmunds Ehefrau Gertrud am 8. November 1935 in Berlin. Sigmund Klein lebte als Witwer alleinstehend in Berlin, bis er am 1. Januar 1939 mit seiner Tochter und deren Ehemann Walter Wolfgang Weißstein (1900–1943) in eine gemeinsame Wohnung in der vierten Etage der Thomasiusstraße 3 in Moabit zog. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, die das Leben der Familienmitglieder in Berlin zunehmend einschränkten, konnten sie sich mit der Polizeiverordnung vom 1. September 1941 „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „Judenstern“ in der Öffentlichkeit bewegen.

Der Entrechtung folgte die Deportation: Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ der Berliner Juden beginnen würde. Sigmund Klein erhielt den Deportationsbescheid im Spätsommer 1942. Er wurde im August 1942 in das Sammellager in der Gerlachstraße 18–21 nahe dem Alexanderplatz verbracht. Von dort wurde der 71-Jährige am 14. September 1942 mit dem „2. großen Alterstransport“ in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sigmund Klein überlebte die unmenschlichen Bedingungen im Ghetto nur wenige Wochen, bevor er am 8. Dezember 1942 in Theresienstadt ermordet wurde – entweder durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung mittels planvoller Mangelernährung, versagter Medikamente, Kälte und körperlichen Misshandlungen. Seine Tochter und deren Ehemann lebten noch bis zum Frühjahr 1943 in Berlin, bevor beide am 1. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet wurden.