Dr. Richard Kuenzer

Verlegeort
Ulmenallee 29
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
09. August 2014
Geboren
06. September 1875 in Freiburg i. Breisgau
Beruf
Jurist, Diplomat
Verhaftet
05. Juli 1943 in Ravensbrück
Ermordet
23. April 1945 im Zellengefängnis Lehrter Straße

Richard Kuenzer wurde am 6. September 1875 in Freiburg i.Br. geboren. Vor dem Ersten Weltkrieg stand der 1903 promovierte Jurist jahrelang als Diplomat im Dienst des Auswärtigen Amtes, so an den Konsulaten in Paris, Kapstadt, Johannesburg und Sansibar. Nach dem Weltkrieg war er noch kurze Zeit Referatsleiter im Auswärtigen Amt und Konsul in Innsbruck. Seine diplomatische Karriere endete 1923. Als Mitglied der Zentrumspartei blieb er politisch aktiv und trat besonders für die Versöhnung mit Frankreich und Polen ein. <br />
<br />
Er engagierte sich in dem 1919 unter Mitwirkung von Dr. Max Josef Metzger gegründeten „Friedensbund deutscher Katholiken”. Dem Versöhnungsgedanken hatte sich auch die katholisch geprägte Zeitschrift „Abendland” verschrieben, als deren Herausgeber er 1925-1930 zeichnete.1925 übernahm er darüber hinaus in Berlin die Aufgabe als Direktor der katholischen Tageszeitung „Germania”, dem Organ der Zentrumspartei. Auseinandersetzungen mit Franz von Papen, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Verlages und Mitglied des rechten Zentrumsflügels – später Vizekanzler unter Hitler – führten zwei Jahre später zu seinem Ausscheiden. Seitdem war er als Wirtschaftsberater tätig. In Berlin wohnte er zunächst in der Potsdamer Straße 121c, wo er noch 1930 als „Dr. jur., Wirkl. Legat. Rat z.D.“ verzeichnet war, im Adressbuch ließ er sich von 1939 an in der Ulmenalle 29 so eintragen: „Kuenzer, R., Dr. Devisenberat.“ <br />
<br />
Bereits in den ersten Jahren nach Hitlers Machtübernahme hatte Kuenzer Kontakt zu Oppositionsgruppen, insbesondere zum sogenannten Solf-Kreis um Hanna Solf (1887-1954), in dem sich gleichgesinnte Diplomaten des Auswärtigen Amtes zum Gedankenaustausch trafen. Von hier aus gab es Verbindungen auch zu anderen NS-Gegnern und Widerstandskreisen. Mit den im September 1943 verhafteten Teilnehmern des Solf-Kreises wurde Kuenzer wenig später im Gefängnisbau des KZ Ravensbrück inhaftiert. Isa Vermehren, „Sippenhäftling” in Ravensbrück, berichtet, wie der fast 70jährige dort gefoltert wurde: „Zu den nicht zu vergessenden Gestalten ... gehörte der alte Herr Kuenzer, der eines Morgens eingerollt in eine Decke vom Verhör zurückgebracht wurde. Man hatte ihn so furchtbar dabei geprügelt, daß er über 14 Tage bei offener Zelle unter ständiger Pflege mehr tot als lebendig im Bett lag.<br />
<br />
Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 wurde ihm eine Mitverantwortung an dieser Verschwörung angelastet. Seine Frau wurde in Sippenhaft genommen. Im Zellengefängnis in der Lehrter Straße in Berlin-Moabit musste er auf seinen Prozess vor dem Volksgerichtshof warten. Doch die Verhandlung wurde mehrfach verschoben, schließlich auf den 27. April 1945 festgesetzt. In der Nacht vom 22./23. April, als die Rote Armee bereits in den Berliner Ostbezirken stand, wurden Richard Kuenzer und 15 weitere Häftlinge von einem bewaffneten Kommando aus ihren Zellen geholt. Ihnen wurde vorgetäuscht, sie würden verlegt. Stattdessen wurden sie auf ein nahe gelegenes Ruinengelände geführt und hingerichtet. <br />
<br />
Ein einziger überlebte die Mordaktion schwer verletzt und konnte später davon berichten. Aufgrund seiner Schilderung wurde die Mordaktion rekonstruiert und so beschrieben: „Vor dem Tor des Gefängnisses steht ein Wehrmacht-Lkw, auf den die Gefangenen ihr Gepäck werfen müssen. Anschließend marschieren sie über die Lehrter Straße bis zur Invalidenstraße. Um den Weg zum Potsdamer Platz abzukürzen, wird eine ‚Abkürzung‘ durch den Universum-Landesausstellungspark genommen, nach schweren Luftangriffen längst eine zerbombte Ruine. Am Eingang des Geländes wird die erste achtköpfige Gruppe der Verurteilten samt Kuenzer nach rechts vor eine etwa 150 Meter entfernte zerstörte Bierhalle geführt, die zweite der Nicht-Verurteilten nach links. Nach dem Kommando ‚Achtung! Fertig! Los!‘ schießen die SS-Männer den Gestapo-Gefangenen jeweils ins Genick.“ <br />
<br />
Am nächsten Tag wurden die acht Leichen gefunden und am 5. oder 6. Mai in einem Bombentrichter an der Mauer des Dorotheenstädtischen Friedhofs in ein Massengrab geworfen. Die anderen Erschossenen wurden am 12. Mai gefunden und tags darauf bestattet. (nach „Letzte Rache des Hitler-Regimes“ in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.7.2014).<br />
<br />
In einem Bericht des Chefs der Sicherheitspolizei an NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann nach dem missglückten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 hieß es über Dr. Kuenzer: Er habe einem auf das Christentum gegründeten Gemeinschaftsleben das Wort geredet und in dem nationalsozialistischen Regime das große Hindernis für einen Frieden gesehen, wie er von vielen Angehörigen der Verschwörung herbeigewünscht wurde. Doch Kuenzer war bereits ein Jahr vor dem Attentat, am 5. Juli 1943, verhaftet worden. Sein Name war in den Verhören des wenige Tage zuvor wegen seiner Bemühungen um Frieden und Versöhnung erneut festgenommenen Priesters Dr. Max Josef Metzger gefallen. <br />
<br />
Weggefährten sprachen von Richard Kuenzer als einem „Friedenssüchtigen“. „Die Leidensbereitschaft dieses von innen her strahlenden, ja heiteren Menschen”, so bezeugte sein Schwager, „war aus tieferen Urgründen als aus denen des politischen oder sonstigen Verstandes genährt. Kuenzer war tief religiös.“ <br />
<br />
An der Beethovenstraße 8 in Freiburg i.Br., wo er vor Berlin gewohnt hatte, ist ebenfalls ein Stolperstein verlegt worden.<br />
<br />
<a href=http://www.freiburg-im-netz.de/sto…;

Richard Kuenzer wurde am 6. September 1875 in Freiburg i.Br. geboren. Vor dem Ersten Weltkrieg stand der 1903 promovierte Jurist jahrelang als Diplomat im Dienst des Auswärtigen Amtes, so an den Konsulaten in Paris, Kapstadt, Johannesburg und Sansibar. Nach dem Weltkrieg war er noch kurze Zeit Referatsleiter im Auswärtigen Amt und Konsul in Innsbruck. Seine diplomatische Karriere endete 1923. Als Mitglied der Zentrumspartei blieb er politisch aktiv und trat besonders für die Versöhnung mit Frankreich und Polen ein.

Er engagierte sich in dem 1919 unter Mitwirkung von Dr. Max Josef Metzger gegründeten „Friedensbund deutscher Katholiken”. Dem Versöhnungsgedanken hatte sich auch die katholisch geprägte Zeitschrift „Abendland” verschrieben, als deren Herausgeber er 1925-1930 zeichnete.1925 übernahm er darüber hinaus in Berlin die Aufgabe als Direktor der katholischen Tageszeitung „Germania”, dem Organ der Zentrumspartei. Auseinandersetzungen mit Franz von Papen, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Verlages und Mitglied des rechten Zentrumsflügels – später Vizekanzler unter Hitler – führten zwei Jahre später zu seinem Ausscheiden. Seitdem war er als Wirtschaftsberater tätig. In Berlin wohnte er zunächst in der Potsdamer Straße 121c, wo er noch 1930 als „Dr. jur., Wirkl. Legat. Rat z.D.“ verzeichnet war, im Adressbuch ließ er sich von 1939 an in der Ulmenalle 29 so eintragen: „Kuenzer, R., Dr. Devisenberat.“

Bereits in den ersten Jahren nach Hitlers Machtübernahme hatte Kuenzer Kontakt zu Oppositionsgruppen, insbesondere zum sogenannten Solf-Kreis um Hanna Solf (1887-1954), in dem sich gleichgesinnte Diplomaten des Auswärtigen Amtes zum Gedankenaustausch trafen. Von hier aus gab es Verbindungen auch zu anderen NS-Gegnern und Widerstandskreisen. Mit den im September 1943 verhafteten Teilnehmern des Solf-Kreises wurde Kuenzer wenig später im Gefängnisbau des KZ Ravensbrück inhaftiert. Isa Vermehren, „Sippenhäftling” in Ravensbrück, berichtet, wie der fast 70jährige dort gefoltert wurde: „Zu den nicht zu vergessenden Gestalten ... gehörte der alte Herr Kuenzer, der eines Morgens eingerollt in eine Decke vom Verhör zurückgebracht wurde. Man hatte ihn so furchtbar dabei geprügelt, daß er über 14 Tage bei offener Zelle unter ständiger Pflege mehr tot als lebendig im Bett lag.

Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 wurde ihm eine Mitverantwortung an dieser Verschwörung angelastet. Seine Frau wurde in Sippenhaft genommen. Im Zellengefängnis in der Lehrter Straße in Berlin-Moabit musste er auf seinen Prozess vor dem Volksgerichtshof warten. Doch die Verhandlung wurde mehrfach verschoben, schließlich auf den 27. April 1945 festgesetzt. In der Nacht vom 22./23. April, als die Rote Armee bereits in den Berliner Ostbezirken stand, wurden Richard Kuenzer und 15 weitere Häftlinge von einem bewaffneten Kommando aus ihren Zellen geholt. Ihnen wurde vorgetäuscht, sie würden verlegt. Stattdessen wurden sie auf ein nahe gelegenes Ruinengelände geführt und hingerichtet.

Ein einziger überlebte die Mordaktion schwer verletzt und konnte später davon berichten. Aufgrund seiner Schilderung wurde die Mordaktion rekonstruiert und so beschrieben: „Vor dem Tor des Gefängnisses steht ein Wehrmacht-Lkw, auf den die Gefangenen ihr Gepäck werfen müssen. Anschließend marschieren sie über die Lehrter Straße bis zur Invalidenstraße. Um den Weg zum Potsdamer Platz abzukürzen, wird eine ‚Abkürzung‘ durch den Universum-Landesausstellungspark genommen, nach schweren Luftangriffen längst eine zerbombte Ruine. Am Eingang des Geländes wird die erste achtköpfige Gruppe der Verurteilten samt Kuenzer nach rechts vor eine etwa 150 Meter entfernte zerstörte Bierhalle geführt, die zweite der Nicht-Verurteilten nach links. Nach dem Kommando ‚Achtung! Fertig! Los!‘ schießen die SS-Männer den Gestapo-Gefangenen jeweils ins Genick.“

Am nächsten Tag wurden die acht Leichen gefunden und am 5. oder 6. Mai in einem Bombentrichter an der Mauer des Dorotheenstädtischen Friedhofs in ein Massengrab geworfen. Die anderen Erschossenen wurden am 12. Mai gefunden und tags darauf bestattet. (nach „Letzte Rache des Hitler-Regimes“ in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.7.2014).

In einem Bericht des Chefs der Sicherheitspolizei an NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann nach dem missglückten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 hieß es über Dr. Kuenzer: Er habe einem auf das Christentum gegründeten Gemeinschaftsleben das Wort geredet und in dem nationalsozialistischen Regime das große Hindernis für einen Frieden gesehen, wie er von vielen Angehörigen der Verschwörung herbeigewünscht wurde. Doch Kuenzer war bereits ein Jahr vor dem Attentat, am 5. Juli 1943, verhaftet worden. Sein Name war in den Verhören des wenige Tage zuvor wegen seiner Bemühungen um Frieden und Versöhnung erneut festgenommenen Priesters Dr. Max Josef Metzger gefallen.

Weggefährten sprachen von Richard Kuenzer als einem „Friedenssüchtigen“. „Die Leidensbereitschaft dieses von innen her strahlenden, ja heiteren Menschen”, so bezeugte sein Schwager, „war aus tieferen Urgründen als aus denen des politischen oder sonstigen Verstandes genährt. Kuenzer war tief religiös.“

An der Beethovenstraße 8 in Freiburg i.Br., wo er vor Berlin gewohnt hatte, ist ebenfalls ein Stolperstein verlegt worden.

http://www.freiburg-im-netz.de/stol...